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Theodor Heuss

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Datei:Theodor Heuss.JPG
Albert Weisgerber: Jugendbildnis Theodor Heuss (1905)

Theodor Heuss (* 31. Januar 1884 in Brackenheim; † 12. Dezember 1963 in Stuttgart) war ein deutscher Politiker (Fortschrittliche Volkspartei, DDP und FDP/DVP). Der Politikwissenschaftler und Journalist, verheiratet mit Elly Heuss-Knapp war von 1949 bis 1959 erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

Leben

Heuss studierte Nationalökonomie, Geschichte, Philosophie, Kunstgeschichte und Staatswissenschaften in München und Berlin. 1905 wurde er in München bei Lujo Brentano über Weinbau und Weingärtnerstand in Heilbronn am Neckar promoviert. Nach seinem Studium war er politischer Redakteur. Er leitete von 1905 bis 1912 für Friedrich Naumann die Zeitschrift Die Hilfe [1] in Berlin. Während des Ersten Weltkrieges entwirft der junge Theodor Heuss in Konstantinopel ein "Haus der deutsch-türkischen Freundschaft", das Naumann im September 1917 feierlich eröffnete.

Von 1912 bis 1918 war er Chefredakteur der Neckar-Zeitung in Heilbronn; zudem schrieb er Feuilletons für die in München erscheinende Zeitschrift Der Kunstwart. Von 1920 bis 1933 war er Studienleiter und Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin, gab von 1923 bis 1926 die Zeitschrift Die Deutsche Nation heraus. Er war von 1918 bis 1933 Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Deutschen Werkbundes.

1903 trat Heuss der linksliberalen Freisinnigen Vereinigung bei, wechselte 1909 zur Fortschrittlichen Volkspartei. 1918 war er Gründungsmitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), deren Gründungsaufruf von Theodor Wolff stammte [2]. 1919 wurde er Stadtverordneter in Berlin-Schöneberg. 1930 fusionierte die DDP mit anderen kleineren Parteien zur Deutschen Staatspartei (DStP).

Von 1924 bis 1928 und von 1930 bis 1933 war er Abgeordneter des Deutschen Reichstags. Am 23. März 1933 stimmte er zusammen mit den vier anderen Abgeordneten seiner Partei – Hermann Dietrich (DDP), Heinrich Landahl, Ernst Lemmer und Reinhold Maier – bei der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz im Reichstag zu, wie im amtlichen Protokoll [3] nachzulesen ist, obwohl er sich vorher in seiner Fraktion gegen die Zustimmung ausgesprochen hatte. Auf den Seiten der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus heißt es dazu wörtlich: "Theodor Heuss hat sich vorher in der Fraktion gegen die Zustimmung ausgesprochen und auch schon einen Redeentwurf vorbereitet, mit dem er seine Stimmenthaltung begründen will – doch er beugt sich der Fraktionsdisziplin". [4] Die Begründung für die Zustimmung ist in der Rede von Dr. Reinhold Maier nachzulesen. Nach den Angaben von Heuss in seinen erst 1967 erschienen Erinnerungen ( Zwei nachgelassene Kapitel der "Erinnerungen 1905 bis 1933") war der Ausschuss der Deutschen Staatspartei zu keiner einheitlichen Meinung in Bezug auf das Ermächtigungsgesetz gekommen. Deshalb wurde der Reichstagsgruppe die Entscheidung überlassen mit der Bitte, einheitlich abzustimmen. Hermann Dietrich und Heuss waren dagegen oder zumindest für eine Stimmenthaltung, die anderen drei liberalen Reichstagsabgeordneten waren für die Zustimmung. Heuss und Dietrich schlossen sich dann der Mehrheitsmeinung an. [5] Das Abgeordnetenmandat wurde ihm im Juli 1933 aberkannt, weil er „auf Reichswahlvorschlag der SPD gewählt worden“ war.[6] Sein Mandat ist – wie die Mandate der anderen Reichstagsabgeordneten der DStP – aufgrund der Vorschriften der Verordnung zur Sicherung der Staatsführung vom 7. Juli 1933 erloschen.[7]

Heuss gab noch drei Jahre lang Die Hilfe heraus, erhielt 1936 ein Publikationsverbot und verlor sein Lehramt.

