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Geschichte von Bündnis 90/Die Grünen

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Die Partei Bündnis 90/Die Grünen entstand 1993 aus dem Zusammenschluss der Parteien Die Grünen und Bündnis 90. In diesem Artikel wird die Geschichte der westdeutschen Grünen seit den späten 1970er Jahren und die gemeinsame Geschichte von Bündnis 90/Die Grünen seit 1993 dargestellt.

Vorgeschichte und Gründung

Die Grünen entstanden in der alten Bundesrepublik Deutschland Mitte bis Ende der 1970er Jahre als Zusammenschluss sehr unterschiedlicher Gruppierungen. Wichtige Quellen der Neugründung waren außerparlamentarische Bewegungen mit den Schwerpunkten Umwelt-, Friedens-, Menschenrechts- und Frauenpolitik (siehe auch unter Neue soziale Bewegungen und Alternativbewegung).

In den 1970er Jahren hatten viele aus der 68er-Bewegung ihren Marsch durch die Institutionen damit begonnen, die SPD mit Willy Brandt zu unterstützen. Doch die SPD schien sich unter Helmut Schmidt genau in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen, weswegen viele ein neues politisches Betätigungsfeld suchten.

1977 bildeten sich verschiedene grüne und bunte Listen und hatten erste Kreistagswahlerfolge, aber noch keine Mandate. Die erste grüne Liste war die „Grüne Liste Umweltschutz“ (GLU). Der SPD-Bundesgeschäftsführer sah in grünen Listen „eine Gefahr für die Demokratie“.

Zu weiteren Wahlerfolgen und dem Gewinn erster Mandate, z.B. im Stadtrat von Erlangen, kam es 1978. Ehemalige CSU-Mitglieder gründeten in Bayern eine „Grüne Liste Bayern“ (GLB), ein CDU-Fraktionsmitglied verließ die CDU und gründete die „Grüne Aktion Zukunft“ (GAZ). Die „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“ (AUD) trat als erste Umweltpartei auf. In Bayern traten GLB, GAZ und AUD als „Die Grünen“ zur Landtagswahl an.

Für die Europawahl am 10. Juni 1979 kam es zur Vereinigung von GLU-Niedersachsen, GL-Schleswig-Holstein, AUD und GAZ zum Listenbündnis Sonstige Politische Vereinigung (SPV)-Die Grünen. Die Bremer Grüne Liste gewann am 7. Oktober 1979 mit 6,5% als erste Grüne Partei in der BRD Mandate in einem Landesparlament (Bremer Bürgerschaft).

Am 17./18 März 1979 wurde für die Europawahl die Sonstige politische Vereinigung DIE GRÜNEN gebildet, aus der die Bundespartei DIE GRÜNEN hervorging, die auf einem Parteitag am 13. Januar 1980 in Karlsruhe gegründet wurde. Ihre Grundlagen fanden sich in den Schlagworten sozial, ökologisch, basisdemokratisch und gewaltfrei. Sie verstanden sich nicht als Partei, sondern als Bewegung, wobei die Parteigründung tatsächlich als parlamentarisches, zweites Spielbein gesehen wurde. Vor der Gründung der Bundespartei gab es bereits mehrere Landesverbände. Herbert Gruhl äußerte zur politischen Positionierung der Grünen den Slogan "Die GRÜNEN sind nicht links, nicht rechts, sondern vorn."

Am 9. Oktober 1980 traten sie das erste Mal bei einer Bundestagswahl an, scheiterten aber mit 1,5% Zweitstimmen deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Viele Anhänger der Grünen aus dem eher linken Spektrum hatten noch die SPD mit Bundeskanzler Helmut Schmidt als aus ihrer Sicht so genanntes "Kleineres Übel" gewählt, um einen rechtskonservativen Kanzler Franz Josef Strauß von der CSU zu verhindern.

Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg wurde mit 5,3% der Einzug in den Landtag erreicht.

Innerhalb der Partei trennten sich die Grünen von ihrer kleinen rechten und rechtskonservativen Fraktion um Herbert Gruhl und den Ökobauern Baldur Springmann. Gruhl gründete daraufhin in München die ökologische konservative Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die politisch bis dato aber relativ bedeutungslos blieb.

Die 1980er Jahre: Einzug in den Bundestag, Etablierung, Flügelkämpfe

1981 stand die Beteiligung an verschiedenen friedenspolitischen Großdemonstrationen im Vordergrund.

Im Jahr 1982 wurden bei der Landtagswahl in Hessen bereits 8% erreicht.

