Catilinarische Verschwörung
Die Catilinarischen Verschwörungen (lat: De coniuratione Catilinae) waren zwei Putschversuche des römischen Senators Lucius Sergius Catilina in den Jahren 66 v. Chr. und 63 v. Chr., durch die er Consul zu werden versuchte. Beide Versuche misslangen jedoch. Bekannter ist die zweite Verschwörung, die besonders durch Ciceros Reden gegen Catilina sowie die detaillierten historischen Beschreibungen von Sallust und Plutarch überliefert worden ist. Dass über die Verschwörungen ungewöhnlich viel, aber nur vom Standpunkt der Sieger aus berichtet wird, führt häufig zur einseitigen Darstellung Catilinas als Bösewicht, andererseits auch zur Überbewertung seiner Taten in Bezug auf den Wechsel von Roms republikanischer Staatsform zum Kaisertum. In Wirklichkeit illustrieren sie nur den maroden Zustand des römischen Staates im ersten vorchristlichen Jahrhundert.
Die geschichtlichen Quellen zur Catilinarischen Verschwörung gehen im Wesentlichen auf Cicero und Sallust zurück, die sich beide äußerst kritisch mit Catilina auseinandersetzen. Hinweise auf weiterführende kritische Untersuchungen finden sich am Ende des Artikels.
Die Vorgeschichte
Die Ereignisse um Catilina fallen in eine Zeit des politischen Umbruchs, denn noch glaubten viele Römer, die bisher bestehende Staatsform, die Republik, wieder zu alter Blüte zurück führen zu können. Doch einige der Strukturprobleme der Herrschaft bestanden im Streit um amtliche Kompetenzen zwischen Senat und Volksversammlung, in der fehlenden Umsetzung der Agrarreformen, den Lebensverhältnissen der plebs urbana (überwiegend arme Landbevölkerung). Ein Kind dieser Zeit war Catilina, der mit den Möglichkeiten, die er beim Diktator Sulla gelernt hatte, ein Amt der Republik zu erobern suchte, das ihm verweigert wurde: das Amt des Consuls.
Die Stimme des Volkes und Brot für alle
Eines der großen Probleme Roms zu jener Zeit war die große Armut, in der viele Bürger lebten. Viele Bauern hatten durch Dürre, Krieg und Missernten ihre Höfe verloren. Die Hauptstadt zog die verarmten Massen an, denn ein soziales Sicherheitsnetz gab es nicht, in der Hauptstadt jedoch wurde Brot und Geld verteilt.
Der Grund dafür war, dass im politischen System Roms das Volk die Entscheidungen des Senats und die Wahl der Ämter des cursus honorum mitbestimmen konnte. Zwei mächtige Volkstribunen vertraten dabei die Stimme des Volkes im Senat. Ohne oder gar gegen sie war erfolgreiche Politik kaum möglich.
Wer also ein hohes politisches Amt anstrebte, brauchte zwei Voraussetzungen, die Mitgliedschaft im Senat und das Wohlwollen des Volkes. Das gewann man am leichtesten durch Geschenke und Versprechungen und das war teuer.
Während der Herrschaft Sullas war viel Geld in die Hände derjenigen gelangt, die Sullas Gewaltherrschaft unterstützt hatten. Nur die Familien, die keine Gefahr für Sulla gewesen waren, hatten ihr Vermögen behalten können. Mit anderen Worten: unter denen, die politische Entscheidungen trafen, fanden sich nur wenige mit hohen republikanischen Idealen.
Catilina
Hauptartikel: Lucius Sergius Catilina.
Catilina stammte aus einer verarmten adligen Familie. Er war intelligent und vom Wunsch erfüllt aufzusteigen, um Macht, Reichtum und Einfluss zu besitzen. Seine Chancen waren gut, denn als Spross einer Adelsfamilie, der gens Sergia, hatte er die Möglichkeit, eine politische Karriere zu beginnen.
