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Gottesbeweis

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Als Gottesbeweise werden Versuche bezeichnet, die Existenz Gottes zu beweisen (oder zumindest Indizien dafür zu finden).

Die heutige Einschätzung der Gottesbeweise beruht weitgehend auf Immanuel Kants Schlussfolgerung von der Ungültigkeit der meisten Arten von Gottesbeweisen speziell auch der im Mittelalter vorherrschenden scholastischen Gottesbeweise und der Unmöglichkeit speziell von ontologischen Gottesbeweisen. Trotz dieser Kritik Kants werden scholatische Gottesbeweise auch in heutiger Zeit von Neuscholastikern innerhalb der Natürlichen Theologie weiterhin vertreten; sehr konservative Kreise (z.B. Opus Dei) halten sogar weitgehend an der urprüngliche Scholastik fest. Demgegenüber greifen moderne Philosophen, beispielsweise J.L.Mackie, Kants Kritik auf und stellen sie auf eine neue Basis innerhalb der Analytischen Philosophie, während von einigen Philosophen, wie etwa A. Plantinga, eine neue Formulierung des ontologischen Gottesbeweises versucht wurde. Neben dem Versuch, die Existenz Gottes zu beweisen, gab es auch Versuche, die Existenz Gottes zu widerlegen (z.B. Ludwig Feuerbach).

In der vorchristlichen Antike und im christlichen Mittelalter spielten Gottesbeweise für das Leben der Gläubigen selbst keine Rolle. Die Existenz von Göttern, oder eines Gottes, war in den frühen staatlichen Gesellschaften meist zusammen mit der jeweiligen Staatsreligion doktrinär festgeschrieben, und Infragestellung wurde oft als Gottlosigkeit oder Atheismus mit erheblichen Sanktionen belegt. Die theoretischen Überlegungen sollten zu dieser Zeit lediglich die vorhandene Grundüberzeugungen stützen. Ein starkes Motiv für das Aufstellen scholastischer Gottesbeweise im Mittelalter war die Bekehrung von Heiden. In rein heidnischen Gesellschaften konnte zunächst weder staatlicher Druck angewendet werden und auch die Bibel war noch nicht als unumstössliche Wahrheit anerkannt, so dass auch nicht doktrinär argumentiert werden konnte. Deswegen mussten andere Wege beschritten werden, um die Menschen zum christlichen Glauben zu führen, wozu auch gerade scholastische Gottesbeweise dienen sollten. Die eigentliche Zeit der Gottesbeweise war die Frühe Neuzeit und die deutsche Aufklärung. Für deistische Aufklärer sollten die Gottesbeweise eine auf der Vernunft basierende Religion etablieren, welche ohne jegliche Offenbarungselemente auskäme. Mit der einflussreichen Kritik I.Kants an den Gottesbeweisen und dem Entstehen einer säkularisierenden und säkularisierten Gesellschaft nahm die Bedeutung der Gottesbeweise allgemein ab, gewannen aber jetzt eine grössere Bedeutung für religiöse gläubige Kreise selbst und wurde auch zu einer eigenständigen philosophischen Disziplin, der Natürlichen Theologie.


Der ontologische Gottesbeweis

Der ontologische Gottesbeweis wurde von Anselm von Canterbury (1033-1109) ersonnen. Ontologisch wurde der Beweis von Immanuel Kant bezeichnet; nach dem griechischen Wort für Sein (to on). Verkürzt ausgedrückt, wird der Beweis etwa so definiert: Wir können uns eine absolute Vollkommenheit vorstellen, ergo muss es sie auch geben. Und ist sie existent, so muss es Gott sein.

Die Gedanken von Anselm von Canterbury waren folgende: Gedacht sei ein Wesen, das vollkommener ist, als alle anderen, welche man sich vorstellen kann. Wer nun diesen Satz versteht, der muss einen Begriff für dieses Wesen haben. Ansonsten wäre der Satz unverständlich. Zum Beispiel ist der Satz "Stell Dir einen Yeti vor!" nur dann sinnvoll, wenn man einen Begriff vom Yeti hat.

Anselm von Canterbury war jedoch nicht der Ansicht, dass dieses vorgestellte vollkommene Wesen nur als Idee existiere. Denn wenn diese wahr wäre, so könne man sich ein noch vollkommeneres Wesen vorstellen, nämlich ein solches, welches dazu noch existent wäre. Und genau dies würde der Hypothese widersprechen.

