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Klaviersonate

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Eine Klaviersonate ist eine Solosonate für Klavier. Sie entwickelte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts als Werkgattung für ein Tasteninstrument. Sie war dann über 300 Jahre hinweg in wechselnder innerer und äußerer Form eine der zentralen Formen der Klaviermusik.

Der Begriff Sonate

Der Begriff der Sonate und speziell der Klaviersonate ist musikgeschichtlich schwer zu definieren. Es werden damit unterschiedliche musikalische Werke zwischen 1650 bis in die Gegenwart bezeichnet. Im engeren Sinn des Begriffs Sonate fallen darunter aber nur Werke, welche die in sich widersprüchlichen Definitionen der klassischen Sonate bzw. Sonatenhauptsatzform erfüllen. Diese sind verallgemeinernd:

Vereinfachtes Schema von Exposition, Durchführung, und Reprise
  • Die Großgliederung in (bei Mozart und Haydn) meist drei Sätze der Form schnell - langsam - schnell, mit der Charakterisierung dramatisch - lyrisch bzw. kantabel, oft in Liedform - oft tanzmäßig bzw. scherzend [1]
  • Die satzinterne Gliederung in Themenvorstellung (Exposition) mit manchmal vorangestellter meist langsamer Einleitung, modulierende und variierende Themenverarbeitung (Durchführung), Wiederholung (Reprise - ausnahmsweise wie in KV 545 auch mal nicht in der Tonika-) und eventueller Coda.
  • Eine häufige tonale Teilung (Tonika - Dominantbereich) der Exposition in Haupt- und Seitenthema [2]

Diese Form kann erst seit Haydn konstatiert werden und wurde schon seit dem späten Beethoven und spätestens mit der Romantik zunehmend obsolet. Ab 1900 blieb meist nur noch der reine Begriff oder Werktitel „Sonate“ übrig, der mit dem theoretisch definierten Begriff der Sonate kaum noch inhaltliche Gemeinsamkeiten hatte. Werke des 20. Jahrhunderts tragen auch dann den Werktitel Klaviersonate, wenn sie, wie etwa Pierre Boulez dritte Klaviersonate, jeglichen Bezug zur Sonatentradition explizit ablehnen [3].

Der Begriff Sonatine bezeichnet eine kleine, leichter spielbare Sonate, welche meist über keine oder nur eine sehr kurze Durchführung verfügt.

Der Begriff Klavier

Bis etwa zur Mitte des 18. Jahrhunderts kann Klavier bzw Clavier (Schreibung z.B. bei Carl Philipp Emanuel Bach) prinzipiell jedes Tasteninstrument bezeichnen, also z. B. das Cembalo, das Klavichord und das Hammerklavier, aber auch die Orgel.

Stärker als bei anderen Gattungen ist die musikalische Entwicklung der Klaviersonate von der Entwicklung der Tasteninstrumente abhängig. So lässt das Cembalo keine Anschlags- sondern lediglich eine Registrierungsdynamik (Terrassendynamik) zu; auf dem Klavichord dagegen ist eine stufenlose dynamische Gestaltung möglich. Es lässt zudem mit der Bebung ein Vibrato auf dem einmal angeschlagenen Ton zu, besitzt aber bei begrenztem Tonumfang nur ein sehr kleines Tonvolumen.

Klaviermusik als heute gängiger Begriff ergibt sich erst im Zusammenhang mit den technischen Möglichkeiten und Klangvorstellungen des von Bartolomeo Cristofori ab 1698 konstruierten Hammerklaviers.

Frühzeit

Nimmt man nicht das Klavier (Cembalo), sondern Tasteninstrumente allgemein als Ausgangspunkt, so kann der Beginn der Gattung auf das Jahr 1605 mit Orgelkompositionen des Italieners Adriano Banchieri festgelegt werden, die den Titel Sonate tragen.

Die ersten im engeren Sinn Klaviersonaten genannten und heute erhaltenen Werke stammen von dem italienischen Komponisten Gian Pietro del Buono aus Palermo. Es handelt sich um Bearbeitungen über das Ave Maris Stella aus dem Jahr 1645. Es folgten vereinzelte Werke für Tasteninstrument mit der Bezeichnung Sonate, z. B. von Gregorio Strozzi aus dem Jahr 1687.

Die Gattung wurde mit dem ausgehenden 17. Jahrhundert populär; eine frühe musiktheoretische Erwähnung findet sich im Musiklexikon von Sebastién de Brossard (1703). Dabei war der Begriff Sonate inhaltlich noch weitgehend undefiniert, und wurde häufig austauschbar mit Bezeichnungen wie Toccata, Canzona, Phantasia, und anderen verwandt. [4]

Die erste weithin bekannte Reihe von Klaviersonaten schrieb der Thomaskantor Johann Kuhnau. Es handelt sich um die Musicalischen Vorstellungen einiger biblischer Historien, in 6 Sonaten auff dem Claviere zu spielen, die 1700 in Leipzig erschienen. Die illustrativen Stücke geben verschiedene Geschichten des alten Testaments auf dem Tasteninstrument wieder. Die Bezeichnung Sonate ist hier wahrscheinlich lediglich als Abgrenzung zur Vokalmusik gemeint und weist auf den rein instrumentalen Charakter der Werke hin.

Barock und Vorklassik

Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wurden Klaviersonaten zu einer populären Gattung. Zahlreiche Komponisten schrieben Klavier- bzw. Cembalowerke [5], die sie Sonate nannten.

Domenico Scarlatti, porträtiert von Domingo Antonio Velasco (1738)

Dabei konnte es sich um zyklische Formen oder um Einzelsätze handeln. So schrieb Domenico Scarlatti über 500 einsätzige Stücke, in denen er barocke und klassische Formen, Einflüsse spanische Folklore, sowie Chopinsche Virtuosität und Emfindsamkeit miteinander verband. In ihnen wird teilweise schon den Satzzyklus [6], und die Sonatenhauptsatzform vorweggenommen. [7] Weitere Sonatenkomponisten der iberischen Halbinsel waren z. B. Pater Antonio Soler oder Carlos Seixas.

Sowohl französische als auch italienische Komponisten vermieden die Bezeichnung Sonate weitgehend, wenn es sich um Kompositionen für Klavier alleine handelt. François Couperin verwendete z. B,. für seine Klavierwerke, die in Wirklichkeit Suiten sind und aus mehreren aufeinanderfolgenden Tanzsätzen bestehen, den Begriff Ordre, und Jean Philippe Rameau gab seine Werke unter dem Titel Pieces de Clavecin heraus. Der Begriff Sonate wurde in diesen Regionen eher für Werke für Melodieinstrumente oder Melodieinstrumente und B.c. verwendet. Typisch dafür ist die Triosonate. Im umfangreichen Klavierwerk von Johann Sebasian Bach existieren mit BWV 963 und 964 (eine Bearbeitung der Violin-Solosonate in a-Moll) nur zwei Werke für Tasteninstrumente welche den Titel Sonate tragen.

Nördlich der Alpen begann ein regelmäßiges und systematisches Komponieren von Klaviersonaten erst mit der Generation von Johann Sebastian Bachs Söhnen. So schrieb Carl Philipp Emanuel Bach zahlreiche Klaviersonaten; er unterschied auch zwischen dem aufkommenden Hammerklavier und dem Cembalo; Bachs Söhne lebten genau in der Zeit der Ablösung des letzteren durch ersteres.

Die Entwicklung von Klavichord und Hammerklavier ermöglichte einen tiefgreifenden Umbruch in der Komposition; erstmals nutzen die Komponisten in ihren Kompositionen für Klavier alleine die Möglichkeit kleinräumiger dynamischer Differenzierung als stilgebenden Parameter. Hiervon machten beispielsweise die Bach-Söhne, insbesondere Carl Philipp Emanuel und Johann Christian Bach, regen Gebrauch; es kam zur Ausprägung des galanten und empfindsamen Stils in der Klaviermusik.

Ausschnitt aus Carl Phillip Emanuel Bachs Klaviersonate in f-Moll

Die Werke Carl Philipp Emanuel Bachs und des nahezu gleichzeitig lebenden Joseph Haydn erlangten für spätere Komponisten, insbesondere für Mozart und Beethoven, Vorbildcharakter. Zwar waren Satzfolge und Form noch nicht festgeschrieben, die Mehrsätzigkeit wurde jedoch zur Regel. Immer häufiger setzte sich als grundlegende Form die Umklammerung eines langsamen Satzes durch zwei schnelle Sätze durch. Johann Christian Bach trieb in seinen Sonaten besonders die Periodisierung innerhalb der Themen in viertaktigen Vorder- und Nachsatz vorran. Einem meist kantablen Hauptthema folgt meist freie Figuration, ohne dass sich daraus ein in der Klassik später obligates zweites Seitenthema klar herrausbildet. In den circa 150 Sonaten des als typischen Vertreter der „neuen Empfindsamkeit“ geltenden Carl Philipp Emanuel Bachs wird der Gegensatz unterschiedlicher musikalischer Themen dagegen schon schärfer und kontrastreicher stärker herrausgearbeitet. Diese werden dabei häufig in stark figurativen Fortspinnungen aus einem gemeinsamen thematischen Kern entwickelt. In seinen meist hochvirtuos gehaltenen, einfallsreichen, und mitunter harmonisch zukunftsweisenden Sonaten ist eine klare Trennung zwischen rein thematischen, expressiven, und eher spielerischen Partien dennoch schwierig.

