Zum Inhalt springen

Loja Dschirga

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. August 2007 um 15:38 Uhr durch 88.68.212.156 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Datei:Loja Dschirga.jpg
Delegierte der Loja Dschirga 2002

Die Loja Dschirga, Loya Jirga(h) oder Loya Gerga (لويه جرگه), ist die große Versammlung, die in Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan und sogar heute noch in der Mongolei zur Klärung der großen nationalen und ethnischen/tribalischen Fragen abgehalten wird.

Die Wörter "Loya" (groß) und "Jirga" [Dschirga] ("Kreis", "Rat", "Versammlung", "Treffen“, "Disput") stammen ursprünglich aus dem Altaiischen.

Solche Versammlungen stammen ursprünglich aus den altaiischen Kulturen, so auch aus dem mongolischen Reich. So z.B. erhoben die mongolischen Stammesfürsten "Temüdschin" (Dschingis Khan) im Jahre 1206 in einer "Ger" (gesprochen wie 'J' auf französisch)" zu ihrem Oberhaupt bzw. Großkhan.

Unter den Timuriden und den Moghulen, obwohl sie türkische als auch mongolische Wurzeln hatten, war die Loja Dschirga bei ihnen in Vergessenheit geraten. Einerseits weil sie perserisiert waren andererseits, weil sie Wesire und Diplomaten hatten, die sich mit Problemen befassten, die das Gesellschaftsleben betrafen, ganz zur Zufriedenheit des Herrschers.

In der paschtunischen Gesellschaft wird die Loja Dschirga heute noch sehr stark praktiziert und gepflegt und vor Stammesfürsten und mit Stammesfürsten abgehalten, in denen gesellschaftlich interne oder externe Konflikte mit anderen Stämmen zu beseitigen versucht wird. Der Grund für die existierung der Loja Dschirga bei den Paschtunen liegt eindeutig daran, dass einige Stämme nicht iranischer Herkunft sind. So war ursprünglich der Jadranstamm (heute noch von den Nicht-Paschtunen als Zadran bezeichnet) ein mongolischer Stamm der mit der Zeit der Islamisierung durch die Paschtunen in den nördlichen Regionen der Sulaimangebirgsketten auch paschtunisiert wurden. Weitere nicht-iranische Paschtunenstämme mit türkischem- oder mongolischem Hintergrund sind die Ghalzais, Nachfahren der Khaljis oder die Jaji (auch sie werden heute noch von den Nicht-Paschtunen als Zazais bezeichnet), Nachfahren der mongolischen Zazais.

Als Paschtunen-Fürsten die Macht übernahmen, versuchten sie, durch diese Versammlungsart ihre Macht zu legitimieren. Während Anfangs Paschtunen von Gerga bzw. Jirga Gerbrauch machten, wurden später auch andere ethnische Gruppen einbezogen, jedoch ohne wirklich die Nicht-Paschtunen zu berücksichtigen. Die Teilnehmer sind Stammes- oder Regionalführer, Politiker, Militärs oder religiöse Führer, Mitglieder der Köngisfamilie und der Regierung. König Amanullah Khan institutionalisierte die Loya Jirga. Er war auch der einzige König, der drei Mal von ihr Gebrauch machte. Seit Amanullah Khan bis zur Herrschaftszeit von Zaher Khan (1933-1973) und Daud Khan (1973-1978) verstand man unter Loya-Jirga eine gemeinsame Sitzung aus regionalen paschtunischen Stammesführern.

Die Treffen finden in unregelmäßigen Abständen statt. Einige Historiker vermuten, dass diese Tradition schon 1000 Jahre alt ist.

Es gibt keine Zeitbeschränkung in einer Loja Dschirga, und sie trifft sich solange, bis Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungen werden in Übereinstimmung getroffen, formale Abstimmungen finden in der Regel nicht statt. Viele verschiedene Probleme werden beraten, wie Außenpolitik, Kriegserklärung, Legitimierung von Führern oder die Einführung neuer Ideen und Regeln.

Folgende Loja Dschirgas fanden in der Geschichte Khorasans statt:

Folgende Loja Dschirgas fanden in der Geschichte Kabulistans oder auch Das Königreich von Kabul genannt statt:

Folgende Loja Dschirgas fanden in der Geschichte Afghanistans (seit 1911) statt:

  • 1930, einberufen von Mohammed Nadir Schah, um seine Thronbesteigung zu legitimieren
  • 1941, einberufen von Mohammed Sahir Schah, um Neutralität im Zweiten Weltkrieg zu vereinbaren
  • 1964, (452 Teilnehmer), einberufen von Mohammed Sahir Schah, um eine neue Verfassung zu verabschieden
  • 1977, verabschiedete die neue Verfassung von Mohammed Daoud Khan, die einen Einparteienstaat für die Republik von Afghanistan vorsah
  • 1985, verabschiedete die neue Verfassung der Demokratischen Republik Afghanistan
  • 2001 gab es vier verschiedene Loja Dschirgas, die das Ende der Taliban-Herrschaft diskutierten:
    • Die erste in Rom um Mohammed Sahir Schah. Sie forderte faire Wahlen, unterstützte den Islam als Fundament eines Afghanischen Staates und forderte die Respektierung der Menschenrechte.
    • Die zweite traf sich in Zypern, geführt von Homayoun Jarir,
    • eine dritte in Bonn
    • und die vierte in Pakistan.
  • 2002, 11. Juni, einberufen von der Übergangsverwaltung von Hamid Karzai, mit 1.500 Delegierten, die entweder durch Wahlen in den verschiedenen Landesteilen bestimmt wurden oder von politischen, kulturellen oder religiösen Gruppen entsandt wurden. Sie wurde in einem großen Zelt auf dem Campus der Polytechnischen Hochschule Kabul abgehalten. Sie etablierte die Übergangsregierung.
  • 2003, am 14. Dezember trafen sich 502 Delegierte, darunter 114 Frauen, in Kabul, um über eine neue Verfassung für Afghanistan zu beraten. Andere Diskussionspunkte waren die Frage nach der offiziellen Sprache (Persisch (Dari) oder Paschtu), ob der ehemalige König Mohammed Sahir Schah den Titel „Landesvater“ behalten solle, die Rechte der Frauen und ob Afghanistan eine freie Marktwirtschaft haben solle. Ursprünglich sollte diese Loja Dschirga nur 10 Tage dauern. Doch die Auseinandersetzungen waren langwierig, in Afghanistan wurde die Loja Dschirga deshalb auch „loja dschagra“ (Großer Kampf) genannt. Am 4. Januar 2004 verabschiedete die Loja Dschirga die neue Verfassung für Afghanistan.