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Aleviten

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Die Aleviten (-> Alevitentum) bilden in der Türkei nach den sunnitischen Muslimen die größte Religionsgruppe, mit rund einem Drittel der Bevölkerung.

Datei:Aleviten.png
Türkische Provinzen mit überdurchschnittlich vielen Aleviten

Aleviten / Sunniten

Auf die Geschichte der Aleviten wird weiter unten eingegangen. Sie verfahren mit den für andere Muslime religiös verbindlichen Vorschriften liberal. So halten sie sich nicht an die Fünf Säulen, sehen im Koran kein verbalinspiriertes Buch, sondern interpretieren ihn mystisch. Im Zentrum steht der Mensch nicht als der sich unterwerfende Sklave Gottes, sondern als eigenverantwortliches Wesen. Diese Liberalität ist auch der Grund dafür, weshalb viele Sunniten Vorurteile gegenüber Aleviten haben oder sie überhaupt nicht als Muslime betrachten.

Glaube

Aleviten bekennen sich zu Humanität und Demokratie. Die Schari'a, das islamische Gesetz, lehnen Aleviten ab. Das ist der wichtigste Unterschied zu den Sunniten. Aleviten kennen keine Pflichtgebete. Sie brauchen zum Beten keinen besonderen Raum und keine spezielle Zeit. Jede Alevitin und jeder Alevit betet dann und dort, wo er oder sie will auf eine Art, wie es ihm oder ihr entspricht. Der Koran ist für Aleviten kein Gesetzbuch, sondern die Niederschrift von Offenbarungen, die kritisch gelesen werden dürfen. Siehe dazu: Buyruk

Zu anderen Religionen, Glaubensbekenntnissen und Ideologien haben Aleviten ein sehr offenes Verhältnis. Auf eine undogmatische Weise fühlen sie sich der Humanität verpflichtet. Die Menschenrechte im Allgemeinen sowie die Meinungs- und Religionsfreiheit im speziellen werden von ihnen ausdrücklich bejaht. Jedem Menschen wird ausdrücklich das Recht auf einen eigenen Glauben zugestanden.

Jedem Menschen wird das freie Selbstbestimmungsrecht zugestanden. Er kann beliebige Rituale pflegen oder darf sogar Atheist sein, sofern er seine eigenen Ansichten nicht anderen aufzwingen will. Die sozialen Normen wie das Verbot des Tötens, Diebstahl, Verleumdung und Ehebruch gelten für Aleviten gegenüber allen Menschen. Die Frage nach dem Tod und den Jenseitsvorstellungen ist für Aleviten nebensächlich. Das Verhältnis zum Mitmenschen ist wichtig.

Adımız miskindir bizim
Düşmanımız kindir bizim
Biz kimseye kin tutmayız
Kamu alem birdir bizim.
Sie nennen uns Ergebende,
Wir haben nur einen Feind, den Hass
Wir hassen niemanden
Alle sehen wir gleich und eins.
geschrieben von Yunus Emre

Cem

Die Aleviten beten nicht in einer Moschee, sondern treffen sich zu Kulthandlungen, genannt Cem, in einem Cemevi (Versammlungshaus) zur Rezitation von Gedichten und zum rituellem Tanz (Semah), der von Frauen und Männern gleichzeitig ausgeführt wird. Dieser wird unter der Aufsicht des Dede ("Großvater") oder Ana ("Großmutter") durchgeführt. Dedes und Anas sind Personen, die sich mit den alevitischen Ritualen und Traditionen sehr gut auskennen und daher hohes Ansehen unter den Aleviten genießen. Die Verschleierung der Frau ist bei Aleviten nicht vorgeschrieben. In ihrer Lehre sind Frauen und Männer absolut gleichgestellt, in der Praxis zeigt sich dies jedoch nicht überall. Dies dürfte aber weniger mit der alevitischen Religion als vielmehr mit den Wertvorstellungen ("Männergesellschaft") der Aleviten und der Türken bzw. Türkischstämmigen insgesamt zu tun haben.

Die Aleviten darf man nicht mit den Nusairiern verwechseln, die auch "Alawiten" genant werden. Die Aleviten leben hauptsächlich in der Türkei und die Alawiten hauptsächlich in Syrien oder Libanon. Ihre Kultur, ihre Sprache und ihre Ansicht zum Islam und ihre Traditionen sind verschieden, aber vergleichbar. Ihre Gemeinsamkeit, der sie auch ihren Namen verdanken, ist die besondere Verehrung von Ali ibn Abi Talib, Muhammeds Schwiegersohn.

Datei:Alevitenlogo.gif
'Löwe Gottes'


Löwe Gottes

Hz. Ali wird im Alevitentum mit dem Löwen assoziert, sprichwörtlich heißt es "Ali ist der Löwe Gottes", er ist das Symbol für Gerechtigkeit und Güte.

Vorschriften

Die Grundpfeiler der alevitischen Vorschriften sind in dem Satz eline beline diline sahip ol vereint. Er besagt folgendes:

  • eline sahip ol - beherrsche deine Hände - stehle nicht, 'tue nichts falsches'
  • beline sahip ol - beherrsche deine Lende - kein Sex vor der Ehe bzw. während der Regel der Ehefrau, Zügelung des Sexualtriebes
  • diline sahip ol - beherrsche deine Zunge - lüge nicht, führe niemanden in Versuchung/auf den Irrweg etc.

