Boxeraufstand
Unter dem Boxeraufstand (義和團起義) versteht man den Aufstand eines chinesischen Geheimbundes, der Gesellschaft der großen Messer (chin. Ta-Tau-Hui). Die Bezeichnung Boxer ist auf ein sprachliches Missverständnis im Englischen zurückzuführen, die Mitglieder dieses Geheimbundes waren keine Boxer im sportlichen Sinne. Die Heiße Phase des Aufstandes fand in der Zeit von April bis August 1900 statt.
Vorgeschichte
China hatte sich bis in das 19. Jahrhundert erfolgreich gegen den Rest der Welt abgeschottet. Dann forderte der Kolonialismus der Europäer, Amerikaner, Japaner und Russen ihren Anteil an China.
Ab der Mitte des Jahrhunderts verlor China mehrere Kriege:
- den Opiumkrieg von 1840 bis 42, welcher England die Kronkolonie Hong Kong einbrachte,
- den Lorcha-Krieg gegen England und Russland (1856 bis 60) mit weiteren Gebietsverlusten,
- den Krieg gegen Japan von 1894/95, wobei Formosa, Korea und die Pescadores Inseln verloren gingen.
Zudem wuchsen die inneren Schwierigkeiten zu einem großen Aufstand (1851 bis 64), bei dem anfangs Engländer und Franzosen gegen die chinesische Regierung mitwirkten, am Ende aber dann halfen, den Aufstand niederzuschlagen.
Ende des Jahrhunderts traten auch die Deutschen auf der chinesischen Bühne auf und besetzten 1897 die Kiautschou-Bucht, welche sie durch Zwangsmaßnahmen ab 1898 als Pacht erhielten.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die Ausländer viel an Macht und Missionare streiften seit Jahrzehnten durch China, ausgestattet mit Sonderrechten, die sie vor der chinesischen Justiz schützte. Es gab viele Geheimbünde, die sich von den Ausländern unterdrückt fühlten, die Christianisierung ablehnten und die chinesische Kultur und Traditionen durch die Industrialisierung untergehen sahen.
Der Boxeraufstand
Anfang des Jahres 1900 ließ die Regentin Chinas, die Kaiserinwitwe, durchblicken, dass sie für eine Auflehnung gegen die Ausländer sei. So konnte sie denn auch die Boxer umstimmen, als diese sich im April gegen die chinesische Regierung auflehnten. Der Beginn des Aufstandes wird auf den 18. Mai gelegt, als die Boxer in mehreren Provinzen gleichzeitig mit dem Marsch auf Peking begannen, was zu Unruhen führte, die über 70 Menschenleben forderten. Zudem hatten sie die Bahnlinie dahin unterbrochen.
Am 10. Juni marschierte ein 2000 Mann starkes britisches Expeditionskorps von Tientsin los, um den Aufstand niederzuschlagen. Sie wurden erfolgreich von den Boxern aufgehalten, die dann, am 14. Juni, in Peking einmarschierten. Unruhe verbreiteten sie vorwiegend unter den rund 4000 Ausländern und 3000 Chinesenchristen, die um ihr Leben fürchteten.
Am 20. Juni wurde der Gesandte der deutschen Reichsregierung, Baron Klemens Freiherr von Kettler, in Peking erschossen. Zwar lehnten sich hochrangige Chinesen (Vizekönige und Gouverneure) gegen die Kaiserinwitwe auf, doch der Aufstand ging weiter. Vorwiegend Botschaftsangehörige verschanzten sich im Diplomatenviertel, die britische Botschaft wurde zur Kommandozentrale der rund 500 Bewaffneten, die rund 20.000 Chinesen gegenüberstanden.
Am 13./14. Juli entsandte Kaiser Wilhelm II., nach seiner berüchtigten Hunnenrede, ein 30.000 Mann umfassendes Expeditonskorps nach China, nachdem er von (falschen) Berichten über Massaker an Botschaftsangehörigen gehört hatte. Andere Länder folgten seinem Beispiel. Am 4. August marschierte dann eine 20.000 Mann starke allierte Armee von Tientsin aus Richtung Peking: Deutsche, Engländer, Franzosen, Russen, Amerikaner, Japaner, Österreicher und Italiener.
Diese Armee erreichte am 13. August Peking, an dem Tag, als die Boxer das Diplomatenviertel stürmen wollten. Tags darauf eroberten die Alliierten die Stadt. Am 15. August floh die Kaiserinwitwe und ihr Rat aus Peking nach Sian.
Nach dem Aufstand
Am 27. September erhielt der Befehlshaber der deutschen Soldaten, Feldmarschall Graf von Waldersee, den Oberbefehl über die alliierten Streitkräfte und unternahm Strafexpeditionen gegen die flüchtigen Aufständischen, wobei viele Greueltaten verübt wurden.
Mit Jung Ju, dem Oberbefehlshaber der chinesischen Streitkräfte, übernahm am 11. November ein gemäßigter Politiker den Vorsitz im Großen Rat der Kaiserinwitwe und kam den Alliierten entgegen. Am 10. Januar 1901 akzepierte China das von den Siegermächten diktierte Friedensabkommen, das vorsah, dass
- Aufständische zu bestrafen seien (viele Todesstrafen wurden verhängt),
- China Reparationen in Höhe von 70 Millionen Pfund Sterling und
- Entschädigungen an betroffene Ausländer zu zahlen hatte,
- keine Waffen gekauft und eingeführt werden durften,
- ausländische Militärstützpunkte zugelassen werden mussten,
- die Aufwertung der Gesandtschaft akzeptiert werden musste,
- kein Chinese Mitglied einer ausländerfeindlichen Organisation sein durfte (unter Androhung der Todesstrafe),
- Russland das Protektorat über die Mandschurei erhielt.
Eine weitere Demütigung war, dass ein Prinz der Kaiserfamilie sich persönlich in Berlin für den Mord an von Kettler entschuldigen musste.