Kernkraftwerk Krümmel
Kernkraftwerk Krümmel | |
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Lage | |
Land | Deutschland |
Daten | |
Eigentümer | KKW Krümmel |
Betreiber | 50 % E.ON 50 % Vattenfall |
Projektbeginn | 1972 |
Kommerzieller Betrieb | 28. März 1984 |
Aktive Reaktoren (Brutto) |
1 (1402[1] MW) |
Eingespeiste Energie im Jahr 2006 | 10.178 GWh |
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme | 195.922 GWh |
Website | Seite bei Vattenfall |
Stand | 22. Juli 2007 |
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation. |
Das Kernkraftwerk Krümmel liegt südöstlich von Hamburg an der Elbe, direkt am Geesthachter Ortsteil Krümmel. Es wird von der Kernkraftwerk Krümmel GmbH & Co OHG betrieben. Gesellschafter sind E.ON Kernkraft (50 %) und Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH (50 %).
Geschichte
Das Kraftwerk wurde 1983 durch die Eigentümer HEW und PreussenElektra in Betrieb genommen und befindet sich seit 1984 im Leistungsbetrieb (rechnerische Laufzeit bis 2016). Durchschnittlich werden pro Betriebszyklus 9,5 Milliarden Kilowattstunden erwirtschaftet. Insgesamt hat das Kraftwerk schon über 200 Milliarden Kilowattstunden erbracht.
Im Jahre 2005 wurden zwei Niederdruckturbinen sowie die Hochdruckturbine gegen neue ausgetauscht. In der Revision beginnend ab August 2006 wurde die dritte und letzte Turbine ausgetauscht. Mit der Erneuerung der Turbinenanlage wurde der Wirkungsgrad deutlich verbessert. Bei unveränderter Reaktorleistung wurde die elektrische Leistung des Kraftwerks um 72 Megawatt (MW) erhöht. Die Leistungserhöhung wird durch das geänderte Turbinendesign möglich, Brennstoffverbrauch und Abfallaufkommen werden dadurch nicht erhöht. Die Kosten dieses Projekts betragen rund 50 Millionen Euro.
Neben dem Kernkraftwerk wurde im Jahre 2006 ein Zwischenlager fertiggestellt. Es dient der Lagerung von 80 Castor-Behältern für ca. 40 Jahre.
Leistung
Das Kernkraftwerk ist vom Typ Siedewasserreaktor mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1.402 MW (netto 1.356 MW), zuvor 1.316 MW (netto 1.264 MW). Durch einen Einbau von Generatorsätzen der neusten Generation wurde die elektrische Bruttoleistung bis Anfang September 2006 auf 1.402 MW erhöht. Krümmel ist seit dem Wiederanfahren am 8. September 2006 das weltweit leistungsstärkste Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor. Ende 2006 wurde die Leistung jedoch um 20 % heruntergefahren, um der steigenden Erwärmung der Elbe durch das Kühlwasser entgegenzuwirken.
Leukämiehäufung
Hauptartikel: Leukämiecluster Elbmarsch
Seit Ende 1989 gab es in der unmittelbarer Umgebung des Kraftwerks eine signifikante Häufung von Leukämieerkrankungen: In den Jahren 1990 bis Dezember 2005 sind 16 Leukämie-Neuerkrankungen bei Kindern aufgetreten, das Dreifache dessen, was statistisch zu erwarten gewesen wäre.
Das Kraftwerk wurde als eine der möglichen Ursachen für diesen sogenannten Leukämiecluster Elbmarsch in Betracht gezogen, jedoch konnten hierfür keine Beweise vorgelegt werden. Möglicherweise liegt die Ursache dafür auch im in der Nähe befindlichen GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht. Auch dies konnte nicht bewiesen werden. Von zuständigen Stellen wird es verneint, dass überhaupt ein Zusammenhang zwischen der Leukämiehäufung und den kerntechnischen Anlagen in Geesthacht besteht. Dem steht entgegen, dass außerhalb des Geländes des Forschungszentrums und des Kernkraftwerks Materialien gefunden worden sein sollen, die angeblich nur aus kerntechnischen Anlagen stammen können. Dies konnte jedoch nicht bestätigt werden.
Auch ist es denkbar, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Leukämieerkrankungen und den kerntechnischen Anlagen nicht besteht und es sich bei der Zuschreibung einer solchen Kausalität um einen Fall des Zielscheibenfehlers handelt. Verfechter dieses Standpunktes argumentieren, dass bei der Vielzahl der nukleartechnischen Anlagen in Deutschland es auch ohne kausalen Zusammenhang zwingend einzelne geben müsse, bei welcher die Erkrankungsrate mit Leukämie messbar oberhalb des Mittelwertes liegt – ebenso wie es einzelne geben müsse, bei denen selbige Erkrankungsrate unterhalb des Mittelwertes liegt.
