Folgen der globalen Erwärmung in der Arktis


Die globale Erwärmung verursacht eine Vielzahl von Folgen, von denen einige global, andere eher regional auftreten. Dieser Artikel beleuchtet die bereits eingetretenen und zukünfitg wahrscheinlichen Folgen der globalen Erwärmung in der Arktis.
Bisherige Klimaveränderung
Temperatur
In den vergangenen Jahrzehnten erhöhte sich die durchschnittliche Lufttemperatur in der Arktis etwa doppelt so schnell wie im globalen Mittel. Die Erwärmung des Gebiets nördlich von 60° N beträgt seit dem Temperaturminimum in den 1960ern und 1970ern durchschnittlich 1-2 °C. Seit 1980 erwärmt sich die Arktis am stärksten im Winter und Frühjahr; und zwar um etwa 1 °C pro Dekade. Am geringsten ist die Erwärmung im Herbst. Außerdem erwärmen sich die inneren Regionen Nord-Asiens und der Nordwesten Nordamerikas am stärksten.[1]
Niederschlag
Im letzten Jahrhundert gab es in der Arktis eine leichte Zunahme der Niederschläge um etwa 8%.[2] Die Niederschlagstrends sind jedoch örtlich sehr unterschiedlich und die Messungen noch recht ungenau.[1]
Gletscher

Die größten Gletscher der arktischen Region befinden sich auf Grönland. Die Temperaturen im Süden der Insel sind seit Mitte des 20. Jahrhunderts um 2,5 °C und damit wie an vielen arktischen Orten besonders stark gestiegen. In der Folge kam es zu rapiden Veränderungen in der Dynamik der grönländischen Gletscher, die vorher (möglicherweise auch aufgrund geringerer Forschungstätigkeit) unbekannt waren. Bei zwei der größten Gletscher Grönlands verdoppelte sich der Verlust an Masse 2004 in weniger als einem Jahr, um bis 2006 wieder auf den Ausgangswert zurückzufallen.[3]
Insgesamt betrug der Massenverlust auf der größten Insel der Welt nach Messungen mit Satelliten zwischen April 2002 und November 2005 zwischen 239 ± 23 km3 und 224 ± 41 km3 pro Jahr.[4] Andere Messungen ergaben zwischen 2003 und 2005 eine Abnahme um 101 ± 16 Gigatonnen (Gt) jährlich, wobei der Eisschild oberhalb von 2000 Meter Höhe 54 Gt zugenommen und unterhalb davon 155 Gt verloren hat.[5] Besonders gut sichtbar wurde dieser Verlust im Jahr 2005, als an der Ostküste eine neue Insel namens Uunartoq Qeqertoq (auf englisch Warming Island) entdeckt wurde. Nachdem eine große Menge Festlandeis geschmolzen war stellte sich heraus, dass es sich bei Uunartoq Qeqertoq nicht um eine mit dem Festland verbundene Halbinsel handle, wie zuvor angenommen worden war. Im längerfristigen Durchschnitt
An einzelnen Gletschern Grönlands zeigt sich eine überraschende Dynamik. Zwei der größten Gletscher der Insel, der Kangerdlugssuaq und der Helheim, die zusammen 35 % zum Massenverlust Ostgrönlands in den vergangenen Jahren beigetragen haben, wurden von einem Team um den Glaziologen Ian Howat detaillierter untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Schmelzrate der beiden Gletscher zwischen 2004 und 2005 verdoppelt hatte. Bis 2006 war der Massenverlust dann wieder auf den Wert von 2004 zurückgegangen.[6] Eine ähnliche Dynamik lässt sich auch am rechts abgebildeten Jakobshavn Isbræ an der Westküste Grönlands beobachten. Zwischen 2001 und 2003 hatte sich seine Schmelzrate drastisch beschleunigt und war dann 2004 wieder deutlich zurückgegangen. Während sich der Gletscher zwischen 1991 und 1997 im Durchschnitt um 15m pro Jahr zurückgezogen hatte, war dieser Wert bis 2003 auf fast das Doppelte angewachsen. Parallel beschleunigte sich die Bewegung seiner Eismassen. Betrug deren Geschwindigkeit 1985 noch 6,7 km pro Jahr und 1992 bis 1997 sogar nur 5,7 km, stieg dieser Wert deutlich auf 9,4 km pro Jahr für 2000 und weiter auf 12,6 km im Jahr 2003 an. 2004 hatte sich der Rückzug dann wieder deutlich verringert, was die bis heute kaum berechenbare Dynamik des Jakobshavn Isbræ verdeutlicht.[7] Ein solches Verhalten war von Gletschern bislang unbekannt, und es verdeutlicht die Ungewissheit, mit welcher Geschwindigkeit der grönländische Eisschild in den nächsten Jahrzehnten weiter abtauen wird.
