Österreichisches Deutsch
Österreichisches Deutsch | ||
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Gesprochen in |
Österreich, Südtirol | |
Sprecher | ungefähr 8,6 Millionen | |
Linguistische Klassifikation |
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Besonderheiten | Seit 1951 durch das Österreichische Wörterbuch staatlich normiert |
Der Begriff Österreichisches Deutsch (umgangssprachlich: Österreichisch) bezeichnet die vorwiegend in Österreich gebräuchlichen sprachlichen Besonderheiten (Varietäten) der deutschen Hochsprache (Schriftsprache) und ihres Wortschatzes (Liste von Austriazismen). Diese hochsprachlichen Besonderheiten haben sich in Österreich geschichtlich entwickelt und stellen zwar keine eigenständige Sprache dar, sind aber seit der II. Republik als Standardvarietät der Deutschen Sprache durch das vom Unterrichtsministerium mitinitiierte Österreichische Wörterbuch staatlich normiert (zur Definition und sprachwissenschaftlichen Abgrenzung vgl. insbesondere[1]). Einige Begriffe und zahlreiche Besonderheiten der Aussprache entstammen den in Österreich verbreiteten Mundarten und Regionaldialekten, viele andere wurden den Kronländern der Habsburgermonarchie entlehnt. Eine große Anzahl rechts- und verwaltungstechnischer Begriffe sowie grammatikalische Besonderheiten gehen auf das österreichische Amtsdeutsch im Habsburgerreich (nach 1804: Kaisertum Österreich; nach 1867: Doppelmonarchie Österreich-Ungarn) zurück, dessen Ursprünge Joseph von Sonnenfels ab dem Jahre 1784 maßgeblich mitgeprägt hat. Außerdem umfasst ein wichtiger Teil des speziell österreichischen Wortschatzes den kulinarischen Bereich; einige dieser Ausdrücke sind sogar durch Verträge mit der EU geschützt.
Daneben gibt es in Österreich abseits der hochsprachlichen Standardvarietät noch zahlreiche regionale Dialektformen, insbesondere bairische und alemannische Dialekte. Diese werden in der Umgangssprache sehr stark genutzt, finden aber abgesehen von den oben angesprochenen Einflüssen keinen direkten Niederschlag in der Schriftsprache (ausgenommen natürlich im Falle von Mundartdichtern usw.).
Damit zeigt sich am Österreichischen Deutsch (wie auch am Schweizer Hochdeutsch) die Eigenschaft der deutschen Sprache als plurizentrischen Sprache, ein typisches Merkmal sprecherreicher Sprachen, die über nationale Staatsgrenzen hinaus verbreitet sind[2]. Allerdings gibt es gerade zu dieser Frage einen laufenden Entwicklungs- und Diskussionsprozess in der Germanistik, die noch bis in die 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts von einer „monozentrischen Auffassung“ geprägt war und das Konzept der plurizentrische Sprache erst seitdem entwickelt und verfeinert hat[3][4]. Darum ist auch der Begriff des Österreichischen Deutsch nicht unumstritten[5], wird aber von der Mehrzahl führender Sprachwissenschafter Österreichs belegt, wobei es in Deutschland und vereinzelt in Österreich dazu auch kritische Expertenmeinungen gibt. Dieser Diskussionsprozess der Germanistik wird daher im abschließenden Abschnitt „Sprachwissenschaftliche Diskussion zum Begriff Österreichisches Deutsch“ dargestellt. Eine aktuelle sprachwissenschaftliche Übersicht des deutschen Linguisten Leerkamp aus dem Jahre 2003 stellt jedenfalls fest: „In der Forschung scheint die Existenz einer eigenständigen nationalen Varietät des österreichischen Deutsch mittlerweile weitestgehend anerkannt.“ (vgl.[6], S.9).
Geschichtliche Entwicklung des Österreichischen Deutsch
Siehe auch: Deutsche Sprachgeschichte, Deutsche Rechtschreibung


Etwa 88 % der österreichischen Bevölkerung haben Deutsch als Muttersprache. Doch bereits im 18. Jahrhundert erforschte der österreichische Sprachforscher Johann Siegmund Popowitsch Sprachunterschiede zwischen Österreich und Deutschland. Popowitsch war slowenischer Herkunft und stammte aus der Untersteiermark; von 1753 bis 1766 war er Professor an der Universität Wien für Slawistik und ein Gegner Gottscheds, der die deutsche Sprache nach dem Meißnischen Sprachgebrauch normierte.[7] Bei seinem Tod 1774 hinterließ Popowitsch einen umfangreichen Zettelkasten, aus dem das erste österreichische Wörterbuch hätte hervorgehen sollen.[8]
Während der Zeit Maria Theresias und Josephs II. engagiert sich der österreichische Aufklärer und Schriftsteller Joseph von Sonnenfels, Professor an der Universität Wien, für die Vereinheitlichung der Sprache und die Reduktion der Sprachenvielfalt in der Verwaltung des Vielvölkerstaates (Allerdings mit einem pragmatisch-aufklärerischen Zugang klar abgegrenzt vom mechanisch-puristischen Zugang Gottscheds). Im Jahre 1784, als Joseph II. versucht, die deutsche Sprache als allgemeine Amtssprache durchzusetzen, schafft Sonnenfels mit seinem Buch „Über den Geschäftsstil: die ersten Grundlinien für angehende österreichische Kanzleybeamten“ ein Standardwerk, das bis 1848 an österreichischen Universitäten (insb. juridischen Fakultäten) maßgeblich war:
- „Erklärtes Ziel des Lehrbuches war es, die Sprache der Verwaltung so zu normieren, dass sie überall im großen Vielvölkerstaat einheitlich gehandhabt würde, so dass ein Beamter, der plötzlich an einen neuen Dienstort versetzt würde (eine durchaus wirklichkeitsnahe Überlegung), in der Lage wäre, ohne zusätzliche Einschulung so weiterzuarbeiten wie bisher. In ausdrücklicher Abgrenzung vom Sprachpurismus eines Gottsched legte Sonnenfels das Hauptaugenmerk nicht auf eine einheitliche deutsche Standardsprache, sondern erhob, durch und durch pragmatisch orientiert, die allgemeine Verständlichkeit zum obersten Ziel des Sprachgebrauchs der staatlichen Verwaltung. Floskeln und rhetorischer Schwulst sollten nach Möglichkeit eliminiert werden, Kürze, Prägnanz und übersichtliche Gliederung der Ausführungen galten als oberste Maximen, wobei Sonnenfels ausdrücklich dafür eintrat, sich nicht an einem abstrakten Ideal von Sprachreinheit zu orientieren, sondern sich nach Möglichkeit des Vokabulars der gemeinverständlichen Umgangssprache zu bedienen. Damit wurde sein einflussreiches Lehrbuch schließlich zu einem wesentlichen Ausgangspunkt der allgemeinen Etablierung der österreichischen Standardvarietät der deutschen Sprache.“[9]
Der Versuch Joseph II. (HRR), Deutsch als alleinige Amtssprache zu etablieren, scheiterte vorerst, dafür griffen die von ihm und seiner Mutter Maria Theresia eingeleiteten Reformen im Bildungswesen, insbesondere auch bei den höheren Bildungseinrichtungen, an denen Beamte ausgebildet wurden. Die Vielsprachigkeit war zugleich Chance und Bedrohung des gesamten Staatswesens, sodass die Beamtenschaft der Habsburgermonarchie bewusst im Sinne eines „übernational ausgerichteten Gesamtstaatsbewusstseins“ ausgebildet wurde. Damit bildeten die Beamten eine eigene Gesellschaftsschicht und waren Teil des intellektuellen Bürgertums Österreichs, viele Beamte betätigten sich sogar als Schriftsteller und wirkten damit wiederum auch auf den höheren Sprachgebrauch außerhalb des Amtswesens. Prominentes Beispiel dafür ist der österreichische Hofbeamte und Dramatiker Franz Grillparzer, wobei ihm von kritischen Zeitgenossen wegen seiner Habsburg-Dramen (u.a. Ein Bruderzwist in Habsburg, König Ottokars Glück und Ende) eine zu starke Anbiederung ans Herrscherhaus vorgeworfen wurde.