1941 wurde Heuss fester Mitarbeiter der liberalen Frankfurter Zeitung, in der er vor allem historische und kulturpolitische Aufsätze veröffentlichte. 1942 verboten die Nationalsozialisten auf Anweisung Hitlers den deutschen Zeitungen, Texte von Heuss abzudrucken. Er schrieb aber weiter unter dem Pseudonym Thomas Brackheim und dem Kürzel r.s. Unter eigenem vollen Verfassernamen schrieb er eine kleine Biographie über Justus von Liebig, die 1942 in Hamburg bei Hoffmann und Campe erschien. Er lebte nach einem Umzug mit der Familie 1943 bis 1945 in Heidelberg, wo er vor allem an einer Biographie über Robert Bosch arbeitete, um die ihn der Firmengründer noch kurz vor seinem Tod gebeten hatte. Dort wurde er 1945 auch Lizenzträger (in einem 3er-Team) der US-Militärregierung für eine der ersten Nachkriegszeitungen – die heute noch bestehende Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ).

Nach dem Zweiten Weltkrieg, am 24. 9. 1945, wurde Heuss von der amerikanischen Militärregierung zum ersten Kultminister Württemberg-Badens ernannt. Am 24. September 1945 tritt er in das Kabinett der Allparteienregierung (DVP, CDU, SPD, KPD) seines Parteifreundes Reinhold Maier ein. In den ersten Landtagswahlen im Spätherbst 1946 erringen die Liberalen 19 Prozent der Stimmen und können somit nur ein Regierungsmitglied stellen. Heuss verzichtet deshalb im Dezember zugunsten seines Parteifreundes Reinhold Maier auf das Amt des "Kultministers", bleibt aber mit seiner Frau bis 1949 Abgeordneter für die liberale DVP im Landtag. [8]

Zur Klärung der verschiedenen Motive beim Abstimmungsverhalten zum Ermächtigungsgesetz wurde im Frühjahr 1947 im württembergisch-badischen Landtag ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß eingesetzt, den einige Landtagsabgeordnete beantragt hatten, die als Reichstagsabgeordnete dem Gesetz ebenfalls zugestimmt hatten. [9] Heuss, Reinhold Maier und Hermann Dietrich sagten vor dem Untersuchungsausschuß aus. Die Aussagen sind in den Stenographischen Berichten des württ. badischen Landtages zu finden. [10] 1946 und 1947 lehrte Heuss als Professor an der Technischen Hochschule in Stuttgart Geschichte. Als Mitbegründer der Demokratischen Volkspartei (DVP) gehörte er 1946 bis 1949 dem Landtag von Württemberg-Baden an. Am 17. März 1948 wurde er gemeinsam mit Wilhelm Külz zum Vorsitzenden der gesamtdeutschen Demokratischen Partei Deutschlands gewählt. 1948 wurde Heuss zum Honorarprofessor an der TH Stuttgart berufen.

Am 12. Dezember 1948 wurde er auf dem Gründungsparteitag der Freien Demokratischen Partei (FDP) zum Vorsitzenden in Westdeutschland und Berlin gewählt. Er setzte sich für den Zusammenschluss aller liberalen Parteien der westlichen Besatzungszonen ein. 1948 war er Mitglied des Parlamentarischen Rates, der das Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, beschloss.

Das gerade erworbene Mandat im ersten Deutschen Bundestag legte er nieder, als er am 12. September 1949 gegen Kurt Schumacher von der Bundesversammlung ins höchste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland berufen wurde (siehe Bundespräsidentenwahl 1949).

1953 gründete er die Deutsche Künstlerhilfe.

1954 wiedergewählt (praktisch ohne Gegenkandidaten, siehe Bundespräsidentenwahl 1954), amtierte er bis zum 12. September 1959. Eine dritte Amtszeit, die eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich gemacht hätte, lehnte er 1959 ab.

Gedenktafel für Theodor Heuss in Brackenheim

Heuss prägte das Amt durch seine überparteiliche Amtsführung. Als Repräsentant der demokratisch-liberalen und kulturellen Traditionen Deutschlands vermochte er im Ausland Vertrauen für die Nachkriegsrepublik zu gewinnen. Seine Staatsbesuche trugen wesentlich zum Wachsen des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland im Ausland bei. 1959 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Er ist Ehrenbürger der Städte Berlin, Brackenheim, Darmstadt, Frankfurt am Main, Heilbronn, Kiel, Köln, Soest, Stuttgart und Trier.