Dieses Wesen ist nach Ansicht Anselm von Canterbury Gott, den er für das vollkommenste Wesen hält.

Wenn man jedoch nach dem vollkommensten Wesen gesucht hätte, welches auch existiert, dann wäre man nicht zum selben Schluss gekommen. Denn man hätte nie beweisen können, dass dies auch Gott ist. Anselm von Canterburys Begriff des Seins stellt sich also als eine Art der Vollkommenheit dar und nicht in einer Erfahrung der Existenz. Oder anders ausgedrückt: Die Vorstellung eines Dinges beruht nicht unbedingt auf der Vorstellung des Seins genausowenig wie die Vorstellung eines Dinges von dessen Existenz abhängig ist.

Erst Immanuel Kant hat über 700 Jahre später (1781) in der Kritik der reinen Vernunft den ontologischen Gottesbeweis widerlegt. Er zeigt nämlich, dass Anselm von Canterbury verschiedene Kategorien vermengt hatte. So wurde der grammatische Begriff sein wie ein ontologischer Begriff verwendet. Weiterhin setzt Anselm von Canterbury in seiner Definition des vollkommenen Wesens dessen Existenz bereits voraus. Und wenn man nun sagt, dass ein Ding ist oder existiert, so fügt man ihm nichts hinzu, sondern gibt ihm Eigenschaften. Man wiederholt nur, dass man erfahren hat, dass dieses Ding existiert. Man könnte nämlich auch sagen, dass das vollkommenste Wesen nicht existiert. Diese Aussage enthält keinen logischen Widerspruch, da ein solches Wesen keine objektive Realität besitzt (es ist ein grammatisches Subjekt) aber man nicht die Vorstellung des Wesens an sich leugnet. Wenn also der Satz "Ein vollkommenes Wesen existiert nicht!" nicht logisch widersprüchlich ist, dann ist der Satz "Ein vollkommenes Wesen existiert!" nicht logisch notwendig.

Nach Kant ist der einzige Beweis für eine Existenz die Erfahrung und Anselm von Canterburys Beweis nichts anderes als eine Tautologie.


Der Kontingenzbeweis

Der Kontingenzbeweis schließt aus der Tatsache, dass es nicht-notwendiges Sein gibt, darauf, dass es das absolut notwendige Sein (das Absolute) geben müsse. Das nicht-notwendige (zufällige) Sein sei nur, weil es das Sein einem anderen Sein verdanke, könnte also auch nicht sein. Letztlich müsse es ein Sein geben, das aus sich heraus (ens a se) ist; dies sei das Absolute, das heißt Gott. Siehe zu einer ausführlicheren Begründung den Artikel: Natürliche Theologie

Dieser Beweisversuch setzt zwingend voraus, dass nicht alles Sein notwendig ist, und nicht-notwendiges Sein nicht nur scheinbar aus der begrenzten menschlichen Perspektive resultiert. Diese Voraussetzung ist fragwürdig und muss jedenfalls nicht unbedingt der Fall sein. So sind Weltmodelle vorstellbar in denen alles mögliche Sein notwendig auch existiert, Beobachtern aber prinzipiell nur begrenzte Ausschnitte der Welt zugänglich sind. Dieser zugängliche Auschnitt kann je nach Beobachter unterschiedlich sein. Entitäten in den für einen Beobachter nicht zugänglichen Bereichen würde dieser dann aus seiner Perspektive als nichtexistent betrachten, während es sie in der "Gesamtwelt" trotzdem gibt und ein anderer Beobachter mit anderer Perspektive sie als existent betrachten könnte. Ein Beispiel für ein solches Weltmodells ist etwa Everetts Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik. Sogar aus dem gegenwärtigen Standardmodell der Kosmologie folgt, wie vom Physiker Max Tegmark gezeigt, dass innerhalb einer Entfernung von 1028 Metern alle quantenmechanisch möglichen Welten vorkommen und deswegen alles demnach vorstellbar Mögliche auch existieren muss, obwohl für uns nur ein sehr kleiner Teil davon zugänglich ist, da unser physikalischer Ereignishorizont viel geringer ist. Die Möglichkeit von nicht-notwendigem Sein wäre dann also nur eine scheinbare und würde letztlich daraus resultieren, dass in unserer Auffassung von "Sein" die menschliche Perspektive implizit miteingeht.