Klassik

Die Klaviersonate leitete sich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts - und dies bestimmte ihre jeweilige Gestalt - aus zwei Gattungen ab: aus dem klassischen Konzert oder aus der Sonata da camera, die in der Abfolge der Sätze der barocken Suite entsprechen kann. Eine geringere Rolle spielte im Zusammenhang mit der Klaviersonate die Sonata da chiesa als zweite wichtige barocke Form.

Das gesamte Sonaten-Oeuvre für Klavier ist spätestens ab 1770 qualitativ und quantitativ nicht mehr leicht zu überblicken. Von gattungsgeschichtlicher Bedeutung sind in besonderem Maße die Sonaten von Johann Christian Bach, jedoch ebenso Sonaten von Muzio Clementi, Joseph Martin Kraus, Georg Christoph Wagenseil und zahlreichen anderen.

Wiener Klassik

Ihren ersten gattungsgeschichtlichen Höhepunkt erlebte die Klaviersonate ohne Zweifel in der Wiener Klassik. Joseph Haydn (52 Sonaten), Wolfgang Amadeus Mozart (18 Sonaten) und Ludwig van Beethoven (32 Sonaten) gelten als die wichtigsten Verfasser von Klaviersonaten.

Wie verschieden die Satzfolge sein kann, lässt sich an drei Klaviersonaten W. A. Mozarts deutlich machen:

  • Die Sonate Es-Dur KV 282 (1774) beginnt mit einem langsamen Satz, es schließt sich ein Menuett mit Trio (von Mozart als Menuett II bezeichnet) an, die Sonate endet mit einem schnellen Satz. Hier liegt die Verwandtschaft zur „Sonata da Camera“ nahe.
  • Dagegen ist die Sonate D-Dur KV 576 (1789) ein sehr brillantes Werk, dessen Satztechnik bis hin zu erkennbaren Tutti-Solo-Wechseln stark vom Konzert beeinflusst ist.
  • Die Sonate A-Dur KV 331 (1778) beginnt mit einem sechsteiligen Variationssatz über das bekannte, später vom Max Reger verarbeitete liedhafte Thema. Es schließt sich ein Menuett mit Trio an, gefolgt von dem berühmtem, im 2/4-Takt stehenden Satz „Alla Turca“ in a-Moll, dessen schwungvolle Coda in Dur ausklingt.

Haydn

Im mehrere Musikepochen umspannenden Werk von Joseph Haydn spielen seine 52 Klaviersonaten unter anderem als innovatives Experimentierfeld später in orchetralen Formen verwirklichter Modelle und Ideen eine bedeutende Rolle. [8]

Takte 1 bis 12 des ersten Satzes Haydns G-Dur Sonate Hob. XVI/8

Seine Sonaten werden eher durch harmonische Zusammenhänge als durch, wie in der klassischen Sonatendefinion, thematische Beziehungen/Gegensätze zu einer Einheit integriert. Kleingliedrige Taktgruppen werden meist locker assoziativ verbunden. Die ordnungsschaffende Funktion der Harmonik überwiegt die Themenbildung. [9] So sind in den Anfangstakten des ersten Satzes der G-Dur Sonate Hob.XVI/8 eher locker aneinander gereihte Floskeln, Dreiklangsfiguren und Läufe, als wirklich abgrenzbare Themen zu beobachten. Zusammengehlten wird diese Exposition primär vom allmählichen Übergang vom Tonika-zum Dominatbereich. Der später geforderte Gegensatz zwischen Haupt- und Nebenthema ist noch nicht immer genau abzugrenzen. Haydn folgt hier, wie in vielem anderen auch, teilweise eher noch der barocken Vorstellung von Heinrich Christoph Koch („Ein Nebengedanke muß immer so beschffen seyn, daß er uns wieder zur Hauptvorstellung leitet.“) [10]

Seine frühern Sonaten, wie zum Beispiel die c-Moll-Sonate Nr. 20, sind spürbar von der formalen Vorarbeit (weniger von der Expressevität) Phillip Emanuel Bachs beeinflusst. Dabei bleibt er teilweise noch dem barocken Divertimento-Stil mit einer einfachen Reihung der Sätze verhaftet. [11] In den vermehrt auf Themenbildung und Verarbeitung achtendenden, formal ausgewogeneren häufig gespielten Sonaten ab Nummer 27 wird im allgemeinen meist der „klassische Haydn“ und ein „Frühmodell der Sonatenform“ erblickt. [12] Die Sonaten ab 1780 sind dann zunehmend von einer auf Beethoven verweisenden „Individualisierung des Ausdrucks“ und vom eher auf konsequente Themenverarbeitung und Form denn auf melodische Variation achtenden Einfluss Mozarts beeinflusst. [13]

Obwohl Beethoven später viele Gestaltungsmittel der Haydenschen Sonate übernommen hat, wäre es falsch, Haydns eher der barocken Idee der monothematischen Affekteneinheit eines Satzes verbundenes musikalisches Denken, als „sonatentypisch“ zu konstatieren.

Mozart

Vier Themen aus dem ersten Satz von Mozarts F-Dur Sonate KV 332

Mozarts schrieb 18 von Klavierschülern wie Konzertpianisten gleichermaßen gerne gespielte Sonaten. Er komponiert im Gegensatz zu Haydn, zumindest in seinen frühen Sonaten, eher locker an einander gereihte, an Johann Christian Bach angelehnte, kantabel-melodische Themengruppen. Diese sind meist nur assoziativ aneinander geknüpft, und aus ihnen werden selbst in der Durchführung häufig außer dem Sequenzieren thematischer Elemente keine weitergehenden logischen Konsequenzen gezogen. [14] [15] Ein Beispiel hierfür ist die Sonate KV 332, in der in den ersten 93 Takten an die sechs thematische Gebilde ohne greifbare Zusammenhänge miteinander verbunden sind. Diese werden auch in der Durchführung, in der stattdessen neue Themen auftauchen, kaum aufgegriffen. [16]

In den ersten Sonaten von KV 279 bis 284 kann noch eine relativ starke Bindung an standartisierte Begleitformen wie Alberti- oder Murkybässe und oder formelhaftes Laufwerk, sowie eine im Vergleich zu späteren Werken weniger reichhaltige und plastische melodische Erfindungsgabe festgestellt werden. In den Werken der Mannheimer und Pariser Zeit ab KV 309 wird die Form dann allerdings freier, vielfältiger und ungezwungener. [17] So entspricht in der Sonate A-Dur KV 331, die aus einem Variationensatz, Menuett, und Trio besteht, ähnlich wie später in Beethovens Klaviersonate Nr. 12 As-Dur op. 26, kein Satz der Sonatenform. Die Werke bestechen nun durch einen fast unerschöpflichen melodischen Einfallsreichtum. Ein erster Einbruch fast Beethoven und Schubert vorrausahnender uerbittlicher Härte und Tragik erfolgt in der a-Moll-Sonate KV 310. [18]

Vergleich von Mozarts KV 457 und Beethovens op. 13

In der Sonaten ab KV 475 ist dann eine zunehmende Konzenrierung auf die Themenverarbeitung im Sinne von Haydn sowie der Einfluss barocker Schreibweisen und Formen wie Fuge oder Suite festzustellen, die wohl auf Mozarts intensiver Auseinandersetzung mit J.S. Bach und Händel beruhen. Dies ist z.B. an der linearen meist zweistimmigen Satzentwicklung von KV 494/533 zu beobachten. Die dramatischen c-Moll-Werke KV 475 und 457 dagegen stehen in Ausdruck und Gestaltung schon Beethovens Sonaten nahe. So weisen Paul Badura-Skoda und Richard Rosenberg detailliert auf frapierende Ähnlicheiten zwischen KV 457 und Beethovens Pathetique op. 13 hin [19] [20]

Beethoven

Beethovens 32 Klaviersonaten stellen einen Höhe- und Wendepunkt in der Geschichte der Klaviersonate dar. [21] Sie haben seit Entstehung immer wieder Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler zu Analysen, und mitunter gewagten lyrischen Analogien [22] oder philosophischen Spekulationen [23] [24] angeregt. [25] [26] Beethoven lotet in ihnen die formalen, harmonischen, und sonstigen Grenzen der Sonate und Klaviermusik [27] fast bis an ihre Grenzen aus, und sprengt und überwindet sie in den späteren Werken zunehmend. Hans von Bülow fasste ihre Bedeutung in folgenden Worten zusammen:

„Die Präludien und Fugen des Wohltemperierten Klaviers sind das Alte Testament, die Sonaten von Beethoven das Neue Testament der Klavierspieler.“

Die beliebte - allerdings auch umstrittene [28] - Dreiteilung des Werks unterscheidet frühen, mittleren, und späten Beethoven [29] (bei den Sonaten ungefähr op. 2 bis 22 - op. 26 bis 90 - op. 101 bis 111).

