Standseilbahn







Eine Standseilbahn, früher auch Drahtseilbahn genannt, ist ein schienengebundenes Verkehrsmittel, das durch ein Seil auf einen Berg hinaufgezogen wird. Bei gleichzeitiger Verwendung von zwei Fahrzeugen wirken die Züge füreinander jeweils als Gegengewicht und die Antriebsmotoren (normalerweise in der Bergstation) müssen nur die Differenz der Leistung erbringen.
Standseilbahnen sind aufgrund der Tatsache, dass sie zur Überwindung von großen Höhenunterschieden für Personen- und (seltener) Gütertransporte auf eigener Trasse gebaut werden, in jedem Fall Bergbahnen. Die Standseilbahnen sind mit einer Steigung von bis zu 87,8% die steilsten Schienenbahnen überhaupt. Bei zahlreichen Bahnen dient eine Zahnstange als zusätzliche Bremshilfe. Die heute seltene Form der Standseilbahn ohne Antriebsmotor in der Bergstation, bei der sich die Wagen stattdessen mit einem Wasserballast und der Schwerkraft nach unten ziehen, wird als Wasserballastbahn bezeichnet.
Eine der Standseilbahn technisch sehr ähnliche Bahn ist die Kabelstraßenbahn, deren Anlage jedoch in den Verlauf der Straßen integriert ist und deren Betrieb fast immer innerhalb einer Stadt erfolgt. Eine weitere technisch verwandte Bahn ist die heute fast völlig verschwundene Schienenseilbahn (älteste Form einer durch ein Seil gezogenen Schienenbahn), bei der im Unterschied zur Standseilbahn mit Hilfe des mit Maschinenkraft angetrieben Seiles nur steile Streckenabschnitte überwunden werden. In diesem Fall endete die Strecke auch nicht an einer Berg- oder Talstation, sondern die Züge fahren auf den jeweils anschließenden ebenen Streckenabschnitten aus eigener Kraft weiter.
Geschichte
Die ersten Standseilbahnen entstanden als Schiffshebewerke im frühen 19. Jahrhundert im Kanalbau in Amerika. Die älteste Standseilbahn Europas war die Bahn Lyon - La Croix Rousse von 1862, die heute durch eine Zahnrad-Metro ersetzt ist. Die älteste auf originaler Trasse verkehrende Standseilbahn Europas fährt seit 1870 in Budapest (Ofen - Königsburg). Die längste Standseilbahn Europas ist die Mendelbahn in Bozen mit 2374 Meter Betriebslänge in einer Sektion ohne Unterbrechung; die steilste (mit Ein-Wagen-Betrieb) ist die Bahn Piotta - Ritom (Tessin) mit 87,8 Prozent Neigung.
Bei den ersten Standseilbahnen wie in Lyon oder Budapest bewegten stationäre, am unteren Ende aufgestellte Dampfmaschinen das Seil. Bei den später gebauten Bahnen wurde nach Möglichkeit der Antrieb durch Wasserballast aus einer auf dem Berg gelegenen Quelle gewählt − sprich der talwärts fahrende Wagen wurde so weit mit Wasserballast aufgefüllt, dass er den bergwärts fahrenden Wagen hochziehen konnte (Wasserballastbahn). Später wurden viele dieser Schwerkraftantriebe auf elektrischen Antrieb umgestellt.
Eine besonders ausgefallene Art war die ab den 1930er Jahren in mehreren Schweizer Skiorten gebräuchliche Funi. Sie war eine Schlittenseilbahn auf Kufen, die wie eine Standseilbahn funktionierte.
Betrieb
Standseilbahnen sind dazu konstruiert, große Höhenunterschiede für Personen- und Gütertransporte (letztere eher selten) zu überwinden. Die Fahrzeuge unterschiedlicher Größe mit einem Fassungsvermögen von 20 bis maximal 450 Personen werden mittels Zugseil meist im Pendelverkehr geführt. Bei gleichzeitiger Verwendung von zwei Fahrzeugen wirken die Züge jeweils als Gegengewicht, und die Antriebsmotoren (normalerweise in der Bergstation eingebaut) müssen nur die Differenz der Leistung erbringen, was sie in der Energiebilanz zu den effizientesten Transportmitteln überhaupt macht.
Ein oder zwei Fahrzeuge laufen auf einer festen Fahrbahn (meist auf Schienen) mit eher geringen Fahrgeschwindigkeiten im Bereich von 20 km/h, in Ausnahmefällen jedoch auch bis 50 km/h. Die Fahrzeiten weichen je nach Bahn stark ab, die Fahrtintervalle betragen in der Regel 15 bis 20 Minuten. Eine Ausnahme ist hierbei die Merkurbergbahn in Baden-Baden, welche heute fahrerlos fährt und von den Fahrgästen ähnlich wie ein Aufzug bedient wird.
Früher waren meistens Dampfmaschinen für den Antrieb des Zugseiles verantwortlich, später jedoch wurden diese durch weit praktischere und wirtschaftlichere Elektromotoren ersetzt.
Die befahrenen Steigungen betragen zwischen 25 und 87,8%, im Durchschnitt liegen diese meist zwischen 40 und 50%, was die Standseilbahnen zu den steilsten Schienenbahnen überhaupt macht.
Während bei kurzen Wegstrecken zwei Schienen nebeneinander möglich sind, wird bei längeren Strecken eine einzige Spur mit einer in Streckenmitte gelegenen Ausweichstelle verwendet. Die Weichen, die dafür benötigt werden, sind starr. Die entgegenkommenden Wagen werden durch jeweils gespiegelt gelagerte Doppelspurkranzräder an den durchlaufenden Außenschienen geführt (die gegenüberliegenden Räder besitzen dafür keinen Spurkranz). Das System wurde vom Schweizer Ingenieur Roman Abt entwickelt, und die entsprechenden starren Weichen werden als Abtsche Weiche bezeichnet.