Meereis
In der Arktis steigt neben der Luft- auch die Wassertemperatur deutlich rascher als im globalen Durchschnitt.[2] Gleichzeitig nahm zwischen 1979, dem Beginn der modernen Satellitenbeobachtung, und 2005 die beobachtete Eisfläche um 1,5 – 2,0 % pro Dekade ab. Der Flächenverlust hatte sich in den Wintern 2005 und 2006 bereits erheblich beschleunigt. In den beiden Jahren ist die maximale Ausdehnung des Meereises um jeweils 6% gefallen - eine Steigerung um den Faktor 30 bis 40 im Vergleich zur in den Jahrzehnten zuvor ermittelten Schmelzrate.[8] Zwischen 1979 und 2006 konnte für jeden Monat im Vergleich zum Vorjahreswert ein deutlicher Verlust an Meereis festgestellt werden. Am stärksten ist dieser für den September, traditionell der Monat mit der geringsten Ausdehnung, wo er 8,6 ± 2,9 % pro Jahrzehnt beträgt.[9]
Größere Unsicherheiten bestehen in der Erfassung der Dicke des Eispanzers. Hier schwanken die Angaben zwischen 40% und 8 – 15 % Abnahme.
In den letzten Jahren wurden für die Ausdehnung des arktischen Meereises immer neue Rekord-Tiefstände gemessen. Am 13. August 2007 wurde mit 5,32 Millionen km2 der Tiefstwert des Rekordjahres 2005 erreicht, einen Monat vor dem normalerweise erst im September zu erwartenden Minimum.[10] Das IPCC geht in seinem aktuellen Bericht davon aus, dass bis 2100 der Nordpol im Sommer eisfrei sein könnte. Anderen Wissenschaftlern scheint das noch untertrieben. Ein Team um die Forscherin Marika Holland hat in einer Modellstudie ermittelt, dass die Arktis bereits im Sommer 2040 erstmals gänzlich frei von Meereis sein könnte,[11] und gemeinsam mit ihrer Kollegin Julienne Stroeve schließt sie sogar 2020 als erstes Jahr dafür nicht aus.[12]
Austrocknende arktische Teiche

Vermutlich in Folge der Erderwärmung sind einige so genannte arktische Teiche im kanadischen Cape Herschel (auf der Ellesmere-Insel gelegen) zum Sommer 2006 erstmals vollkommen ausgetrocknet. Die seit 1983 von den Wissenschaftlern John P. Smol und Marianne S.V. Douglas beobachteten Teiche hatten nach paläolomnologischen Analysen wenigstens mehrere Jahrtausende ununterbrochen Wasser geführt.[13] Arktische Teiche sind kleine und relativ flache, besonders artenreiche Biotope. Außerdem sind sie eine der wichtigsten Quellen für Oberflächenwasser sowie Lebensraum zahlreicher Vögel und Insekten. Ihr jüngstes Verschwinden wird auf das gestiegene Verhältnis von Verdunstung zu Niederschlägen zurückgeführt, ein Phänomen das nach Angaben der Autoren „möglicherweise mit der Klimaerwärmung zusammenhängt“.[14] In der Vergangenheit sind bereits öfter subarktische Teiche verschwunden, was mit dem zurückgehenden Permafrost erklärt werden konnte. Die arktischen Teiche seien jedoch eindeutig verdunstet, wie die gestiegene Salzkonzentration in noch nicht ganz verschwundenen Teichen mit stark reduzierter Wassermenge zeigt.
