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Motte (Burg)

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Datei:Tapisserie motte maquette.jpg
Modell einer normannischen Motte im Museum von Bayeux

Eine Motte (entlehnt aus dem frz. motte für „Klumpen“) ist eine frühe (und relativ kleine) Burgform auf einem künstlich angelegtem Erdhügel. Deutsche Bezeichnungen dafür sind Turmhügelburg, Erdhügelburg oder Hausberg.

Name

Datei:Turmhügelburg Schweinsbach.jpg
Aufbau einer Motte
Rekonstruktion einer Turmhügelburg in Lütjenburg
Motte mit Donjon in Steinbauweise, Gisors

Den Begriff Motte entlehnte im 19. Jahrhundert der Begründer der wissenschaftlichen Burgenforschung Otto Piper dem französischen Château à la motte (= Erdklumpenburg). Das französische Wort „motte“ bezeichnet nach neueren Erkenntnissen nur die Erdsode oder den Erdhaufen. Im deutschen Sprachgebrauch wird damit pars pro toto auch die Burganlage als Ganzes bezeichnet.

Form und Funktion

Eine Motte besteht aus einem künstlich aufgeschütteten Erdhügel (Hauptburg). Auf dem Hügel stand der eigentliche Wohn- oder Wehrbau (meist ein Turm). Oft wurden dem Hauptwerk eine oder mehrere Vorburgen angeschlossen, in denen sich weitere (Wirtschafts-) Gebäude befanden. Bei den meisten Motten handelt es sich um den ständigen Wohnsitz eines Angehörigen des niederen Adels und seiner Familie. Ihre Türme waren nicht immer vom Burgherren dauerhaft bewohnt. Oft scheint der Wohnbau in der Vorburg gelegen zu haben und der Turm war offenbar meist Wehrbau und Statussymbol.

Oft finden sich in unmittelbarer Nähe größerer Burganlagen mächtiger Feudalherren kleine Turmhügel als ehemalige Sitze des abhängigen Dienstadels. Diese Turmhügel gehen auf ältere Vorgängerburgen zurück oder wurden zum Schutz der Baustelle der neuen Burg angelegt. So liegt etwa 100 m neben der Stammburg der bayerischen Wittelsbacher bei Oberwittelsbach eine dieser Kleinburgen.

Geschichte

Die Entwicklung der Motte ist völlig abweichend zu den großräumigen germanischen Verteidigungsanlagen in Form der Wallburg mit mauer- oder holzgestützten Wällen und Palisaden und unterschiedet sich auch von den römischen Wachtürmen. Die ersten Motten entstanden zwischen 900 und 1000 n. Chr., die meisten der Anlagen entstanden im 11. - 12. Jahrhundert. In einigen Teilen Europas sind Motten bis ins frühe 15. Jahrhundert errichtet worden. Sie sind von Irland bis nach Ostpolen anzutreffen. Die Ursprünge liegen vermutlich im normannischen Seinegebiet Westfrankreichs. Die meisten Motten in Mitteleuropa waren ein Machtsymbol des neu entstandenen, niederen Dienstadels der Ministerialen.

Historische Beschreibung

Motte auf dem Teppich von Bayeux (Burg Dinan)

Die wichtigste historische Überlieferung einer Motte stellt der Teppich von Bayeux dar, der die Normannische Eroberung Englands im Jahre 1066 abbildet. Darauf ist die Motte von Dinan in der Bretagne dargestellt, die von Soldaten Wilhelm des Eroberers angegriffen wird.

Eine schriftliche Überlieferung [1] dieses Burgentypus liefert die Beschreibung der Burg Merchem zwischen Diksmuide und Ypern in folgender Weise:

Es ist Brauch der Reichen und der Edelleute, .. einen möglichst hohen Erdhügel aufzuwerfen, ihn an seinem Fuße mit einem breiten und tiefen Graben zu umziehen und an seinem inneren Rande eine mauerartige starke Palisadenwand zu errichten und zwar womöglich mit Türmen. In der Mitte ... oben auf dem Hügel, erbauen sie dann ein Haus oder einen Turm, zu dessen Pforte man nicht anders als auf einer Brücke gelangen kann, die am äußeren Grabenrande beginnend, den Graben überschreitet...