Der teleologische Gottesbeweis

Nach dem teleologischen Gottesbeweis ist alles in der Welt zielgerichtet und auf Ordnung, Schönheit und Zweckmäßigkeit hin ausgelegt. Es wird oft argumentiert, dass dies nur den Schluss zu ließe, dass Gott existieren muss und die Welt dergestalt eingerichtet hat. Unausgesprochene Voraussetzung des teleologischen Beweises ist, dass komplexe Systeme, welche einen geordneten und zielgerichteten Eindruck machen, nur von einer planerischen Intelligenz geschaffen werden können.

Einer der ersten Kritiker des teleologischen Gottesbeweises war David Hume in seinen Dialogues Concerning Natural Religion. Dieses Werk entstand hundert Jahre, bevor die Evolutionstheorie formuliert wurde. Mit deren Siegeszug aber auch der Entwicklung von Theorien wie der Selbstorganisation hat der teleologische Gottesbeweis stark an Überzeugungskraft verloren.

In der Praxis hat sich inzwischen die Begrenztheit planerischen intelligenten Handelns gezeigt. So haben sich etwa menschliche Wirtschaftsysteme, die zentral geplant und geleitet wurden (Planwirtschaft), nicht gegenüber marktwirtschaftlichen Systemen, die mit evolutionären Elementen wie etwa dem Prinzip "Versuch und Irrtum" arbeiten, durchsetzen können. Bei noch komplexeren Systemen, wie zum Beispiel der Biosphäre, sind die Möglichkeiten planerischen Handelns gegenüber evolutionären "Versuch und Irrtums-Strategien" dementsprechend noch begrenzter.

Zudem fällt an dieser Argumentation ein mehr oder weniger versteckt anthropomorphes Element auf, da hier ein Gott mit einer planerischen Intelligenz entsprechend dem Menschen als Vorbild konstruiert wird, auch wenn die Fähigkeiten des so konstruierten Gottes die des Menschen übersteigen sollen.

Theodizee

Die Theodizee (frz. théodicée), von theos (griech. Gott) diké (griech. Gerechtigkeit), fragt danach, wie Gott das Böse in der Welt zulassen kann. Es handelt sich nicht um einen Gottesbeweis, sondern um einen Versuch, die Existenz eines allmächtigen und zugleich gütigen Gottes trotz Vorhandenseins von Bösem und Übel in der Welt zu plausibilisieren.

Der kosmologische Gottesbeweis

Die physikalischen Naturkonstanten haben solche Werte, dass sie Leben, wie wir es kennen, ermöglichen. Wären sie auch nur um wenige Promille anders, gebe es heute kein Leben auf unserem Planeten, also auch keine Menschen. Die Naturkonstanten scheinen also wie von einem Schöpfergott passend gewählt zu sein.

Diesem kosmologischen Gottesbeweis steht jedoch das anthropische Prinzip gegenüber ("Weil es Beobachter des Universums gibt, muss es Eigenschaften besitzen, die die Existenz von Beobachtern zulassen").

Auch verschiedene kosmologische Modelle bieten Erklärungen für diese Beobachtungen, wie vor allem die Theorie des Multiversums, wobei Beobachter nur in den Universen entstehen konnten, die die entsprechenden physikalischen Rahmenbedingungen bieten.

Pascalsche Wette

Die Pascalsche Wette wird Blaise Pascal zugeschrieben und ist kein eigentlicher Gottesbeweis. Sie wird manchmal von Gläubigen benutzt, um nichtgläubige Menschen von den Vorteilen eines Gottglaubens zu überzeugen. Es basiert auf der Annahme, dass Gott, sofern er existiert, diejenigen belohnt, die an ihn glauben, und diejenigen bestraft, die nicht an ihn glauben. Es gibt also vier Möglichkeiten:

  1. Gott existiert nicht, und ich glaube nicht an Gott (neutral)
  2. Gott existiert nicht, und ich glaube an Gott (neutral)
  3. Gott existiert, und ich glaube nicht an Gott (Bestrafung)
  4. Gott existiert, und ich glaube an Gott (Belohnung)

Die "Pascalsche Wette" wendet darauf die Regeln der Spieltheorie an und schlussfolgert, dass es – unabhängig davon, ob man die Wahrscheinlichkeit für die Existenz Gottes mit 0,1 % oder 99,9 % einschätzt – taktisch klüger ist, an Gott zu glauben (neutral oder Belohnung), als nicht an Gott zu glauben (neutral oder Bestrafung).