Nach der Auflösung des Deutschen Bundes und der Gründung Österreich-Ungarns 1867 tritt zunehmend das Spannungsfeld zwischen dem Österreichischen Deutsch und dem „Deutschen Sprachpurismus“ zutage (vgl. [10]). Die I. Orthographische Konferenz in Berlin im Jahre 1876 erzielt keine Einigung über eine einheitliche gesamtdeutsche Orthographie. Daraufhin werden 1879 die in Österreich üblichen schriftsprachlichen Gewohnheiten als „REGELN UND WÖRTERVERZEICHNIS FÜR DIE DEUTSCHE RECHTSCHREIBUNG.“ kodifiziert (vgl. Wiesinger: „Das österreichische Deutsch“, 1988 sowie in Folge u.a. Leerkamp 2003).
Bedingt durch den gemeinsamen Verwaltungskörper und den kulturellen Austausch im Kaisertum Österreich und der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn sind auch zahlreiche Lehnwörter aus dem Tschechischen, Ungarischen, Italienischen, Südslawischen usw. in das österreichische Deutsch übernommen worden. Die Volkszählung 1910 in Österreich-Ungarn ergab folgendes Bild[11] (Anm.: Juden gaben meist Deutsch als Umgangssprache an, ebenso Beamte nicht-deutscher Muttersprache, die durch den Einsatz im Verwaltungsapparat vorwiegend deutsch sprachen. Exakte Zahlen über die nationale Zuordnung existieren nicht).
Sprache | Absolutzahl | Prozent |
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Deutsch | 12.006.521 | 23,36 |
Ungarisch | 10.056.315 | 19,57 |
Tschechisch | 6.442.133 | 12,54 |
Polnisch | 4.976.804 | 9,68 |
Serbisch und Kroatisch | 4.380.891 | 8,52 |
Ruthenisch (Ukrainisch) | 3.997.831 | 7,78 |
Rumänisch | 3.224.147 | 6,27 |
Slowakisch | 1.967.970 | 3,83 |
Slowenisch | 1.255.620 | 2,44 |
Italienisch | 768.422 | 1,50 |
Sonstige | 2.313.569 | 4,51 |
Insgesamt | 51.390.223 | 100,00 |
Für die Umgangssprachen in den einzelnen Kronländern der österreichischen Reichshälfte ergab sich in der Volkszählung 1910 folgende Sprachverbreitung:
Land | Hauptumgangssprache | andere Sprachen (mehr als 2 %) |
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Böhmen | Tschechisch (63,2 %) | Deutsch (36,8 %) |
Dalmatien | Kroatisch (96,2 %) | Italienisch (2,8 %) |
Galizien | Polnisch (58,6 %) | Ukrainisch (40,2 %) |
Niederösterreich | Deutsch (95,9 %) | Tschechisch (3,8 %) |
Oberösterreich | Deutsch (99,7 %) | |
Bukowina | Ukrainisch (38,4 %) | Rumänisch (34,4 %), Deutsch (21,2 %), Polnisch (4,6 %) |
Kärnten | Deutsch (78,6 %) | Slowenisch (21,2 %) |
Krain | Slowenisch (94,4 %) | Deutsch (5,4 %) |
Salzburg | Deutsch (99,7 %) | |
Schlesien | Deutsch (43,9 %) | Polnisch (31,7 %), Tschechisch (24,3 %) |
Steiermark | Deutsch (70,5 %) | Slowenisch (29,4 %) |
Mähren | Tschechisch (71,8 %) | Deutsch (27,6 %) |
Tirol | Deutsch (57,3 %) | Italienisch (42,1 %) |
Küstenland | Slowenisch (37,3 %) | Italienisch (34,5 %), Kroatisch (24,4 %), Deutsch (2,5 %) |
Vorarlberg | Deutsch (95,4 %) | Italienisch (4,4 %) |
Charakteristika des Österreichischen Deutsch
Siehe auch: Variantenwörterbuch des Deutschen, Liste von Austriazismen
Österreichisches Deutsch - die österreichische Standardvarietät des Hochdeutschen - ist durch das Österreichische Wörterbuch normiert und unterscheidet sich in Teilen des Wortschatzes, grammatikalischen Besonderheiten, der Schreibweise und auch in der Aussprache von jenem Hochdeutsch, das in Deutschland durch den Duden kodifiziert ist. Gleichwohl werden auch aktuelle germanistische Entwicklungen berücksichtigt, sodass sich Österreich an der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 beteiligt hat, ohne dabei jedoch seine sprachlichen Besonderheiten aufzugeben, was im Österreichischen Wörterbuch in seiner derzeit 40. Auflage entsprechend berücksichtigt ist. Auch der Duden trägt der Eigenschaft der Deutschen Sprache als plurizentrische Sprache Rechnung, indem typisch österreichische Wörter (ebenso wie Helvetismen und regional-landschaftlich genutzte Wörter) von der Duden-Redaktion aufgenommen und entsprechend gekennzeichnet werden.