Deutschland

In Gebiet des heutigen Deutschlands wurden die meisten Motten als Sitze des niederen Adels rasch wieder aufgegeben, vielfach schufen sie sich auch größere und massivere Burganlagen. Daher sind noch viele Erdwerke dieser frühen, kleinräumigen Befestigungsanlagen gut erhalten. Manche Landstriche sind regelrecht übersät mit diesen Zeugnissen früher Ritterkultur. So finden sich im Grenzgebiet zwischen Oberbayern und Bayerisch-Schwaben zahlreiche Beispiele kleinerer und größerer Motten. Eine dieser Anlagen ist mitsamt der Vorburg in Kissing bei Augsburg zu besichtigen (Burgstall Kissing). An Stelle des Turmes erhebt sich heute eine Wallfahrtskapelle. Allein im Kreis Plön (Schleswig-Holstein) wurden 45 Turmhügel unter Denkmalschutz gestellt. In Deutschland steckt die Erforschung dieser wichtigen Frühform der Adelsburg noch in den Kinderschuhen. In Österreich hat die „Hausbergforschung“ hingegen schon eine jahrzehntelange Tradition.

Großbritannien

Mit den Normannen kam sie als Motte and Bailey auf die Britischen Inseln. Bei der normannischen Eroberung des angelsächsischen England (1066) und der Invasion Irlands wurden zahlreiche Motten als erste Stützpunkte errichtet. Die hölzernen Bauteile dieser Kleinfestungen wurden teilweise bereits auf dem Festland gefertigt und mussten vor Ort nur noch zusammengesetzt werden. Durch diese Fertigbauweise verfügten die Eroberer bereits kurz nach der Invasion über ein dichtes Netz militärischer Stützpunkte auf der Insel. Abbildungen dieser Strongholds finden sich bereits auf dem um 1080 gefertigten Teppich von Bayeux. Einige dieser Eroberungsburgen wurden später zu gewaltigen Steinburgen ausgebaut. So steht etwa der Keep der Königsburg Windsor Castle auf einem großen Turmhügel.

Bauweise

Idealbild einer Motte mit Vorburg

Eine nachträglich eingeführte Klassifizierung unterscheidet nach Ausmaß des Hügelplateaus zwischen Normal- (5-10 m), Groß- (über 10 m) und Kleinmotten (unter 5 m). Die Bauzeiten waren bei einfachen Anlagen sehr kurz: eine kleine Turmhügelburg war vermutlich in etwa 10 Tagen bezugsfertig.

Der turmartige Bau (anfangs in Holz-, später auch in Steinbauweise) wurde mit einer Palisade und einem Graben umgeben. Oft wurde zuerst der Turmbau errichtet und dann der Hügel aufgeschüttet. Der Turm wurde also „eingemottet“, d. h. die Untergeschosse steckten im Hügel. Dies geschah vor allem aus statischen Gründen. Der Eingangsbereich zum Wohnbau war durch eine Zugbrücke gesichert oder war nur über eine Leiter erreichbar. Im Verteidigungsfall konnten diese eingezogen werden. Die außerhalb des Wohnbereiches liegenden Stall- und Vorratsgebäude wurden häufig durch zusätzliche Palisaden geschützt, die eine Vorburg bildeten und den Zugang zur Hauptburg schützten. Die Vorburg lag meist hufeisenförmig vor dem Burghügel, geschützt von einem palisadengekrönten Wall mit vorgelegtem Graben. Größere Anlagen hatten oft mehrere Vorburgen. Gelegentlich kommen Doppelburgen mit zwei Turmhügeln vor.

Auch bei späteren Steinbauten (in der Regel Ausbauten hölzerner Vorgängeranlagen) dieses Baustils spricht man von Motte. Charakteristisch ist der aufgeschüttete Erdhügel mit einem Wohn- oder Wehrturm, umgeben von einer Palisade oder Steinmauer.

Wegen des hohen Alters dieser Burganlagen haben die hölzernen Aufbauten die Zeiten nicht überdauert. In Europa sind in jüngster Zeit einige Rekonstruktionen entstanden (Kanzach, Lütjenburg, Ulster History Park u. a.).