1983 zogen Die Grünen schließlich zum ersten Mal in den Bundestag ein, nachdem es vorher schon Erfolge bei Landtagswahlen und der Europawahl gegeben hatte. Diese vorgezogenen Bundestagswahlen fanden nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition und der Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler statt.

Die gegen den Nato-Doppelbeschluss beziehungsweise die so genannte "Nachrüstung" stattfindenden Friedensdemonstrationen fanden 1983 ihren Höhepunkt – doch alle etablierten Parteien unterstützten den Wettrüstungskurs. Dies begründete den Erfolg der Grünen bei der Bundestagswahl am 6. März 1983: Mit 5,6% der Zweitstimmen gewannen sie insgesamt 28 Abgeordnetensitze. Mit Herbert Rusche aus Offenbach zog auch der erste öffentlich bekennende schwule Bundestagsabgeordnete in den Bundestag ein.

Der Erfolg der Grünen führte zu heftigen gesellschaftspolitischen Diskussionen, denn von den etablierten gesellschaftlichen Kräften wurde er als Angriff und Gefahr für das bestehende System gesehen. Die Grünen mussten sich nicht nur des Vorwurfes erwehren, deutschlandfeindlich und systemkritisch zu sein. Vielmehr wurde ihnen ein gespaltenes Verhältnis zum Gewaltmonopol des Staates sowie eine Nähe zum RAF-Terrorismus der 1970er Jahre unterstellt. Angeführt wurde beispielsweise der Umstand, dass Otto Schily und Christian Ströbele als profilierte Strafverteidiger in den 1970er Jahren Terroristen verteidigt hatten. Ein Nachhall dieser Fragen erfolgte 2001, als Joschka Fischer seine Vergangenheit als Frankfurter Straßenkämpfer vorgeworfen wurde und es versucht wurde, daraus politisches Kapital zu schlagen.

Die Frage der eigenen Stellung zum bundesrepublikanischen System beherrschte die Diskussionen der 1980er Jahre in der Partei zunehmend. Dies drückte sich am deutlichsten in den immer stärker werdenden Flügelkämpfen zwischen so genannten "Fundis", und "Realos" aus. Die "Fundis" (abgeleitet von Fundamentalisten) vertraten im Wesentlichen eine radikal systemkritische Position und lehnten Kompromisse mit den etablierten Parteien und damit auch mögliche Regierungsbeteiligungen ab, wohingegen die "Realos" (abgeleitet von Realpolitikern) zunehmend Arrangements mit den Etablierten und mögliche Koalitionen anstrebten, um Reformen im Sinne grüner Politik auch in Ansätzen durchzusetzen, wofür sie auch verstärkt zu Kompromissen bereit waren. Weitere Streitpunkte waren unter anderem das Rotationsprinzip und die Trennung von Amt und Mandat. Die bekanntesten Vertreter der Flügel waren Joschka Fischer auf der Seite der Realos und Jutta Ditfurth auf Seite der Fundis.

Von 1983 bis 1985 galt eine Zweijahres-Rotation für die grüne Fraktion im Bundestag, ab 1986 wurde eine Rotation der Abgeordneten alle vier Jahre (jede Legislaturperiode) beschlossen. Ebenfalls beschlossen wurde 1983, dass ein Teil der Diäten an die Partei abgeführt werden muss.

Erich Honecker unterzeichnete 1983 mit grünen Bundestagsabgeordneten einen persönlichen Friedensvertrag.

1984 kam es zu Erfolgen bei der Europawahl und zu ersten Formen von Zusammenarbeit mit der SPD auf lokaler Ebene.

1985 wurde in Hessen die erste rot-grüne Koalition besiegelt, die 452 Tage hielt. Joschka Fischer wurde Umweltminister. Bekannt wurde er als sogenannter Turnschuhminister, da er bei seiner Vereidigung am 12. Dezember 1985 in Turnschuhen erschien. 1989 kam es zu einer rot-grünen Koalition in Berlin. Weitere Koalitionen – erneut in Hessen, als "Ampel" mit SPD und FDP in Bremen, in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg – folgten, insbesondere ab Mitte der 1990er Jahre.

1985 beherrschte der Streit über die Ausrichtung der Partei die innerparteiliche Debatte. Diese bereits in den 1970er Jahren begonnenen Diskussionen zwischen den beiden Flügeln der Partei, die in manchen Bundesländern sogar zum Auftreten zweier grüner Parteien gegeneinander führten, verhinderten nicht den weiteren bundespolitischen Erfolg. Unter einem von Fundis beherrschten BundesvorstandJutta Ditfurth war eine von zwei gleichberechtigten Sprechern der Partei, denn die Position eines Parteivorsitzenden lehnten die Grünen ab – erreichten die Grünen bei der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 mit 8,3% der Zweitstimmen insgesamt 44 Mandate. Auch in Hessen legten die Grünen weiter zu.