Datei:Beethoven-Haydn2.PNG
Vergleich der Adagios aus Beethovens op. 2/1 und Haydns op. 64/5

In der ersten Phase werden die klassischen Ansprüche an Sonatensätze und Zyklusbildung ausformuliert, und mit überreichen Eingebungen verbunden, während in der mittleren Periode zunehmend der Wille zur organischen Gestaltung des Gesamtwerkes aus einheitlichem Themenmaterial unter Einschluss gewagter musikalischer Experimente bestimmend wird. [30] [31] Ein individualistischer Ausdruckswille, der die formalen Anforderungen zunehmend ignoriert und sich an außermusikalischen „poetischen Vorwürfen“ [32] orientiert, überwindet zunehmend überlieferte Formen. [33] Das häufig als esoterisch, spekulativ, oder unverständlich bezeichnete Spätwerk ist durch unterschiedliche, teils widersprüchliche Tendenzen geprägt. Der radikalisierten Missachtung musikalischer Konventionen und den nochmals gesteigerten technischen Anforderungen stehen stehen teilweise Remineszensen an das eigene Frühwerk, die Einbeziehung barocker Formen (Fuge), sowie ein reduzierter, augedünnter Klaviersatz gegenüber.

Frühe Phase

Beethovens erste Sonaten sind - trotz aller Eigenständigkeit - von dem Bemühen geprägt, die Anforderungen des traditionellen Regelkanons zu erfüllen. Konventionelle Periodisierungen in Zwei-, Vier-, und Achttaktgruppen werden recht genau befolgt. Die Themenbildung besteht häufig aus musikalischem Grundmaterial wie gebrochenen Dreiklängen, Skalenbewegungen oder einfachen Vorhalten, welche mit zeittypischen Begleitfiguren gekoppelt werden. Eine stilistische Anlehnung an Haydn und Mozart ist nicht zu überhören. [34] Dies macht ein Vergleich des Adagios aus Beethovens op. 2/1 mit Haydns Streichquartett op. 64, Nr. 5 deutlich. Dies ändert sich aber schon mit der individueller gestalteten, und in den Ausmaßen angewachsenen Es-Dur-Sonate op. 7, und dem zum ersten mal das „dialektische Themenprinzip“ konsequent aufgreifenden op. 10,1.

Datei:Beethoven-op10-1-2.PNG
Kontrastierende Ableitung: Punktierte Dreiklagstöne und Vorhaltsbildungen in op. 10/1

Hier verwendet Beethoven konsequent das später so genannte Prinzip der „kontrastierenden Ableitung“, bei der unterschiedliche, sogar gegensätzliche Themen aus einem gemeinsamen strukturellen Kern entwickelt werden, und damit den Unterschied zwischen Themenaufstellung und Verarbeitung überwinden. [35] Der Gegensatz der ersten acht Takte aus punktierten Dreiklangtönen im forte und Vorhaltsauflösung im piano erweist sich sowohl als Basis für die folgende Überleitung, das zweite Thema ab Takt 56, sowie die Schlussgruppe ab Takt 94. Das populärste Werk dieser Phase ist dann die im heroischen Duktus durchaus auf Außenwirkung bedachte Pathetique (op. 13).

Mittlere Phase

Ab op. 26 wird die Sonatenform sowohl in ihrer äußeren wie inneren Gliederung vermehrt „aufgebrochen“. Dies zeigt bereits op. 26, welches mit dem ersten Satz, einem Andante mit Variationen, und dem Trauermarsch des dritten Satzes wenig mit

der Gliederung einer Sonate gemein hat.

Datei:Beethoven-Grafik2.PNG
Änderung der Ausdehnung der einzelnen Sätze - von links nach rechts Opus 10/1, 26, 53, 106, und 109

Die Proportionen und Funktionen der einzelnen Sätze ändern sich. Der Schwerpunkt verschiebt sich; schon rein längenmäßig; zunehmend vom ersten Satz auf das Finale. [36] Die früher nur angehängte kurze Coda wird zu einer Form von zweiter Durchführung ausgeweitet, und die Grenzen zwischen Exposition und Durchführung beginnen sich zu verflüchtigen.

Klassische musikästhetische und Formen werden - wie z.B. in der populären Mondschein-Sonate, welche den Untertitel Sonata quasi una Fantasia trägt - zunehmend durch poetisch-phantastische, ungebundene und die Romantik vorahnende Vorstellungen verdrängt.

Nach einigen eher „klassisch entspannten Sonaten“ (op. 31 und 49) wird dann mit der Waldsteinsonate (op 53) und Apassionata (op. 57) die Virtuosität und der individuelle Ausdruckswille auf ein bisher nicht gekanntes Niveau angehoben. Das diese Tendenzen den herkömmlichen Rahmen des Sonatenbegriffs bis zum Bersten strapazieren, zeigen allein die bis heute widersprüchlichen Deutungsversuche der Musikwissenschaft in Bezug auf die Gliederung der Exposition der Apassionata nach herkömmlichen „Schulmustern“. [37]

Späte Phase
Datei:Op111-Rezitativ-Fuge-1.PNG
As-Dur-Sonate op. 111: Rezitativ und repetiertes As, sowie Fuge

Die Sonaten ab op. 90 sind formal und von den in ihnen vorherrschenden musikalischen Tendenzen vielfältig und widersprüchlich, und damit schwer eindeutig beschreibbar. Die Tendenz zur Reduktion der pianistischen Mittel in schlichter kammermusikalisch wirkender Zweistimmigkeit (wie im ersten Satz von op. 110) oder zum "Verstummen" in rezitativisch gestalteten Partien wie im dritten Satz des selben Werkes kontrastiert mit einer, wie z.B. in der Hammerklaviersonate op. 106, nochmals gesteigerten Virtuosität und Überdehnung der Form bzw. Gesamtlänge. [38] Der "Rückerinnerung" an vergangene Zeiten im schlichten Stil der frühen an Haydn erinnernden Sonaten (op. 109) steht mitunter eine herbe und die Musik des 20. Jahrhunderts vorrausnehmende, Dissonanzen dabei "in Kauf nehmende" Harmonik gegenüber [39]. Manches, wie das in op. 110 über mehrere Takte allein repetierte A, wirket dabei in Verfolgung einer "individuellen, sich aller Konventionen und Rücksichten entledigenden Radikalisierung" [40] skuril und funktional unverständlich. Besonders wichtig werden dabei die Prinzipien der polyphonen Variation und damit verbunden der Rückgriff auf barocke Formen, speziell der Fuge. Während diese in op. 10/2 noch ohne konsequente Durchführung in Form eines Fugatos auftreten, stellen die Fugen aus op. 106 und 110 vollgültige Fugen dar. Dabei gestatten sich die Fugen Beethovens durchaus formale und harmonische Freiheiten, welche im herkömmlichen Stil der Fuge als Verletzung der Regeln nicht gestattet gewesen wären. [41] Diese Vermischung und Auflösung von Formkategorien veranlasste Thomas Mann, der fiktiven Gestalt Wendell Kretzschmar seines Romans Doktor Faustus folgende Worte in Bezug auf op. 111 in den Mund zu legen:

"... in der ein Ende auf Nimmerwiderkehr von der Sonate als überlieferter Kunstform inbegriffen ist, ..." [42]

Tonumfang

Um 1800 änderte sich die Bauweise der Klaviere. Sie erhielten erstmals Abstützungen im Rahmen zum Ausgleich der Saitenspannung. Dies führte zu einer Vergrößerung des Tonumfangs bis hin zum heute üblichen. Eines der frühesten Werke, das diesen neuen Tonumfang bewusst ausschöpft, ist die sogenannte Waldstein-Sonate Ludwig van Beethovens.

Diese Neuerung brachte eine nachhaltige Erweiterung der musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten mit sich, insbesondere bei der gezielten Verwendung extremer Lagen.