Hierbei wird implizit angenommen, dass der Glaubende den 'richtigen' Gott aus der Vielzahl der anbietenden Religionen auswählt. Außerdem scheint die Annahme problematisch, dass das Heil des Gläubigen allein vom Glauben und nicht z.B. von den Taten oder anderen Faktoren abhängt. Damit bricht die Argumentation sofort zusammen, falls Gott zum Beispiel einen aufrechten Atheisten oder Agnostiker gegenüber einem opportunistischen glaubenden Theisten, der sich seinen Vorteil buchstäblich ausgerechnet hat, bevorzugt.

Zitate

  • Albert Einstein sagte 1929 in einem Interview: "Wir befinden uns in der Lage eines kleinen Kindes, das in eine riesige Bibliothek eintritt, die mit vielen Büchern in verschiedenen Sprachen angefüllt ist. Das Kind weiß, dass jemand die Bücher geschrieben hat. Es weiß aber nicht, wie das geschah. Es versteht die Sprachen nicht, in der sie geschrieben wurden. Das Kind erahnt dunkel eine mysteriöse Ordnung in der Zusammenstellung der Bücher, weiß aber nicht, was es ist. Das ist nach meiner Meinung die Einstellung auch des intelligentesten Menschen gegenüber Gott. Wir sehen ein Universum, das wunderbar zusammengesetzt ist und bestimmten Gesetzen gehorcht, aber diese Gesetze verstehen wir nur andeutungsweise. Unser begrenzter Verstand kann die mysteriösen Kräfte, welche die Konstellationen bewegen, nicht fassen." (zitiert nach Brian, D.: Einstein - a life, Wiley 1996, S.186)
  • Der Mathematiker Leonhard Euler wurde von der Russischen Zarin Katharina der Großen zu einer Diskussion mit dem Philosophen Diderot nach St. Petersburg eingeladen. Euler sollte dort einen mathematischen Beweis für die Existenz Gottes liefern. Als der Disput beginnen sollte, stand Euler auf und sagte: "Mein Herr, , also existiert Gott. Antworten Sie mir!" Diderot, der von Mathematik keine Ahnung hatte, musste sich geschlagen geben.

Literatur

  • Brugger, Walter: Philosophisches Wörterbuch, 21. Auflage, Freiburg 1992
  • Brugger, Walter: Summe einer philosophischen Gotteslehre, München 1979
  • Cramer, Wolfgang: Gottesbeweise und ihre Kritik – Prüfung ihrer Beweiskraft, Frankfurt am Main 1967
  • Kälin, Bernhard: Lehrbuch der Philosophie. Band I: Logik, Ontologie, Kosmologie, Psychologie, Kriteriologie und Theodizee, Sarnen 1957
  • Lehmen, Alfons: Lehrbuch der Philosophie auf aristotelisch-scholastischer Grundlage; Band III: Theodizee, fünfte, verbesserte Auflage, Freiburg im Breisgau 1923
  • Schmidt, Josef: Philosophische Theologie; Stuttgart 2003
  • Seidl, Hans (Hrsg. und Übersetzer): Die Gottesbeweise in der „Summe gegen die Heiden" und der „Summe der Theologie", zweite Auflage, Hamburg 1986
  • Thomas von Aquin: Summe der Theologie, deutsch-lateinische Ausgabe, hrsg. vom kath. Akademikerverband, Salz-burg 1934
  • Thomas von Aquin: Summe gegen die Heiden (Summa contra gentiles) Lateinisch – Deutsch, hrsg. und übersetzt von Karl Albert und Paulus Engelhardt unter Mitarbeit von Leo Dümpelmann, Sonderausgabe, Darmstadt 2001
  • Vries, Josef de: Denken und Sein, Ein Aufbau der Erkenntnistheorie, Freiburg 1937
  • John Leslie Mackie: Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes. (1985) Reclam