OTRAG
OTRAG ist die Abkürzung für "Orbital-Transport-Gesellschaft", eine deutsche Gesellschaft, die in den späten 70er Jahren und frühen 80er Jahren plante, ein alternatives Antriebssystem für Raketen zu entwickeln. Die OTRAG und der gleichnamige Flugkörper gehört somit zu den Ursprüngen der nichtstaatlichen Raumfahrt.
Geschichte
Die OTRAG-Rakete sollte eine preiswerte Alternative zu den seinerzeit noch im Planungs- bzw. Entwicklungsstadium befindlichen Systemen der Europa-Rakete Ariane und des US-amerikanischen Space Shuttle darstellen. Unter der Leitung des süddeutschen Ingenieurs Lutz Kayser entwickelte daher ein privates Betreiber-Konsortium (dessen Mitglieder bis heute nicht vollständig bekannt sind) die OTRAG-Rakete. Hierbei wurde ein Konzept aufgegriffen, das gegen Ende des 2. Weltkriegs von Wernher von Braun im so genannten "Raketenzentrum" Peenemünde entwickelt worden war, nachdem die Alliierten die deutschen Treibstofflager und Raffinerien weitgehend vernichtet hatten: Es sollte ein Flugkörper gebaut werden, der mit möglichst einfachen Mitteln eine möglichst hohe Schubkraft erreicht.
Technik
Die OTRAG bestand, im Gegensatz zu den bekannten mehrstufigen Raketen, aus in einander geschachtelten Antriebsrohren, an deren Spitze die Trägerkapsel saß, die Lasten bis zu zwei (später geplant: zehn) Tonnen (das Gewicht eines damals üblichen Fernmelde-Satelliten) in einen geostationären Orbit hätte befördern können.
Zusammen gebaut wurde die Rakete aus einzelnen Rohren, die jeweils drei Meter lang und 27 Zentimeter dick waren. Jeweils acht dieser Rohre wurden übereinander montiert, wobei sie durch Bajonettverschlüsse in einander einrasteten, und jeweils vier der so entstandenen 24 Meter langen Treibstoffbehälter wurden neben einander montiert und am unteren Ende mit einem Triebwerk versehen. Das Triebwerk wurde leicht seitlich versetzt angebracht, da als Treibstoff lediglich Kerosin und Salpetersäure dienen sollten. Daher war es nötig, dass die Flüssigkeiten aus jeweils zwei Treibstoffröhren in den Düsen zusammen treffen, damit ein zündfähiges Gemisch entsteht. Die Zündung selber erfolgte durch einen chemischen Katalysator; der Austritt des Treibstoffs wurde nicht durch Pumpen bewirkt, wie bei konventionellen Raketen üblich, sondern durch elektronisch gesteuerte Ventil-Klappen, welche die unter Überdruck stehenden Treibstoffkammern computergesteuert öffnen und schließen sollten. Als Hitzeschutz diente eine Beschichtung im Inneren der Treibstoffröhren, die sich durch den Abbrand zwar verbrauchte, aber die Startphase überstehen sollte.
Die Kontroverse
Über das OTRAG-Projekt ist nur wenig bekannt; eine startfähige Rakete (die aus insgesamt 4800 Treibstoffrohren bestehen sollte) wurde jedoch niemals hergestellt. Erste Teststarts mit einzelnen Antriebselementen fanden unter anderem in Zaire und Libyen statt; über die Erfolge widersprechen sich die Berichte. Presseberichten aus den frühen 80er Jahren zufolge stand das Projekt im Widerspruch zu den US-amerikanischen und europäischen Plänen für ein Orbitaltransportsystem auf der Basis mehrstufiger Raketen; andere Berichte behaupten jedoch, dass internationales Misstrauen gegenüber einer möglichen atomaren Wiederbewaffnung Deutschlands herrschte, und die Anrainerstaaten Libyens aus diesem Grund Widerspruch einlegten. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher soll das Projekt schließlich auf Druck Frankreichs gestoppt haben, um der von Deutschland co-finanzierten "Europa-Rakete" Ariane nicht unnötig Konkurrenz zu machen, und um politische Verwicklungen zu vermeiden.
Quellen
Eine der wenigen aufschlussreichen Quellen findet sich als Bericht in P.M. - Peter Moosleitners interessantes Magazin, Ausgabe 7/1981, Seite 12-18. Das Heft ist nur noch antiquarisch erhältlich.
Internet-Quellen sind selten und oft nicht sehr zuverlässig.