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Bundes-Immissionsschutzgesetz

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Bundesimmissionsschutzgesetz ist die Kurzbezeichnung für das deutsche Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnlichen Vorgängen. Es ist dem Gebiet des Umweltrechts zuzuordnen und ist eines der wohl bedeutendsten und praxisrelevantesten Regelwerke dieses Rechtsgebietes.

Zur Geschichte des Gesetzes

Das Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnlichen Vorgängen (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830) in der zur Zeit gültigen Fassung vom 8. Juli 2004 (BGBl. I S. 21578) ist ein deutsches Bundesgesetz und stammt aus dem Jahr 1974. Es geht in seiner Regelungsstruktur (etwa: die Genehmigungspflicht, die ennummerative Aufzählung der genehmigungsbedürftigen Anlagen, Instrumente der nachträglichen Anordnung und der Stillegungs-/Beseitigungsverfügung) aus den §§ 16 - 25 der Gewerbeordnung hervor, die schon im Kaiserreich das Anlagengenehmigungsrecht regelten. Für die umweltmäßige Überhöhung der mit seinem Erlass ins Immisionsschutzgestz ausgewanderten gewerberechtlichen Vorschriften dürfte (besonders bezüglich der Technikstandards) nicht zuletzt der US-amerikanische Clean Air Act (CAA) von 1970 Pate gestanden haben. Auch heute noch ist das Immissionsschutzgesetz das Gewerbeanlagengenehmigungsrecht schlechthin, weshalb seine Ausführung vielfach noch durchaus sinngerecht bei den Gewerbebehörden liegt.

Basisdaten
Kurztitel: Bundes-Immissionsschutzgesetz
Voller Titel: Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen
durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen
und ähnliche Vorgänge
Typ: Bundesgesetz
Rechtsmaterie: Umweltrecht
Gültigkeitsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Abkürzung: BImSchG
FNA: 2129-8
Verkündungstag: 15. März 1974 (BGBl. I 1974, S. 1193)
Aktuelle Fassung: 8. Juli 2004 (BGBl. I S. 21578)


Ansatzpunkt des Gesetzes sind bestimmte Formen der Umwelteinwirkung (= Immission). Durch das Gesetz soll also die Umwelt insgesamt geschützt werden; das unterscheidet es von anderen Gesetzen wie beispielsweise den Wasser- oder den Bodenschutzgesetzen, die (nur) auf den Schutz bestimmter Bestandteile der Umwelt abzielen. Die Zusammenfassung von "Luftverunreinigungen, Geräuschen, Erschütterungen und ähnlichen Vorgängen" in einem Gesetz, die aus der Sicht von Umweltschutz oder Umwelttechnik eher willkürlich erscheint, erklärt sich aus dem Bürgerlichen Recht. § 906 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches lautet:

"Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden."

Das Gesetz wurde zu einer Zeit erlassen, als industrielle Emissionen als ein ernsthaftes Problem nicht nur für die menschliche Gesundheit, sondern auch für die sonstige Umwelt erkannt worden waren und deren Regulierung mit dem Instrumentarium der Gewerbeordnung (beispielsweise frühere politische Kampagnen wie "Blauer Himmel über der Ruhr") an ihren Grenzen angelangt war. Es ist seitdem vielfach verändert, in seinem Regelungsumfang erweitert und in der Regelungstechnik verfeinert worden.

Regelungsansatz

Immissionen lassen sich nur dadurch begrenzen, dass Emissionen begrenzt werden. Die gesetzliche Begrenzung von Emissionen stellt immer einen Eingriff in die Handlungs-, namentlich die Gewerbefreiheit dar. Deswegen dürfen sie nicht "um ihrer selbst willen" begrenzt werden, sondern nur nach dem Maßstab ihrer Schädlichkeit, das heißt ihrer Einwirkung auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Das Gesetz bezweckt sowohl die Abwehr bestehender oder bevorstehender Gefahren als auch - bei genehmigungsbedürftigen Anlagen - der Vorsorge.

Zentraler Begriff ist die Anlage. Dieser wird in § 3 Abs. 5 des Gesetzes definiert:

"Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
1. Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2. Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3. Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege."

