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Rudolf Lonauer

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Rudolf Lonauer (* 9. Jänner 1907 in Linz; † 5. Mai 1945 in Neuhofen an der Krems (Suizid)) war ein österreichischer Nationalsozialist. Als in der Ostmark führender NS-Euthanasie-Arzt leitete er die NS-Tötungsanstalt Hartheim.

Sein Leben bis 1938 in Österreich

Schon Lonauers Vater war als Beamter der Linzer Gesundheitsbehörde Mitglied der Großdeutschen Partei und wechselte bei der Gründung der NSDAP dorthin. Er trat bereits 1924 dem steirischen Heimatschutz, zum 1. August 1931 der NSDAP und 1933 der SS bei. Beim Anschluss Österreichs war Lonauer damit trotz seiner jungen Jahre bereits ein Alter Kämpfer. Sein Medizinstudium war schon im Sinne der Rassenhygiene ausgerichtet, er studierte beim Professor der Neurologie Fritz Hartmann in Graz, der bereits 1919 die erbliche Reinhaltung der deutschen Rasse gefordert hatte. Wie Hartmann vertrat auch Lonauer die Meinung, dass psychotherapeutische Ansätze als jüdisch abzulehnen seien. Als Student bei einer schlagenden Verbindung verletzte er einen Kartellbruder bei einer Mensur derart schwer, dass dieser daran verstarb. Sein eigenes Gesicht wurde in Folge dieser Mensur von Narben entstellt. Lonauer hatte auch einen Bruder, welcher nach NS-Kriterien ein Fall für Hartheim gewesen wäre, jedoch noch während des Krieges eines natürlichen Todes starb. In Graz heiratete er 1932 Maria Hoffer, ebenfalls eine Nationalsozialistin.[1]

Karriere nach dem Anschluss an das Deutsche Reich

Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich im März 1938 übernahm Lonauer mit 31 Jahren die Anstaltsleitung in der Landesirrenanstalt Niedernhart in Linz und damit auch die Leitung der Zweiganstalt im Schloss Gschwendt in Neuhofen an der Krems. Gleichzeitig wurde er Primarius der Abteilung für Nervenkrankheiten im Linzer Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus. Mit 33 Jahren wurde er Leiter in der NS-Tötungsanstalt Hartheim in Alkoven. Weiters führte er eine Privatpraxis in Linz.Er unternahm auch Dienstreisen, siehe Aktion 14f13, gemeinsam mit Aktion T4-Obergutachter Hermann Paul Nitsche, Viktor Brack und Viktor Ratka, wo in Krankenhäusern, Psychiatrischen Anstalten und Altersheimen nach unwertem Leben gesucht und für die Tötungsanstalten selektiert wurde. Lonauer betrieb auch Überlegungen, in der Pflegeanstalt Solbad Hall in Tirol analog zu Hartheim eine Gaskammer samt Krematorium einbauen zu lassen, was aber am Widerstand des dortigen Anstaltleiters scheiterte.[2] Als Gutachter entschied er über Tod oder Leben von Menschen aufgrund der Meldebogen, ohne jemals den betreffenden Menschen dabei gesehen zu haben, wo seitens der Aktion T4 mit monatlichen Pauschalen für diese Tätigkeiten bezahlt wurde.[3]

NS-Tötungsanstalt Hartheim

Beim Umbau des Schlosses Anfang 1940 war die Rolle des SS-Obersturmführers Christian Wirth vorherrschender, die Bauarbeiten führte Erwin Lambert durch. Lonauer selbst war eher selten in Hartheim zugegen. Einmal unterbrach er sogar seine dortige Zeit für die SS, weil er im Herbst 1943 zur SS-Division „Prinz Eugen“ einrückte. Allerdings gab er weiter in Briefen Anweisungen an seinen Stellvertreter Georg Renno, welcher ihn in allen Dienststellen und in seiner Privatpraxis in Linz vertrat. Die Ausführung der Euthanasie-Tötungen, wie auch die Letztbegutachtung der Opfer, die Festlegung der angeblichen natürlichen Todesursachen und die Vergasungen oblagen zumeist Renno.[4][5]