Heuss war seit dem 11. April 1908 mit Elly Heuss-Knapp (1881–1952) verheiratet, mit der er einen Sohn – Ernst Ludwig – hatte. Die beiden wurden getraut von Albert Schweitzer, mit dem seine Frau gut befreundet war. Seine Frau gründete 1950 das Müttergenesungswerk.

Nach seinem Tod am 12. Dezember 1963 wurde er auf dem Waldfriedhof Stuttgart bestattet.

Heute ist in seinem Wohnhaus auf dem Stuttgarter Killesberg ein Museum eingerichtet, das Theodor-Heuss-Haus. Es ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Staatsbesuche

Jahr Monat Staat
1956 Mai Griechenland
1957 Mai Türkei
November Italien, Vatikan
1958 Juni Kanada, USA
Oktober Großbritannien

Ehrungen

Datei:Theodor Heuss 2 DM.jpg
Theodor Heuss auf dem 2 DM Stück von 1969

1949 wurde Theodor Heuss mit der Ehrendoktorwürde der neu gegründeten Freien Universität Berlin ausgezeichnet. Die Stadt Osnabrück zeichnete Heuss 1956 mit der Justus-Möser-Medaille aus. Während des Staatsbesuches in Kanada erhielt er am 3. Juni 1958 die Ehrendoktorwürde der Universität Laval. Seit 1964 wird jährlich der Theodor-Heuss-Preis für beispielhafte demokratische Gesinnung verliehen.

Heuss' ehemaliges Wohnhaus in Stuttgart ist seit 2002 als Theodor-Heuss-Haus der Öffentlichkeit zugänglich. Nach Heuss sind der Seenotkreuzer SK Theodor Heuss, das erste Fährschiff der Vogelfluglinie, ein VIP-Airbus der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung sowie zahlreiche Straßen, Plätze und Schulen in ganz Deutschland benannt. Bis zur Einführung des Euro war sein Abbild auf einer Prägeausgabe des Zweimarkstücks zu sehen.

Museum

Theodor-Heuss-Museum in Brackenheim

Werke

  • Theodor Heuss: Was ist Qualität? Zur Geschichte und zur Aufgabe des Deutschen Werkbundes, Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins, Tübingen und Stuttgart 1951.
  • Gestalten und Gestalter: Lebensgeschichtliche Bilder, herausgegeben von Theodor Heuss [Autor: Friedrich Naumann]. Walter de Gruyter, Berlin/Leipzig 1919
  • Friedrich Naumann. Der Mann - Das Werk - Die Zeit, Deutsche Verlagsanstalt, Berlin und Suttgart, 1937
  • Hans Poelzig: Bauten und Entwürfe. Das Lebensbild eines deutschen Baumeisters," Ernst Wasmuth, Berlin, 1939
  • Anton Dohrn in Neapel, Atlantis-Verlag, Berlin und Zürich, 1940
  • Deutsche Gestalten. Goldmann, München 1975, ISBN 3-442-11130-7 [andere Ausgaben ab 1947]
  • Justus von Liebig: Vom Genius der Forschung. Hoffmann und Campe, Hamburg 1942
  • Friedrich Naumann: Der Mann, das Werk, die Zeit. Siebenstern-Taschenbuch-Verlag, München/Hamburg 1968
  • Robert Bosch: Leben und Leistung. Erweiterte Neuausgabe, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2002, ISBN 3-421-05630-7
  • Hans Poelzig: Bauten und Entwürfe. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1985, ISBN 3-421-02835-4
  • Zur Kunst dieser Gegenwart: 3 Essays. Wunderlich, Tübingen 1956
  • Schattenbeschwörung: Randfiguren der Geschichte. Klöpfer und Meyer, Tübingen 1999, ISBN 3-931402-52-5
  • Wanderung durch deutsches Schicksal. Bertelsmann, Gütersloh 1961
  • Hitlers Weg: Eine historisch-politische Studie über den Nationalsozialismus. Union, Stuttgart, 1932 [1](Acht Auflagen 1932; Zu Lebzeiten verhinderte Heuss einen Nachdruck.)
  • Hitlers Weg: Eine Schrift aus dem Jahre 1932. Wunderlich, Tübingen 1968
  • Vorspiele und Gestalten. Hyperion-Verlag, Freiburg i. Br. 1959
  • Von Ort zu Ort. Wanderungen mit Stift und Feder. Wunderlich-Verlag, Tübingen 1959
  • Vor der Bücherwand: Skizzen zu Dichtern und Dichtung. Wunderlich, Tübingen 1961
  • Die Majestät des Gewissens, von Kurt von Stutterheim (Autor), Theodor Heuss (Autor), 1962, Christians Verlag, ASIN: B0000BOEBA
  • An und über Juden, von Theodor Heuss (Autor), Hans Lamm (Autor), 1964, Econ Verlag, ASIN: B0000BJEAL
  • Erinnerungen 1905–1933. Fischer Bücherei, Frankfurt a. M./Hamburg 1965
  • Vorspiele des Lebens: Jugenderinnerungen. Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins in Tübingen, 1953
  • Aufzeichnungen 1945 - 1947, von Theodor Heuss (Autor), Eberhard Pikart (Autor), 1966, Wunderlich, ASIN: B0000BRLK5
  • Schwaben: Farben zu einem Portrait. Wunderlich, Tübingen 1967
  • Die Machtergreifung und das Ermächtigungsgesetz: von Theodor Heuss (Autor), Eberhard Pikart (Autor), 1967, Wunderlich, ASIN: B0000BRLKG
  • Die Machtergreifung und das Ermächtigungsgesetz. Zwei nachgelassene Kapitel der "Erinnerungen 1905 bis 1933", herausgegeben von Eberhard Pikart, Veröffentlichung des Theodor Heuss Archivs, 1967
  • Berlin und seine Museen. Knorr und Hirth, München/Ahrbeck/Hannover 1966
  • Reden an die Jugend. Wunderlich Verlag, Tübingen 1956.
  • Die großen Reden. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1967
  • Tagebuchbriefe: 1955/1963. Wunderlich, Tübingen/Stuttgart 1978
  • Mut zur Liebe (6 Seiten), Verlag: Dt. Koordinierungsrat d. Christen u. Juden (1949), ASIN: B0000BJECH