Virtuosentum und Hausmusik

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war eine große Anzahl von heute teilweise kaum noch bekannten Komponisten - gefördert durch das blühende musikalische Verlagswesen und das Aufkommen der Salonmusik ab 1830 [43] - an der zunehmenden Sonatenproduktion beteiligt. In den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erreichte das technische Niveau der Berufspianisten - mitbedingt durch die rasch erfolgenden bautechnischen Verbesserungen des Instruments - ein beträchtliches, vorher kaum gekanntes Niveau. [44]

Junge Mädchen üben das Klavierspiel - Pierre-Auguste Renoir: Zwei Mädchen am Klavier, 1892-1893

Viele heute eher vergessene Pianisten und Komponisten schufen die Grundlage für die Klaviertechnik der Romantik mit ihren weitgriffigen Passagen, Sprüngen, Oktav- und Doppelgriffen, sowie sonstigen „Hexenkunststücken“. [45] In den häufig den damaligen Zeit- und Modeströmungen verhafteten Werken - welche heutzutage in Bezug auf ihren „musikalischen Gehalt“ meist kritisch beurteilt werden, tritt die Virtuosität stark in den Vordergrund. [46] Komponisten, die sich von der zeitbedingten „Massenware“ abheben, sind - neben heutezutage nahezu vergessenen Komponisten und damals meist auch als Konzertpianisten berühmten Personen wie Johann Ladislaus Dussek, Leopold Anton Kozeluch, Ignaz Moscheles, und Ferdinand Ries - Johann Nepomuk Hummel mit seiner damals sehr populären und hochvirtuosen fis-Moll-Sonate op. 81 und Carl Maria von Weber.

Im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert wurde es vor allem bei Töchtern aus dem gehobenen europäischen Bürgertum zum unablässlichen Bestandteil einer guten Erziehung, eine musikalische Ausbildung genossen zu haben. Meist beeinhaltete dies Klavier- und Gesangstunden. Neben Barockmusik und romantischen Charakterstücken gehörten auch Sonatinen, z.B. von Clementi, Diabelli, und Kuhlau, sowie technisch einfachere Sonaten von Haydn (Hob. 1-15), Mozart (KV 297 bis 283, KV 545), und einfachere Beethovensonaten (op. 10/1, 14, 49, 79). Dadurch entstand eine Nachfrage nach einfachen Sonate oder Sonatinen, welche in Bezug auf Stilistik und technische Anforderungen teilweise direkt auf den Markt der Hausmusik zugeschnitten waren. Manche dieser Werke integrierten dabei gleich technische Aufgabenstellungen, welche sonst eher „trockenen“ Etüden vorbehalten sind, und waren in der Setzweise teilweise darauf angelegt, auch dem technisch nicht so versierten Schüler Werke an die Hand zu geben, welche beim Vortrag trotzdem virtuose Wirkung entfalten konnten.

Beginn der Formdiskussion im 18. Jahrhundert

Es ist eine weit verbreitete Ansicht, die Klaviersonate folge seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts einem bestimmten Schema in Bezug auf die Abfolge der Sätze bzw. Form der Sätze, die Themenbildung, und anderes. Dies lässt sich anhand der Gestalt der aus dem 18. Jahrhundert vorliegenden Werke nicht belegen. Sonaten können einen bis viele Sätze besitzen (in der Regel nicht mehr als vier), die in vielfältigen Formen und Satztechniken verfasst sein können. Die Anzahl der Themen - Monothematik, Themendualismus, oder mehr als zwei Themen - und die Frage nach deren Verarbeitung versus einfacher Aneinanderreihung ist in der Realität ebenso wenig eindeutig zu beantworten, wie die Realisierung bzw. Existenz der nachträglich formulierten, die Sonate konstituiernden Teile wie Exposition, Durchführung, Reprise, Coda cetera. Die Kombinationsmöglichkeiten sind beinahe unüberschaubar. Es lässt sich eher eine personal- oder allenfalls regionalstilistische formale Verwandtheit zwischen Werken erkennen. Eine darüber hinausgehende Systematik der Gestalt ist auch in Ansätzen kaum zu erkennen.

So sind die auf der iberischen Halbinsel verfassten Werke oft einsätzige, von zeitgenössischen Instrumentaltänzen beeinflusste Stücke (Scarlatti, Seixas, Soler). Dagegen scheint Italien eher die Verwandtschaft zum Konzert als Formvorlage zu bevorzugen. Diese als epochentypisch zu sehende Freiheit spiegelt sich ebenfalls im Sonatenschaffen Mozarts, Haydns und Beethovens wieder.

Die klassisch-romantische Sonate ist ein nachträglich von Theoretikern des 19. und 20. Jahrhunderts vornehmlich an den Sonaten Beethovens definiertes Gebilde, das eine Regelhaftigkeit postuliert, die so nicht existiert hat. Es versucht dabei formale Kriterien und ideeellen Gehalt unterschiedlichster Musikepochen trotzt der fundamental unterschiedlichen dahinter stehenden musikalischen Denkungsweisen zusammenzufassen. [47]

Eingrenzung des Gattungsbegriffs

Es bieten sich statt der Verwendung der historisch fragwürdigen Sonatenform-Definition verschiedene Vorgehensweisen zur Eingrenzung der Gattung an, von denen drei hier genannt werden:

Zum einen ist dies, die Verwendung einzelner Satztypen in der Kompositionsgeschichte nachzuvollziehen. So kam z. B. das Menuett als Schlusssatz bis ca. 1775 bei verschiedenen Komponisten noch gelegentlich vor, nicht nur in der Klaviersonate. Es wurde dann immer ausschließlicher als Binnensatz verwendet, um schließlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts fast ganz aus dem Satztableau der Klaviersonate zu verschwinden.

Zum zweiten ist ein Zugang über den musikalischen Gehalt möglich und sinnvoll. Von der ursprünglichen Bedeutung des Kling-Stücks rein instrumentaler Prägung ausgehend, bildete sich nach und nach, mit einem ersten Höhepunkt in den späten Klaviersonaten Mozarts, ein bestimmter Anspruch, sowohl in kompositorischer als auch in ästhetischer Hinsicht, aus. Über ihn lässt sich die Gattung bis weit ins 19. Jahrhundert hinein treffend beschreiben, sieht man von rein didaktischen Werken bzw. Zyklen ab.

Zum dritten sollte methodisch stets ein Abgleich der Form- und Gehaltsaspekte, wie oben beschrieben, mit der Terminologie erfolgen. Die Frage, was in einer bestimmten Epoche als Sonate bezeichnet wird, ist von entscheidender Bedeutung. Hier ist eine isolierte Betrachtung der Klaviersonate nicht zielführend.

Romantik und 19. Jahrhundert

Vor allem durch die späten Werke Beethovens ist die Sonate, ähnlich wie das Streichquartett, spätestens mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts als Gattung von „besonderem Anspruch“ festgelegt. Dies gilt natürlich auch für die Klaviersonate.

Die größeren Dimensionen der Einzelwerke, sowie der gegenüber dem klassischen Verständnis gesteigerte Anspruch nach „Originalität“ brachten naturgemäß eine quantitative Verringerung der Produktion mit sich. In Wechselwirkung mit der Symphonie als wichtigster Gattung der Orchestermusik und dem Streichquartett als herausragender Kammermusik-Gattung setzte sich mehrheitlich eine viersätzige Satzfolge durch. Das Menuett als Binnensatz wurde seltener; an seine Stelle trat (schon bei Beethoven) oft ein Scherzo.

Dabei unterlag die Klaviersonate aufgrund gänzlich anders gearteter Ästhetik und Ausdruckwillens der Romantik einem starken formalen und konzeptionellen Wandel. In der Hochromantik wurden im Spätwerk von Franz Liszt und Alexander Scrjabin dann erste Grundlagen für Musik und Klaviersonate des 20. Jahrhunderts angedacht.

Schubert

Franz Schubert hatte zu Beginn seines Schaffens schwer am „Erbe“ Beethovens und der durch sein Werk festgelegten Sonatenform zu tragen. Die Sonaten zwischen 1815 und 1817 blieben teilweise unvollendete Torsi.

Franz Schubert am Klavier - Moritz von Schwind: Schubertiade, 1868 aus der Erinnerung gezeichnet

So bricht die E-Dur-Sonate nach der Durchführung ab, was vermuten lassen kann, dass Schubert den Rest ab der Reprise nur als Routinearbeit zur Erfüllung der Form ansah, [48] oder das Sonatenschema ihn mehr beherrschte als er selbiges. [49] So schreibt K. M. Komma über den ersten Satz der in manchem dennoch an Beethoven erinnernden a-Moll-Sonate D 537, bei welcher die einzelnen Abschnitte nicht organisch ineinander übergehen sondern teilweise durch Generalpausen voneinander abgegrenzt sind:

„Dieser Satz ist ein einziger Zweifel an der Sonate im überlieferten Sinn, ein Rütteln an der überkommenen Form, Aufbäumen und erschöpftes Niederbrechen. Die Kontraste sind nicht antithetisch, sie werden nicht dialektisch ausgetragen.“ [50]

Das Beethovensche auf dem Themendualismus und seiner Verarbeitung beruhende Sonatenmodell entspricht Schubert innerlich nicht. Seine musikalischen Gedanken drücken sich eher in Reihungsformen wie der Lied- und Variationenform aus. [51] Schuberts melodische Gebilde sind in sich so gerundet und abgeschlossen, dass sie sich weniger zur sonatengemäßen Zerlegung, Rekombination, und Verarbeitung eignen. [52]

In den Sonaten von 1817 bis 1819 gelingen Schubert erste Erfolge bei der Entwicklung eigener Formen, welche keine „verkümmerten Beethovenschen sondern vollwertige Schubertsche“ [53] sind. Durch das Singspiel Das Dreimäderlhaus und den gleichnamige Film mit Karl-Heinz Böhm ist besonders die A-Dur-Sonate zur volkstümlichsten Sonate Schuberts avanciert. Bis 1825 folgt dann, abgesehen von der Wanderer-Fantasie - einem der bedeutendsten Klavierwerke Schuberts, welches Sonaten- und Fantasieform zu einer gelungenen Synthese bringt - eine Pause im Sonatenschaffen.