Die beiden Flügel der Partei erwiesen sich in dieser Zeit als annähernd gleich stark. Und sie drohten zunehmend, sich gegenseitig zu blockieren, da aus den Sachfragen der Vergangenheit immer mehr die Machtfragen der Gegenwart wurden. Im Zuge dieser Konflikte wurde außerdem der ursprüngliche Anspruch der Grünen, parlamentarisches Spielbein der außerparlamentarischen Neuen sozialen Bewegungen zu sein, zusehends aufgeweicht. Hatte man zu Beginn den Anspruch, keine Stellvertreterpolitik zu machen, so erwarteten die vielen neu gewonnenen Wähler von ihren Mandatsträgern in einer parlamentarischen Demokratie genau dies. Und die Wahlerfolge sorgten dafür, dass viele Menschen, die zuvor in der Bewegung außerpalamentarisch tätig waren, diese Arbeit nicht mehr tun konnten, da nun ihre parlamentarische Arbeit ihre ganze Energie und Aufmerksamkeit erforderte.

Im November 1989 zog der "Realo" Otto Schily, der einer der Mitbegründer der Partei war, die Konsequenz aus den sich hinziehenden Auseinandersetzungen mit der Parteilinken. Er trat aus der Partei aus und wechselte zur SPD.

Die 1990er Jahre: Wiedervereinigung, Scheitern an der 5%-Hürde und Professionalisierung

Dann erfolgte der historische Einschnitt mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung 1989/90.

Am 24. November 1989 gründete sich die Grüne Partei der DDR, die sich bereits Ende 1990 mit den westdeutschen Grünen vereinigte, nämlich genau am Bundestagswahl-Tag, dem 2. November.

Die Anerkennung beider deutschen Staaten war Konsens innerhalb der Westgrünen. Auch nach dem Mauerfall wurde die Zweistaatlichkeit, wie zunächst von den meisten Politikern und Analysten, nicht angezweifelt. Für die Mehrheit der Grünen, gerade jene, die sich als Linke verstanden, gab es die Deutsche Frage nicht vor dem Mauerfall – und sollte es sie auch nicht danach geben. Und so verweigerten sie sich diesem Thema bei der Bundestagswahl 1990 mit dem Slogan "Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Klima." Grüne PolitikerInnen forderten insbesondere eine breite Verfassungsdiskussion über die gesamtdeutsche Verfassung, die Belange des Datenschutzes, der Frauengleichstellung und dem Diskriminierungsverbot von Homosexuellen und Behinderten einschließen sollte.

Da die Grünen sich im Unterschied zu den anderen Parteien noch nicht mit ihren politischen Verbündeten in Ostdeutschland, den neu entstandenen Bürgerbewegungen, vereinigt hatten, klagten sie mit Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht und erreichten wegen der verlangten Chancengleichheit, dass einmalig für Ost und West getrennte 5%-Hürden gelten sollten und in Ostdeutschland auch Listenvereinigungen zur Wahl antreten konnten. Im Westen traten Die Grünen an, im Osten eine Listenvereinigung aus den Grünen und den Bürgerbewegungen, weil nur so ein Erfolg erreichbar erschien.

Bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 verpassten die West-Grünen knapp die 5%-Hürde und damit den Wiedereinzug in den Bundestag. Das Ost-Bündnis erreichte über 5% und konnte somit insgesamt acht Vertreter in den ersten gemeinsamen Bundestag schicken. Diese Wahlniederlage der West-Grünen bedeutete nicht nur das Ende mancher Karriereträume, sondern die gesamte Partei schien bedroht, denn das komplette Wegbrechen der Bundestagsfraktionsebene bedeutete weniger Geld, weniger Mitarbeiter, weniger öffentliche Aufmerksamkeit, drohende Bedeutungslosigkeit.

