Symmetrische Signalübertragung
Versuche im 19. Jahrhundert, Telefongespräche mit nur einer Leitung und mit der Erde als Gegenpol zu übertragen, blieben auf wenige Kilometer beschränkt. Die beim Empfänger ankommenden Signale waren umso stärker gestört, je länger die Leitung wurde. Wie könnte man Telefongespräche ungestört um die ganze Erde übertragen?
Prinzip
Möchte man ein elektrisches Signal auf einer Leitung übertragen, so wirken sich alle induktiven und kapazitiven Umgebungseinflüsse schon nach wenigen Metern störend auf dieses Signal aus, sei dies ein Mikrofonkabel, eine Telefonleitung oder ein LAN-Kabel.
Nun kann man zwar ein elektrisches Wechselfeld durch eine Metallfolie abschirmen. Ein magnetisches Wechselfeld hingegen läßt sich praktisch überhaupt nicht abschirmen. Wie also kann man Signale störungsfrei über prinzipiell immer gestörte Leitungen übertragen?
Elektomotorische Einflüsse durch Motoren, Transformatoren oder wechselstromführende Leitungen erzeugen frequenzproportional eine gleichgerichtete Induktionsspannung in jeder Ader. Kapazitive Einflüsse addieren frequenzproportional einen (Verschiebungs-) Strom auf jede Ader.
Überträgt man das Signal nun zusammen mit einem Referenzsignal, und konstruiert man das Verbindungskabel so, daß sich auf beide Adern alle induktiven und kapazitiven Störungen identisch aufprägen, so kann eine Differenzbildung beider Signale das Störsignal exakt eliminieren. Man nennt dies differentielle oder symmetrische Signalübertragung.
Um Störungen auf beide Adern identisch aufzuprägen, nutzt man verdrillte Adern sowie meist noch eine elektrisch abschirmende Hülle. Liegen viele Aderpaare in einem Kabel (Telefontechnik), so erweist sich unterschiedlicher Drill der verschiedenen Paare als das geeignetste Mittel, wechselseitige Signaleinkopplungen zu symmetrieren und damit zu minimieren.
Da wir es mit induzierten Spannungen und aufgeprägten Strömen zu tun haben, spielen Impedanzen eine große Rolle. Um exakt symmetrische Einkopplung der Störungen in beide Adern zu erreichen, müssen Einkopplungs- und Abschlußimpedanz beider Adern identisch sein.
Wir finden das Prinzip in dutzenden Abwandlungen: Trotz schlechten Frequenzganges waren Tauchspulmikrofone in der Musikbranche über Jahrzehnte deshalb beliebt, weil sie ein symmetrisches und damit störungsfreies Signal lieferten. Das dicke, gelbe Koaxkabel aus der Anfangszeit des Ethernet hingegen verschwand ganz schnell wieder vom Markt, da sich starke Störungen aufprägten. Heute arbeitet man auch in der Digitaltechnik meist mit symmetrischen Kabelführungen. Sogar der USB-Bus ist differenziell, er führt ein D+ und ein D- Signal.
Bedauerlicherweise haben sich die Vorteile symmetrischer Leitungsführung in der elektrischen Meßtechnik noch nicht durchsetzen können. Ein Oszilloskop besitzt unsymmetrische Koax-Eingänge, ein Meßmikrofon gibt ebenfalls ein unsymmetrisches und damit störbares Signal aus.
Bei der praktischen Umsetzung des Prinzips differentieller Signalübertragung finden wir verschiedene Methoden.
Differentielle Übertragung
Signalader und Referenzsignalader übertragen das Nutzsignal mit entgegengesetzter Polarität. Um beide Adern herum wird häufig noch eine elektrisch leitende Abschirmhülle gelegt. Man findet das Prinzip bei Telefonleitungen, Tauchspulmikrofon, USB oder Ethernet-Twisted-Pair Kabeln. Um eine maximal symmetrische Störeinkopplung zu erhalten, wird jedes Aderpaar zusätzlich verdrillt.
Pseudo-differentielle Übertragung
Die Referenzsignalader sammelt nur die Störungen ein, sie überträgt aber kein Nutzsignal. Man wendet das Verfahren dort an, wo eine Bildung des negierten Signals zu aufwändig wäre. Dazu führt man innerhalb der Abschirmung die Masse als Referenzsignal mit. Der Empfänger wird auch hier von Signal- und Referenzader gespeist. Auf diese Weise kann man Koax-Stecker und Buchsen nutzen, erhält aber wesentlich verbesserte Signalübertragungen gegenüber konventioneller, koaxialer Führung.
Digitale Realisierungen
Die Symmetrische Signalübertragung ist ein Verfahren, um den Einfluss von Störeinstrahlungen auf eine Signalleitung auszuschließen. Sie hat ihren Ursprung in der Telefontechnik und wird in der digitalen Kommunikationstechnik angewendet. Auch in der Tontechnik wird sie eingesetzt.
Das Signal wird zu diesem Zweck parallel durch zwei Signaladern, einmal spannungsrichtig ("Hot") und einmal spannungsinvertiert ("Cold"), übertragen. An der Empfangsseite wird nur die Potentialdifferenz, also die Spannung zwischen den Leitern, ausgewertet. Eine Störeinstrahlung wird auf beiden Leitern spannungsgleich induziert und kommt somit kaum mehr zum Tragen. Voraussetzung ist dafür, dass die Signaladern direkt nebeneinander verlaufen, damit sich die Störung möglichst identisch auf beide Leiter auswirkt. Häufig werden sie auch verdrillt wie etwa die Doppelader.
Neben der höheren Unempfindlichkeit gegen nicht leitungsgebundene Störungen sowie der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) hat die symmetrische Übertragung den Vorteil, dass sie massefrei durchgeführt werden kann. Störungen durch verschiedene Massepotentiale auf Sender- und Empfängerseite (Brummschleifen) können dadurch vermieden werden. Dieses erfordert die Symmetrierung bzw. Desymmetrierung mittels eines Übertragers.
Elemente zur Symmetrierung von Signalen
- Übertrager: Ein Transformator oder Übertrager wird dort eingesetzt, wo Isolation erforderlich ist. Wir finden ihn als sog. Magnetics bei Ethernet. In der Tontechnik stört der nichtideale Frequenzgang eines Übertragers. Hier wendet man lieber Differenzverstärker an. In Krankenhäusern, Freibädern oder in russischen Dörfern finden wir vereinzelt noch Übertrager bei Lautsprecheranlagen in 100-Volt-Technik. Auch die sogenannte DI-Box besitzen eingebaute Übertrager.
- Differenzverstärker: Operationsverstärker werden bevorzugt, wenn linearer Frequenzgang gefordert ist (Tontechnik). Da man nicht viel besser wird, als mit einer ausbalancierten, pseudodifferentiellen Übertragung, ist der Differenzverstärker Spezialanwendungen vorbehalten.
Aufbau in der Digitaltechnik