Der junge Catilina begann seine politische Laufbahn unter Gnaeus Pompeius Strabo und wurde dann zu einem Anhänger Sullas, der Führungsfigur der Optimaten. Zu Geld kam er angeblich, indem er seinen Schwager ermordete und nachträglich auf eine der Proskriptionslisten Sullas eintrug, womit der Mord kein Kapitalverbrechen war. Daraufhin erhielt er Geld aus den beschlagnahmten Gütern.
Mit seinem Startkapital wurde Catilina 68 v. Chr. Prätor und im Jahr darauf Statthalter einer der reichsten Provinzen der Provinz Africa, das ehemalige Punische Reich. Catilina vermehrte als Proprätor sein Vermögen.
Ausgestattet mit erheblichen Geldmitteln kehrte er im Jahr 67 v. Chr. nach Rom zurück, um sich für das Konsulat bewerben zu können. Doch nun legte ein Gesandter der Provinz Africa dem Senat Zahlen vor. Die Provinz habe unter Catilina sehr gelitten, weil sich Catilina unrechtmäßig bereichert habe. Der Senat wurde aktiv und ließ eine Anklage gegen Catilina zu. Da man sich während eines laufenden Prozesses nicht bewerben konnte, wurde Catilina nicht als Kandidat für das höchste Staatsamt zugelassen. Zuvor hatte ein anderer Prozess wegen Unzucht mit der Vestalin Fabia seine Kandidatur verhindert.
Die erste Catilinarische Verschwörung
In Anbetracht dieser Schwierigkeit soll Catilina zeitgenössischen Gerüchten zufolge andere Mittel erwogen haben. Diese "erste Verschwörung" sei nicht nur allein auf ihn zurückgegangen, daran waren auch Publius Autronius und Gnaeus Piso beteiligt. Die bereits gewählten Consuln für das nächste Jahr, 65 v. Chr., sollten bei ihrem Amtsantritt auf dem Capitol ermordet werden und danach wollten sie sich selbst des Amtes bemächtigen. Für Catilina war es auch insofern praktisch, weil ein Consul nicht wegen seiner Taten als Statthalter verurteilt werden konnte.
Auch Caesar und Crassus waren wahrscheinlich eingeweiht, zogen augenscheinlich im Hintergrund die Fäden, bezahlten die nötigen Banden, bestachen, intrigierten und diffamierten mit dem Ziel, ein Gegengewicht zu ihrem politischen Widersacher, dem populären Feldherrn Pompeius, zu schaffen.
Doch auch dieser Versuch an die Macht zu kommen schlug fehl. Die gedungenen Mörderbanden waren nicht rechtzeitig vor Ort, blieben aber nicht unbemerkt. Caesar und Crassus distanzierten sich sofort öffentlich von dem Anschlag, wodurch auch die letzten Reste von Catilinas Ruf zerstört waren.
Dennoch stellte Catilina seine Bemühungen, das Amt des Consuls zu erreichen, nicht ein und bewarb sich im Jahre 64 v. Chr. erneut, was vom Senat erneut zurückgewiesen wurde. Nicht der Mordversuch an den Consuln, der als Hochverrat galt, sondern der Prozess wegen Ausbeutung der Provinz Africa verhinderte Catilinas berufliches Weiterkommen.
In der Forschung wird die Existenz einer ersten catilinarischen Verschwörung seit Längerem allgemein bezweifelt. [1]
Scheinbare Entspannung
Der Freispruch
Alle Anklagen wurden schließlich zurückgewiesen; Catilina galt wieder als ehrenwerter Mann. Zur Kandidatur um das Amt des Consuls für das Jahr 63 v. Chr. wurde er daher zugelassen. Sein direkter Gegenkandidat war Cicero, ein homo novus, ein aufstrebender und im Senat ungeliebter Außenseiter, der die alten römischen Ideale vertrat. Catilina, der weiterhin von Crassus unterstützt wurde, schien die Wahl gewinnen zu können.
