Menschenhandel
Unter dem Begriff Menschenhandel bzw. krimineller Menschenhandel (in Österreich Grenzüberschreitender Prostitutionshandel) wurden ursprünglich der Handel mit Frauen (männliche Opfer sind in diese extrem selten), die der Prosititution zugeführt wurden, verstanden. In den letzten Jahren wurde der Begriff mehr und mehr ausgeweitet und umfasst heute alle Handlungen, durch die Menschen jeglichen Geschlechts oder Alters in ein Ausbeutungsverhältnis gezwungen werden, wobei ihr Selbstbestimmungsrecht verletzt wird. Darunter fallen alle Formen der sexuellen Ausbeutung (z.B. Zwangsprostitution, aber auch die Ausbeutung der Arbeitskraft oder die Entnahme von Organen). Insbesondere der Menschenhandel mit dem Ziel der Prostitution wird gerne auch Frauenhandel genannt.
Diese Ausbeutung erfolgt meist unter massiver Gewaltanwendung und ist für die Opfer extrem belastend. Viele sind ihr Leben lang von den Erlebnissen traumatisiert oder gleiten in die Drogensucht ab.
Gegen die Opfer werden in diesem Kontext schwerste Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gegen die persönliche Freiheit und gegen die körperliche Unversehrtheit begangen. Als Nebenstaftaten sind meist Steuerhinterziehungen und Verstöße gegen das Arbeits-, Ausländer-, und Sozialversicherungsrecht vorhanden.
Formen von Menschenhandel
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung
Darunter fallen neben der Zwangsprostitution auch der Handel mit Menschen zur Herstellung pornographischen Materials. Opfer sind hauptsächlich Frauen und Kinder. Siehe dazu auch Frauenhandel und Kinderhandel.
Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft
Darf nicht verwechselt werden mit normaler Arbeitsmigration (auch illegaler Schwarzarbeit). Menschenhandel trifft insbesondere dann zu, wenn der ausländische Arbeitnehmer unter Umgehung der arbeitsrechtlichen Verpflichtungen gezielt ausgebeutet wird. Hierzu zählen zum Beispiel die Vermittlung von Hausangestellten an Privathaushalte, die nicht arbeitsrechtlich kontrolliert werden und wo teilweise an Sklaverei grenzende Arbeitsbedingungen herrschen. Hierbei werden gerade weiblich Angestellte auch häufig sexuell ausgebeutet.
Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme
Dieser relativ junge Bereich des Menschenhandels entstand aufgrund der hohen Nachfrage nach menschlichen Organspenden in Industrieländern. "Lebendspenden" von Organen werden in Drittweltländern mit einer Zahlung an den Spender erstanden und in Industrieländern auf dem Schwarzmarkt angeboten. Da das Phänomen relativ jung ist, gibt es bisher keine klare Abgrenzung zwischen illegalem und legalem Organhandel. Auch vertrauenswürdige Zahlen über das Ausmass des Organhandels gibt es bisher keine.
Ursachen
Bei den Ursachen des kriminellen Menschenhandels wird zwischen Pull- und Push-Faktoren unterschieden. Zu den Pull-Faktoren werden insbesondere Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte oder nicht vorhandene Schulbildung und geschlechtsspezifische Diskriminierung der Opfer in den Herkunftsländern gezählt. Als Pull-Faktoren in den Zielländern gelten eine hohe Nachfrage nach billigen Sexarbeiterinnen und "exotischen Frauen" sowie nach ungelernten Arbeitskräften und Lebend-Organspenden.
Ausmass und Entwicklung
Krimineller Menschenhandel wird weltweit betrieben. Die "Beschaffungsmärkte" liegen in der dritten Welt, in Entwicklungsländern und seit dem Fall der Mauer im ehemaligen Ostblock. Zielländer sind alle Länder der so genannten Ersten Welt. Mit der zunehmenden Globalisierung steigt auch das Geschäft mit Menschen.
Die Internationale Organisation für Migration (IMO) schätzt, dass jährlich gegen 500'000 Frauen und Kinder aus Mittel- und Osteuropa nach Westeuropa gehandelt werden. Andere Schätzungen sprechen von 120'000 bis 200'000.