Bei steilen Signalflanken reicht eine einfache symmetrische Verbindungsleitung nicht mehr aus, da es aufgrund der Signal-Laufzeiten im Draht zu Reflexionen, Impulsverformungen und Störungen durch Schwingkreise kommt. Dadurch wird die Leitung auf etwa 10 cm Länge je 1 ns Anstiegsszeit begrenzt.
Um dem vorzubeugen, muss die symmetrische Leitung einen definierten Wellenwiderstand aufweisen. Dieser ist abhängig vom Leitungstyp und liegt meist im Bereich zwischen 50 und 300 Ω. Die Leitung wird mit diesem Wellenwiderstand terminiert—d.h., die Drähte werden mit einem Widerstand verbunden, dessen Wert dem Wellenwiderstand entspricht. Wegen des niederohmigen Abschlusswiderstandes muss das Sendegatter einen hohen Ausgangsstrom liefern können. Solche Gatter werden als Leitungstreiber oder Buffer bezeichnet. Als Empfänger wird ein Schmitt-Trigger-Gatter eingesetzt um die Signalflanken wiederherzustellen.

Da dieser Aufbau jedoch relativ empfindlich gegenüber äußeren Störeinflüssen (auf der Masseleitung) ist wird meist der symmetrische Aufbau verwendet. Hier wird die zweite Leitung mit dem komplementären Signal gespeist und verwendet einen Komparator als Empfänger. Eine äußere Störung wirkt sich auf beide Leitungen gleichermaßen aus und bewirkt eine Gleichtaktaussteuerung, welche durch die Differenzbildung im Komparator gefiltert wird. Die komplementären Signale dürfen jedoch keine zeitliche Verschiebung aufweisen, weshalb man in der Praxis einerseits vorgefertigte Bauteile mit dem notwendigen komplementären Ausgang einsetzen und andererseits die Längen der beiden Leitungen genau gleich lang gestalten muss.

Komplementäre Ausgänge sind bei Schaltungen in ECL-Technik immer vorhanden, weshalb man keine speziellen Bausteine verwenden muss. ECL-Bausteine eignen sich daher besonders für die symmetrische Datenübertragung. Um die Verarbeitungsgeschwindigkeit zu erhöhen werden am Ausgang Komparatoren mit ECL-kompatiblen Ausgangssignal eingesetzt, welche als Line-Receiver bezeichnet werden.