Das Gesetz stellt Anforderungen an alle Anlagen. Anlagen sind dabei nicht nur industielle Großanlagen, sondern etwa auch alltägliche Gegenstände wie Fahrräder, Fernseher oder Rasenmäher (derer sich sogar die Europäische Union mit einer eigenen Regelung annahm) als ortsveränderliche (Nr 2), oder Sportplätze und Turnhallen als ortsfeste (Nr. 1) Anlagen. Unter die Nummer 3 fällt zum Beispiel eine Baustelle, wenn sie von gewisser Dauer ist. Bestimmte Anlagen unterliegen wegen ihres erhöhten Gefahrenpotentials einer Genehmigungspflicht mit erhöhten Anforderungen (genehmigungsbedürftige Anlagen, § 4 Abs. 1 BImSchG). Diese Anlagen sind nicht im Gesetz selbst aufgeführt, sondern in der 4. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetz (4. BImSchV) abschließend in einer langen Liste verschiedener Anlagentypen ennummeriert; dabei ist häufig die Größe oder der Produktionsdurchsatz einer Anlage, das heißt das Überschreiten bestimmter Schwellenwerte hinsichtlich Schadstoffausstoß, Stoffdurchsatz oder ähnlichem, maßgeblich dafür, ob sie der Genehmigungspflicht unterliegt oder nicht.

Genehmigungsverfahren

Das Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ist ein sehr anspruchsvolles Verfahren, weil darin sämtliche Umweltauswirkungen einer Anlage berücksichtigt und gewürdigt werden müssen. Auf die Genehmigung besteht ein Rechtsanspruch, wenn

"1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen" (§ 6 Abs. 1 BImSchG).

Dies bedeutet, dass im Genehmigungsverfahren die Einhaltung aller öffentlich-rechtlichen Vorschriften überprüft wird, die für die Anlage einschlägig sind. Sozusagen im Gegenzug ersetzt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung die meisten anderen erforderlichen Genehmigungen wie beispielsweise eine Baugenehmigung (§ 13 BImSchG, sog. Konzentrationswirkung). Eine Ausnahme machen allerdings wasserrechtliche Vorschriften und solche, die ein Planfeststellungsverfahren verlangen. Die Genehmigung gewährt dem Anlagenbetreiber Rechtssicherheit, denn mit ihrer Erteilung sind privatrechtliche Ansprüche (§ 906 BGB, siehe oben Nr. 1) beschränkt; vom Betrieb Beeinträchtigte können die Einstellung des Betriebes nicht mehr verlangen (§ 14 BImSchG). Das Genehmigungsverfahren ist öffentlich. Dies bedeutet, dass der Antrag auf eine Genehmigung öffentlich bekanntgemacht wird und die Gelegenheit besteht, bei der Genehmigungsbehörde Einwendungen gegen das Vorhaben zu erheben.

Die Dynamik des Immissionsschutzrechts

Anders als bei Genehmigungen nach dem Baurecht oder dem US-amerikanischen Clean Air Act (CAA) ist der Betreiber einer Anlage nicht auf ewig vor neuen Anforderungen an die immissionsschutzrechtliche Sicherheit gefeit. Nach § 17 Abs. 1 BImSchG können auch noch nach der Genehmigung Anordnungen getroffen, werden um die Betreiberpflichten des § 5 BImSchG durchzusetzen. Dies sind insbesondere die Pflichten, Ischädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren abzuwehren aber auch die Pflicht schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren vorzubeugen (sog. Vorbeugepflicht). Gerade die Vorbeugepflicht ist technologiebezogen, d.h. muss dem jeweiligen Stand der Technik entsprechen. Da sich dieser mit dem technischen Fortschritt ständig verändert (-bessert), verändert sich auch der Inhalt der Vorsorgepflicht mit dem technischen Fortschritt, weshalb diese Pflicht als dynamische Pflicht bezeichnet wird. Damit können mit jeder Verbesserung der Vorbeugetechnologien über den § 17 Abs. 1 in Verbindung mit der Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG neue, dem neuen Stand der Technik angepasste nachträgliche Anordnungen ergehen, die so eine dynamische Anpassung der Beschaffenheit und des Betriebes der Anlage an den technischen Fortschritt ermöglichen. Das gleiche gilt in abgeschwächter Form für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, hier können die Anordnungen auf § 25 in Verbindung mit § 22 BImSchG, der ebenfalls technologiebasierte Pflichten regelt, gestützt werden