Drei rhythmische Formeln (Hauptthema: blau - Überleitung: rot - Seitenthema: lila) im ersten Satz der a-Moll-Sonate op. 143 (DV 784)

In den Werken danach werden dann alle beengenden Fesseln der Gattungstradition abgestreift. Das Ansteuern und die Modulation in weit erntfernte, teilweise mediantisch verwandte Tonarten lockert das harmonische Konzept der Sonate. So wird in der C-Dur-Sonate D 840 schon nach 12 Takten As-Dur erreicht, und führt über B-Dur, und As-Dur zum h-Moll des Seitensatzes. Die Reprise steht dann in H-Dur bzw. F-Dur.

[54] Schubert strukturiert teilweise ganze Sätze eher durch rhythmische Modelle als durch Thematik oder Harmonik. So beruht der erste Satz der a-Moll-Sonate DV 784 auf drei dem ersten und zweiten Thema sowie der Überleitung zugeordneten rhythmischen Formeln, welche auch miteinander kombiniert werden. Die Formeln des ersten und zweiten Thema werden dabei in zwei ähnlichen bzw. voneinander abgespaltenen Formen verwandt.

Die Sonaten ab 1825 stellen den eigentlichen Höhepunkt seines Sonatenschaffens dar. Unter gänzlichem Verzicht auf Dynamik und dramatische Spannung thematischer Arbeit spannt Schubert hier harmonisch gewagt weite Bögen. Sie sind eher als weiträumige musikalische „Erzählungen“ von lyrischem Grundcharakter konzipiert. So lobte Robert Schumann die „himmlischen Längen“ in diesen Werken Schuberts. [55] Sie wirken mit ihren plötzlichen Verlangsamungen, Ritardandi und Haltepunkten sehr improvisatorisch und romantisch.

Sonate und Fantasie

Die Bezeichnung Fantasie für ein freier und formloser gestaltetes, eher improvisatorisch-rhapsodisches Musikstück für Tasteninstrumente war bereits im Barock beliebt. Beispiele hier für sind J.S. Bachs Chromatische Fantasie und Fuge, oder Carl Philipp Emanuel Bachs und Mozarts c-Moll-Phantasien. Ab 1810 erfreute sich diese der Kunsttheorie der Romantik entgegenkommende Form und Bezeichnung, auch aus Gründen der erhofften besseren Publikumsaktzeptanz, zunehmender Beliebtheit.

Sonata quasi una Fantasia oder Fantasia quasi una Sonata ? - Deckblatt von Beethovens op. 27

Dabei beeinflussten sich die Gattungen Fantasie und Sonate unter zunehmendem Verlust der sie voneinander abgrenzenden Kriterien. Einfluss hatten dabei auch Beethovens, Elemente beider Gattungen verbindende Sonaten op. 27 mit dem Untertitel Sonata quasi una Phantasia. Gottfied Wilhelm Fink beschrieb diese Modeströmung in einer Rezension aus dem Jahre 1826 folgendermaßen:

„Es führen jetzt viele Musikstücke den Namen Phantasie, an denen die Phantasie sehr wenigen oder gar keinen Anteil hat, , und die man nur so tauft, weil der Name gut klingt ... [...] Hier (Anm.: Gemeint ist Schuberts Sonate a-Moll, op. 42) führt, einmal umgekehrt, ein Musikstück den Namen Sonate, an dem die Phantasie ganz offenbar den größten und entscheidensten Anteil hat ...“ [56]

In Schuberts Wanderer-Fantasie werden dann beide Gattungen zukunftsweisend miteinander verschmolzen. Das Werk kann auch als auf Franz Liszt vorausweisender Versuch interpretiert werden, die Formteile des Sonatenhauptsatzes auf die Satzfolge des Gesamtwerkes zu transferieren. Demnach würden Allegro, Adagio, Scherzo und Finale die Funktionen von Exposition, Durchführung, Reprise und Coda übernehmen. [57] Weitere wichtige Fantasien sind Felix Mendelssohn Bartholdys fis-Moll-Sonate op. 28 welche hinter allen eingestreuten Läufen und Akkordbrechungen dennoch einen Sonatengrundriss aufweist, sowie Robert Schumanns Fantasie C-Dur op. 17, welche die Sonatenform angesichts vieler harmonischer und formaler Freiheiten nur noch erahnen lässt. Mit dem Untertitel Sonata quasi una Phantasia von Franz Liszts Dante-Sonate wird dann die Konsequenz aus Beethovens Emanzipationsbemühungen in Richtung einer „freieren Form“ (Sonata quasi una Phantasia) aus op. 27 auch im Werktitel deutlich.

Bewahrer der Klassik

Felix Mendelssohn Bartholdy und Johannes Brahms zeigen in ihrem Werk, obwohl natürlich in der Roamntik stehend, sowohl formal als auch vom Ausdrucksgehalt gesehen durchaus klassische Züge.

Felix Mendelssohn Bartholdy

Felix Mendelssohn Bartholdy wurde teilweise nicht zu Unrecht als in schwächeren Werken manchmal epigonenhafter, musikalische Gattungstraditionen bewahrender Klassizist mit glatter und sentimentaler Tonsprache eingestuft. [58] und kritisiert. [59] Dies wird auch an einer Aussage Schumanns deutlich, der anlässlich einer Rezension von Mendelssohns Sonaten 1827 bei aller Bewunderung für die Werke meinte, man müsse sich hier den Komponisten vorstellen als:

"... sich mit der rechten Hand an Beethoven schmiegend, zu ihm wie einem Heiligen aufschauend, und an der anderen Hand von Carl Maria von Weber geführt." [60]

Dass dieses Bild nicht gänzlich unbegründet ist, zeigen etliche Analogien - wie zwischen Mendelsohn B-Dur-Sonate und Beethovens Hammerklaviersonate - seines mitunter persönliche Züge vermissen lassenden bis zum zwanzigsten Lebensjahr vollendeten Sonatenschaffens. [61] Die Sonaten Mendelssohns verbinden Virtuosität mit der Sphäre "häuslicher Idylle" und einem manchmal gelehrt wirkenden kontrapunktischen Stil . Wesentlich überzeugender wirkt er dagegen in seinen Liedern ohne Worte und der freiern fis-Moll-Fantasie von 1834.

Johannes Brahms

Brahms wurde wurde im Zuge der Kontroverse um die progressive Neudeutsche Schule um Franz Liszt von der Öffentlichkeit zu deren „Gegenpapst“ hochstilisiert, und als „wahrer Erbe und Nachfolger“ von Beethoven bezeichnet. Er hielt - obwohl dabei seine lange übersehene Fortschrittlichkeit beachtet werden muss - doch prinzipiell an klassischen Formen und dem Sonatensatz fest. [62] Seine drei in seine frühe Schaffenszeit fallenden Klaviersonaten meiden Listzsche und Chopinsche Virtuosität, und beziehen ihre Inspiration eher aus dem Volkslied. [63] So erinnert sich Albrecht Dietrich:

Variationstechniken im ersten Satz der Sonate in f-Moll. op. 5
„Da erzählte er mir im Laufe des Gesprächs, daß er beim Componieren sich gern an Volkslieder erinnere und daß die Melodien sich dann von selbst einstellten.“ [64]

Der herkömmliche Themendualismus tritt zugunsten eines kontinuierlichen Ableitungsprozesses, der das Seitenthema organisch aus dem Hauptthema hervorgehen lässt, zurück. Ein Beispiel hierfür ist der erste Satz der f-Moll-Sonate, in welchem das Hauptthema stufenweise in das Seitenthema ab überführt wird. [65] So wird das Kernmotiv von Takt 1 und 2 aus punktiertem As, G und F in Zweiunddreißigsteln, und dem Viertel-G, in Takt 8 und 9 rhythmisch verändert in Vierteln und Achteln eingesetzt, und in Takt 20 und 21 in den Intervallen melodisch geweitet (As - C - F - As, C - F - E - D) eingesetzt. Das in Takt 39 eintretende Seitenthema wirkt dann nicht als Kontrast, sondern als logische durch Variation vorbereitete Folge. Diese ist als Kern seiner musikalischen Technik zu verstehen. Arnold Schönberg [66] sah dieses Vorgehen von Brahms später als zukunftsweisendes Modell für formale Gestaltung auf rein thematischer Basis abseits tonaler, formgebender Elemente. Während dies einerseits als „ideale Synthese der Variationsform und des Sonatensatzes“ interpretiert wird, [67] wird andererseits die „Verknüpfung der Satzteile als Variantenreihung, deren Abschnitte zwar noch äußerlich-formal dem Aufbauschema eines tradierten Sonatenhauptsatzes entsprechen, deren innere musikalische Logik und Funktion im Satzganzen sich jedoch durch die Variantentechnik entschieden gewandelt hat.“ hervorgehoben. [68]

Gegenüber der ersten eher klassische gehaltenen Sonate in C-Dur zeigen die zweite und dritte Sonate in ihrer romantischen Haltung durchaus eine gewisse Nähe zur Neudeutschen Schule.

