Musik in Afrika
Musik ist in Afrika nie um ihrer selbst willen gemacht worden. "L´art pour l´art", Kunst um der Kunst willen, eine in Europa häufig sehr ernst genommene Idee, würde in Afrika auf völliges Unverständnis stoßen.
Musik nur zum Zuhören – mit einem stillsitzenden Publikum – ist in Afrika nicht denkbar. Musik und Tanz, Maskierung und Geschichten-Erzählen stehen in Schwarzafrika immer im Zusammenhang mit einem gesellschaftlichen Ereignis. Eine zu einem solchen Ereignis gespielte Musik konnte und kann nicht einfach verändert werden, denn sie gehört zur ursächlich zur jeweiligen Feier oder dem Ritual. Entsprechend vielfältig sind die Formen, welche festgelegt und allen bekannt sind. Eine Improvisation eines Trommlers würde beispielsweise auf Unverständnis stoßen, nicht nur weil Trommeln "sprechen".
Bei allen Ereignissen von Bedeutung und sogar bei alltäglichen Verrichtungen spielt Musik eine zentrale Rolle. Die Bedeutung der Musik geht so weit, dass ein Fest nicht stattfinden kann, wenn der entsprechende Musiker verreist oder krank ist.
Afrikanische Trommeln können regelrecht singen und sprechen. Die musikalischen Patterns sind oft aus der Sprache entstanden. Die einzelnen Trommelschläge eines Rhythmus-Pattern müssen sich in ihrer Tonhöhe bzw. in ihrem Sound klar unterscheiden, ansonsten bleiben sie unverständlich und ohne Sinn. Manche Trommler brauchten jahrelang, um den richten Sound auf ihrer Trommel herauszuarbeiten.
„Während meines ersten Unterrichtstages auf afrikanischen Trommeln konnte ich meinem Lehrer ganz gut folgen, bis er plötzlich eine ziemlich komplizierte Folge von Rhythmen spielte und dann wieder zum Basis-Pattern zurückkehrte. Einige Minuten später kam ein Mann, der zu diesem Zeitpunkt vorbeigegangen war, zurück mit zwei Flaschen Bier.” (John Miller Chernoff, Musikethnologe).
Da Sprache und Trommelsprache eng verwandt sind, werden die Patterns mit unterschiedlichsten Silben gesprochen. Mit den sogenannten Talking Drums können sogar Wörter und Sätze mitgeteilt werden. Viele schwarzafrikanische Sprachen sind sogenannte Tonhöhensprachen, d. h., dass die Bedeutung eines Wortes oder ihrer Silbe von der benutzen Tonhöhe abhängt.
Die Bedeutung der Musik variiert nach der jeweiligen Region. – Durch christliche Missionare wurden tradierte Religionspraktiken unterdrückt, traditionelle Musik und Tanz wurden verdammt und durch christliche Lieder aus Europa ersetzt. Dieser Rückgriff auf einfache melodische, rhythmische und harmonisierte Formen ließ das enorme Potential an Kreativität brach liegen und verkümmern.
In islamischen Regionen ist der Umgang mit Musik als einer spirituellen Kraft stark von tradierten animistischen Praktiken beeinflusst. Der Korangelehrte ist einer, der die alten Zauberkräfte kennt, bewahrt und nutzt. Traditionelle afrikanische Religionen werden als animistisch bezeichnet (auch Tiere, Pflanzen und die unbelebte Natur haben eine Seele). Die übernatürliche, unsichtbare Welt der Geister ist eng mit der natürlichen Welt verbunden und vor allem durch die Musik (der Ton ist "immateriell") kommunizieren die beiden Welten miteinander. Die zu befragenden Geister verstehen nicht die Wortsprache, aber die mit ihr eng verwandte Musiksprache. Bei alen bedeutenden Ereignissen des gesellschaftlichen Lebens (Geburt, Initiation, Beschneidung, Heilung, Hochzeit, Ernte, Amtseinführung von geistlichen und weltlichen Machthabern, Begräbnis usw.) werden die Geister und Ahnen befragt, beschworen und gnädig gestimmt.
Beispiele für die Funktion afrikanischer Musik
- Lernen in der Beschneidungsschule: Die Initianten lernen mit Hilfe von Musik kognitive Inhalte ihrer Kultur
- Repräsentation weltlicher Herrscher: Königstrommeln verkörpern Macht und Kraft
- Arbeitsmusik: Entlastung der Feldarbeit durch Rhythmisierung
- Begleitung der Mythen, Legenden und Chroniken der Preissänger
- Musik zum Tanz: Bis hin zu "säkularisierten" Formen afrikanischer Rockmusik, vor allem in Städten
- Musik zur Entspannung, Erholung, Unterhaltung, als Schlaflieder usw. (z. B. Mbiramusik)
- Musik zur Nachrichtenübermittlung: Trommelbotschaften, z. B. auf der Schlitztrommel
Instrumente
Neben allen Arten von Trommeln, Rasseln, Schlaginstrumenten, Körperinstrumenten usw. auch Daumenklavier (Zenza, Mbira), Schlitztrommel, Kora (Gitarre/Harfe), Balafon (Xylophon mit Resonatoren), Musikbogen.
Tonskalen
Zumeist Pentatonik oder Heptatonik; die Intervallgröße ist regional verschieden und weicht von der europäischen temperierten Skala teilweise stark ab. Das Melos ist vorwiegend engstufig und fallend; kleinere Intervalle herrschen vor. Kurze Motive werden häufig wiederholt, variiert oder sequenziert. Das Stimmideal beim Singen ist überwiegend heiser und rauh guttural, bis hin zu schrillen Schreien.