Implementierung - das Vollzugsdefizit

Die nach § 17 BImSchG konkretisierten Pflichten, Auflagen zur Genehmigung und Pflichten aus Rechtsverordnungen können gegen den Betreiber nach § 20 Abs. 1 BImSchG durchgesetzt werden, indem ihm bis zur Erfüllung der Pflichten der Betrieb der Anlage verboten wird. Auflagen und Anordnungen können zudem auf dem Verwaltungsvollstreckungswege durchgesetzt werden. Typisch gewerberechtlich ist die Vorschrift des § 21 BImSchG. Danach kann bestimmten natürlichen Personen das Mitwirken beim Betreiben der Anlage versagt werden, wenn sie sich als unzuverlässig herausgestellt haben. Typisch polizeirechtlich ist die Vorschrift des § 20 Abs. 2 BImSchG, wonach eine genehmigungsbedürftige Anlage, die ohne Genehmigung betrieben wird stillgelegt (d.h. der Betrieb untersagt) oder gar beseitigt werden kann. Das Verbot, genehmigungsbedürftige Anlagen ohne Genehmigung nicht zu errichten oder zu betreiben, ist zudem strafbewährt - § 327 Strafgesetzbuch. Zur Kontrolle der Anlagen sind die Behörden befugt, das Anlagengrundstück,und unter bestimmten Voraussetzungen auch Geschäfts- und Wohnräume zu betreten (§ 52 BImSchG). Regelmäßig müssen vom Betreiber Emissionserklärungen abgegeben werden (§§ 26 ff BImSchG).

Obschon das BImSchG einen ausgereiften Katalog an Durchsetzungsinstrumenten kennt, wird landläufig vom Vollzugsdefizit gesprochen. Dies soll sagen, dass längst noch nicht alle Anlagen so "up to date" sind, wie sie es eigentlich sein sollten (s.oben zur Dynamik) und dass das Gros der Verstöße gegen immissionsschutzrechtliche Vorschriften trotz umfänglicher Möglichkeiten nach dem BImSchG und sogar dem § 327 Strafgesetzbuch ungeahndet bleibt. Dies mag zum Einen auf die begrenzten Kapazitäten der Überwachungsbehörden zurückzuführen sein, denen eine schier unendliche Zahl von Anlagen gegenübersteht, die natürlich Alles daransetzen, sowenig reguliert zu werden als möglich. Ein anderer nicht zu missachtender Grund ist die starke Einflussnahme lokaler und regionaler Politik auf die Verwaltung, um Maßnahmen gegen Anlagenbetreiber, die ja auch Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen oder erhalten, zu verhindern.

Weitere Zwecke und Inhalte des Gesetzes

Das Gesetz enthält neben den Vorschriften, die auf einzelne Anlagen bezogen sind, auch solche, die die Überwachung der Luftqualität (§§ 44 ff.) regeln, auf die räumliche Planung einwirken (§ 50 BImSchG) sowie solche, die die Vorsorge für Störfälle betreffen (§§ 51a, 52a, 58a-d).

Durchführungsverordnungen

Das Gesetz selbst regelt nur die grundsätzlichen Anforderungen. Die für die Praxis wesentlichen, überwiegend technischen Einzelheiten sind in zahlreichen Durchführungsverordnungen geregelt, die konkrete Anforderungen an bestimmte Typen von Anlagen definieren sowie Einzelheiten zum Genehmigungsverfahren und zur Überwachung von Anlagen enthalten.

Siehe auch

Literaturempfehlung

Obwohl ein Kommentar ist das Werk von Jarass zum BImSchG jedem, der sich auf profunde Weise mit der Materie befassen möchte ein unverzichtlicher Begleiter. Neueste Auflage von 2003 im Beck-Verleag, München.