Typisch romantisch

Robert Schumann und Frederic Chopin gelten bis heute im volkstümlichen Sinn als die typischen und exemplarischen Vertreter der Musik der Romantik. Dennoch weist ihr Werk darüber hinaus wesentliche, auf die Musik des 20. Jahrhunderts verweisende, Ansätze auf. Ihr Klavierschaffen verwirklicht sich - auch epochebedingt - mehr in kürzeren und kleingliedrigen, weniger theoretisch festgelegten Formen und Titeln wie Fantasie, Impromptu, Mazurka, Nocturne, Variation, Intermezzo, Romanze, oder außermusikalisch inspirierten Titeln wie Nacht-/Waldstück, Phantasiestück, Kinderszenen, Gesang, Arabeske, Carnaval, als in Form der Sonate.

Schumann

Robert Schumanns drei Klaviersonaten ermangelt es, ebenso wie manchen Schubert-Sonaten, aufgrund ihres Zusammenbaus mittels meist liedhafter Elemente eines wirklich organischen Zusammenhangs. [69]

Robert und Clara Schumann am Klavier

Die Werke sind eher von poetischen Vorwürfen und Konzepten (Florestan und Eusebius) und gedanklichen Beziehungen zu seiner Frau Clara, als durch auf thematische Konsequenz zielende Arbeit gekennzeichnet. Die anzutreffende damals bemängelte "allzu bunte Mischung der Tonarten" wird heutzutage eher als historisch folgerichtiger harmonischer Fortschritt gewertet.

"In manchen Harmonieführungen sind Dissonanzen gebraucht, deren folgende Auflösung nur einem erfahrenen Ohre die Härte ihres Eindruckes mildern."

Die Formteile von Exposition, Durchführung und Reprise sind in seinen Sonaten schwer voneinander abzugrenzen. Auch Schumann selber überkamen relativ schnell Zweifel an der überlieferten Funktion, historischen Berechtigung, und gesellschaftlichen Stellung der Sonate. Dies zeigen seine Äußerungen als Musikkritiker in denen die zunehmende Fagwürdigkeit der Gattung Sonate exemplarisch deutlich wird:

"... es gibt keine würdigere Form, durch die sie sich bei der höheren Kritik einführen und gefällig machen könnten, die meisten Sonaten sind daher auch nur als eine Art Spezimina, als Formstudien zu betrachten; aus innerem und starkem Drang werden sie schwerlich geboren. [...] Einzelne schöne Erscheinungen dieser Gattung werden sicherlich hier und da zum Vorschein kommen und sind es schon; im übrigen aber scheint es, hat die Form ihren Lebenskreis durchlaufen ..." [70]

Frederic Chopin

Franz Liszt

Im Werk von Franz Liszt zeigen sich schon wesentliche für die spätere „Auflösung“ der Klaviersonate im 20. Jahrhundert relevante Faktoren. Hierbei ist die formsprengende Tendenz zur Programmmusik zu nennen. So nimmt Liszt für sich in Anspruch, „die Formen durch den Inhalt bestimmen zu dürfen“, und schreibt:

„Die Instrumentalmusik wird mit oder ohne Zustimmung derer, die sich in Sachen der Kunst für die höchsten Richter halten, auf dem Weg des des Programms sicherer und siegreicher vorwärts schreiten.“ [71]
Franz Liszt am Klavier. Basierend auf einer Photographie. Century Magazine 1886

Diese Schwerpunktverschiebung wird am Titel seiner Dante-Sonate deutlich, der er in Anlehnung an Beethovens op. 27 den Zusatz Fantasia quasi Sonata gibt. Ausgehend vom Beethovenschen Prinzip der „kontrastierenden Ableitung“ werden monothematische, dem dialektischen Sonatenprinzip widersprechende Kompositionsprinzipien bestimmend. [72] Die Virtuosität wird dabei zu einem Mittel der Variation und formalen Integration experimentellen Materials. [73] Die Progressivität von Liszt als Wegbereiter der Auflösung der harmonischen Tonalität ist ein weiterer, von Skrjabin und anderen fortgesetzter, die Klaviersonate „sprengender“ Punkt. In seiner h-Moll-Sonate von 1853 unternahm er den Versuch, den ineinander übergehenden Sätzen die Großform eines Sonatenhauptsatzes mit breit ausgestalteter Coda zu verleihen. Versuche der Wissenschaft ein eindeutiges Formschema in Bezug auf die herkömmliche Sonatenform sind unterschiedlich. Schon der Zeitgenosse Louis Köhler bescheinigte ihr „trotz der Abweichung von der bekannten Sonatenform“ einen „derartig geordneten Bau, daß ihr unterster Grundriß in den Hauptlinien doch Parallelen mit denen einer Sonate“ zeige. [74] Die Verbindung von Ein- und Mehrsätzigkeit wird ebenso wie das Streben nach werkübergreifender zyklischer Einheit hervorgehoben. Häufig wird versucht, das Werk mit der Definition einer „Synthese von Sonatensatz und Sonatenzyklus“ zu beschreiben.

Alexander Skrjabin

In den zehn Klaviersonaten Skrjabins lässt sich die bei Liszt findende formale und harmonische Entwicklung von der Spätromantik bis zur Atonalität und die damit einhergehende Auflösung der Sonatenform besonders gut beobachten. Dieser Weg begann bei Werken, die noch sehr an Chopin und gelegentlich an Liszt erinnern und den Einfluss Wagners spüren lassen. Er setzte sich fort über eine extreme Alterationsharmonik bis zu frei- und atonalen Werken und zeigt auch

einen formalen Auflösungsprozess.

Quartsprung aufwärts im 1. und 4. Satz von Scrjabins dritter Klaviersonate op. 23

Schon in der ersten Sonate ist eine „alle Sätze miteinander verklammernde Substanzgemeinschaft durch ein charkateristisches Dreitonmotiv“ sowie eine nachtristansche Alterationsharmonik“ vorhanden. [75] In den ersten drei Sonaten herrscht trotz dem improvisatorischen Charakter der Musik durch viele Ritardandi, Fermaten, Generalpausen, und tonale schwer zu bestimmende Klangimpressionen [76] dennoch musikalische Logik aufgrund von Thementransformationen und deren Entwicklung/Verbindung, sowie eine rudimentäre funktionsharmonische Bindung. In der dritten Sonate haben trotz Viersätzigkeit in der formalen Großgliederung die einzelnen Abschnitte nicht mehr die dem Sonatenprinzip folgenden themendualistischen oder harmonischen Funktionen, sondern sind eher als Entwicklung der Themen aus einer „Urzelle“ [77] zu verstehen, welche dabei auch kontrapunktisch, simultan auftreten können. [78] Die zyklische Zusammenschluss der Sätze aufgrund spezieller Intervalle, wie dem aufwärts gerichteten Quartsprung in der 3. und 4. Sonate, beziehungsweise ganzer Quartenakkorde (promethischer/mystischer Akkord), wird zunehmend wichtiger als herkömmliche Themenbildung.

Die Sonateform wird zusehends zur leeren Hülse, und ab der 5. Sonate ist dann die Einsätzigkeit erreicht. [79] Fünf Themen bilden hier die Grundlage einer von der Sonatenform freien Entwicklung. Zum letzten Mal setzt Skrjabin hier - allerdings häufig - wechselnde Vorzeichen. Die Metrik, welche z.B. in den ersten 48 Takten von op. 53 zwischen 2/4, 5/8, und 6/8 wechselt und zusätzlich polymetrisch ist, kann auch nicht mehr formbildend wirkend.