Menschenhandel in der Internationalen Gemeinschaft
UNO: ZP Menschenhandel
Im Zusatzprotokoll zur UNO-Konvention gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ("ZP Menschenhandel") wird die Vorbeugung, Unterdrückung und Bestrafung des Handels mit Menschen behandelt. Als krimineller Menschenhandel werden der Handel mit Menschen zum Zweck der Prostitution sowie andere Formen sexueller Ausbeutung wie Herstellung pornographischen Materials genannt. Dazu kommen die Ausbeutung der Arbeitskraft (definiert als: Verletzung arbeitsrechtlicher Normen betreffend die Arbeitsbedingungen, die Entlöhung und die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz) und die Entnahme menschlicher Organe. Bedingung, damit krimineller Menschenhandel vorliegt, ist eine repetitive und kontinuierliche Verletzung der Grundrechte der betroffenen Person(en). Aus diesem Grund fallen die internationale Heiratsvermittlung und die Adoptionsvermittlung nicht unter diese Gesetzgebung.
Das ZP Menschenhandel umfasst den Menschen als Ware und umfasst insbesondere die Tätigkeit als Vermittler (Handel). Die illegale Migration hingegen wird unter Menschenschmuggel geahndet und stellt in diesem Sinne keinen Menschenhandel dar. Die vom ZP Menschenhandel explizit genannten Tathandlungen sind die Anwerbung, Beförderung, Beherbegung und Empfang von Personen. Tatmittel sind Androhung oder Anwendung von Gewalt, diverse Formen der Nötigung (z.B. Enführung), arglistige Täuschung, Betrug, Missbrauch von Macht, Einfluss oder Druckmitteln, Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses und/oder Bestechung des Gewaltinhabers.
OSZE
Europäische Union
- Vorschlag vom 21. Dezember 2000 für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des Menschenhandels, KOM(2000) 854 endg./2, ABl. C 62 E vom 27. Februar 2001, 321, ([1]);
- Empfehlung R (2000) 11 des Ministerkomitees des Europarates über die Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung.
- Verabschiedung des Rahmenbeschlusses durch den Rat der EU Justiz und die Innenminister am 27./28. September 2001, nachdem die Divergenzen über die Fixierung einer einheitlichen Mindesthöchststrafe (8 Jahre bei erschwerten Umständen) ausgeräumt wurden, und soll bis 2003 in Kraft getreten sein.
Juristische Behandlung in Deutschland
Definition
Als Menschenhandel bzw. Schwerer Menschenhandel (in über 90% der Fälle handelt es sich faktisch um Frauenhandel) wird im Kontext des deutschen Strafrechts die sexuelle Ausbeutung einer Person durch Zwangsprostitution oder die sexuelle Ausbeutung einer Person die, durch den Aufenthalt in einem für sie fremden Land, hilflos ist genannt.
Diese Definition ist also enger, als die oben genannte der Vereinten Nationen.
International geschütztes Rechtsgut
In Erweiterung des allgemeinen Gültigkeitsbereiches des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) werden gem. §6 Nr. 4 StGB Menschenhandel und schwerer Menschenhandel auch dann verfolgt, wenn die Taten im Ausland begangen wurden.
Menschenhandel, §180b StGB
Zwangslage, § 180b Absatz 1 Satz 1 StGB
Menschenhandel liegt dann vor, wenn jemand zu seiner persönlichen Bereicherung auf eine Person in einer Zwangslage (z.B. Geldnot) dahingehend einwirkt, daß diese Person der Prostitution zum Vorteil des Schädigers nachgeht.
Der Täter wird in diesen Fällen mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
Hilflosigkeit, §180b Absatz 1 Satz 2 StGB
Ebenfalls als Menschenhandel wird bestraft, wenn der Täter wissentlich zu seinem Vermögensvorteil auf eine Person, welche durch den Aufenthalt in einem Fremden Land hilflos ist, einwirkt sexuelle Handlungen an oder vor dritten Personen vorzunehmen oder von oder vor Dritten an sich vornehmen zu lassen. Dieser Paragraph umfaßt nicht die Prostitution im klassischen Sinne (siehe unten), sondern z.B. die Darbietung oder Erstellung pornographischen Materials unter Ausnutzung des Opfers zum Vermögensvorteil des Täters.
