Nordwestpassage

Die Nordwestpassage ist der ca. 5.780 km lange Seeweg, der nördlich von Amerika den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Er führt über das Nordpolarmeer und seine Randmeere sowie die dazugehörenden Meeresstraßen durch den kanadisch-arktischen Archipel.
Geschichte



Seit Magellan 1520 einen Seeweg entdeckt hatte, der um Südamerika herum nach Asien führte, spekulierten Geographen, Seefahrer und Forscher über eine mögliche Route im Norden Amerikas. Da eine solche Nordwestpassage Schiffsreisen zwischen Europa und Ostasien entscheidend verkürzt hätte, suchten die seefahrenden Nationen mehr als 400 Jahre lang nach einer Durchfahrt im Nordpolarmeer.
Möglicherweise war schon 1473, das heißt 19 Jahre vor der Fahrt des Kolumbus, eine dänische Expedition unter Leitung des aus Hildesheim stammenden Didrik Pining (eventuell in Begleitung des Portugiesen João Vaz Corte-Real) von den Gewässern um Grönland nach Neufundland vorgestoßen. Um 1480 begannen die Portugiesen mit der Fischerei vor Neufundland. Ihnen folgten um 1500 Basken und Bretonen. Zwischen 1492 und 1495 befuhr João Fernandes („O Labrador“) mit Pedro de Barcellos die Gewässer zwischen Neufundland, dem nach ihm benannten Labrador und Grönland. Anschließend tasteten sich Expeditionen zu Land und zu Wasser schrittweise immer weiter nach Nordwesten in das eisige Inselgewirr des Nordpolarmeeres vor.
Der englische Seefahrer Martin Frobisher unternahm zwischen 1576 und 1578 drei Reisen, mit dem ausdrücklichen Ziel, die Nordwestpassage zu finden. Ihm folgten weitere englische Kapitäne wie John Davis, Henry Hudson, William Baffin, Thomas James und Luke Fox. In den 1630er Jahren gab man die Suche jedoch vorerst auf, da Baffin und James die Ansicht vertraten, dass weder von der Hudson Bay noch von der Baffin Bay aus ein Zugang zur Passage existiere. Erst ab dem Ende des 17. Jahrhunderts wurden wieder vereinzelte Anstrengungen unternommen.
Die Suche nach einer Passage vom Westen her war auch der Grund für James Cooks letzte Pazifikreise in den Jahren 1776–1779. Seine Vorstöße musste er jedoch wegen des einbrechenden Winters an der Beringstraße abbrechen. Nach Cooks Tod in einem Handgemenge auf Hawaii übernahm Lt. Charles Clerke das Kommando der Expedition. Vom russischen Ausgangshafen Petropawlowsk-Kamtschatski aus brach man erneut auf, scheiterte aber auf 70° 33' N am Packeis, das noch stärker schien als im Vorjahr.
Ebenfalls vom Pazifik aus operierte in den Jahren 1817 und 1818 die russische Rurik-Expedition unter Kapitän Otto von Kotzebue. Sie erforschte allerdings nur die bis dahin unbekannte Küste Alaskas um den Kotzebue-Sund und endete letztlich ergebnislos.
Tragische Berühmtheit erlangte John Franklin, dessen verschollene dritte Expedition von 1845 mehrjährige Suchaktionen nach sich zog. Im Verlauf dieser erfolglosen Rettungsexpeditionen entdeckte Robert McClure schließlich das letzte noch unbekannte Teilstück der Nordwestpassage zwischen der Banks- und der Melville-Insel. Er konnte die zugefrorene Meeresstraße jedoch zum Großteil nur im Schlitten befahren.
Die erste komplette seemännische Durchfahrt gelang Roald Amundsen 1903/1906 über die südliche Route durch die Victoria-Straße auf dem kleinen Schiff Gjoa. Dabei musste er zwei Mal überwintern; einen ganzen Sommer hatte er mit den Inuit in der Umgebung der heutigen Siedlung Gjoa Haven (in der Sprache der Inuit: Uqsuqtuuq) auf King-William-Insel verbracht, um sich deren Arktiserfahrung anzueignen.
1944 durchquerte H. A. Larsen den Seeweg erstmals ohne Überwinterung.
Als erster Tanker bewältigte das zum Eisbrecher umgebaute US-amerikanische Schiff SS Manhattan die Nordwestpassage von West nach Ost in wenig mehr als vier Wochen. Die Fahrt, die am 15. September 1969 erfolgreich endete, sollte die Wirtschaftlichkeit von Öltransporten durch das nördliche Eismeer demonstrieren. Jedoch erwiesen sich die Instandhaltungskosten auf Grund der Eisschäden damals noch als zu groß.
Das erste Kreuzfahrtschiff, das die Nordwestpassage mit Passagieren an Bord bewältigte, war die World Discoverer im Jahr 1985.