Cicero wird Consul
Der Wahlkampf, den Catilina nun begann, führte rasch zu großer Popularität des "Rebellen". Catilina versprach allen alles: den Armen Brot, den Reichen Macht, den zwangsangeschlossenen Bundesgenossen (besonders den Etruriern) größeren politischen Einfluss. Seine Reden waren hitzig, ja revolutionär. Zur Sicherheit ließ er unter seinen Anhängern übertriebene Andeutungen über Heere, die im Verborgenen warteten, verbreiten. Er würde, so ließ er seine Anhänger wissen, im nächsten Jahr ohnehin Consul werden.
In dieser entscheidenden Situation plauderte Quintus Curius, einer der Verschwörer. Er stammte zwar aus edler Familie, war einst Senator, aber wegen unsittlichen Lebenswandels aus dem hohen Haus ausgeschlossen. Nun gehörte er zu den Anhängern Catilinas, sogar zu den führenden Köpfen der Verschwörung. Curius hatte eine heimliche Geliebte, die verheiratete adlige Fulvia. Ehebruch galt als höchst unmoralisch und wurde mit dem Tode bestraft, obwohl in den damaligen Wirren der Republik so etwas nicht selten war.
Curius wollte seiner reichen Geliebten imponieren. Da er jedoch verarmt war, konnte er ihr keine teuren Geschenke machen. Sie wandte sich deshalb mehr und mehr von ihm ab. Als er begann, Fulvia mit seinen Erzählungen von den hinter Catilina stehenden Truppen zu beeindrucken, erzählte diese umgehend ihren Freunden davon, natürlich ohne ihre Quelle zu nennen. Und weil ihre Freunde, wie sie selbst, Adlige waren, ging nach kurzer Zeit im Senat das Gerücht um, dass Catilina Truppen gesammelt habe.
Der Senat wurde unruhig. Und so wurde ein Gegenkandidat plötzlich zum heimlichen Favoriten: Cicero, der ungeliebte Aufsteiger. Und tatsächlich: Catilina verlor gegen den Außenseiter. Cicero wurde neben Gaius Antonius Hybrida zum neuen Consuln für 63 v. Chr. gewählt und wieder hatte Catilina das Nachsehen.
Die zweite Catilinarische Verschwörung
Catilina fing nun an, Heere aufzustellen. Rasch fand er jemanden, der verdeckt eine Armee rekrutieren und bewaffnen konnte: Gaius Manlius, einen ehemaligen Hauptmann aus Sullas Armee. Er sollte den bewaffneten Aufstand organisieren.
Mordanschlag auf Cicero
Am Abend des 7. November 63 v. Chr. traf sich im Hause des Marcus Porcius Laeca in der Gasse der Sichelschmiede die Führungsspitze der Verschwörer. Catilina erklärte seinen Plan. Zuerst einmal müsste Cicero sterben, danach würde Catilina zu Manlius' Heer stoßen. Während er mit dessen Heer auf Rom zumarschieren würde, sollten die Verschwörer in Rom mit Morden und Brandstiftungen für Aufstände sorgen. Die römischen Heere hätten dann gegen zwei Fronten zu kämpfen - gegen eine innere und eine äußere. Nur so hätten die Verschwörer eine Chance gegen die militärische Übermacht der Truppen des Senats.
Ein Senator und ein Ritter, die zu den Verschwörern gehörten, erklärten sich bereit, den Anschlag auszuführen. Sie wollten mit Bewaffneten am frühen Morgen zu Ciceros Haus gehen, angeblich, um einen der damals üblichen Ergebenheitsbesuche abzustatten.
Curius erzählte auch davon wieder Fulvia. Diese wandte sich diesmal direkt an Cicero und berichtete ihm von den Mordplänen. Cicero verließ unverzüglich das Haus und war schon fort, als die Attentäter ankamen. Der Anschlag war vereitelt und Cicero kannte nunmehr Catilinas Pläne.