Der Täter wird in diesen Fällen mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
Prostitution einer hilflosen Person, §180b Absatz 2 Nr. 1 StGB
Schärfer bestraft (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren) wird, wer die mit dem Aufenthalt in einem Fremden Land verbundene Hilflosigkeit einer Person ausnutzt, um diese zur Prostituiton zu überreden. Ein eigener Vermögensvorteil ist nicht Tatbestandsmerkmal.
Prostitution von Jugendlichen, §180 b Absatz 2 Nr. 2, Absatz 3 StGB
Ebenfalls mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren wird bestraft wer eine Person unter 21 Jahren zur Prostitution überredet. Der Versuch ist gemäß Absatz 3 strafbar. Ein eigener Vermögensvorteil ist hier nicht Tatbestandsmerkmal.
Schwerer Menschenhandel, § 181 StGB
Gewalt, § 181 Absatz 1 Nr. 1 StGB
Wer eine Person durch Gewalt, Bedrohung oder durch List zur Prostitution bestimmt erfüllt den Straftatbestand des schweren Menschenhandels. Die Taten müssen entgegen den Fällen des § 180b Absatz 1 StGB nicht zum eigenen Vermögensvorteil erfolgen.
Hilflosigkeit, § 181 Absatz 1 Nr. 2 StGB
Analog zu § 180b Absatz 1 Satz 2 StGB erfüllt der Täter den Tatbestand des schweren Menschenhandels, wenn er ein Person druch List oder gegen ihren Willen durch Gewalt, Bedrohung oder Drohung entführt, um sie in Kenntnis der Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist zu sexuellen Handlungen zu bestimmen. Diese sexuellen Handlungen umfassen aktive Handlungen durch das Opfer an oder vor dritten Person oder das gestatten von Handlungen von oder vor dritten Personen. Dieser Straftatbestand umfaßt also nicht die klassische Prostitution (siehe § 181 Absatz 1 Nr. 3 StGB, eigener Tatbestand) sondern die Darbietung oder Anfertigung pornographischen Materials zum Schaden des Opfers.
Prostitution hilfloser Personen, § 181 Absatz 1 Nr. 3 StGB
Auch das gewerbsmäßige Anwerben einer Person oder die Bestimmung einer Person zur Prostitution, welche durch den Aufenthalt in einem fremden Land hilflos ist, ist - so der Täter um die Hilflosigkeit weiß - ein Fall des schweren Menschenhandels.
Strafmaß
Das Straßmaß für schweren Menschenhandel beträgt gemäß §181 Absatz 1 letzter Halbsatz StGB Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen beträgt gemäß §181 Absatz 2 StGB die Freiheitsstrafe sechs Monate bis zu fünf Jahren.
Führungsaufsicht, § 181b StGB
In den Fällen der §§180b und 181 StGB kann das Gericht gem. §181b StGB Führungsaufsicht anordnen.
Vermögensstrafe und Erweiterter Verfall gem. §181c StGB
In den Fällen der §§ 181 und 181a Absatz 1 Nr. 2 StGB sind die §§ 43a, 73d StGB anzuwenden, wenn die Straftaten bandenmäßig begangen wurden. §73d StGB ist auch anzuwenden, wenn die Taten gewerbsmäßig begangen wurden.
§43a StGB (Vermögensstrafe) ist gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 20.3.2002 (BGBl. I S. 1340) nichtig und kann somit keine Anwendung mehr finden.
§73d StGB besagt grob zusammengefaßt, daß Gegenstände die zur Tatausübung benutzt oder aus Erträgen der Taten beschafft worden sind vom Gericht eingezogen werden können (Details siehe Verfall).
Juristische Behandlung in Österreich
fehlt!
Schweiz
Im schweizerischen Strafgesetzbuch wird Menschenhandel nur als Handel mit Menschen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung definiert und unter Menschenhandel und im Falle der Zwangsprostitution unter Förderung der Prostitution behandelt. Somit entspricht das StGB nicht mehr den Definitionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, deren Definition der eingangs erwähnten entspricht.