- „Das österreichische Deutsch wurde besonders von der österreichischen, teilweise aber auch von der deutschen und außerdeutschen germanistischen Sprachwissenschaft beschrieben und charakterisiert. Es zeichnet sich in seiner geschriebenen Form besonders durch Eigenheiten im Wortschatz hauptsächlich als Bezeichnungen und seltener auch durch Bedeutungen (onomasiologische und semasiologische Besonderheiten) sowie in geringerem Umfang durch morphologische Eigenheiten in der Formen- und Wortbildung einschließlich der Genera des Substantivs, syntaktische und phraseologische sowie auch pragmatische Besonderheiten aus. Mündlich kommen dann vor allem noch Besonderheiten der Aussprache mit Lautbildung und Wortakzentuierung hinzu.“ (vgl. Sprachwissenschafter Peter Wiesinger[12])
Ein Teil des Wortschatzes der österreichischen Standardsprache ist auch in den mittel- und südbairischen Dialekten verankert und wird daher fallweise auch in den übrigen bairischen Sprachgebieten in Altbayern verwendet (Bsp.: Schweinsbraten [13]), andere österreichische Wörter sind aber auch in Bayern unbekannt (Bsp.: Rettung [14], Patschen [15]). Darüber hinaus gibt es einen speziellen Wortschatz der Hochsprache, der nur in Österreich gebraucht wird, insbesondere im Amtswesen und im kulinarischen Bereich. Das so genannte österreichische Amtsdeutsch geht zurück auf die österreichisch-ungarische Monarchie und hat sich seitdem zwar in Feinheiten entwickelt, insgesamt aber in den Begrifflichkeiten stark konserviert. Ebenso maßgeblich für die Erhaltung und Weitergabe dieses österreichischen (Hoch-)Deutsch sind das Bildungswesen (Schulen, Universitäten) sowie die weiteren sprachprägenden Institutionen des heutigen Österreich (Insbesondere Fernsehen, Radio und Printmedien: Medien in Österreich).
Daneben wurde und wird das österreichische Deutsch durch die anderen Sprachen Mitteleuropas beeinflusst, zumal jenen der ehemaligen Kronländer Tschechisch, Ungarisch, Slowenisch, Italienisch. Der Einfluss des jüdischen Bürgertums, insbesondere in Wien und Prag, sowie des Ostjudentums bis 1938 schlägt sich in der vermehrten Verwendung von jiddischen Ausdrücken nieder (vgl. Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch sowie Salcia Landmann: [16]).
In den Beitrittsverträgen Österreichs mit der Europäischen Gemeinschaft (EU) wurden auch einige österreichspezifische Bezeichnungen für Lebensmittel festgeschrieben, die im übrigen deutschen Sprachraum nicht gebräuchlich sind (ausgenommen einzelne im Raum Bayern) und darüber hinaus den Zweck eines Produktschutzes erfüllen (Jagatee).
Wortschatz in Österreich
Viele in anderen deutschen Sprachregionen gebräuchliche Wörter werden in Österreich weder mündlich noch schriftlich allgemein verwendet. Manche der folgenden Wörter waren auch im sonstigen oberdeutschen Sprachraum ursprünglich nicht heimisch.
Verwaltungstechnische Ausdrücke
Im Zuge der Verabschiedung des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) im Jahre 1920 hat der damalige Verfassungsgesetzgeber zwar die deutsche Sprache (ohne nähere Spezifikation) in Artikel 8 Absatz 1 B-VG als offizielle Staatssprache festgeschrieben, wobei der später ergänzte Art. 8 Abs. 2 B-VG auch die bodenständigen Minderheitensprachen in Österreich anerkennt:
- „Artikel 8 B-VG
- (1) Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik.
- (2) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.“
Tatsächlich gebräuchlich ist im Alltag wie auch im staatlichen Bereich jedoch Österreichisches Deutsch als Varietät des Hochdeutschen, diese österreichische Standardvarietät wurde daher in der II. Republik durch das Österreichische Wörterbuch staatlich normiert (erstmals 1951, als es alle alten deutschen Regelbücher ablöste). Im Folgenden sind österreichische Ausdrücke aus dem Bereich Verwaltung und Politik aufgelistet, daneben die jeweilige Entsprechung in Deutschland:
- Nationalrat = Bundestag
- Landeshauptmann/Landeshauptfrau = Ministerpräsident/Ministerpräsidentin (eines Bundeslandes)
- Landesrat/Landesrätin = Minister/-in eines Bundeslandes
- Bezirkshauptmannschaft = Bezirksverwaltung (Landrats-/Kreisamt)
- Bürgermeister = Oberbürgermeister in größeren Städten, Regierender Bürgermeister in Berlin
- Klub = Fraktion (im Parlament)
- Klubobmann/Klubobfrau = Fraktionsvorsitzender/Fraktionsvorsitzende
- Gendarmerie (2005 in Polizei umbenannt) = Landpolizei
- Bezirksgericht = Amtsgericht
- Landesgericht = Landgericht
- Oberster Gerichtshof = Bundesgerichtshof
- Verfassungsgerichtshof = Bundesverfassungsgericht
- Verwaltungsgerichtshof = Bundesverwaltungsgericht
- der Akt = die Akte
- in Evidenz halten= vormerken
- urgieren = auf eine Entscheidung drängen
Ebenso sind in der Rechtssprache oder in der österreichischen Gesetzgebung Ausdrücke vorhanden, die z. B. in Deutschland nicht verwendet werden, einen anderen Bedeutungsinhalt haben (z. B. Besitz) oder ungebräuchlich sind. Ebenso weichen Rechtsausdrücke – oft aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Terminologie – im Detail von den in Deutschland gebräuchlichen, sinngleichen Ausdrücken ab (z. B. in Österreich: Schadenersatz, Schmerzengeld laut dem ABGB 1811; in Deutschland: Schadensersatz, Schmerzensgeld). Generell lässt sich in Österreich eine häufigere Verwendung von Latinismen in der Rechtssprache feststellen, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass das kurz vor der vorletzten Jahrhundertwende entstandene deutsche BGB die zuvor auch in Deutschland weit verbreiteten lateinischen Rechtsausdrücke aus dem römischen Recht (Pandekten) bewusst vermied oder „eindeutschte“. Beispiele sind nur in Österreich oder öfter als in Deutschland verwendete Ausdrücke wie Legat (Vermächtnis), Servitut (Dienstbarkeit), Causa (Fall; bedeutet in Deutschland jedoch „Rechtsgrund“) oder Krida.[17]
Bei den Dienstgraden des österreichischen Bundesheeres sind Unterschiede etwa zu den in der deutschen Bundeswehr gebräuchlichen Bezeichnungen vor allem unterhalb der Offiziersebene stark ausgeprägt. Beispiele sind die Dienstgrade (in Österreich Chargen genannt, wobei in der strengeren Terminologie des Bundesheeres Chargen nur die Dienstgrade zwischen Rekrut und Unteroffizieren sind, d. h. Gefreiter, Korporal und Zugsführer) Korporal (Deutschland: Hauptgefreiter/Stabsgefreiter), Wachtmeister (österreichischer Ausdruck für „Feldwebel“, in Deutschland nur bei der Artillerie und Kavallerie bis 1945 verwendet), Vizeleutnant (entspricht einem „Unterleutnant“ in der ehemaligen NVA der DDR) oder Brigadier (D: Brigadegeneral). Kommandeure (Deutschland) sind in Österreich stets Kommandanten. Das spiegelt sich auch in anderen Organisationen wieder, sodass es etwa bei der Feuerwehr, keinen Gruppenführer wie in Deutschland sondern einen Gruppenkommandanten gibt, sowie auch beim Roten Kreuz mit dem Kolonnenkommandanten.