Soziale Folgen
In der Arktis leben schätzungsweise 3,8 Millionen Menschen, wovon etwa 10% indigene Einwohner sind.[2]
Literatur
- Arctic Climate Impact Assessment - Bericht des Arktischen Rates über die Auswirkungen des Klimawandels von 2004
- Intergovernmental Panel on Climate Change (2007): Working Group II: Climate Change Impacts, Adaptation and Vulnerability. Chapter 15: Polar Regions (Arctic and Antarctic) (PDF)
- National Oceanic and Atmospheric Administration (2006): State of the Arctic, October 2006 (PDF, 2,9 MB)
Einzelnachweise
- ↑ a b Intergovernmental Panel on Climate Change (2007): Report of Working Group II, Impacts, Adaptation and Vulnerability, Chapter 15: Polar Regions (PDF, 1 MB) (englisch)
- ↑ a b c Arctic Climate Impact Assessment (2004): Arctic Climate Impact Assessment. Cambridge University Press, ISBN 0-521-61778-2, siehe online
- ↑ Howat, Ian M., Ian Joughin und Ted A. Scambos (2007): Rapid Changes in Ice Discharge from Greenland Outlet Glaciers, in: Science, Vol. 315, Nr. 5818, S. 1559 - 1561, doi:10.1126/science.1138478
- ↑ Chen, J. L., C. R. Wilson und B. D. Tapley (2006): Satellite Gravity Measurements Confirm Accelerated Melting of Greenland Ice Sheet, in: Science, Vol. 313, Nr. 5795, S. 1958 - 1960, doi:10.1126/science.1129007
- ↑ Luthcke, S.B., H.J. Zwally, W. Abdalati, D.D. Rowlands, R.D. Ray, R.S. Nerem, F.G. Lemoine, J.J. McCarthy, D.S. Chinn (2006): Recent Greenland Ice Mass Loss by Drainage System from Satellite Gravity Observations, in: Science, Vol. 314, Nr. 5803, S. 1286 - 1289, doi:10.1126/science.1130776
- ↑ Howat, Ian M., Ian Joughin und Ted A. Scambos (2007): Rapid Changes in Ice Discharge from Greenland Outlet Glaciers, in: Science, 16. März, Vol. 315., Nr 5818, S. 1559–1561 doi:10.1126/science.1138478
- ↑ NASA (2004): Fastest Glacier in Greenland Doubles Speed vom 12. Januar
- ↑ NASA (2006): Arctic Ice Meltdown Continues With Significantly Reduced Winter Ice Cover vom 13. September
- ↑ Serreze, Mark C., Marika M. Holland und Julienne Stroeve (2007): Perspectives on the Arctic's Shrinking Sea-Ice Cover, in: Science, Vol. 315., Nr. 5818, S. 1533 - 1536, doi:10.1126/science.1139426
- ↑ National Snow and Ice Data Center (NSIDC): Arctic Sea Ice News Fall 2007
- ↑ Holland, M.M., C.M. Bitz und B. Tremblay (2006): Future abrupt reductions in the Summer Arctic sea ice, in: Geophysical Research Letters, Vol. 33, L23503, doi:10.1029/2006GL028024 (PDF)
- ↑ Stroeve, Julienne, Marika M. Holland, Walt Meier, Ted Scambos, and Mark Serreze (2007): Arctic Sea Ice Decline: Faster Than Forecast, in: Geophysical Research Letters, Vol. 34, L09501, doi:10.1029/2007GL029703
- ↑ Douglas, Marianne S. V., John P. Smol und Weston Blake Jr. (1994): Marked Post-18th Century Environmental Change in High-Arctic Ecosystems, in: Science, Vol. 266, Nr. 5184, pp. 416-419 doi:10.1126/science.266.5184.416
- ↑ Smol, John P. und Marianne S. V. Douglas (2007): Crossing the final ecological threshold in high Arctic ponds, in: Proceedings of the National Academy of Sciences, Vol. 104, Nr. 30, S. 12395-12397, doi:10.1073/pnas.0702777104 (PDF). Zitat im Original: „By comparing recent pond water specific conductance values to similar measurements made in the 1980s, we link the disappearance of the ponds to increased evaporation/precipitation ratios, probably associated with climatic warming.“ Siehe auch den ScienceDaily-Bericht Global Warming Is Evaporating Arctic Ponds, New Study Shows vom 4. Juli 2007.