Im März 2000 reichte Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot-Mangold eine Motion ein, die vom Nationalrat in ein Postulat umgewandelt wurde. Darin wird vom Bundesrat verlangt die Gesetzgebung so anzupassen, dass die vom Menschenhandel betroffenen Personen besser geschützt und die Täter bzw. Kunden effizienter verfolgt werden. Dazu gehört nicht nur eine Revision des Opferhilfegesetzes, sondern auch des Strafrechts, Aufenthaltsrechts und Ausländerrechts. In der Folge dieses Auftrags setzte der Bundesrat eine interdepartementale Arbeitsgruppe (EJPD, EDI, EDA, EVD, EPD) ein, welche die Rechtslage in der Schweiz prüfen sollte.
Um den Menschenhandel nach der Ratifizierung des Menschenhandels-Zusatzprotokolls der Vereinten Nationen besser bekämpfen zu können, wurde 2003 bei der Bundespolizei die Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel eingerichtet.
Strafgesetzliche Verfolgung des Menschenhandels
Geschütztes Rechtsgut
Bei dem im Falle von Menschenhandel geschützten Rechtsgut handelt es sich um das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person. Beeinträchtigt werden insbesondere die Freiheit der Willensbildung sowie die Entscheidungsfreiheit. Da bei einer beeinträchtigten Entscheidungs- oder Willensfreiheit eine eventuelle Einwilligung des Opfers unerheblich ist, wird das Selbstbestimmungsrecht auf jeden Fall verletzt. Der letzte Punkt wird von der Interdepartementalen Arbeitsgruppe Menschenhandel sehr kritisch gesehen, da hier die Gefahr bestehe, die Opfer zu bevormunden, was seinerseits nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht dieser Personen vereinbar sei.
Erweiterte Strafverfolgung, Art. 6 Absatz 1 StGB
Das die Schweiz sich durch Ratifizierung des Menschenhandels-Zusatzprotokolls der Vereinten Nationen verpflichtet hat auch Menschenhandel welcher im Ausland begangen wurde zu verfolgen kommt gemäß Art. 6 Absatz 1 StGB auch in diesen Fällen das Schweizer Strafrecht zur Anwendung.
Menschenhandel, Art. 196 StGB
Nach Absatz 1 wird mit Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten der Bestraft, welcher mit Menschen zum Zwecke der Prostitution oder sexuellen Ausbeutung (wörtlich "um der Unzucht eines anderen Vorschub zu leisten") Handel treibt. Die Höchststrafe ergibt sich Art. 36 StGB (Definition Gefängsnisstrafe) und beträgt, da nichts anderes bestimmt ist, drei Jahre.
Gemäß Absatz 2 ist der Versuch ebenfalls strafbar und wird mit Zuchthaus (Art. 35 StGB: ein Jahr bis maximal 20 Jahre, Lebenslänglich nur bei ausdrücklicher Erwähnung) oder Gefängsnisstrafe bis zu fünf Jahren (Mindeststrafe gemäß Art. 36 StGB Drei Tage).
Zusätzlich ist gemäß Absatz 3 in jedem Fall eine Haftstrafe zu verhängen.
Förderung der (Zwangs-)Prostitution, Art. 195 3. und 4. Halbsatz StGB
Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis (siehe oben) wird bestraft wer eine Person in der Prostitution festhält. Gemäß dem 3. Halbsatz StGB ist schon die Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit einer Prostituierten strafbar. Der Begriff ist also viel weiter definiert als im deutschen Strafrecht.
Lagebild des deutschen Bundeskriminalamtes
Nach Angaben aus dem Lagebild Menschenhandel (inkl. Schwerer Menschenhandel) des Bundeskriminalamtes wurden im Jahre 2003 431 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels gezählt. Bei den Ermittlungsverfahren ging es in 346 Fällen um ausländische oder nur teilweise um deutsche Opfer. Die Zahl der Ermittlungsverfahren ist im Vergleich zum Vorjahr um ca. 20% gestiegen, die Zahl der Opfer um 37% und die der Tatverdächtigen um ca. 35%.