Die Sonaten 6 bis 10 bewirken dann allein durch die Konzentration auf gewisse „Klangzentren“ und rhythmische Formen Gestaltbildung, und vollziehen damit - in Vorbereitung der Reihentechnik - das endgültige Ende bzw. den Wandel der Sonatenform. [80]

Liste der Komponisten von Klaviersonaten im 19. Jahrhundert

20. Jahrhundert

Die Klaviersonaten sind ebenso wie die Musik des 20. Jahrhunderts generell von drei Tendenzen geprägt:

  • Der Aufgabe der Tonalität zugunsten von freier Tonalität, Atonalität, sowie Zwölfton- und Reihentechnik.
  • Der Bewahrung von einer wie auch immer gestalteten Tonalität in Bitonalität, eigenen Tonalitätskonzepten, oder dem neoklassizistischen Rückgriff auf überlieferte Gestaltungsmittel.
  • Die Aufgabe oder bewusste Weiterführung bzw. Reaktivierung überlieferter gliedernder Prinzipien und Formen.

Atonalität

In der Atonalität bzw. Zwölftonmusik verliert die Sonate endgültig ihre formbildende Kraft, welche untrennbar mit der Tonalität und der funktionsharmonischen Bedeutung der Akkorde (speziell Tonika und Dominante) verbunden war. [81] Dies bringt der „Theoretiker der Zwölftontechnik“, Theodor W. Adorno auf den Punkt:

„Der Sinn der klassischen Sonatereprise ist unabtrennbar vom Modulationsschema der Exposition und von den harmonischen Ausweichungen der Durchführung. [...] Die zentrale Schwierigkeit einer zwölftönigen Sonatensatzform liegt im Widerspruch zwischen den Prinzipien der Zwölftontechnik und dem für die Sonatenidee konstitutiven Begriff des Dynamischen. [...] Wie sie (Anm.: die Zwölftontechnik) die Begriffe von Melos und Thema entwertet, so schließt sie die eigentlich dynamischen Formkategorien, Entwicklung, Überleitung, Durchführung aus.“ [82]

Dennoch haben Arnold Schönberg und seine „Schüler“ sich intensiv mit dem Sonatenproblem auseinandergesetzt, und Werke in dieser Gattung geschaffen. Atonal sind z. B. Hanns Eislers Klaviersonate op. 1, Ferruccio Busonis Sonatina Seconda, [83] oder Ernst Kreneks dritte Klaviersonate [84], welche trotz Zwölftontechnik traditionelle Satzbautechniken anwendet. Durch die Thematik als essentielles formbildendes Element scheint das Paradoxon einer Sonatenform ohne tonale Struktur möglich. [85]

Der Amerikaner Charles Ives geht weniger akademisch an das Sonatenproblem, und verbindet in der Three-Page-Sonata und seinen Klaviersonaten 1 und 2 [Synkretismus|synkretistisch]] klassische Formen, Standardkadenzen, Beethovenzitate aus der 5. Sinfonie und der Hammerklaviersonate, Ragtime, Choräle, Poly- und Atonalität, und Cluster. Man kann dies gleichermaßen als Hommage an und Persiflierung von „geheiligten Traditionen der europäischen Musiktradition“ auffassen. [86] Ives selber schreibt zum Titel seiner zweiten Sonate:

„a group of four pieces, called a sonata for want of a more exact name, as the form, perhaps substance, does not justify it.“ [87]

Erweiterte Tonalität

Die Mehrsätzigkeit und eine gewisse formale Anlehnung an Werke des 19. Jahrhunderts findet sich vornehmlich bei im weitesten Sinne noch tonal arbeitenden Komponisten mit einem - gemessen an der jeweiligen Zeit - eher konservativen Musikästhetik bzw. Tonsprache, wie Stravinsky, Hindemith, Prokofjew, oder Bela Bartok. Dem antiromantischen Zeitempfinden der 20er Jahre folgend vermied man jedoch meist den „heroisch-monumentalen“ Begriff der Sonate, und verlegte sich auf sachlichere und verkleinernde Bezeichnungen wie Sonatine, Kleine Sonate, oder einfach Klavierstück.

Eine wesentliche Rolle spielt dabei der; allerdings mit modernen Mitteln verfremdende; Zugriff auf überkommene Formen im Zuge des Neoklassizismus bzw. Neobarock.

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Bitonalität in Igor Stravinskys zweiter Klaviersonate

Beispiele hier für sind sowohl Prokofjews mit einem harten und klaren, jeglichen Romantizissmus vermeidenden Stil, an die klassische Sonate anglehnte Sonaten 3 und 5. Stravinsky legt hier bitonal zwei in sich konsonante, funktionsharmonisch bestimmbare und nur im Zusammenklang dissonante, an die Musiksprache Haydns erinnernde Schichten übereinander. [88] Paul Hindemith berücksichtigt in seinen drei Sonaten ebenso seine eigene in der „Unterweisung zum Tonsatz“ geschaffene Tonalitätsauffassung, wie formale Kriterien der Sonate, und Bela Bartok versucht in seiner 1926 entstandenen Sonate die Anforderungen der Sonatenform über den Aufbau rhythmischer Elemente zu erfüllen. [89]

Nach 1950

Mit der in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg dominierenden seriellen Kompositionstechnik sank die Klaviersonate zu einer nahezu bedeutungsleeren Form herab. Es ist zweifelheaft, Werke wie Pierre Boulez drei atonale Sonaten angesichts seiner Äußerungen, dass "diese vorklassischen und klassischen Formen der größte Widersinn der zeitgenößischen Geschichte sind", [90] noch als Sonaten zu bezeichenen. Selbiges gilt für Hans Werner Henzes Sonata per Pianoforte von 1959.