Auch im Schulbereich bestehen hinsichtlich der Organisation wie auch der Ausdrücke einige Unterschiede zwischen dem österreichischen und dem deutschen System. In Österreich gibt es nur zwei weiterführende Schultypen nach der Volksschule (Deutschland: Grundschule, früher und gelegentlich noch in Bayern auch Volksschule), nämlich die Hauptschule, die etwa der deutschen Haupt- und Realschule entspricht, und das Gymnasium (in Wien manchmal: Kooperative Mittelschule). In der Hauptschule werden die Schüler in drei Leistungsgruppen aufgeteilt. Das Abitur in Deutschland entspricht der Matura in Österreich. Siehe hierzu auch unter Schulsystem in Österreich. Für Kinder ist in Österreich der Kindergarten (Alltagssprache) bzw. das Kindertagesheim (Amtssprache) vorgesehen. Die in West-Deutschland in den letzten Jahrzehnten gebräuchliche Bezeichnung Kindertagesstätte bzw. Kita ist in Österreich genauso unüblich oder gar unbekannt.
Im medizinischen Bereich trifft man ebenfalls auf österreichische Fachtermini. So befinden sich Österreicher im Krankenstand, besuchen dann einen Arzt, welcher eine Ordination (Deutsches Hochdeutsch: Praxis bzw. Sprechstunde) hat. Dabei gibt es auch den Primarius bzw. Primararzt, den Dentisten, den Praktischen Arzt (d.h. Allgemeinmediziner), den Turnusarzt (Arzt im Praktikum) etc. Im Wienerischen gibt es dazu noch auch für zahlreiche Verletzungen und Erkrankungen lokale dialektgeprägte Bezeichnungen.
Im Verkehrsbereich hat eine Lichtzeichenanlage in Österreich eine ganz andere Bedeutung als in Deutschland. Die in beiden Ländern ugs. als Ampel bezeichnete heißt in Österreich Lichtsignalanlage, während die Lichtzeichenalage einen unbeschrankten Bahnübergang kennzeichnet. Im Transport ist die offizielle Bezeichnung Frächter für einen Frachtführer.
Viele der hier genannten Abweichungen treffen allerdings auch auf die Unterschiede zwischen dem Sprachgebrauch Ost- und West-Deutschlands zu. So sind westdeutsche Nachkriegs-Wortschöpfungen wie Azubi (Lehrling) und Kita (Kindergarten) auch in Ostdeutschland nicht üblich (gewesen). Begriffe wie Bezirksgericht, Oberster Gerichtshof, Rat, Bürgermeister, Praktischer Arzt u.v.a. wurden in der ehemaligen DDR identisch wie in Österreich verwendet.
Monatsnamen: Jänner, Feber und Februar
Die in Österreich für den ersten Monat des Kalenderjahres verwendete Bezeichnung ist Jänner. Jänner wird offiziell benutzt und Januar ist in nahezu allen Bereichen unüblich. Jänner entspricht dem mittelhochdeutschen jener, jenner das wiederum aus der spätlateinischen Form iēnuārius[18] entstanden ist. Jänner war bis in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts im gesamten deutschen Sprachraum verbreitet, wurde dann aber bis ungefähr 1800 – mit Ausnahme des süddeutschen Sprachraumes – von der Form Januar verdrängt, die wiederum eine endungslose Variante des lateinischen iānuārius ist. Jänner stellt somit aus neuhochdeutscher Sicht ein Erbwort aus dem Mittelhochdeutschen dar (weil es in die entsprechenden Lautwandelprozesse eingebunden war), wohingegen Januar – auch im Neuhochdeutschen – ein lateinisches Lehnwort ist (da es phonologisch und morphologisch dem neuhochdeutschen System angepasst wurde, aber seit seiner Entlehnung noch keine signifikanten, für die aktuelle Sprachform typischen Lautwandelprozesse durchlaufen hat).
Anders verhält es sich mit der Bezeichnung Feber für den zweiten Monat des Kalenderjahres. Hier war in der deutschen Volkssprache die Bezeichnung Hornung üblich, die aber dann über den Weg der humanistischen Kanzleisprache vom lateinischen Fremdwort februārius verdrängt wurde, das dann als Februar bzw. im Mitteldeutschen und Oberdeutschen als Feber ein Lehnwort wurde. Eine dem Stamm Hornung entsprechende Form ist heute in Österreich auch auf basilektaler und mesolektaler Ebene (und damit in Ortsdialekten und Regiolekten) eher unwahrscheinlich anzutreffen. Es werden häufig Formen verwendet, die Februar entsprechen. Akrolektal, standardsprachlich ist Februar üblich, wobei kanzleisprachlich (z. B. auf amtlichen Dokumenten) und auch umgangssprachlich immer wieder die Form Feber anzutreffen ist.