Hierzu kommen noch die alltäglichen Vorschriften, der Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit und der weiteren. Jede Alevitin und jeder Alevit sollte diese Vorschriften anwenden, muss es aber nicht.

Vier Tore Vierzig Pforten

folgt demnächst

Geschichte

Der Anatolische Humanismus gilt als der Vorreiter des Alevitentums, der Humanismus der schon im 12. Jhdt. in Anatolien vorherrschte war für die Entstehung des Alevitentums maßgebend.

Später im 13. Jhdt. entstand in der Verschmelzung mit der Schia in Gestalt der Verehrung von Ali, sowie des alttürkischen Schamanismus und der mystischen Interpretation des Koran das Alevitentum. Vor allem wird diese Entwicklung auf Haci Bektas-i Veli und weitere Geistliche zurückgeführt. An manchen Stellen des Alevitischen Glaubensdienstes, dem Cem, kann man Elemente des christlichen Abendmahls wiederentdecken. Aleviten entwickelten ein Modell der Trinität in Gestalt von Allah, Mohammed und Ali.

Unter den Osmanen wurden die Aleviten aus Unkenntnis über ihren Glauben als Häretiker verfolgt. Im 16. Jhdt. wurden unter der Führung von dem aus Yemen stammenden Dichter Pir Sultan Abdal Aufstände gegen die brutale und machtgierige Unterdrückungs-Politik der Osmanen bestritten. Die alevitischen Aufstände für Gerechtigkeit und Glaubensfreiheit wurden von den Osmanen blutig niedergeschlagen. Pir Sultan Abdal wurde gehängt, doch sein Mut und seine Tapferkeit sind bis heute erhalten geblieben. Im Laufe der Zeit gab es immer wieder blutige Aufstände. Erst in der modernen Türkei genießen Aleviten eine teilweise Glaubensfreiheit, obwohl sie vom türkischen Staat noch immer nicht als religiöse Minderheit anerkannt sind (siehe auch "Aktuelle Lage"). Gegenwärtig haben sich Aleviten in den Mittelschichten etabliert.

Kizilbas und Bektaschi Aleviten

folgt demnächst


Politische Haltung

Gründsätzlich sind Aleviten republiktreu - das heißt, sie wählen größtenteils die Republikanische Volkspartei und nicht islamische Parteien, wobei aber auch überdurchschnittlich viele Aleviten dem politisch linken Spektrum zuzuordnen sind. Kurdische Aleviten neigen dazu die Republikanische Volkspartei zu meiden - da diese direkten Einfluss auf das Türkische Militär ausübt. Die große Loyalität zum Republikanismus ist auch darin begründet, dass Aleviten erst seit Republiksgründung der Türkei ihren Glauben vom Staat relativ ungestört ausüben können; vor diesem Zeitpunkt wurden sie verfolgt.

Aktuelle Lage

Die Spannungen zwischen den viel konservativeren Sunniten und den Aleviten in der Türkei halten an. 1978 kam es in den Städten Çorum und Kahramanmaraş zu anti-alevitischen Pogromen. 1993 wurden in Sivas während eines alevitischen Kulturfestivals 37 Aleviten durch einen Brandanschlag auf ihr Hotel ermordet.

Zwar dürfen die traditionellen alevitischen Feste inzwischen in der Türkei offen gefeiert werden, allerdings offiziell nicht als religiöse, sondern lediglich als Folkloreveranstaltungen, was in der recht speziellen Form der Trennung von Staat und Kirche in der kemalistischen Türkei begründet ist.

Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen wurde von der Europäischen Kommission mehrfach die Diskriminierung der Aleviten in der Türkei kritisiert, zuletzt in der „Empfehlung zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt“ vom 4.10.2004. Ein Beitritt der Türkei zur EU ohne Anerkennung der Aleviten als muslimische Minderheit oder zumindest eigenständige Religion ist aufgrund der alle EU-Staaten verpflichtenden Religionsfreiheit undenkbar.

Zwangssunnitisierung

In der Türkei gab und gibt es starken Druck auf Aleviten, sich dem sunnitischen Islam zuzuwenden oder zumindest das Alevitentum nicht offen auszuleben. Selbst in mehrheitlich alevitischen Dörfern wurden Moscheen gebaut, um eine "Sunnitisierung" der dortigen Aleviten zu erreichen. Die Nichtanerkennung der Aleviten als Religionsgemeinschaft und die Verübung von Massenmorden und Massakern an Aleviten unter Duldung der staatlichen Organe haben ein (gewolltes) Klima geschaffen, in dem Aleviten sich gezwungen sehen könnten, das Alevitentum zu verheimlichen oder dem sunnitischen Islam zu folgen. Auch in Deutschland wird teilweise versucht, auf alevitische Familien "sozialen Druck" auszuüben.

Persönlichkeiten

Die hier aufgelisteten Personen vertreten den Alevitischen Gedanken, nicht alle wurden aber Aleviten genannt, obwohl das Alevitentum genauso alt ist wie das Sunnitentum, wurde erst ab dem 13. Jhdt diese Benennung eingeführt.

Alevitische Heilige/Geistliche

weitere angesehene, politische Persönlichkeiten:

Dichter und Musiker

Das Wort 'Aşık' bedeutet übersetzt 'Liebender' (Verliebter), es zeigt das diese Person verliebt ist in Gott, seine Religion, die Menschen und seine Musik.

Siehe auch

Alawiten, Drusen, Buyruk