Eine Besonderheit stellt die Oberweißbacher Bergbahn dar, welche 1923 zum Transport normalspuriger Eisenbahnwagen eröffnet wurde und eine Spurweite von 1800 mm besitzt.
Ein Sonderfall ist die Dorfbahn Serfaus (Österreich), eine unterirdische Luftkissenschwebebahn mit Seilantrieb, die manchmal auch als kleinste U-Bahn der Welt bezeichnet wird. Diese Bahn ist zwar keine Standseilbahn im eigentlichen Sinne, kann jedoch aufgrund des Antriebsseiles im weitesten Sinne noch dazu gezählt werden.
Varianten der Standseilbahn
Wasserballastbahn
Eine meist für kleine Standseilbahnen oder Schrägaufzüge verwendete Antriebsart ist der Gewichtsantrieb. Hierbei sorgt der nach unten laufenden Wagen durch sein größeres, mitgegebenes Gewicht für den Antrieb der nach oben laufenden Kabine. Als Gewicht verwendet man beispielsweise das Wasser eines nahen Baches oder das Abwasser eines höhergelegenen Ortsteils (Wasserballastbahn). Die Standseilbahn Freiburg/Neuveville-St-Pierre, erbaut 1897, restauriert 1998 und mittlerweile zum Schweizer nationalen Kulturgut gehörend, und die Nerobergbahn in Wiesbaden funktionieren nach diesem Prinzip. In Lynton/Großbritannien existiert eine kleinere Anlage ähnlicher Bauart (Lynton-Lynmouth Cliff Railway).
System Agudio
Es gibt auch Standseilbahnen, die sich ähnlich einer Laufkatze aus eigener Kraft an einem fix verankerten Seil hochwinden. Dieses System wurde z.B. von Tomaso Agudio bei der Erstausführung der Bahn von Sassi nach Soperga angewandt. Die Energieversorgung der Bahn erfolgt durch ein umlaufendes Endlosseil, das den Wickelmechanismus im Fahrzeug antreibt. Ein ähnliches System wurde auch beim Treidelverkehr in der Seil- oder Kettenschiffahrt angewandt.
Verwandte Bauarten
Schienenseilbahn
Eine weitere Variante ist die Schienenseilbahn, bei der beide Fahrzeuge über einen eigenen Antrieb verfügen und die Rolle an der Bergstation nur zur Kraftumlenkung dient. Im Unterschied zur Standseilbahn geht die Schienenseilbahn über die Tal- und Bergstation als normale Bahn hinaus. In Triest wird eine Teilstrecke der regulären Straßenbahn mittels zweier am Seil laufender Schublokomotiven sehr effizient als Standseilbahn betrieben. Ein ganz ähnliches System gab es bis 1954 auch in der süditalienische Stadt Catanzaro, wobei die Straßenbahnwagen hier ganz ohne Lokomotiven oder zusätzliche Fahrzeuge auf den Standseilbahn-Abschnitt ein- und ausfuhren.
Kabelstraßenbahn
Bei der seltenen Umlaufseilbahn werden die Wagen an eine in einem Kanal zwischen den Schienen endlos umlaufende Seilführung angeklemmt, wobei in diesem Fall die Anlage in den Verlauf der Straßen integriert ist und der Betrieb praktisch immer innerhalb einer Stadt erfolgt, weshalb diese als Kabelstraßenbahn bezeichnet wird. Bekannteste Beispiele sind die Cable Cars in San Francisco.
Abgrenzung zum Schrägaufzug
Bei Standseilbahnen verkehren stets zwei zum Personen- und/oder Gütertransport geeignete Fahrzeuge. Diese sind bei den meisten (Ausnahme zum Beispiel die Oberweißbacher Bergbahn) identisch. Verkehrt nur ein Fahrzeug und ist das Gegengewicht als reines Ballastgewicht ohne die Möglichkeit für Güter- oder Personentransport ausgeführt, oder erfolgt der Antrieb mit Hilfe einer Seilwinde, so spricht man von einem Schrägaufzug.
Am Walchenseekraftwerk befindet sich eine Standseilbahn, die nach Abbau eines der beiden Wagen und der Ausweiche jetzt als Schrägaufzug betrieben wird.
Rekorde
Die steilste Standseilbahn der Welt ist mit einer maximalen Steigung von 106 Prozent die Gelmerbahn. Sie befindet sich in der Schweiz und führt von Handegg zum Gelmersee.
Listen von Standseilbahnen
Siehe auch
- Wasserballastbahn
- Kabelstraßenbahn
- Bergbahn
- Schrägaufzug
- Schienenseilbahn
- Luftseilbahn
- Unglück in der Gletscherbahn Kaprun
- Portal:Bahn
Quellen
- Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Band V, Leipzig 1906
- Knupfer: Hoch über Heslach. Die Stuttgarter Standseilbahn. Stuttgart 2004
Weblinks
- http://www.dresdner-bergbahnen.de
- Eine einzigartige Standseilbahn zum Transport von Eisenbahnwagen
- Standseilbahn in Dresden zwischen den Ortsteilen Loschwitz und Weißer Hirsch seit 1895
- Standseilbahn Stuttgart
- Standseilbahn mit Wasserballast in Wiesbaden von 1888
- Informationen über mehrere Standseilbahnen in Deutschland und Frankreich
- FUNIMAG-Web-Magazin über Standseilbahnen - Artikel, Listen, Weblinks
- Erklärung der Begriffe