Ciceros Rede im Tempel des Jupiter Stator

Cicero ging sogleich in die Offensive. Schon für den nächsten Morgen ließ er den Senat einberufen. Aber nicht, wie üblich, in der Curia, sondern im symbolträchtigen Tempel des Jupiter Stator, "des Jupiter, der die Feinde stehen bleiben lässt". Normalerweise war dies ein öffentlich zugänglicher Raum, doch an jenem 8. November 63 v. Chr. hielten Soldaten alle zurück, die nicht dem Senat angehörten. Überall in der Stadt waren Truppen aufmarschiert. Catilina floh nicht aus Rom, sondern erschien zur Sitzung.
Cicero begann seine Rede: "Wie lange noch, Catilina, willst Du unsere Geduld missbrauchen? Wie lange noch soll uns Dein wahnsinniges Treiben verhöhnen? Wo ist die Grenze Deiner Prahlerei und hemmungslosen Frechheit?" Im Raum verteilte Protokollführer notierten jedes Wort, das Cicero sprach; später würde er sie als die erste seiner Vier Reden gegen Catilina veröffentlichen. Aus dieser Rede stammt auch Ciceros berühmter Ausspruch "O tempora, o mores!" - "Oh Zeiten, oh Sitten!".
Aber Ciceros Anklage stand auf tönernen Füßen: er hatte keine Beweise. Die Ehebrecherin Fulvia wäre nicht glaubwürdig gewesen - abgesehen davon, dass sie sich selbst der Todesstrafe ausgesetzt hätte - und der angekündigte Mordanschlag hatte nicht stattgefunden, Cicero war ja außer Haus gewesen. Ebenso konnte er auch nicht jene Mitverschwörer und Hintermänner benennen, die an diesem Anschlag beteiligt waren, er konnte nicht einmal den Kopf der Verschwörung, eben jenen Catilina, der noch vor wenigen Stunden Mordpläne gegen ihn ausgeheckt hatte, verhaften lassen. Catilina versuchte daraufhin, Ciceros Anklage als haltlose Beschuldigungen eines neidischen Emporkömmlings darzustellen, allerdings ohne Erfolg. Die Protokollführer nahmen Catilinas letzte Drohung auf, bevor er ungehindert das schwer bewachte Haus verließ: "So will ich den Brand, der mich verzehren soll, unter Trümmern ersticken!"
Am nächsten Tag verließ er ungehindert die Stadt - immerhin war er öffentlich des Hochverrats angeklagt - und stieß zu Manlius und dessen Heer. Cicero stellte sich noch am selben Tag auf das Marsfeld, erläuterte dem Volk die Situation und zog es auf seine Seite. Eine knappe Woche später, am 15. November, erklärte der Senat, der die Augen nun nicht mehr vor den umstürzlerischen Umtrieben Catilinas verschließen konnte, Catilina und Manlius zu Staatsfeinden.
Offener Aufruhr: Catilina sammelt Truppen um sich
Catilina und Manlius warben jetzt gemeinsam weitere Kämpfer an. Innerhalb weniger Wochen hatten die beiden 20.000 Mann um sich geschart, vornehmlich die Abenteuerlustigsten und Gierigsten. Nicht nur den armen Teil der Bevölkerung sprach Catilina an, auch die oberen Schichten waren vertreten. Sogar Senatorensöhne schlossen sich den Aufständischen an.
Allerdings gab es ein Problem, die Waffen reichten nur für 5.000 Mann. Der Rest trug Spieße, Lanzen, angespitzte Pfähle. Das war keine Armee, sondern eine Schlägertruppe. Catilina war sich bewusst, dass er so keine Chance gegen ein reguläres römisches Heer hatte.
Deswegen sollten einige in Rom verbliebene Verschwörer in der Hauptstadt für Unruhe sorgen und so römische Truppen binden. "Mord, Brandstiftung und andere Kriegsgreuel", so Sallust, sollten Rom heimsuchen. Der Kopf der Verschwörer in Rom, der Praetor Publius Cornelius Lentulus Sura, sollte in dem Augenblick diese Ereignisse auslösen, in dem Catilina zum Heer des Manlius gestoßen war und gegen Rom vorrückte. Doch Lentulus schickte Catilina einen Brief, in dem er ihn aufforderte, erst einmal bis vor die Tore der Stadt vorzurücken, damit er ihn notfalls unterstützen könne.