Zwischenanstalt Niedernhart

Anfangs wurde nur eine Verminderung der Fleischrationen für die Patienten in Niedernhart in Linz festgelegt. Etwa nach eineinhalb Jahren wurde die Männerabteilung VIII geräumt, und die Patienten auf andere Abteilungen aufgeteilt. Auf der geleerten Abteilung VIII wurde die „Zwischenanstalt“ für Hartheim im Sinne einer „Durchgangsstation“ eingerichtet wie auch Tötungen durchgeführt. Da die Tötungen zunahmen, wurde später auch die Abteilung V dafür Lonauer direkt untergeordnet, die bald unter dem Personal als Todesabteilung bekannt war. Bis April 1945 wurde in Niedernhart und Gschwendt getötet, insgesamt wird von mehreren tausend Tötungen ausgegangen. Schwester Godefrieda, Oberschwester der Frauenabteilungen, konnte zwar die ihr einmal zugemutete Ausführung von Tötungen in ihren Abteilungen verhindern, aber nicht die Abtransporte von Frauen nach Hartheim selbst. In der Nachkriegszeit wurden zwei Pfleger zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt.[6] Oberpfleger Karl Harrer und Oberschwester Gertrude Blanke organisierten Transporte, und arbeiteten auch in Hartheim.[7]

Schloss Gschwendt

Schloss Gschwendt in Neuhofen an der Krems als Zweiganstalt von Niedernhart unterstand auch der Leitung von Lonauer. Anfangs wurden hier Überstellungen Richtung Hartheim für die Tötung der Betroffenen durchgeführt. Bis April 1945 wurde vorort mit Mangelernährung und mit Medikamenten getötet.[8] Dort war auch der Wohnort der Familie Lonauer, wo Lonauer bei Kriegsende, eine Stunde vor Eintreffen der US-Armee, zuerst seine Frau tötete, danach seine zwei Töchter, und dann sich selbst.[9]

Literatur

  • Walter Kohl: „Ich fühle mich nicht schuldig“: Georg Renno, Euthanasiearzt. 1. Aufl., Zsolnay Verlag, Wien 2000, ISBN 3-552-04973-8.
  • Tom Matzek: Das Mordschloss : auf den Spuren von NS-Verbrechen im Schloss Hartheim. 1. Aufl., Kremayr & Scheriau Verlag, Wien 2002, ISBN 3-218-00710-0.
  • Kurt Wolfgang Leininger: Verordnetes Sterben - Verdrängte Erinnerungen. NS-Euthanasie in Hartheim. Verlagshaus der Ärzte, Wien 2006, ISBN 3-901488-82-0.

Einzelnachweise

  1. Kurt Wolfgang Leininger: Verordnetes Sterben - Verdrängte Erinnerungen. NS-Euthanasie in Hartheim. siehe Literatur, Seite 120ff.
  2. Kurt Wolfgang Leininger: Verordnetes Sterben - Verdrängte Erinnerungen. NS-Euthanasie in Hartheim. siehe Literatur, Seite 124f.
  3. Tom Matzek: Das Mordschloss : auf den Spuren von NS-Verbrechen im Schloss Hartheim. siehe Literatur, Seite 61
  4. Kurt Wolfgang Leininger: Verordnetes Sterben - Verdrängte Erinnerungen. NS-Euthanasie in Hartheim. siehe Literatur, Seite 123.
  5. Walter Kohl: „Ich fühle mich nicht schuldig“: Georg Renno, Euthanasiearzt. siehe Literatur.
  6. Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband Gerhard Fürstler, Peter Malina: Die katholische Ordensfrau Schwester Godefrieda (Anna Lindner), Österr. Pflegezeitschrift 8-9/2003
  7. Tom Matzek: Das Mordschloss : auf den Spuren von NS-Verbrechen im Schloss Hartheim. siehe Literatur, Seite 65
  8. Grüne Neuhofen an der Krems Erika Hoffelner: Schloss Gschwendt und seine ausgeblendete Vergangenheit. Zeitschrift Distel, November 2003.
  9. Kurt Wolfgang Leininger: Verordnetes Sterben - Verdrängte Erinnerungen. NS-Euthanasie in Hartheim. siehe Literatur, Seite 125.