Literatur

  • Hertfelder, Thomas / Ketterle, Christiane (Hg. für die Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus): Theodor Heuss. Publizist - Politiker - Präsident. Begleitband zur ständigen Ausstellung im Theodor-Heuss-Haus, Stuttgart 2003.
  • Fritz Elsas: Ein Demokrat im Widerstand. Zeugnisse eines Liberalen in der Weimarer Republik, aus dem Inhalt: Tagebuchaufzeichnungen, Fotos, biografische Skizze, Hrsg. von Manfred Schmid, Bleicher Verlag, 1999, ISBN 3-88350-664-8; der am 4. Januar 1945 ermordete Elsas war (prospektiver) Schwiegervater von Heuss' Sohn Ernst Ludwig ∞ Hanne Elsas am 4. August 1945.

Zitate

"Die Äußere Freiheit der Vielen lebt aus der inneren Freiheit des Einzelnen."

"Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist."

"Vergessen ist Gnade und Gefahr zugleich."

"Wer immer die Wahrheit sagt, kann sich ein schlechtes Gedächtnis leisten."

"Jägerei ist eine Nebenform menschlicher Geisteskrankheit!"

“Holz ist ein einsilbiges Wort, aber dahinter steckt eine Welt voller Märchen und Wunder.”

"Na dann siegt mal schön." (Theodor Heuss 1958 zu Rekruten der neu gegründeten Bundeswehr)

Kritisches

Quellen

  1. Information über die Zeitschrift "Die Hilfe" auf den Seiten der Friedrich-Naumann-Stiftung
  2. Die Gründung der DDP 1918 von Horst Wagner
  3. Amtliches Protokoll
  4. »23. 3. 1933 Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz Informationen auf der Seite der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
  5. Heuss: Die Machtergreifung und das Ermächtigungsgesetz, Zwei nachgelassene Kapitel der Erinnerungen 1905-1933, herausgegeben von Eberhard Pikart, Veröffentlichung des Theodor Heuss Archivs, 1967, S. 24
  6. Brief des stellvertretenden Reichstagsdirektors an Dr. Heuss vom 12. Juli 1933
  7. Text der Verordnung zur Sicherung der Staatsführung vom 7. Juli 1933
  8. » 24. 9. 1945 "Kultminister" für Württemberg-Baden Informationen auf der Seite der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
  9. Heuss: a.a.O., S. 25
  10. Heuss: a.a.O., Anmerkungen Nr. 14, S. 51