Küchenvokabular
Siehe auch: Bairisch-Österreichischer Küchenwortschatz, Regionale Küchenbegriffe
Anlässlich des unter dem Motto „Erdäpfelsalat bleibt Erdäpfelsalat“ propagierten EU-Beitritts Österreichs wurde das Spannungsfeld „nationale Identität – EU-Identität“ an linguistischen Fragen deutlich. Österreich ließ im „Protokoll Nr. 10 über die Verwendung österreichischer Ausdrücke der deutschen Sprache“ zum österreichischen Beitrittsvertrag 23 Bezeichnungen quasi unter Schutz stellen[19]. Die 23 geschützten Ausdrücke sind allerdings ausschließlich solche der Küchensprache und sind in der folgenden Tabelle „Küchenvokabular“ mit Sternchen* gekennzeichnet (die mit zwei Sternchen** gekennzeichneten Ausdrücke sind in der angegebenen Pluralform im Protokoll verzeichnet):
GewichtsbezeichnungenBei Lebensmitteln wird statt 10 Gramm die Bezeichnung 1 Deka(gramm) verwendet (analog zu den anderen Nachfolgestaaten der österreichisch-ungarischen Monarchie, etwa im Italienischen un etto). So lautet etwa die Bestellung 10 Deka Extrawurst und nicht 100 Gramm Fleischwurst (siehe auch Vorsätze für Maßeinheiten). Der Zentner wird in Österreich für eine Gewichtseinheit von 100 kg verwendet, in Deutschland für 100 Pfund (50 kg). Die in Deutschland verwendeten Begriffe Doppelzentner für 100 kg sowie Pfund für das halbe Kilogramm sind in Österreich unüblich. Österreichische MarkennamenAuch die Wirtschaft spielt im österreichischen Deutsch eine Rolle, wo beispielsweise einzelne Markennamen zu Austriazismen wurden. So wird heute für das Klebeband zumeist der Markenname TIXO verwendet, für Knabbergebäck Soletti, für Schokoküsse Schwedenbomben, für Putzlappen Wettex, für Schnellkochtöpfe Kelomat und manchmal auch für Orangensaft Cappy und für Apfelsaft Obi, unabhängig vom tatsächlichen Hersteller (vgl. auch Artikel Begriffsmonopol). Wichtigste Beispiele
Grammatikalische BesonderheitenWortbildung (Komposition und Fugenlaute)Zwischen die Elemente zusammengesetzter Hauptwörter (Wortkomposition) tritt im Österreichischen Deutsch (im Gegensatz zum Bundesdeutschen) oft ein Fugenlaut wie etwa das Fugen-S, z. B. „Zugsverspätung“ oder „Schweinsbraten“ (bundesdeutsch „Zugverspätung“ bzw. „Schweinebraten“). Auch bei zusammengesetzten Partizipien wird oft das Fugen-S verwendet, z. B. „verfassungsgebend“. Dieses Fugen-S wird oft fälschlich als Genitiv interpretiert. Andererseits tritt das Fugen-S in einigen Fällen im Gegensatz zum Sprachgebrauch in Deutschland nicht auf, z. B. „Adventkalender“ statt „Adventskalender“, „Schadenersatz“ statt „Schadensersatz“, „Schmerzengeld“ statt „Schmerzensgeld“ (letzteres nur legistisch). Ebenso kommt es im Österreichischen Deutsch abseits des Fugen-S auch bei anderen Wortkompositionen zu einem Fugenlaut, wo im Bundesdeutschen keiner vorkommt, beispielsweise beim österreichischen Halteverbot (offizielle Bezeichnung in Gesetzen usw.) im Vergleich zum offiziellen deutschen Haltverbot. KonjugationDie zweite Person Plural wird, wie auch in Teilen des süddeutschen Sprachraumes, im Präsens und Perfekt gern mit der Endung -ts versehen, um gegenüber der 3. Person Singular klarer abzugrenzen, vor allem wenn das Personalpronomen weggelassen wird (Habts (ihr) das gesehen?). Hinter diesem -s verbirgt sich das Personalpronomen és [eˑs], eine alte Dualform, die hier mit der Personalendung verschmolzen ist. In manchen Teilen des bairischen Dialektgebietes existiert dieses Personalpronomen auch noch als eigenständiges Wort. PerfektIn Österreich (wie auch in der Deutschschweiz und im gesamten süddeutschen Sprachraum) wird für die Bildung des Perfekts von Verben, die die Körperhaltung ausdrücken, genauso wie für Verben der Bewegung, (auch hochsprachlich) generell als Hilfsverb „sein“ verwendet. Zu den betroffenen Verben gehören zum Beispiel „sitzen“ (sitzen – bin gesessen, aber: einsitzen (im Gefängnis) – habe gesessen), „stehen“ (stehen – bin gestanden, aber: gestehen – habe gestanden), „liegen“ (liegen - bin gelegen) und in Teilen Kärntens umgangssprachlich „schlafen“ (schlafen - bin geschlafen). Präteritum / ImperfektEbenso wie im gesamten Dialektgebiet südlich der Mainlinie ist das Präteritum, im Österreichischen auch „Mitvergangenheit“ genannt, in der österreichischen Umgangssprache eher ungebräuchlich. „Ich ging“ oder „ich sah“ wird als fremdartig empfunden, lediglich die Kopula sein und die Modalverben wollen, können, dürfen und müssen werden im Präteritum gebraucht. Normal ist zu sagen: „ich bin gegangen“ oder „ich habe gesehen“. In der Schriftsprache allerdings wird die Mitvergangenheit verwendet. Das Präteritum ist in den oberdeutschen Dialekten in frühneuhochdeutscher Zeit ausgestorben. Eine Erklärung dafür ist, dass im Oberdeutschen generell das auslautende „-e“ u. a. bei den Vergangenheitsformen auf „-te“ ausgefallen war: „sagt-e“ > „sagt“, „kauft-e“ > „kauft“. Dadurch konnten von vielen Verben die Vergangenheits- und Gegenwartsformen lautlich nicht mehr unterschieden werden, was dazu geführt haben soll, dass das Präteritum insgesamt außer Gebrauch gekommen ist. Einer anderen Theorie zufolge wurde das Präteritum zu Gunsten des synthetischen Konjunktivs aufgegeben, bzw. von ihm verdrängt. Darüberhinaus ist es im Gegensatz zum Rest Europas in allen alpenländischen Sprachen üblich, die Hauptvergangenheitszeit als zusammengesetzte Zeitform zu bilden; das Österreichische Deutsch teilt dieses Phänomen nicht nur mit dem gesamten süddeutschen Raum, sondern auch mit Tschechisch, Slowakisch, Slowenisch, Serbokroatisch, Französisch und dem Norden des italienischen Sprachgebiets. [20] Gebrauch des KonjunktivsWährend in den nördlichen deutschen Sprachregionen in Sätzen der indirekten Rede häufig der Konjunktiv verwendet wird, wird in Österreich in der Umgangssprache eher der Indikativ verwendet. Wenn ein Satz tatsächlich im Konjunktiv gesprochen wird, so drückt das ein Misstrauen aus. Beispiel: Er hat gesagt, dass er in der Stadt gewesen ist. Im Gegensatz dazu: Er sagte, dass er in der Stadt gewesen sei. - drückt aus, dass man es eigentlich nicht glaubt. Der Konjunktiv selbst wird eher als Irrealis gebraucht. (Zu seiner Bildung siehe den Grammatikteil des Artikels Bairische Sprache.) Geschlecht (Genus)Bei einigen Wörtern wird in der österreichischen Standardsprache ein anderes Genus verwendet. Beispiele sind (österreichisches Deutsch – Bundesdeutsch):