Opferstruktur
Es wurden im Jahr 2003 insgesamt 1.235 Opfer in Deutschland registriert. Davon waren 1.108 nichtdeutscher Herkunft. Nur 10,7%, also 127, der Opfer waren Deutsche. In der Gesamtzahl der Opfer wurden nur neun männliche Opfer gemeldet, von neun Opfern ist das Geschlecht nicht erfaßt.
Alter
Das Alter der Opfer beträgt konstant größtenteils 18 bis einschl. 24 Jahre (717 von 1.235 Opfern, bei 186 Opfern ist das Alter unbekannt). Der Anteil Minderjähriger Opfer liegt stabil bei ca. 5%. Minderjährige Opfer (14-17 Jahre) gab es insgesamt 60, davon 14 Opfer aus Deutschland, 11 aus Bulgarien, 7 aus Rumänien, 6 aus Polen, 1 aus Russland, 1 aus der Ukraine, 1 aus Lettland.
nach Ländern
MOE-Staaten: Bulgarien, Estland, Rumänien, Rep. Jugoslawien, Lettland, Litauen, Moldawien, Polen, Russland, Slowenien, Tschechische Republik, Ukraine, Ungarn, Belarus
Herkunftsland | Anzahl der Opfer | Änderung zum Vorjahr | Opfer je 100.000 Einwohnerinnen von 15-30 J. |
---|---|---|---|
MOE-Staaten gesamt | 988 | + 280 | |
davon Russland | 317 | + 174 | 1,2 |
davon Rumänien | 143 | + 96 | 4,3 |
davon Bulgarien | 128 | + 37 | 12,7 |
davon Ukraine | 103 | + 17 | 1,6 |
davon Polen | 91 | + 9 | 1,7 |
davon Lettland | 64 | + 40 | 22,1 |
davon Litauen | 62 | - 57 | 12,8 |
übriges Europa | 139 | + 131 | |
davon Deutschland | 127 | keine Daten | 1,5 |
Afrika | 35 | 0 | |
davon Nigeria | 10 | - 3 | |
Asien | 36 | + 8 | |
davon Thailand | 10 | - 1 | |
Amerika(N.+S.) | 16 | + 5 | |
sonstige | 21 | 0 | |
davon unbekannt | 20 | + 5 |
Die letzte Spalte der Tabelle zeigt ein besonders trauriges Bild. Hier wird aufgezeigt wie viele von 100.000 Einwohnerinnen des jeweiligen Landes in Deutschland als Zwangsprostituierte ausgebeutet wurden. Von 100.000 lettischen Frauen wurden also 22,1 Frauen in Deutschland als Sexsklaven ausgebeutet. Diese Zahl ist besonders erschreckend, als Deutschland nur ein Land von vielen ist in denen Frauen aus diesen Ländern auf diese Weise ausgebeutet werden.
Es fristet also de facto ein erheblicher Anteil der Frauen zwischen 15 und 30 Jahren aus diesen Ländern sein Dasein als Zwangsprostituierte.
Verbleib der Opfer
- Jahr: 2003
- Opfer insgesamt: 1.108
- Verbleib unbekannt: 255 (23,0%)
- Abgeschoben: 149 (13,5%)
- Ausgewiesen: 247 (22,3%)
- Duldung (Dauer nicht bekannt): 130 (11,7%)
- Freiwillige Rückkehr ins Heimatland: 192 (17,3%)
- Zeugenschutzprogramm: 31 (2,8%)
- Sonstiger (Heirat, Asylantrag, andere Gründe) Verbleib: 104 (9,4%)
Es wurden 229 Opfer (25,4% der Opfer) im Rahmen der Opferbetreuung betreut. Von diesen erhielten 45,4% eine Duldung. Von den nicht betreuten 672 Opfern nur 3,6%. Von 207 Opfern lagen keine Daten vor. Es zeigt sich also, daß eine Opferbetreuung ein wichtiger Schritt hin zu einer Duldung der Opfer in Deutschland ist.
Der Anteil der Frauen die im Inland dauerhaft verbleiben dürfen ist somit viel zu gering, als das er als Anreiz zur Aussage gegen die Täter dienlich sein könnte. Vor allem die hohe Zahl von Abschiebungen und Ausweisungen dient eher den Tätern als Argument die Frauen unter Druck zu setzen.