Die Linken hatten sich mit ihrem antideutschen Kurs bei der Wahlkampfstrategie durchgesetzt – nun wurden sie verantwortlich gemacht für das Debakel. Und noch immer schwelte ja auch der Konflikt über das Selbstverständnis der Partei inklusive der offenen Machtfragen. Auf dem Bundesparteitag im April 1991 in Neumünster/Schleswig-Holstein wurden die Konsequenzen diskutiert. Ein Höhepunkt war der dort vollzogene öffentliche Austritt linker Grüner um Jutta Ditfurth aus der Partei. Andere linke Protagonisten wie Rainer Trampert und Thomas Ebermann waren schon ein Jahr zuvor aus den Grünen ausgetreten. Diese Austrittswelle prominenter Linker bedeutete zuallererst eine weitere Schwächung der Partei. Jutta Ditfurth gründete in Frankfurt am Main die Partei Ökologische Linke, die jedoch bundesweit parlamentarisch nicht Fuß fassen konnte. Sie gab die neue Zeitschrift "Ökolinx" heraus und machte sich in den kommenden Jahren als kritische Autorin einen Namen. In verschiedenen Publikationen setzte sie sich mit der weiteren Entwicklung der Grünen und Teilen der neuen sozialen Bewegungen auseinander, wo sie Tendenzen der Anpassung an das herrschende System und teilweise auch reaktionäre Entwicklungen ausmachte.

Das Bündnis 90 hatte seine Wurzeln in der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung der DDR. Es wurde 1990 zunächst als Listenvereinigung der Bürgerbewegungen Neues Forum, Demokratie jetzt und Initiative für Frieden und Menschenrechte zur ersten freien Volkskammerwahl gegründet und in der Folge zur eigenständigen Partei, die große Teile der drei Bürgerbewegungen vereinigte. Zwischen Mitgliedern der Grünen wie beispielsweise Petra Kelly und oppositionellen Gruppen in der DDR hatte es bereits vor der Wende Kontakte gegeben. Diese führten nach der Wende zur Zusammenarbeit von Bürgerbewegungen und Grünen. Im Januar 1993 vereinigten sich dann Bündnis 90 und Die Grünen zu Bündnis 90/Die Grünen. Einige Mitglieder von Bündnis 90 verließen daraufhin aus Kritik an der Vereinigung die Partei. Dem Mitspracherecht von Bündnis 90 wurde versucht Rechnung zu tragen, indem Ost-Quoten für Bundesgremien geschaffen wurden – was wiederum Ost-Grüne der ersten Stunde als Affront verstanden.

Die Verankerung der West-Grünen in den Landes- und Kommunalparlamenten sicherte das Überleben der Partei. Bei der Bundestagwahl 1994 errang die inzwischen gesamtdeutsche Partei Bündnis 90/Die Grünen mit 7,3% insgesamt 49 Mandate im wegen der Wiedervereinigung vergrößerten Bundestag. Mit Antje Vollmer stellten die Grünen zum ersten Mal eine Bundestagsvizepräsidentin. Vor der Wahl wurden Bedingungen für eine mögliche Koalition mit der SPD festgelegt. Der "5-Mark-Beschluss" (den Benzinpreis auf 5 DM anzuheben) im Wahlprogramm wurde als ein Grund für das relativ schlechte Abschneiden im Vergleich zu den 1980er Jahren angesehen.

Und noch etwas hatte sich seit 1990 mit dem Auszug der linken Gallionsfiguren geändert: das Machtzentrum war zuvor immer die Partei, deren Anliegen es war, die Mandatsträger zu kontrollieren, worin ein großer Teil des Konfliktes zwischen Fundis und Realos bestand. Nun verschob sich das Machtzentrum zur Bundestagsfraktion. Durch die Schwäche des Bundesvorstandes schlüpfte Joschka Fischer zunehmend in die Rolle des heimlichen Parteivorsitzenden, ohne jemals von einem Parteigremium für ein Amt gewählt worden zu sein.

1994 wurde die bundesweite Jugendorganisation Grüne Jugend -- damals noch unter dem Namen Grün-Alternatives Jugendbündnis -- gegründet.

Die Partei professionalisierte sich zunehmend. Politisch zeichnete sich eine zunehmend realpolitische Orientierung ab; unter anderem wurden militärische Mittel in Ex-Jugoslawien gebilligt. In Baden-Württemberg erzielen die Bündnisgrünen 12,1%, das bis dato beste Ergebnis in einem Flächenland.

1996 wurden die bis dahin getrennten Parteienstiftungen – Buntstift, Frauenanstiftung und Heinrich-Böll-Stiftung – zur heutigen Heinrich-Böll-Stiftung vereinigt. Hatten in den 1980er Jahren die Grünen die Parteistiftungen noch heftig bekämpft, so änderte sich ihr Kurs, nachdem sie vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Klage scheiterten. Gründe für die Kritik an den politischen Stiftungen waren und sind die mangelnde Transparenz ihres Wirkens als nicht unabhängige, sondern parteigebundene Stiftungen und vor allem das Problem ihrer Finanzierung, denn sie erhalten – bei weniger Kontrolle und Transparenz – viel mehr staatliche Mittel als die Parteien selbst. Nach der Niederlage vor Gericht gingen die Grünen den Weg, ebenfalls an den Vorteilen von Stiftungen teilzuhaben, anstatt diesen Vorteil nur den etablierten Parteien zu belassen.