Im April 2007 beschäftigte sich der Sozialausschuss des Niedersächsischen Landtags in nichtöffentlicher Sitzung im Rahmen einer Expertenanhörung mit den nicht aufgeklärten Leukämiefällen, deren Häufigkeit oberhalb eines durch Fehlerwahrscheinlichkeit erklärbaren Signifikanzniveaus liegt. Eine abschließende Klärung war nicht möglich. Die Untersuchung der im Boden der Elbmarsch gefundenen Kügelchen an der weißrussischen Sacharow-Universität in Minsk ergab keine Hinweise auf natürliche Produkte, auch atmosphärische Atomwaffentests, die Katastrophe von Tschernobyl und herkömmliche Kernkraftwerke wurden als Ursache ausgeschlossen. Die Kügelchen enthalten der Analyse zufolge Spuren von angereichertem Uran, Plutonium und Thorium sowie Tritium. Wegen des Vorkommens von Tritium sehen die Kritiker ihren Verdacht erhärtet, dass die Kügelchen aus Experimenten am GKSS-Forschungszentrum stammen könnten. Die Vereinigung IPPNW erstatteten daraufhin Anzeige. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte die Proben. Fünf Forschungsinstitute untersuchten die Proben. Alle Analysen waren negativ. Im Abschlussbericht der Strahlenschutzkommission heißt es daher: Tatsächlich sind im Boden der Umgebung von GKSS und Kernkraftwerk Krümmel in unterschiedlichen Konzentrationen Kügelchen vorhanden, die zum Teil anthropogenen Ursprungs sind, z. B. Flugasche. Die ... Untersuchungen an Partikeln und Kügelchen ... haben keine Hinweise für eine Bestätigung der These, dass es sich um Kernbrennstoffpartikel handelt, erbracht.
Es wird nunmehr angenommen, dass der Grund für die Leukämiefälle darin zu suchen ist, dass sich während des Zweiten Weltkriegs eine Munitionsfabrik (Dynamitfabrik Krümmel) in der Elbmarsch befand, die ihre Produktionsabfälle zum größten Teil in Tespe abgelagert und eingegraben hat. Diese Abfälle sind im Laufe der Zeit nach oben gewandert. In der hessischen Gemeinde Stadtallendorf befand sich im Zweiten Weltkrieg ebenfalls eine Munitionsfabrik. Hier wurde das Gelände aufwendig saniert.
Ebenso sind chemische Fabriken in Windrichtung in Betracht zu ziehen. Hierzu zählt zum Beispiel die BOC-Chemie.
Brand auf dem Gelände des KKW
Auf dem Gelände des Kernkraftwerks Krümmel entstand am 28. Juni 2007 ein Brand am Maschinentransformator AT01.[2] Ursache war vermutlich ein Konstruktionsfehler: um 15.02 Uhr detektierte der Differentialschutz des Transformators einen Fehlerstrom – diese Schutzanregung hätte dazu führen müssen, dass der Transformator ober- und unterspannungsseitig freigeschaltet wird, damit der Fehler nicht mehr elektrisch gespeist wird. Ordnungsgemäß wurde dazu auch der netzseitige Leistungsschalter AC01 ausgeschaltet, aber fälschlicherweise der dem zweiten Maschinentransformator AT02 zugeordnete Generatorschalter AQ02, während der AT01 zugeordnete Generatorschalter AQ01 eingeschaltet blieb und der Generator somit weiter den Fehler speiste. Infolge der starken Erwärmung platzte der Ölbehälter des Transformators auf, und es entzündete sich das Transformatorenöl. Nach Angaben der Behörden bestand keine Gefahr für den Nuklearbereich des Kernkraftwerks. Verletzte habe es nicht gegeben. Der Kernreaktor wurde aufgrund des fehlerhaft herbeigeführten Netzabwurfs programmgemäß automatisch mit einer Schnellabschaltung heruntergefahren. Die Feuerwehr sei mit ca. 80 Einsatzkräften vor Ort gewesen, um Maßnahmen gegen den Brand zu ergreifen.[3]
Später räumte das zuständige Ministerium ein, dass auch das Reaktorgebäude betroffen war. Durch „unplanmäßiges Öffnen von zwei Sicherheits- und Entlastungsventilen“ und „unplanmäßigen Ausfall einer von mehreren Reaktorspeisewasserpumpen“ kam es kurzzeitig zum Ausfall dreier von drei Speisewasserpumpen und einem „schnellen Druck- und Füllstandsabfall im Reaktordruckbehälter“. „Es war trotzdem jederzeit genügend Wasser über den Brennstäben“, sagte ein Ministeriumssprecher. Durch die Zuschaltung eines weiteren Sicherheitssystems konnte der Wasserstands- und Druckabfall ausgeglichen werden. Vattenfall erklärte, man habe das Ministerium „unmittelbar nach dem Brand und der Schnellabschaltung“ vollständig informiert.[4] [5] [6] Dazu gehört auch, dass kein Rauch in die Leitstelle eindrang, jedoch vorsorglich dort von einer Person mit einer Gasmaske weitergearbeitet wurde.[7]