Opferzeuginnen
Für die Polizei ist es oft schwer die Unterbringung und den Unterhalt der Opfer im Inland zu finanzieren, da sich oft kein zuständiges Sozialamt bereit erklärt für die Kosten aufzukommen. So gehen viele Opferzeuginnen für die Polizei verloren und können, da sie schon in ihre Heimat ausgereist sind, nicht in den anhängigen Verfahren gegen die Täter aussagen. Dieses Zuständigkeitsproblem führt zu Verlusten in der Täterverfolgung. Es gibt zwar eine "Handreichung für Sozialämter", welche von der Bundesarbeitsgruppe Frauenhandel erstellt wurde, diese wird aber in den Bundesländern immer noch unterschiedlich angewandt. Alleinig Rheinland-Pfalz hat für den Unterhalt von Opferzeuginnen einen Haushaltstitel von 100.000 Euro bereit gestellt.
Täterstruktur
Geschlecht
Es wurden 2003 1.110 Tatverdächtige registriert. 79,3% der Täter waren männlich und bei 1,4% der Tatverdächtigen wurde das Geschlecht nicht erfaßt.
weibliche Tatverdächtige
Die wenigen (226 von 1.110) weiblichen Tatverdächtigen waren zuvor meist selber als Prostituierte tätig. Ihre Aufgaben waren laut Vernehmungen die Anwerbung von Frauen in deren Heimatländern und deren Beaufsichtigung in den Bordellen. 90 waren Deutschen, 17 Polinnen, 16 Russinnen und 15 Bulgarinnen.
Herkunftsländer der Tatverdächtigen
Land | Anzahl | Veränderung Vorjahr |
---|---|---|
Deutschland | 437 | + 112 |
nicht in D geboren | 87 | + 33 |
MOE-Staaten | 340 | + 53 |
davon Bulgarien | 69 | + 1 |
davon Russland | 59 | + 38 |
davon Rumänien | 48 | + 18 |
davon Polen | 39 | + 4 |
davon Litauen | 32 | - 35 |
sonst. Europa | 220 | + 95 |
davon Türkei | 149 | + 65 |
Afrika | 26 | + 13 |
davon Nigeria | 9 | + 2 |
Asien | 30 | + 11 |
davon Thailand | 6 | - 1 |
Amerika | 5 | + 1 |
Sonstige | 52 | + 4 |
davon unbekannt | 43 | - 1 |
Auswertung der Tabelle
Deutsche Tatverdächtige überwiegen zahlenmäßig gegenüber Tatverdächtigen aus mittel- und osteuropäischen Staaten. Diese Daten des Bundeskriminalamtes erfassen selbstverständlich nicht die Gesamtheit der Täter in Deutschland, sondern nur die der Personen gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels oder schweren Menschenhandels eingeleitet worden ist.
Die Daten sind daher tendenziell nicht repräsentativ, da es zum Beispiel viel schwieriger ist das Telefon einer Person zu überwachen welche eine Sprache spricht für die nur schwerlich ein Dolmetscher zu finden ist. Auch arbeiten erfahrungsgemäß verschiedene Nationalitäten organisiert zusammen. Die Täter aus den Herkunftsländern "beschaffen" die Opfer und deutsche Täter nutzen sie im Inland aus.
Es kann der Tabelle also nur schwerlich die genaue Struktur des Täterkreises entnommen werden.
Methoden der Täter
Anwerbung
Von 933 der 1.235 Opfer ist bekannt wie sie "angeworben" wurden. 45% wurden über den Grund der Reise getäuscht, 30,3% wurden über "Künstleragenturen" und Zeitungsinserate beschafft, 8,7% wurden gewaltsam verschleppt und 32,3% der Frauen wußten um ihre Bestimmung und waren damit nach eigener Aussage einverstanden.
Von 580 Opfern ist bekannt, ob sie schon in ihrem Heimatland als Prostituierte tätig waren. Von diesen waren 23,5% (136 Frauen) schon zuvor Prostituierte.
Gewalt gegen die Opfer (physisch und psychisch)
Es liegen Daten über 827 Opfer vor. Bei 52,8% dieser Opfer wurde Gewalt angewendet. Dies entspricht einem Anstig gegenüber dem Vorjahr von 11,5 Prozentpunkten und zeigt eine deutliche Steigerung der Gewaltbereitschaft seitens der Täter.