1998-heute: Grüne in Regierungsverantwortung im Bund

Ein neues Kapitel der bundesdeutschen Parteiengeschichte wurde mit der Bildung der ersten rot-grünen Bundesregierung nach der Bundestagswahl 1998 (6,7 % für Bündnis 90/Die Grünen) aufgeschlagen. Neben Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer (in der Wahlperiode zuvor Fraktionsvorsitzender im Bundestag) wurde Andrea Fischer Gesundheitsministerin und Jürgen Trittin Umweltminister.

Nach dem BSE-Skandal im Januar 2001 kam es zu einer Rochade: Andrea Fischer trat zurück und wurde durch die SPD-Politikerin Ulla Schmidt ersetzt, dafür beerbte die Grüne Renate Künast den Landwirtschaftsminister Funke als Ministerin für das um den Verbraucherschutz erweiterte Ressort Ernährung und Landwirtschaft.

In der Legislaturperiode 1998-2002 wurden unter anderem die Ökosteuer (allerdings in einer gegenüber grünen Vorstellungen reduzierten Form), einige Reformen des Staatsbürgerschaftsrechts bezüglich der Erleichterung von Einwanderung, die Möglichkeit eingetragener Lebenspartnerschaften, der langsame Ausstieg aus der Atomenergie, das 100.000-Dächer-Programm (Solarstromsubvention) und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG; wirtschaftliche und wissenschaftliche Förderung von Wind- und Solarenergie, Biomasse und Erdwärme) beschlossen.

Während diese als grüne Erfolge gesehen wurden, gab es auch Kritik: Insbesondere an der Re-Militarisierung der Außenpolitik mit der deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg, an der Unterstützung des militärischen Feldzuges der USA nach Afghanistan und an vielen Kompromissen mit der SPD. Die Befürwortung einer Kriegsbeteiligung führte zu einer größeren Austrittswelle von enttäuschten Grünen. Sie stammten teilweise aus dem pazifistischen Umfeld. Einige Mitglieder, wie der frühere grüne Bundestagsabgeordnete Christian Simmert, kritisierten aber auch ihrer Meinung nach undemokratische Methoden bei der Überzeugungsarbeit, mit der Abweichler vom Regierungskurs zurück auf Linie gebracht werden sollten. Kurz vor der Bundestagswahl gaben sich Bündnis 90/Die Grünen ein neues Grundsatzprogramm, in welchem die Partei sich ausdrücklich nicht mehr auf ihre pazifistischen und basisdemokratischen Wurzeln berief.

Bei der Bundestagswahl im September 2002 erreichten die Grünen 8,6% der Stimmen; damit reichte es erneut für eine Regierungsbildung mit der geschwächten SPD. Christian Ströbele, einer der noch verbliebenen linken Grünen in der Bundestagsfraktion, errang dabei in Berlin-Kreuzberg das erste Direktmandat für Bündnis 90/Die Grünen auf Bundesebene.

Bei der Europawahl 2004 konnte die Partei einen der größten Wahlerfolge ihrer bisherigen Geschichte feiern; sie erreichte mit 3.079.728 Stimmen 11,94 %; in Berlin wurden sie stärkste Partei, im ehemaligen Berliner Bezirk Kreuzberg bekamen sie die absolute Mehrheit der Stimmen.

Bei den Landtagswahlen am 19. September 2004 in Sachsen erreichten die Grünen 5,1 % und zogen damit das erste Mal seit 1998 wieder in ein Landesparlament auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein. Bei den zeitgleichen Wahlen in Brandenburg verfehlte die Partei den Wiedereinzug ins Landesparlament. 1998 waren die Grünen auch in Sachsen-Anhalt an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, nachdem sie schon vorher aus den anderen ostdeutschen Landesparlamenten gefallen waren.

Siehe auch

Die Geschichte der Grünen und der Neuen Sozialen Bewegungen wird unter anderem im Archiv "Grünes Gedächtnis" erforscht. Insbesondere in den 1980er Jahren war der Einzug der Grünen in den Bundestag und die damit verbundenen Veränderungen im deutschen Parteiensystem ein prominentes Thema der Politikwissenschaft.