(Weitere Beispiele für gesamtbairische Genusabweichungen finden sich im Artikel Bairische Sprache.) Während in der Hochsprache die Anzahl der Wörter mit abweichendem Genus relativ gering ist, wird es in den verschiedenen Dialekten wesentlich öfter verwendet. Sehr vielen englischen Wörtern, die relativ neu im deutschen Sprachgebrauch sind, wird in Österreich und Süddeutschland fast immer der sächliche Artikel (Neutrum) zugeordnet. In Nord- und Mitteldeutschland hingegen ist es üblich, den „richtigen“ Artikel für ein neues Wort zu „suchen“. Ein Beispiel dafür ist das E-Mail und die E-Mail oder das Service oder der Service. Idiomatik, Kollokationen
SchreibweiseIn der Schreibweise gibt es auch nach der Rechtschreibreform einzelne Unterschiede, wie beispielsweise im bundesdeutschen Bereich ein Weg nach Hause führt, kann er nach dem Österreichischen Wörterbuch nachhause oder nach Hause führen. Das gilt auch für zuhause. Statt ohne weiteres wird in Österreich ohneweiters bevorzugt. Einige Wörter werden aussprachebedingt anders geschrieben; so zum Beispiel die österreichische Variante Geschoß im Gegensatz zum bundesdeutschen Geschoss, oder Kücken neben Küken. Österreichische Aussprache und das LautsystemDie Österreichische Aussprache und das Lautsystem (Phonetik und Phonologie) enthalten zahlreiche nationale Besonderheiten. In Anlehnung an die im Mittelbairischen im Anlaut weitgehend fehlende Unterscheidung zwischen den Konsonanten „p“ und „b“, „t“ und „d“ sowie (in geringerem Maße und nur regional) „k“ und „g“, der sogenannten Lenisierung, hören sich diese Konsonanten bei vielen Sprechern gleich an. Die Endungen auf -ig werden als solche ausgesprochen (so heißt es beispielsweise Könik oder fertik und nicht wie in Deutschland größtenteils üblich Könich, fertich). Auch aus dem Nordosten Deutschlands stammende Namen auf -ow werden häufig nicht wie dort mit langem „o“, sondern vielmehr slawisch als „-off“ ausgesprochen, z. B. in Klausjürgen Wussow. BetonungOrtsnamen, die mit der Endung -au enden, werden meist auf der Endsilbe betont, während sie sonst erstsilbig betont werden. Beispiele sind Wachau und Lobau (aber: Murau) entgegen Passau oder Mainau. Zusammengesetzte Begriffe und Namen (z. B. Straßenbezeichnungen) werden meist in der Betonung auf dem ersten Nomen betont, z.B. bei Bundeskanzleramt. Werden Vorwörter und persönliche Fürwörter nach einander gesprochen, betont man in Österreich das persönliche Fürwort, nicht aber das Vorwort. Beispiele: wir sind bei euch (Ö) ↔ wir sind bei euch (D); komm zu mir (Ö) ↔ komm zu mir (D); geht mit uns (Ö) ↔ geht mit uns (D). LehnwörterViele Lehnwörter unterscheiden sich nicht nur in der Betonung, sondern auch in der Aussprache vom Gebrauch in anderen deutschen Sprachgebieten, so etwa Balkon, Beton, Saison (auch mit -ei-), pensioniert (keine Nasalierung), Bronze (Nasalierung), Chemie, China (Aussprache auf /k/), Kaffee, Mathematik, Parfum, Tabak, Telefon. Häufig sind die hier angeführten Aussprachebeispiele jedoch nicht beschränkt auf Österreich, sondern sind auch im süddeutschen Raum (v. a. Bayern und Baden-Württemberg) anzutreffen (z. B. die zitierte Aussprache von Bronze, pensioniert, Chemie, China, Telefon usw.). Markennamen werden in Österreich üblicherweise in der Original-Aussprache übernommen. „Eindeutschungen“ wie in Deutschland bei Michelin oder Colgate finden selten statt. Zahlen, UhrzeitZahlen werden als Substantive in Österreich generell auf -er gebildet und sind dann männlich. Es heißt also österr. der Einser vs. bundesdt. die Eins usw. Die Verwendung des Zahlwortes zwo für zwei zur Verdeutlichung des Unterschieds zu drei in hochsprachlichen Durchsagen (z. B. an Bahnhöfen) ist in Österreich im Gegensatz zu Deutschland kaum gebräuchlich. Jahreszahlen werden in Österreich meist ohne das Element -hundert- gesprochen (z. B. 1998 = neunzehnachtundneunzig [vgl. engl. nineteen ninety-eight]). Speziell in Ost- und Südösterreich (aber auch in Teilen Süd- und Ostdeutschlands wie Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen, Brandenburg oder Berlin) wird 14 Uhr 15 nicht als Viertel nach zwei, sondern als viertel drei oder Viertel über zwei (zu finden in Salzburg, Oberösterreich, Wien, Obersteiermark und Burgenland - hält sich aber keinesfalls an politische Grenzen) bezeichnet. Auch 14 Uhr 45 wird nur selten als Viertel vor drei, sondern als dreiviertel drei bezeichnet. Buchstaben des AlphabetsDie Buchstaben „J“ und „Q“ des Alphabets werden in Österreich - sofern sie allein stehen - üblicherweise anders ausgesprochen: J = „jee“ (D: „jot“); Q = „kwee“ (D: „ku“). Allerdings bürgert sich zunehmend die Aussprache des Q als „ku“ auch in Österreich ein, wohl wegen der besseren Verständlichkeit. Wechsel der SprachschichtIn der sprachlichen Gegenwart des Österreichischen kann man sehr häufig einen Wechsel der Sprachschichten beobachten. So werden in hochsprachlich gesprochenen Sätzen immer wieder umgangssprachliche Wörter und Dialektbegriffe eingebaut. Umgekehrt werden zur Betonung innerhalb