Nach Ländern geordnet bedeutet dies, daß gegen 67% der Russinnen, 66,7% der Ukrainerinnen, 57,1% der Litauerinnen, 46,7% der Rumäninnen, 46,7% der Bulgarinnen und 39,7% der Polinnen Gewalt seitens der Täter angewendet worden ist.
Diese Gewalt besteht meist durch massive Drohungen gegen die Opfer und deren Familien. Hier wird meist der Hinweis auf die Skrupellosigkeit, die größe und Organisation der Banden als Druckmittel eingesetzt.
Massive körperliche Misshandlungen der Opfer sind leider an der Tagesordnung. Meist werden die Frauen noch in ihren Heimatländern von sogenannten "Einreitern" oder "Zureitern" (hier zeigt sich die Menschenverachtung der Täter nochmals sehr deutlich) massiv und brutal vergewaltigt, um ihren Willen zu brechen. Oft werden die Frauen von mehreren Täter gleichzeitig vergewaltigt und massiv gefoltert (Ausdrücken von Zigaretten, Ausschlagen von Zähnen, Auspeitschungen etc.), wenn sie nicht fügsam sind.
Es werden häufig auch Drogen eingesetzt, um die Opfer gefügig zu machen.
Von 592 Opfern wurde ein Drittel bedroht keine Aussagen bei der Polizei zu machen, da sonst die Angehörigen in der Heimat geschädigt würden.
Grenzübertritt
Von 993 Opfern ist der rechtliche Status beim Grenzübertritt nach Deutschland bekannt. 58,4% reisten legal und 59,9% der Opfer nutzten dazu Bus oder Bahn.
Da der Hauptteil der Opfer legal einreisten und durch die EU-Osterweiterung der Anteil an legalen Grenzübertritten noch steigen wird ist eine Eindämmung der Straftaten durch Grenzkontrollen nicht erfolgversprechend.
Gewinne aus den Straftaten
Eine Schätzung der Gewinne, welche durch den Menschenhandel insgesammt erzielt werden ist faktisch nicht möglich. Es waren 2003 431 Verfahren anhängig, von denen alleine in 93 Fällen ca. 12,5 Millionen Euro erwirtschaftet wurden. In weiteren 19 Verfahren wurden ca. 2,4 Mio. Euro illegal erwirtschaftete Vermögenswerte eingezogen. In diesen Angaben sind eventuelle spätere Gewinnabschöpfungen im Rahmen der teils noch anhängigen Strafverfahren nicht enthalten.
Hochgerechnet auf die gesamte Zwangsprostitution mit ihrer unüberschaubar hohen Dunkelziffer können durch diese Form der Kriminalität in Deutschland jährlich Milliardenbeträge erwirtschaftet werden.
Diese extrem hohen Gewinnspannen sind der Anreiz für immer straffer organisierte, immer besser ausgerüstete und immer skrupellosere Täter. Der Menschenhandel ist längst eine globalisierte kriminelle Industrie auf Kosten der Opfer.
Strafverfolgung der "Freier"
In Deutschland werden die Kunden der Menschenhändler, die "Freier", noch nicht strafrechtlich verfolgt, so die Prostituierte nicht minderjährig ist. Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag zum Gesetzentwurf zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Europäischen Rates zur Bekämpfung des Menschenhandels (2002/629/J) eingebracht in dem die Bestrafung der Freier gefordert wird, wenn sie mit Zwangsprostitution gerechnet oder diese billigend in Kauf genommen haben. Diese Gesetzesänderung soll zu einem Nachlassen der Nachfrage und so zu einer Verkleinerung des Marktes für Zwangsprostituierte führen.
Der Fall Friedmann
Im Jahre 2003 erregte der Fall des ehemaligen Vizepäsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedmann, großes Aufsehen in Deutschland.
Friedmann hatte bei einem Menschanhändlerring wiederholt Zwangsprostituierte aus Osteuropa telefonisch auf ein Hotelzimmer bestellt. Dort hat er ihnen nach Aussage von zwei Ukrainerinnen Kokain angeboten und selbst diese Droge konsumiert.