Catilina konnte nicht. Seine Ausrüstung reichte nicht. Er brauchte also Verbündete, die nicht nur Kampfgeist, sondern auch ihre eigenen Waffen mitbrachten.
Verrat am Verräter: die Allobroger verraten Catilina
Zur selben Zeit befanden sich einige Abgeordnete des gallischen Volksstammes der Allobroger in Rom. Diese hatten Steuerschulden und kamen, um vom Senat eine Steuerbefreiung zu erbitten.
Genau dies waren die Leute, die Catilina gesucht hatte. Und zufällig befand sich in den Reihen der Verschwörer in Rom auch genau der richtige Mann, um die Allobroger anzuwerben. Publius Umbrenus, ein Kaufmann, der im Siedlungsgebiet der Allobroger Handel getrieben und dabei jene Stammesfürsten kennengelernt hatte, die nun in Rom weilten.
Auf dem Forum traf Umbrenus die gallischen Abgesandten, hörte sich ihre Klagen an und schlug ihnen vor, sich den Aufständischen unter Catilina anzuschließen. Der stünde in ihrer Schuld und die Sache mit den Steuerschulden wäre vergessen. Die Allobroger waren begeistert und stimmten zu.
Kaum waren sie wieder allein, begannen sie nachzudenken. Wenn sie zu Cicero gingen und ihm alles erzählten, würde der sie wahrscheinlich viel reicher belohnen und dieses Vorgehen wäre außerdem gefahrloser gewesen. Cicero nutzte diese Chance, um endlich unumstößliches Beweismaterial gegen Catilina in die Hand zu bekommen und verabredete mit den Allobrogern eine List.
Kurz darauf bekam Lentulus Besuch von den Stammesfürsten: Sie bräuchten schriftlich, was er ihnen versprochen hatte. Nur so könnten sie ihre Krieger bewegen, sich dem Aufstand anzuschließen. Arglos schrieb Lentulus alles nieder, begleitete zusammen mit einigen anderen Anführern des Aufstands die Allobroger zurück nach Rom und wurde an der Milvischen Brücke von Ciceros Soldaten überwältigt.
Catilinas Ende in der Schlacht
Der Brief an Catilina war unmissverständlich und so gab es keine Möglichkeit, sich herauszureden. In der Senatssitzung vom 5. Dezember wurden die gefassten Hochverräter, allen voran Lentulus, zum Tode verurteilt und sofort in Gegenwart Ciceros hingerichtet. Die Volksmenge jubelte Cicero zu, nannte ihn einen pater patriae, Vater des Vaterlands. Es war der Höhepunkt in Ciceros Leben.
In Catilinas Lager trafen die Nachrichten aus Rom sehr schnell ein. Und sofort liefen die meisten der Aufständischen davon. Nur ein kleiner harter Kern verblieb bei Catilina und Manlius. Catilina führte den Trupp in Eilmärschen bis in die Nähe von Pistoia. Dort stellt ihn Ciceros Amtskollege Consul Antonius Hybrida, der aus dem Süden mit einem Heer herangeeilt war, das Catilinas verbliebenen Truppen deutlich überlegen war. Und noch immer gab Catilina nicht auf, im Gegenteil: in einer letzten Rede forderte er seine Männer auf, für die politischen Ideale der Revolution zu kämpfen und zu sterben.
Sallust berichtet, dass Catilinas Restheer rasch aufgerieben wurde, trotz des massiven persönlichen Eingreifens Catilinas an allen kritischen Punkten. Sallust war von der Tapferkeit des Haudegens in seiner letzten Schlacht beeindruckt. Tapferkeit, virtus, war eines der großen römischen Ideale, die unabhängig vom Anlass bewundert wurden. Catilina wurde, von seinen Truppen getrennt, unter den Leichen seiner Gegner gefunden. Er lebte noch ein paar Minuten.