der Umgangssprache, einzelne, betonte Wörter zur Verstärkung in Hochsprache ausgedrückt. Dies geschieht nicht als Anbiederung an die jeweils andere Sprachschicht, sondern dient einer stilistischen Nuancierung und Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeit. Es ist keine Vermischung, sondern zeigt das Wissen um die jeweilig anderen Sprachschichten und deren Alltagsbedeutung – vor allem deshalb, da oftmals die gleichen Worte in den jeweils anderen Sprachschichten unterschiedliche Bedeutungen haben können – dies auch verstanden, und gerade auch von höheren Gesellschaftsschichten bewusst eingesetzt wird. Dieser Sprachschichtwechsel ist auch in der österreichischen Literatur sehr häufig zu finden (Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, Arthur Schnitzler etc.), in der österreichischen Presse (immer weniger), aber auch als Bestandteil des „Burgtheaterdeutsch“, der typisch österreichischen Hochsprachreferenz schlechthin. Gebrauchsunterschiede bei einzelnen SprachformenUntersuchungen haben gezeigt, dass in Österreich Sprachformen in formellen Kontexten akzeptiert werden, die in Deutschland unüblich sind, weil sie zu informell wirken. Joachim Grzega bezeichnet dieses Merkmal des österreichischen Deutsch als Nonchalance[22]. Selbst in geschriebener Sprache wie Zeitungen werden eher Zitate mit umgangssprachlichen Elementen verwendet, während im Bundesdeutschen eher indirekte Rede mit „geglätteter“ Sprache verwendet wird. Im Gegensatz zu Deutschland ist in Österreich das Führen von bzw. die Anrede mit Titeln (z. B.: Ö: „Guten Morgen, gnädige Frau“, „Guten Abend, Herr Ingenieur“, „Grüß Gott, Herr Doktor“ vs. D: „Guten Morgen“, „Guten Abend, Herr Müller“) üblich und alltäglich. Die Bezeichnung Name wird in Österreich (ähnlich wie bei den benachbarten slawischen Sprachen) meistens nicht für den Nachnamen verwendet, sondern für die Kombination aus Vor- und Nachnamen, oder auch nur für den Vornamen. Umgangssprache und regionale DialektformenSiehe auch: Wienerisch, Tirolerisch, Kärntnerisch, Vorarlbergerisch, Böhmakeln, Hianzisch, Apetlonerisch, Innviertlerisch Minderheitensprachen in Österreich: Windische Sprache, Burgenlandkroatische Sprache Entwicklung der RegionaldialekteIn Österreich werden zusätzlich zur Hochsprache die heimischen Dialekte recht häufig gebraucht, dies sind oberdeutsche Dialekte (mittel- und südbairisch sowie alemannische Dialekte in Westösterreich). Da die österreichische Staatsgrenze historisch gesehen keine Sprachgrenze war und es seit der schleichenden Auflösung des Heiligen Römischen Reichs (HRR) bis zur Gründung der (ersten) Republik Österreich zu zahlreichen Gebietsverschiebungen kam (Salzburg ist das wohl prominenteste Beispiel), teilen die in Österreich gesprochenen süddeutschen Dialekte einige sprachliche Besonderheiten mit dem übrigen bairischen Sprachraum in Bayern und dem alemannisch-schwäbischen Sprachraum auf allen Seiten des Bodensees (siehe hierzu auch deutsches Dialektkontinuum). Zusätzlich zu den vielen verschiedenen Ortsdialekten (Dialektkontinuum), die in reiner Form meist nur noch von den älteren Dorfbewohnern gesprochen werden, haben sich in den einzelnen Bundesländern regionale „Landesdialekte“ gebildet, die sich an der in der jeweiligen Landeshauptstadt gesprochenen Mundart orientieren. Die Umgangssprache in den Landeshauptstädten wiederum wird in jeweils unterschiedlichem Ausmaß von der Wiener Mundart beeinflusst. Auf diese Weise entstand und entsteht auch weiterhin eine Vermischung von mittelbairischen und südbairischen Dialektformen mit speziellen wienerischen sowie hochsprachlichen Merkmalen. Besonderheiten der RegionaldialekteDer dialektale Wortschatz wird erfasst und beschrieben im Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich. (Zur ausführlichen Darstellung der bairischen Mundarten in Österreich siehe den Hauptartikel Bairische Sprache.) Die unterschiedlichen Dialekte sind für einen Großteil der Bevölkerung die tägliche Umgangssprache, wobei im Sprachgebrauch älterer Menschen (wie fast überall im deutschen Sprachraum) sich meist mehr Dialektausdrücke finden, als von den nachfolgenden Generationen, vor allem in städtischem Umfeld, wahrgenommen werden. In manchen größeren Städten bildet sich deshalb meist eine Eigenart des in der Umgebung gesprochenen Dialekts aus. Dieser kommt mit durchwegs weniger Spezialausdrücken des Dialekts aus (z. B. wird „immer“ statt „ollawei“ gesagt, oder schlicht „Topf“ statt „Tügi“/„Tiegel“) und verwendet stattdessen mehr Dialektformen der gehobeneren Sprache (z. B. „hintn“ statt „dreant“ für „hinten“, oder „dawischen“/„erwischen“ statt „daglaunga“/„erlangen“ für „einen Gegenstand erreichen“). Besonders fällt die Verdrängung des urtümlichen Dialekts in und in der Umgebung von Wien auf, wo sich ein eigener „gehobener Wiener Dialekt“ entwickelt hat, der sich u. a. dadurch auszeichnet, dass der Vokal „a“ gezogen ausgesprochen wird, wie man ihn schreibt, anstatt ihn wie „å“ bzw. „o“ auszusprechen, wie ansonsten in den bairischen Dialekten üblich. Überhaupt werden Wörter viel öfter nach der Schrift ausgesprochen. Wörter wie „ich, dich, mich“, werden auch als solche gesprochen und nicht als „i, di, mi“; ein weiteres Beispiel ist, dass das „net“ durch das „nicht“ ersetzt wurde. Im Gegensatz zum übrigen Österreich werden in Vorarlberg und in Teilen des Tiroler Außerfern alemannische Dialekte gesprochen. Der Wortschatz der Vorarlberger Mundarten wird beschrieben im Vorarlbergischen Wörterbuch. Die Sprachgeographie der Mundarten in Vorarlberg und Tirol wird beschrieben im Vorarlberger Sprachatlas. Beispiele für Dialekt und Umgangssprache