Geländeanpassung

Motten wurden sowohl im Flachland auf einem meist künstlich aufgeschütteten Erdhügel als auch in den bergigen Gegenden (Hochmotten) angepasst an das Gelände, wie Bergrücken oder -sporne errichtet; man findet sie innerhalb von Dörfern und Städten, unmittelbar neben diesen, oder auch abgelegen im Gelände. Manchmal wurden vorgeschichtliche Grab- oder Warthügel wiederverwendet, oft natürliche Erhebungen künstlich abgesteilt und Felsklötze überbaut. Flachlandmotten waren manchmal von Wassergräben umgeben, oder wurden auf natürlichen oder künstlichen Inseln angelegt. Oft haben sich nur die Turmhügel erhalten, da sie später mit Kapellen oder Kalvarienbergen bebaut wurden.

Denkmalschutz

Wie die meisten Bodendenkmäler sind Motten zunehmend Vandalismus ausgesetzt. Besondere Gefahrenquellen für Motten sind Metallsondengänger und Motocrossfahrer, die teilweise gravierende Schäden verursachen. Manche Turmhügel werden zur Materialgewinnung angegraben oder bei der Anlage von Holzabfuhrwegen schwer beschädigt.

Beispiele historischer Stätten in Deutschland

Turmhügel bei Stuer (Mecklenburg) im Einzugsbereich der Burg Stuer
Burgstall Kissing: Der Turmhügel mit der Kapelle
Turmhügel Darze (Mecklenburg), durch Schafbeweidung stark erosionsgefährdet
Inselweiher in Dietmannsried
Motte Botscheberg (grün) im Wappen von Vehlefanz

(sortiert nach Postleitzahlbereichen)