Ermittelt wurde gegen Friedmann nur wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und er wurde auf Grund der geringe Menge, die bei Ihm gefunden wurde nur leicht bestraft. Die Ausnutzung von Zwangsprostituierten ist in Deutschland bisher für den "Freier" nur bei minderjährigen Prostituierten strafbar.
Friedmann hat sich mit keinem Wort des Bedauerns geäußert die Zwangslage der Frauen ausgenutzt zu haben und in den Medien wurde die Tatsache, daß es sich um Zwangsprostituierte gehandelt hat nur am Rande erwähnt. Der Fall zeigt, daß die Problematik der Zwangsprostitution noch immer nicht der Stellenwert eingeräumt wird, den sie nach Umfang und Schwere haben sollte. Diese Tatsachen haben zu scharfer Kritik von Menschen- und Frauenrechtsorganisationen geführt.
Weblinks zum Fall Friedmann
- Der Fall Friedmann auf www.zdf.de
- Offener Brief der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes an Friedmann
- Die Zeit versteht die Ermittlungen gegen Friedmann als verdeckten Antisemitismus
- Offizielle Internetseite des Zentralrates der Juden in Deutschland, ohne jeden Hinweis auf die Friedmann-Affäre
Spielfilm
Eine sehr gute erzählerische Aufarbeitung des Themas erfolgte 2003 durch den den schwedischen Spielfilm "Lilja 4-ever" am Beispiel einer unerfahrenen 17-jährigen Frau aus Russland, die sich unversehens nach Schweden in die Zwangsprostitution verkauft wiederfand.
Literatur
- Inge Bell (et al): "Stopp dem Frauenhandel! Brennpunkt Osteuropa". München : Atwerb-Verl., 2004 98 S.
- Europäische Kommission: "Frauenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung : Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament". Luxemburg : Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 1996 ISBN 92-78-11758-7
- Ilse Lenz / Heidi Thiemann: "Internationaler Frauenhandel : eine Untersuchung über Prostitution und Heiratshandel in Nordrhein-Westfalen und die Interventionsmöglichkeiten von Institutionen und Frauengruppen". Düsseldorf : Ministerium für d. Gleichstellung von Frau u. Mann d. Landes Nordrhein-Westfalen, 1993 135 S.
- Agisra (Hrsg.) "Frauenhandel und Prostitutionstourismus : eine Bestandsaufnahme zu Prostitutionstourismus, Heiratsvermittlung und Menschenhandel mit ausländischen Mädchen und Frauen ; Anhang: Rechtsexpertise zur Situation in der BRD". München : Trickster, 1990 381 S. ISBN 3-923804-41-5
- Tübinger Projektgruppe Frauenhandel: "Frauenhandel in Deutschland". Bonn : Dietz, 1989 351 S. ISBN 3-8012-3030-9
Gesetzestexte
Deutschland
- §6 StGB (D) Auslandstaten gegen International geschütze Rechtsgüter
- §180b StGB (D) Menschenhandel
- §181 StGB (D) Schwerer Menschenhandel
- §181b StGB (D) Führungsaufsicht
- §181c StGB (D) Vermögensstrafe und Erweiterter Verfall
Österreich
Schweiz
- Menschenhandel in der Schweiz und international
- Schweizerisches Strafgesetzbuch im Volltext als PDF-Dokument
Weblinks
- MONITOR Nr. 524 am 30. September 2004: Kosovo: Deutsche Soldaten bei Zwangsprostituierten
- Amnesty International: Bekanntgewordene Praktiken der Zwangsprostitution im Kosovo
- (tp 15.11.2004:) Zwangsprostitution im Kosovo: Ministerium weiß von nichts
- Dt. Diakonisches Werk - AG Prostitution und Menschenhandel
- Baltic Sea Task Force - Trafficking in women (engl.)
- UNHCHR - Trafficking in female persons
- UNMIK, KFOR Fueling Sex Slavery In Kosovo, Amnesty Says May 6, 2004
- Rechtliche Beratungsseite für Zwangsprostituierte (en.)
- Trafficking in persons report (USA, 2000)