Aus dem in der Presse veröffentlichten Arbeitsbericht vom 13.07.2007 ("P02113839.pdf" von "www.vattenfall.de") ergibt sich, dass keinesfalls nur menschliche Kommunikationsprobleme, sondern vor allem eine Reihe vorbestehender Schwachstellen des Reaktorsystems zu einer unnötigen Verschärfung der am 28.06.2007 bestehenden Gefährdungssituation führten. So habe sich (Punkt 3.1) der Leistungsschalter "AC02" nicht wie vorgesehen verhalten, was letztlich erst zu einer nicht notwendigen Abschaltung des 2. Leistungsschalters und damit zur Reaktorschnellabschaltung führte. Durch die dann auftretende fehlerhafte Koordinierung der beiden Reaktorspeisepumpen (Punkt 3.2) und deren hierdurch bedingten Ausfall kam es zu einem Abfall des Kühlwasserspiegels im Reaktor und einem Druckaufbau auf über 74 bar. Auch habe sich die Prozessrechneranlage wegen des hohen Datenaufkommens nicht wie vorgesehen verhalten (Punkt 3.4), was zu einer unvollständigen Aufzeichnung führte.[8] Weiterhin befand sich die Luftansauganlage des Schaltanlagengebäudes in unmittelbarer Umgebung des brennenden Transformators (Punkt 3.5), was bei dem automatisch ausgelösten Entqualmungsbetrieb zu einem zusätzlichen Einblasen von potentiell giftigem Gas führte.[9] Zu den meisten der genannte Punkte werden in dem ursprünglich für interne Zwecke vorgesehenen Bericht Vorschläge für zukünftige Verbesserungen geäußert. Dieses bedeutet im Umkehrschluss, dass derartige Überlegungen zuvor nicht erfolgt waren, da mit den aufgetretenen Gefahrenkonstellationen nicht gerechnet worden war. In wieweit die beschriebenen Probleme in Zusammenhang mit den 2006 in Krümmel erfolgten Reaktorumbauten wie etwa der Leistungserhöhung durch den Turbinenaustausch stehen, wird in dem Bericht nicht erwähnt. Jedoch wird bestätigt, dass versäumt wurde, den Prozessrechner an Erweiterungen der Anlage anzupassen. Weiterhin wird vorgeschlagen die Automatik durch einen auf der Warte installierten Schlüsselschalter für den Entqualmungsbetrieb oder den Lüftungsabschluss zu ersetzen[10] und die Feuerwehr mit Pressluftatmern auszurüsten[11].
Siehe auch
- Liste der Kernreaktoren in Deutschland
- Liste der Kernkraftwerke
- Störfälle in deutschen Atomanlagen
- Dynamitfabrik Krümmel
Weblinks
Untersuchungsberichte
- Informationen des Gesundheitsministeriums von Schleswig-Holstein
- Abschlußbericht der Kommission der Niedersächsischen Landesregierung (Kurzfassung) (PDF, 300 kB)
Presse
- DIE ZEIT 49/2004 über die ungeklärte Ursache der Leukämiefälle
- Deutschlandfunk vom 14. August 2005: „Die Leukämiekinder von Krümmel“
- WOZ vom 29. März 2007: „Mikrokügelchen mit brisantem Inhalt“
- Tagesschau 13. April 2007: „Höchste Leukämierate der Welt in einer Gemeinde nahe des AKW Krümmel“ (Video)
- Deutschlandfunk: Hintergrund Politik: Nach den Pannen in Atomkraftwerken geht die Diskussion weiter (Audio)
Quellen
- ↑ Abweichend zu PRIS; Daten des Betreibers Vattenfall
- ↑ http://www.20min.ch/news/kreuz_und_quer/story/12991202
- ↑ NDR Online
- ↑ Netzeitung: Mehr Störungen in Krümmel als bisher bekannt
- ↑ Spiegel Online: Ministerium hielt Informationen über Reaktor-Zwischenfall zurück
- ↑ ngo-online: Kritik an Vattenfall
- ↑ http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,493011,00.html Spiegel Online: Rauch in Leitstelle, 6. Juli 2007
- ↑ Arbeitsbericht zum Verhalten des Prozessrechners
- ↑ Einsatzbericht der Feuerwehren zur Brandbekämpfung
- ↑ Bericht zur Reaktorschnellabschaltung durch kurzzeitgen Ausfall der Eigenbedarfsversorgung
- ↑ Bericht zur Schadstoffexposition aufgrund des Trafobrandes