Aktuelle Herausforderungen an das österreichische DeutschRechtschreibreformWiderstand von Teilen der Verlage und Medien in Österreich gegen die Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996. Manche Tageszeitungen erscheinen weiterhin in der „alten“ Rechtschreibung. Einfluss deutscher MedienIn letzter Zeit wird die Umgangssprache mit Wörtern aus bundesdeutschen Medien bzw. in Deutschland synchronisierten Spielfilmen und TV-Serien durchwirkt; so ist es in allen Landesteilen bereits gebräuchlich, dass gelegentlich Wörter wie Tschüs, klasse, lecker verwendet werden. Die Massenmedien verstärken dies durch den Einsatz von Ausdrücken wie bislang, vor Ort, gerade mal usw. ImageproblemeEine 2006 veröffentlichte Untersuchung, die die österreichische Sprachforscherin Jutta Ransmayr bei Deutschlehrenden und Studenten in Großbritannien, Frankreich, Tschechien und Ungarn durchführte, zeigte, dass die österreichische Sprachvariante für einen Dialekt gehalten wird. Dadurch wird das österreichische Deutsch von Lehrenden in Westeuropa für „zweitklassig, altmodisch oder fehlerhaft“ gehalten, während es in osteuropäischen Staaten wie Tschechien weiterhin praktiziert wird. Beides, da laut Ransmayr der letzte Sprachexport Österreichs zur Zeit der k.u.k.-Monarchie stattfand.[23] Sprachwissenschaftliche DiskussionZur Frage Plurizentrische Sprache gibt es einen laufenden Entwicklungs- und Diskussionsprozess in der Germanistik, die noch bis in die 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts von einer „monozentrischen Auffassung“ geprägt war und das Konzept der plurizentrische Sprache erst seitdem entwickelt und verfeinert hat. Darum ist auch der Begriff des Österreichischen Deutsch nicht unumstritten, wird aber von der Mehrzahl führender Sprachwissenschafter Österreichs vertreten und belegt, wobei es in Deutschland und vereinzelt in Österreich dazu auch kritische Expertenmeinungen gibt. Im Sinne des Wikipedia-Prinzips Neutraler Standpunkt werden daher im folgenden die laufende Diskussion und ihre führenden Vertreter(innen) dargestellt, ganz im Sinne des Wiener Germanisten Wiesinger:
Kritische Anmerkungen zum Begriff Österreichisches DeutschDer Begriff Österreichisches Deutsch wird sprachwissenschaftlich vereinzelt noch in Frage gestellt. Da auf dem österreichischen Staatsgebiet verschiedene Ausformungen der deutschen Sprache verwendet werden (mit teils alemannischen, teils bairischen Wurzeln), und viele so genannte „typisch“ österreichische Begriffe auch im bundesdeutschen Sprachraum anzutreffen sind, könne nach Meinung von Kritikern nicht von einer deutschen Sprache ausgegangen werden, die in ganz Österreich – und nur dort – angewandt werde. Die offensichtliche Unmöglichkeit, ein Sprachgebiet genau einzugrenzen, sowie die Tatsache der unterschiedlichen Dialekte wird von Vertretern des Begriffs mit der natürlichen Lebendigkeit von Sprache an sich begründet. Diese Lebendigkeit dürfe daher nicht als Gegenargument dafür verwendet werden, dass innerhalb eines eigenständigen Staatengebildes eigene Begriffe und grammatikalische Besonderheiten entstünden. Wer diese gewachsenen Eigenarten pauschal negiere, attackiere demnach einen wichtigen Teil der österreichischen Identität. Zumeist beruht diese Diskussion darauf, dass die in Österreich herrschende Diglossie außer acht gelassen wird. Damit ist im konkreten Fall gemeint, dass im Alltag sowohl die deutschen Dialekte Österreichs und die Minderheitensprachen als auch eine Standardsprache verwendet werden. Im wissenschaftlichen Kontext ist genau diese Standardsprache gemeint, wenn vom Österreichischen Deutsch gesprochen wird. Die Befürworter des Österreichischen Deutsch gehen für gewöhnlich davon aus, dass die Sprecher des Österreichischen Deutsch in der Lage sind, diese beiden Sprachschichten auseinander zuhalten, und sehen den Fall der gemischten Verwendung als stilistisches und pragmatisches Instrument an (vgl. obenstehenden Abschnitt „Wechsel der Sprachschicht“). Standpunkte österreichischer SprachwissenschafterInnerhalb Österreichs betreiben insbesondere folgende Sprachwissenschafter den Diskurs zum Begriff Österreichisches Deutsch (ÖD), wobei die Standpunkte von der Ablehnung jeglicher Eigenständigkeit des österreichischen Sprachgebrauchs bis zum Versuch der Definition einer eigenen „österreichischen Sprache“ reichen[25], sodass Leerkamp den sicheren Mittelweg wählt und schreibt:„In der Forschung scheint die Existenz einer eigenständigen nationalen Varietät des österreichischen Deutsch mittlerweile weitestgehend anerkannt.“ (vgl.[26], S. 9) Österreichische Sprachwissenschafter - Pro ÖD Für den Begriff Österreichisches Deutsch und seine korrekte Berücksichtigung in der Germanistik treten (bzw. traten) insbesondere ein:
Die Mehrzahl der genannten Sprachwissenschafter hat insbesondere im Rahmen der internationalen Tagung „Österreichisches Deutsch“ an der Karl-Franzens-Universität Graz vom 22. bis 24. Mai 1995 mitgewirkt. Aus den Beiträgen dieser Tagung ist die (im Einleitungsteil zitierte) umfangreiche Publikation Österreichisches Deutsch. Linguistische, sozialpsychologische und sprachpolitische Aspekte einer nationalen Variante des Deutschen. (Hg. Muhr – Schrodt – Wiesinger, Wien, 1995) entstanden, sowie eine gemeinsame Resolution an das österreichische Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Daneben sind zahlreiche Bücher und Publikationen zum Österreichischen Deutsch erschienen, nennenswert sind insbesondere:
Kritisch zum Begriff Österreichisches Deutsch als eigenständige nationale Varietät äußern sich:
LiteraturEinzelpublikationen
Sammelbände und Publikationsreihen
Quellen und Fußnoten
WeblinksWörterbücher
Weblinks Pro ÖD
Weblinks Contra ÖD
Sonstige Weblinks Siehe auch |