Zum Inhalt springen

Religionsfreiheit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 11. August 2007 um 21:26 Uhr durch Der Stachel (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Religionsfreiheit ist eines der elementaren Grund- und Menschenrechte, die vor allem in der Freiheit eines Einzelnen bzw. einer Gruppe von Menschen besteht, seine Glaubensüberzeugung oder weltanschauliches Bekenntnis frei zu bilden, dafür zu werben, einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft anzugehören und seine Religion oder Weltanschauung ungestört auszuüben sowie dieser gemäß zu handeln. Hierzu gehört auch die Freiheit, kultische Handlungen frei auszuüben (Kultusfreiheit).

Der Begriff der Religionsfreiheit umfasst eine positiven und einen negativen Aspekt: Unter negativer Religionsfreiheit wird die Freiheit eines Einzelnen oder einer Gruppe von Menschen verstanden, eine Religionsgemeinschaft jederzeit zu verlassen und auch nicht zu einer Teilnahme an kultischen Handlungen, Feierlichkeiten oder sonstigen religiösen Praktiken gezwungen, genötigt oder zwangsgetauft zu werden. Dazu gehört auch die Freiheit, die persönlichen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen nicht zu offenbaren, wie auch das Recht, Eidesformeln in einer religiös bzw. weltanschaulich neutralen Form zu verwenden.

Recht

International

Sie ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO festgehalten.

Der genaue Text lautet:

„Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen in der Öffentlichkeit oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung eines Ritus zu bekunden.“

Die Religionsfreiheit ist im UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte in Art.18 festgeschrieben.

Europa

Sie ist zudem in Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), welche für alle Mitgliedsstaaten des Europarates Geltung hat, gewährleistet.

„(1) Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des Einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, durch die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.“

„(2) Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.“

Deutschland

Das deutsche Grundgesetz sichert die Religionsfreiheit in Vorlage:Zitat Art GG:

„(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“

„(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“

„(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

Zusätzliche Bestimmungen zur Religionsfreiheit gibt es in den sogenannten Religionsartikeln der Weimarer Verfassung (Artikeln 136 bis 139 und 141 WRV) die in das Grundgesetz übernommen wurden.[1]. Diese regeln zuvörderst staatskirchenrechtliche Gebiete und Gesichtspunkte der negativen Religionsfreiheit. Art7 Abs.3 GG befasst sich mit dem Religionsunterricht an Schulen. Wichtig ist auch noch die Bestimmung des Art.33 Abs.3, nachdem der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte und der Zugang zu öffentlichen Ämtern unabhängig von dem religiösen Bekenntnis ist.

Schutzbereich

Grundrechtsberechtigt ist prinzipiell jedermann (Deutsche als auch Ausländer). Die Mündigkeit von Minderjährigen über ihr religiöses Bekenntnis zu entscheiden, ist jedoch erst mit der Einsichtsfähigkeit gegeben. Auf einfachgesetzlicher Ebene wird die Befugnis der Eltern, über das religiöse Bekenntnis des Kindes zu entscheiden, durch das Gesetz über die religiöse Kindererziehung geregelt. Auf die Religionsfreiheit können sich Gruppen (z.B. Religionsgemeinschaften) berufen (kollektive Religionsfreiheit).

Der sachliche Schutzbereich des Artikel 4 GG wird weit verstanden. Art.4 Abs.1 und Abs.2 GG werden dabei nicht als getrennte Schutzbereiche, sondern als ein einheitlicher Schutzbereich aufgefasst. Der zweite Absatz des Artikels 4 hat lediglich klarstellenden Charakter bezüglich der Religionsausübung[2]. Die positive Religionsfreiheit umfasst das Recht sich eine Religion zu bilden und zu haben (die persönliche innere Überzeugung „forum internun“) und seine Religion zu bekennen und nach seiner religiösen Überzeugung zu leben (das nach außen wirkende „forum externum“).