  • 16 -- Botscheberg im Oberkrämer Ortsteil Vehlefanz
  • 17 -- mehrere Burghügel im Gebiet zwischen Stuer und Röbel (Müritz)
  • 24 -- Turmhügelburg "Bori" in Bünzen
  • 26 -- Drei-Hügel-Motte Elmendorf in Bad Zwischenahn, zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Grabungsbefund 1966-1968 gemäß Dr. phil. hc. Dieter Zoller: Hügel 1: 12-eckiger Wohnturm, Hügel 2: quadratischer Holzbau und Fachwerkbau mit Keller, Hügel 3: Vorburg: Hof mit Haupt- und Nebengebäuden
  • 29 -- am Glindmoor, nördlich Hohne bei Celle: Palisaden fast armdick, 0,7m unter Feld vorhanden. Nur noch schwer erkennbar, ca. 20 x 20 m auf dem Acker neben der Strasse nach Hohnhorst sichtbar.
  • 31 -- Motte bei Wipshausen im Landkreis Peine (gut erhaltener Hügel und ausgetrockneter Wassergraben)
  • 34 -- Burg Warburg im Elm
  • 36 -- Sinzigburg in Haunetal-Rhina
  • 38 -- Burg Rothehof in Wolfsburg
  • 41 -- Motte von Arsbeck, Beeck, Tüschenbroich in Wegberg, Motte Husterknupp bei Grevenbroich, ehemalige Burg der Herren von Hochstaden, Motte im Zubend bei Wevelinghoven, ehemalige Burg der Herren von Wevelinghoven
  • 44 -- Turmhügelburg in Herne als Vorläufer des Schloss Strünkede
  • 47 -- Haus Rath in Krefeld-Elfrath
  • 47 -- Burg Linn in Krtefeld-Linn
  • 48 -- Turmhügelburg in Telgte
  • 48 -- Haskenau in Münster
  • 51 -- Motte Kippekausen in Bergisch Gladbach-Refrath
  • 52 -- zwei Motten in Eschweiler-Kinzweiler: der Mühlenbongert und der Kalvarienberg. (Wer sie als Wehranlagen genutzt hat, ist unbekannt. Erst mit den Kinzweiler Rittern treten sie in Erscheinung, als keine mehr gebaut wurden. Das Untere Haus auf dem Kalvarienberg erscheint erstmals 1237, das Obere Haus auf dem Bongert 1357 nach der Linientrennung des Hauses Kinzweiler.) Ende der 1970er Jahre wurde zusammen mit Eschweiler-Lürken eine Motte wegen Braunkohletagebaus abgebaggert. Lageplan siehe hier
  • 52 -- Motte Altenburg der Jülicher Grafen in Jülich-Altenburg, erbaut im 12. Jahrhundert und im 13. Jahrhundert zerstört, der Mottenhügel ist nordwestlich des Dorfes sehr gut zu erkennen, auch von der Landstraße Richtung Düren aus
  • 52 -- Im Stadtwald von Düren, 500 m hinter dem Waldrand aus Richtung Stadt kommend
  • 52 -- Alte Burg (Nörvenich), eine Großmotte
  • 52 -- der Burgberg und die Vorburg (Kirchberg) in Heinsberg ist die größte noch erhaltene Motte im Rheinland. Sie wurde 2006 nach Freilegung der Kasematten und der Anlage neuer Wege und Aussichtsplattformen zum neuen Stadtpark mit Freilichtbühne ausgebaut.
  • 53 -- eine mittelalterliche Niederungsmotte in Sankt Augustin Niederpleis
  • 56 -- Alte Burg Rotenhain im Westerwald aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Erhalten sind die Grundmauern (15x15 m), der Brunnen (3 m tief), der Burggraben (2-3 m breit) und die Anschüttung (2 m hoch). Aus Gründen der Konservierung wurden die Mauern wieder verschüttet. Ihr äußerer Verlauf wurde durch eine Betonmauer nachgezeichnet, der Wall aufgeschüttet und der Graben mit Wasser gefüllt, sodass man sich leicht ein räumliches Bild von den Maßen machen kann. Der ähnlich nach einem ungekehrten Kaffeefilterprinzip arbeitende Brunnen ist noch funktionstüchtig. Außerdem finden sich eine Tafel mit Skizzen und Ausgrabungsfotos sowie ein 1 m hohes Modell, das als Bienenstock fungiert. Demnach war die Burg ein von einer Steinmauer eingefasstes, dreistöckiges Fachwerkhaus, von Wall und Graben umgeben. Lage nahe einer wichtigen Handelsstraße lässt darauf schließen, dass sie als Zollstation dienen sollte, welche nur kurzzeitige belegt wurde. Ausgrabungen 1997-2000 brachten interessante Details zum Kleinburgenbau zutage. Weitere Informationen unter [1]
  • 57 Ütgenbach bei Asbach (Westerwald) Vom ehemaligen Kirchspielzentrums-Ort ist nur die Kapelle übrig geblieben. In unmittelbarer Nähe befindet sich das Bodendenkmal einer Motte. Von der Motte ist eine Rekonstruktionszeichnung abgebildet.
  • 61 -- Die hochmittelalterliche Burg Bommersheim, Oberursel
  • 64: Weilerhügel, in Bickenbach (Südhessen), Stammsitz der Herren von Bickenbach
  • 87 -- Inselweiher in Dietmannsried
  • 90 -- Alte Veste bei Zirndorf

In der Schweiz

Der Guldhubel von Aegerten

Siehe auch

Quellen

  1. Carl Schuchardt: Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen, Heft XI,XII, Hannover, 1916

Literatur

  • Horst Wolfgang Böhme (Hrsg.): Burgen der Salierzeit. 2 Bände. Hrsg. vom RGZM Mainz, Sigmaringen 1991.
  • Horst Wolfgang Böhme: Der Hochmittelalterliche Burgenbau. Burgen vom 10. bis Mitte des 12. Jahrhunderts. In: Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch. 2 Bände, Deutsche Burgenvereinigung (Hrsg.) Stuttgart 1999, Band 1 S. 54 - 77.
  • Hermann Hinz: Motte und Donjon - Zur Frühgeschichte der mittelalterlichen Adelsburg. In: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters. Beiheft 1, Köln 1981. ISBN 3-7927-0433-1
  • Adolf Herrnbrodt: Der Husterknupp: eine niederrheinische Burganlage des frühen Mittelalters. Köln 1958.
  • Michael Müller-Wille: Mittelalterliche Burghügel (Motten) im nördlichen Rheinland. Köln 1966.
  • Hans P. Schad'n: Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederösterreich. In: Prähistorische Forschungen. 3, Wien 1953.