Geschichte der Sozialversicherung in Deutschland
Inhalt
Botschaft vom 17. November 1881, durch welche die erste Session der fünften des deutschen Reichstages eröffnet wurde.
„Schon im Februar d.J. haben Wir Unsere Überzeugung aussprechen lassen, daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sei werde. Wir halten es für Unsere Kaiserliche Pflicht, dem Reichstage diese Aufgabe von Neuem ans Herz zu legen, und würden Wir mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen. In Unseren darauf gerichteten Bestrebungen sind Wir der Zustimmung aller ver-bündeten Regierungen gewiß und vertrauen auf die Unterstützung des Reichstages ohne Unterschied der Parteistellungen.
In diesem Sinne wird zunächst der von den verbündeten Regierungen in der vorigen Session vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Versicherung der Arbeiter gegen Betriebsunfälle mit Rücksicht auf die Reichstage stattgehabten Verhand-lungen über denselben einer Umarbeitung unterzogen, um die erneute Beratung desselben vorzubereiten. Ergänzend wird ihm eine Vorlage zur Seite treten, welche sich eine gleichmäßige Organisation des gewerblichen Krankenkassenwesens zur Aufgabe stellt. Aber auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit gegenüber begründeten Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zu Teil werden können.
Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht. Der engere Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung werden. wie Wir hoffen, die Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfange nicht gewachsen sein würde. Immerhin aber wird auch auf diesem Wege das Ziel nicht ohne die Aufwendung erheblicher Mittel zu erreichen sein.“
Übersicht
Krankenversicherungsgesetz: in Kraft ab 01.12.1884
- Beiträge -
Arbeitgeber 1/3 und Arbeitnehmer 2/3, jeweils bis zur Beitragsbemessungsgrenze
- Träger -
Ortskrankenkassen (OK), Innungskrankenkassen (IKK), Gemeindekrankenkassen, Hilfskrankenkassen, Betriebskrankenkassen und Baukrankenkassen
- Leistungen -
- ärztliche Behandlung, Arznei und Hilfsmittel
- Krankengeld ab dem 3. Tag, 50% bis zu 26 Wochen
- Krankenhausbehandlung
- Sterbegeld
- Wöchnerinnenunterstützung (Mutterschaftshilfe)
Unfallversicherungsgesetz: in Kraft ab 01.10.1985
- Beiträge -
der Arbeitgeber zahlt zu 100% die Beiträge
- Träger -
Gewerbliche, Bau-, See-, land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaften
- Leistungen -
- Unfallrenten ab der 14. Woche (Verdienstabhängig)
- Medizinische Heilbehandlung
- Unfallverhütung: Beweispflicht des Verunglückten entfiel
Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Alterssicherung: in Kraft ab 01.01.1891
- Beiträge / Finanzierung -
Arbeitgeber ½, Arbeitnehmer ½ und ein Reichszuschuss
- Träger -
Regionale Versicherungsanstalten für Arbeiter
- Leistungen -
- Übergangsgeld während medizinischer Heilbehandlung
- Altersrenten ab dem 70. Lebensjahr
- Invaliditätsrenten
Zeitskala
17.11.1881 „Kaiserliche Botschaft“
15.06.1883 Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter (KGV) in Kraft ab 01.12.1884
06.07.1884 Unfallversicherungsgesetz in Kraft ab 01.10.1885
22.06.1889 Gesetz betreffend der Invaliditäts- und Altersversicherung in Kraft ab 01.01.1891
19.07.1911 Zusammenfassung der vorstehenden Gesetze in die Reichsversicherungsordnung (RVO)
16.07.1927 Gesetz über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) in Kraft ab 01.10.1927
26.05.1994 Gesetz zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit in Kraft ab 01.01.1995