Warnung zur Neutralität
Der in diesem Artikel geschilderte Standpunkt zeichnet die unkritische Interpretation der Quellen Ciceros und Sallusts nach, wie sie gerade im 19. Jahrhundert, aber auch noch heute in einigen Schulen und Universitäten üblich war und ist, und sich etwa in den Darstellungen Mommsens und Gelzers findet. In der modernen Forschung gilt praktisch jedes Detail der Darstellungen Ciceros und Sallusts als widersprüchlich, zweifelhaft oder zumindest parteiisch gefärbt. Hier können nur einige Standpunkte angeführt werden:
Beesly hält Catilina für einen „normalen“ Freiheitskämpfer, wie er anderswo als Volksheld gefeiert wird. Catilinas Morde, Inzest, usw. sind historisch nicht belegt, seien vielmehr als Denunziationen Ciceros zu begreifen – schließlich wird Catilina in denselben Quellen als Charismat mit extrem vielen Freunden in allen Schichten Roms geschildert; ein Monster wie das von Cicero geschilderte könne kaum die Freundschaft und Anerkennung von derart vielen der anerkanntesten Männer Roms erringen. Die Überlieferung sei vielmehr die Folge von Ciceros Hass auf Catilina: „it is not good to make a literary man your enemy“.
Pöhlmann versucht, eine Sozialgeschichte zu zeichnen (die Unruhen seien natürliche Folge der extremen Unterschiede zwischen Arm und Reich in der späten Republik gewesen), Rosenberg geht noch einen Schritt weiter und versucht das Geschehen der 60er Jahre v.Chr. als Klassenkampf im Sinne eines marxistischen Geschichtsmodells zu interpretieren.
Zvi Yavez weist darauf hin, dass die Relevanz der Catilinarischen Verschwörung möglicherweise allgemein überschätzt wird, Robin Seager verweist die sogenannte „erste Catilinarische Verschwörung“ ins Reich der Legenden, entstanden aus Ciceros Verleumdungen. Seager findet in den antiken Quellen insgesamt acht verschiedene, widersprüchliche angebliche Catilinarische Verschwörungen zur Jahreswende 66/65, alle gehen auf Cicero zurück.
Kenneth H. Waters geht so weit, dass er die Existenz irgendeiner Verschwörung anzweifelt, und vielmehr Cicero durch seine Verleumdungen der eigentliche Mann hinter der Affäre war. Der redegewandte und skrupellos machtgeile Cicero habe Catilina eine Verschwörung angedichtet.
Bringmann weist darauf hin, dass Catilinas Pläne, wie sie Cicero und Sallust überlieferten, sich kaum von denen eines Caesar unterschieden, Roberta Stuart untersucht die italischen Unruhen der 60er Jahre und zeigt, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass diese von Catilina bzw. Manlius ausgelöst wurden.
Ulrich Heider meint:
- „Cicero ist der Autor des »wahren Catilina«. Als exemplum der verbrecherischen Leidenschaft hatte er ihn mit dem 7. November 63 etabliert. [...] Niemand aber konnte und niemand kann einen authentischen Catilina zeichnen. [...] Die früheste Überlieferungsschicht entpuppt sich als beste und gleichzeitig schlechtestmögliche Quelle. Den wahren Catilina hat Cicero kraft seiner Rede begraben.“
Verarbeitung in der Kunst
Die Catilinarische Verschwörung bildet die Grundlage eines zweiaktigen Dramma tragicomico von Antonio Salieri auf einen Text von Giovanni Battista Casti.