Liste der Komponisten von Klaviersonaten im 20. Jahrhundert

Belege

  1. Udo Zilkens: Beethovens Finalsätze in den Klaviersonaten - Allgemeine Strukturen und individuelle Gestaltung, Seite 12
  2. Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven - von Schubert bis Skrjabin, Seite 2
  3. Pierre Boulez: Anhaltspunkte, Seite 257: „... diese vorklassischen oder klassischen Formen sind der größte Widersinn der sich in der zeitgenössischen Muskik finden lässt.“
  4. Siegfried Mauser: Beethovens Klaviersonaten, 2001, Seite 8
  5. Anm.: So werden beispielsweise die Sonaten von Scarlatti, J.S. Bach, und anderen Komponisten der Zeit auch heute noch wahlweise auf Cembalo oder Klavier gespielt.
  6. Anm.: Der amerikanische Cembalist und Scarlatti-Fachmann Ralph Kirkpatrick führt Gründe an, welche für eine Zusammenfassung von zwei, seltener auch drei, Sätzen zu einem Zyklus sprechen.
  7. Siegfried Mauser: Beethovens Klaviersonaten: Seite 12
  8. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen, 1977, Seite 234: „Er benützte sein Klavierwek sozusagen nur als ‚Werkstatt modell‘ zu seinen symphonischen Arbeiten, als Vorstufe dazu, ganz im Gegensatz zu Ph. Em. Bach, der von Anfang an entschieden aufs Klavier hin konzipierte. Wir zitieren hier einen treffenden Satz von Oskar Brie, der 1898 schrieb: ‚Haydn hat mehr am Klavier gelernt, als er ihm gegeben hat. Er übertrug die zeitgenössischen Klavierformen auf das Orchester und wies diesem damit den Weg der Symphonie.‘“
  9. Clemens Kühn: Formenlehre der Musik, 1987, Seite 135 und 136
  10. Heinrich Christoph Koch: Versuch einer Anleitung zur Composition, Band II, 1782–1793, Seite 101; zitiert nach Siegfried Mauser: Beethovens Klaviersonaten, Seite 7
  11. Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven - Von Schubert bis Skrjabin, 1987, Seite 2
  12. Uwe Höll: Studien zum Sonatensatz in den Klaviersonaten Joseph Haydns, 1984, Seite 110 ff.
  13. Clemens Kühn: Formenlehre der Musik, Seite 138
  14. Siegfried Mauser: Beethovens Klaviersonaten, Seite 14 und 15
  15. Clemens Kühn: Formenlehre der Musik, Seite 138
  16. Clemens Kühn: Formenlehre der Musik, Seite 71 bis 74
  17. Wolfgang Burde: Studien zu Mozarts Klaviersonaten - Formungsprinzipien und Formtypen, 1970, Seite 25 ff.
  18. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen, Seite 253 und 254
  19. Paul Badura-Skoda: Die Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven, Seite 62 und 62
  20. Richard Rosenberg: Die Klaviersonaten Ludwig van Beethovens, Seite 114
  21. Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven - Von Schubert bis Scrjabin, Vorwort
  22. Ein Beispiel: „Beethovens Klaviermusik ist bis heute immer noch das Evangelium einer hoch idealisiereten, von menschlichem Atem durchwehten und bekenntnishaften Tonkunst.“; aus Hans Schnoor: Geschichte der Musik, 1954, Seite 273
  23. Ein Beispiel: „Formt der Weltgeist, ohne Wissen des produzierenden Subjekts, hier tatsächlich endzeitliche Musik... ?“; aus: Jürgen Uhde: Beethovens Klaviermusik III, Sonaten 16-32, op.111, c-Moll
  24. Thomas Mann: Doktor Faustus, Seite 86
  25. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen, Seite 271
  26. Alfred Brendel: Nachdenken über Musik, 1982, Seite 85
  27. Kurt Honolka: Knaurs Geschichte der Musik - Von den Anfängen bis zur Klassik, Seite 433
  28. Maximilian Hohenegger: Beethovens Sonata appassionata op 57 im Lichte verschiedener Analysemethoden, Peter Lang, Frankfurt, 1992, Seite 92
  29. Anm.: Diese Dreiteilung geht auf Beethovens ersten Biographen, Johann Aloys Schlosser, zurück. Sie wurde dann von vielen anderen, wie z.B. Franz Liszt, welcher mit folgenden Worten Beethovens Schaffensphasen kategorisierte: „l'adolescent, l'homme, le dieu“, aufgegriffen.
  30. Siegfried Mauser: Beethovens Klaviersonaten, Seite 18
  31. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen, Seite 272
  32. Martin Geck: Ludwig van Beethoven, Rowohlt, 1996, Reinbek bei Hamburg, 1996, Seite 103 ff.
  33. Kurt Honolka: Knaurs Geschichte der Musik - Von den Anfängen bis zur Klassik, Droemersche Verlagsanstalt, München, 1979, Seite 434
  34. Richard Rosenberg: Die Klaviersonaten Ludwig van Beethovens, Seite 10 bis 23
  35. Arnold Schmitz: Zwei Prinzipe - Ihre Bedeutung für Themen- und Satzbau, 1923, eite 38 und 96
  36. Udo Zilkens: Beethovens Finalssätze in den Klaviersonaten - Allgemeine Strukturen und individuelle Gestaltung, 1994, Seite 14
  37. Maximilian Hohenegger: Beethovens Sonata appassionata op. 57 im Lichte verschiedener Analysemethoden, 1991, Seite 24 bis 30, und Tabelle Seite 38
  38. Udo Zilkens: Beethovens Finalsätze in den Klaviersonaten, Seite 128, 130, und 230
  39. Paul Badura-Skoda: Die Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven, Seite 169
  40. Siegfried Mauser: Beethovens Klaviersonaten, Seite 124
  41. Udo Zilkens: Beethovens Finalsätze in den Klaviersonaten, Seite 128, 130, und 230
  42. Thomas Mann: Doktor Faustus, Seite 86; zitiert nach William Kinderman: Klaviersonate c-Moll, op. 111, in Dalhaus, Riethmüller, Ringer: Beethoven - Interpretationen seiner Werke, Seite 175 und 176, bitte Originalquelle nachtragen.
  43. Salonmusik; auf der Seite des Staatlichen Instituts für Musikforschung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
  44. William S. Newman, The Sonata since Beethoven, 1969, Seite 177
  45. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen, Seite 296 bis 303
  46. Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven, Seite 52 ff.
  47. Clemens Kühn: Formenlehre der Musik, dtv, 1987, Seite 124 und 125
  48. Walther Dürr: Wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen ? Gedanken über die Beziehungen Schuberts zu Beethoven; in: Musikkonzepte - Sonderband Franz Schubert, 1979, Seite 17
  49. Walther Vetter: Der Klassiker Schubert, Band 1, 1953, Seite 178, zitiert nach Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven, Seite 22
  50. Karl Michael Komma: Franz Schuberts Klaviersonate a-Moll op. posth. 164 (D 537); in: Zeitschrift für Musiktheorie 3, 1972, Seite 7
  51. August Gerstmeier: Meisterwercke der Musik - Robert Schumann, Klavierkonzert a-Moll op. 54, 1986, Seite 8 und 9
  52. Alfred Einstein: Schubert - Ein musikalisches Portrait, 1952, Seite 86
  53. Hermann Keller: Schubert Verhältnis zur Sonatenform, 1969, Seite 293; zitiert nach Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven, Seite 21
  54. Schuberts Sonate D 840: Analyse und Interpretation
  55. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen, Seite 313
  56. Gottfied Wilhelm Fink: Allgemeine Musikalische Zeitung 28, 1826, Sp. 137; zitiert nach Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven, Seite 91
  57. Alfred Brendel: Die beiden Versionen von Schuberts Wanderer-Fantasie; in: Östereichische Musikzeitschrift 17, 1962, Seite 58 bis 60
  58. Carl Dalhaus: Mendelssohn und die musikalischen Gattungstraditionen, in: Das Problem Mendelsohn - Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, Band 41, 1974, Seite 55 ff.
  59. Anm.: Bei der Einstufung dieser Kritik muss aber auch die Tatsache seiner jüdischen Hekunft, welche schon lange vor dem Dritten Reich eine wesentliche Motivation der Kritik an seinem Werk darstellte, mitbeachtet werden.
  60. Robert Schumann in: Allgemeine Musikalische Zeitung 29, 1827, Sp. 122
  61. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen, Seite 327
  62. Hans A. Neunzig: Johannes Brahms, 1997, Seite 118
  63. Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven, Seite 155.
  64. Albert Dietrich: Erinnerungen an Johannes Brahms in Briefen, 1899; zitiert nach Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven, Seite 155
  65. Jürgen Schläder: Zur Funktion der Variantentechnik in den Klaviersonaten f-Moll von Johannes Brahms und h-Moll von Franz Liszt, in: Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft, Band 7, Seite 178
  66. Arnold Schönberg: Brahms - Der Fortschrittliche, in: Stil und Gedanke - Aufsätze zur Musik
  67. Viktor Urbantsitsch: Die Entwicklung der Sonatenform bei Brahms, in: Studien zu Musikwissenschaft, Band 14, 1927, Seite 250
  68. Jürgen Schläder: Zur Funktion der Variantentechnik in den Klaviersonaten f-Moll von Johannes Brahms und h-Moll von Franz Liszt, in: Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft, Band 7, Seite 178
  69. Mosco Carner: Some Observations on Schumanns Sonata Form, in: The Musical Times 76, 1935, Seite 884-886; zitiert nach Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven, Seite 78
  70. Robert Schumann: Schriften, Band 1, Seite 395
  71. Franz Liszt: Friedrich Chopin - Gesammelte Schriften, Band I, Seite 8
  72. Norbert Nagler: Die verspätete Zukunftsmusik; in: Franz Liszt, Musik-Konzepte, Heft 12, Seite 13
  73. Carl Dalhaus: Die Musik des 19. Jahrhunderts, Seite 11 und 112
  74. Louis Köhler in: Neue Zeitschift für Musik 41/2, 1854, Seite 72; zitiert nach Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven - Von Schubert bis Skrjabin, Seite 143
  75. Siegfried Schibli: Alexander Skrjabin und seine Musik - Grenzüberschreitungen eines promethischen Geistes, 1983, Seite 169
  76. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen, Seite 490
  77. Siegfried Schibli: Alexander Skrjabin und seine Musik - Grenzüberschreitungen eines promethischen Geistes, 1983, Seite 172
  78. Dietrich Mast: Struktur und Form bei Alexander Skrjabin, 1981, Seite 15 und 66
  79. Siegfried Schibli: Alexander Skrjabin und seine Musik - Grenzüberschreitungen eines promethischen Geistes, Seite 179
  80. Gottfried Eberle: Zwischen Tonalität und Atonalität - Studien zur Harmonik Alexander Skrjabins, 1978, Seite 129 ff.
  81. Diether de la Motte: Harmonielehre, 1976, Seite 135 ff.
  82. Adorno: Philosophie der Neuen Musik, 1949, Seite 64 und 65
  83. Busoni bezeichnete diese in einem Programmheft zu ihrer Premiere selber als tonalitätslos (senza tonalità)
  84. Anm.: Glenn Gould lobte diese als „eine der besten Klavierkompositionen unseres Jahrhunderts“. Auf www.zeit.de
  85. Carl Dalhaus: Ludwig van Beethoven und seine Zeit, 1987, Seite 196 ff. und 230 ff.; zitiert nach Udo Zilkens: Beethovens Finalsätze in den Klaviersonaten, Seite 84
  86. Herbert Henck: Experimentelle Musik, Mainz, 1994, Seite 167 ff.
  87. Chrales Ives: Essays on a Sonata - Introduction, The Knickerbocker Press, 1920. Online auf www.gutenberg.org
  88. Diether de la Motte: Kontrapunkt- Ein Lese- und Arbeitsbuch, Seite 310
  89. Tadeuz A. Zielinski: Bartok, 1973, Seite 240 ff.
  90. Pierre Boulez: Werkstatt-Texte, Berlin, 1972, Seite Seite 15; zitiert nach Dietrich Kämper: Die Klaviersonate nach Beethoven, Seite 255

Siehe auch