Arved Fuchs durchsegelte 1993 mit seinem Expeditionsschiff, der Dagmar Aaen, die Nordwestpassage in Ost-West-Richtung und 2003/2004 noch einmal in West-Ost-Richtung.[1]
Im Jahr 2007 war die Passage bereits einen Monat vor Ende der Abtauphase im Nordpolarmeer eisfrei. Als Ursache wird die globale Erwärmung angenommen.[2] Aufgrund der Erderwärmung gehen Klimaforscher davon aus, dass die Nordwestpassage in einigen Jahren regelmäßig und zu wirtschaftlichen Bedingungen befahrbar sein wird.
Bedeutung
Der Seeweg zwischen Europa und Asien (Brest–Tokio) verkürzt sich gegenüber der alternativen Route durch den Suezkanal um etwa 6.000 km. Aufgrund der klimatischen Bedingungen ist die Nordwestpassage jedoch nur schwer nutzbar. Wegen der Globalen Erwärmung ist die Nordwestpassage immer besser und länger befahrbar, Fortschritte im Bau Arktis-geeigneter Tanker (nicht Eisbrecher) kommen hinzu. Die wirtschaftliche Erschließung der Nordwestpassage wird derzeit (2007) intensiv vorbereitet. Geplant ist die Schaffung einer Service- und Sicherheits-Infrastruktur für den Tankerverkehr. Auch der Ausbau der zentral gelegenen Inuit-Siedlung Qausuittuq (Resolute Bay) zum Tiefwasserhafen wird erwogen.
Touristik
Auf russischen Eisbrechern können ca. 100 Fahrgäste die Nordwestpassage binnen zwölf Tagen durchfahren.
Politik
Der Besitz der Nordwestpassage ist umstritten. Kanada beansprucht die Passage für sich, die USA sehen sie als internationales Gewässer an.
Im Jahr 1985 durchfuhr der US-amerikanische Eisbrecher Polar Sea die Passage ohne Genehmigung Kanadas. Kanada protestierte heftig. Daraufhin vereinbarten Kanada und die USA 1988 in einem Kooperationsabkommen (Arctic Co-operation Agreement), dass die USA fortan Genehmigungen von Kanada einholen werde, Kanada sie jedoch nicht verweigern dürfe. Die Frage, ob die Passage ein internationales Gewässer ist, wurde dabei nicht geklärt.
2005 veröffentlichte die United States Navy Bilder, die das Atom-U-Boot USS Charlotte beim Auftauchen am Nordpol zeigten. Kanada bezichtigte die USA daraufhin, ohne Ankündigung seine arktischen Gewässer benutzt zu haben.
Im Wahlkampf 2006 versprach Premierminister Stephen Harper, die kanadischen Gebietsansprüche zu verteidigen. Seitdem wurden mehrere Patrouillen, die sich aus regulären Streitkräften und Canadian Rangers zusammensetzten, in den nördlichen Gebieten Kanadas durchgeführt. Die kanadische Marine schickte 2006 zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Eisbrecher in die Nordwestpassage.
Literatur
- Amundsen, Roald: Die Nordwest-Passage – Meine Polarfahrt auf der Gjöa 1903 bis 1907; nebst einem Anhang von Godfred Hansen. München: Langen, 1908. (Wieder aufgelegt bei Edition Erdmann, Stuttgart, Wien 2001)
- Bauer, Barbara: Freezing purgatory – Eine Analyse des Alltagslebens auf den Reisen zur Auffindung der verschollenen Arktisexpedition von Sir John Franklin (1848–1859) anhand von veröffentlichten und unveröffentlichten Reiseberichten. 2002.
- Dietrich, William: Northwest Passage – The great Columbia river. Seattle, Wash. [u.a.], Univ. of Washington Press, 1996. ISBN 0-295-97546-6
- Fuchs, Arved: Nordwestpassage – Der Mythos eines Seeweges. Bielefeld: Delius & Klasing, 2005. ISBN 3-7688-1675-3
- Geiger, John & Beattie, Owen: Totenstille – Das tragische Schicksal der Knight-Expedition von 1719. Köln: vgs , 1993. ISBN 3-8025-2231-1
- Voyages to Hudson Bay in search of a northwest passage: 1741–1747. London. (Works / Hakluyt Society)
- Milger, Peter: Nordwestpassage – Der kurze aber tödliche Seeweg nach China oder die Gesellschaft der Abenteurer. vgs, 1994. ISBN 3-8025-2295-8
- Elliot-Meisel, Elizabeth B.: Arctic diplomacy – Canada and the United States in the Northwest passage. New York, Vienna [u.a.]: Lang, 1998. ISBN 0-8204-3826-X
- Kurt Lütgen: Das Rätsel Nordwestpassage 1967 (Deutscher Jugendbuchpreis 1967)
- Rudy Wiebe: Land jenseits der Stimmen. Eichborn, Frankfurt 2001 (englisches Original 1994 mit bedeutendstem Literaturpreis Kanadas, dem Governor General´s Award for Fiction, ausgezeichnet)
Siehe auch
Quellen und Fußnoten
- Immer Streit mit den Nachbarn
- Der Kampf um die Nordwestpassage
- Wikinews-Artikel über den Konflikt zwischen Kanada und den USA
Weblinks
- Th. Bujack: Die Entdeckung der Nordwestpassage auf der Nordlandseite (private Webseite)