Das zwischen 1790 und 1792 geschriebene Werk wurde wegen seiner zahlreichen politischen Anspielungen zu Salieris Lebzeiten nie gespielt, die Uraufführung fand erst im Jahre 1994 im Hessischen Staatstheater Darmstadt in stark gekürzter Fassung und in deutscher Übersetzung von Josef Heinzelmann statt. Die musikalische Leitung der von Reinhard von der Thannen inszenierten Produktion hatte Stephan Tetzlaff. Weitere Aufführungen gab es 1997 in Plzeň/Tschechien. Verschiedene Orchester haben mittlerweile immer wieder einzelne Teile des Werkes in Konzertprogramme integriert, darunter das Kammerorchester Basel unter Christopher Hogwood und die Heidelberger Sinfoniker unter Thomas Fey.
Salieri und Casti zeigen in ihrem parabelhaften Musiktheater den römischen Staat als selbstherrliche Machtmaschinerie; der große Redner Cicero erscheint satirisch verzerrt als stotterndes Nervenbündel. Catilina verschläft seinen selbst angezettelten Aufstand, während Cato kindisch den Verfall der Sitten beklagt. Am Ende feiern sich Cicero und Cato als Sieger über die Revolutionäre, von litaneiartigen Lobpreisungen eines Doppelchors überhäuft.
Die Catilinaverschwörung spielt auch eine zentrale Rolle in Bertolt Brechts Romanfragment Die Geschäfte des Herrn Julius Cäsar.
Anmerkungen
- ↑ Ronald Syme, Sallust, 1964, S. 88ff; R. Seager, The First Catilinarian Conspiracy, in: Historia 13 (1964), S. 338 - 347
Literatur
Quellen
- Cicero, Werke in drei Bänden, darin Vier Reden gegen Catilina, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1989, ISBN 3-351-01474-0.
- Sallust: De coniuratione Catilinae/ Die Verschwörung des Catilina. Lateinisch/ Deutsch. Übersetzt und Herausgegeben von Karl Büchner, Stuttgart 1976, ISBN 3-15-009428-3.
Forschungsliteratur
- Edward Spencer Beesly: Catiline, Clodius and Tiberius. 1878, diverse reprints, u.a. 1924, 2000 (ISBN 1421203944), 2004 (ISBN 141794837X).
- Klaus Bringmann: Sallusts Umgang mit der historischen Wahrheit in seiner Darstellung der Catilinarischen Verschwörung. In: Philologus 116 (1972), S. 38-113.
- Karl Christ: Krise und Untergang der römischen Republik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1979, ISBN 3-534-08061-0.
- Hans Drexler: Die Catilinarische Verschwörung. Ein Quellenheft. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1976.
- Matthias Gelzer: Sergius (23). In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II A,2, Stuttgart 1923, Sp. 1693–1711.
- Ulrich Heider: Lucius Sergius Catilina - ein Verbrecher aus verlorener Ehre? In: Von Romulus zu Augustus. Beck, München 2000, S. 268-278.
- Theodor Mommsen: Römische Geschichte. Band 3, Berlin 1856 (online [1]).
- Robert Pöhlmann: Geschichte des antiken Kommunismus und Sozialismus. Band 2, München 1901.
- Arthur Rosenberg: Demokratie und Klassenkampf. Ausgewählte Studien. Herausgegeben und eingeleitet von Hans-Ulrich Wehler. Frankfurt/Main 1974 (erstmals erschienen 1921).
- Robin Seager: The First Catilinarian Conspiracy. In: Historia 13 (1964), S. 338-347.
- Hans Dieter Stöver: Verschwörung gegen Rom. Econ, Düsseldorf und Wien 1979, ISBN 3-430-18798-2.
- Roberta Stuart: Catiline and the Crisis of 63-60 B.C.: The Italian Perspective. In: Latomus 54 (1995), S. 62-78.
- Kenneth H. Waters: Cicero, Sallust and Catiline. In: Historia 19 (1970), S. 195-215.
- Zvi Yavetz: The failure of Catiline’s Conspiracy. In: Historia 12 (1963), S. 485 - 499.
- Gabriele Ledworuski: Historiographische Widersprüche in der Monographie Sallusts zur Catlinarischen Verschwörung. Studien zur klassischen Philologie, Band 89. Herausgegeben von Michael von Albrecht. Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 1994.