Geschützt ist auch die entsprechende negative Freiheit keinen Glauben zu bilden, zu haben, zu bekennen und danach zu leben. Die negative Religionsfreiheit wird insbesondere durch Artt. 136 Abs.3 und Abs.4 WRV behandelt. Auf Ebene der Bundesländer wird die negative Religionsfreiheit durch Kirchenaustrittsgesetze und die Möglichkeit der Abmeldung vom Religionsunterricht sichergestellt. Umstritten ist, ob für den Austritt aus der Religionsgemeinschaft Gebühren verlangt werden dürfen.

Besonders umstritten ist, was überhaupt eine Religion sei. Bezüglich der Festlegung, was Religion sei, forderte das Bundesverfassungsgericht im „Tabakbeschluss[3] eine „Kulturadäquanz“. Heute hat diese Einschränkung aber wohl wieder aufgegeben[4]. Glaube ist jede Überzeugung von der Stellung des Menschen in der Welt und seine Beziehung zu höheren Mächten und tieferen Seiensschichten[5]. Wegen des notwendigen Bezugs zu einem transzendentalen Wesen ist insbesondere die Einordnung des Satanismusses schwierig. Da auch Religionsgemeinschaften, die nicht zu den anerkannten Weltreligionen und zu den Religionen gehören, die in Deutschland traditionell verbreitet sind, und Bürger mit persönlichen Glaubensüberzeugungen sich auf den Schutz des Artikels 4 GG berufen können, versuchen sich manche den Schein der religiösen Gemeinschaft zu geben (z. B. bei Scientology). Dem versucht man dadurch vorzubeugen, indem man fordert, dass die Behauptung, dass es sich um eine religiöse Überzeugung handele, plausibel sein müsse. Dem wird dadurch genüge getan, indem es sich sich nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild um eine Religion handeln muss[6]. Auch Atheisten können sich auf die Religionsfreiheit berufen. Da die Religionsfreiheit verhindern wolle, dass eine Person, die sich zwischen den Geboten ihres Glaubens und den Verhaltensanforderung, welche die staatliche Rechtsordnung gebietet, entscheiden müsse an diesem Widerspruch seelisch zerbreche[7], ist nur solches Verhalten durch die Glaubensfreiheit geschützt, das durch die religiöse Überzeugung geboten und nicht nur erlaubt oder empfohlen wird.

Streitig ist auch, weit weit das „forum externum“ reicht. Das „forum externum“ kann unter Umständen dem Verhalten der Mehrheitsgesellschaft konflikt- und kollisionsreich begegnen. Daher wird vertreten, dass die Freiheit des religiösen Bekenntnisses sich auf überkommene Verlautbarungen der Glaubensinhalte beschränke, was neben den kultischen Gebräuchen (liturgia, z.B. Messen, Gebete usw.) noch die Verkündung des Glaubens (martyria) die Bekehrung Andersgläubiger bzw. Nichtgläubiger (missio) zum Gegenstand habe und allenfalls noch die Mildtätigkeit aus religiösen Beweggründen (diakonia) umfasse. Das BVerfG sieht aber nicht nur kultische Gebräuche erfasst, sondern auch das Recht das gesamte Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu leben[8]

Art.4 GG sichert auch das Recht sich zu Religionsgemeinschaften zusammenzuschließen.

Eingriff und Rechtfertigung

Das Grundrecht auf Religionsfreiheit hat eine stärkere Schutzwirkung, als das der europäischen Menschenrechtscharta, weil es nach der Rechtsprechung des BVerfG [9] nicht unter einem Vorbehalt eines einschränkenden Gesetzes steht, sondern nur durch die Grundrechte Dritter und grundlegende Wertentscheidungen des Grundgesetzes einschränkbar ist. Eine starke Gegenmeinung vertritt die Ansicht, dass die Religionsfreiheit nur im Rahmen der einfachen Gesetze ausgeübt werden könne[10]. Begründet wird diese Ansicht damit, dass Artt. 140 GG i.V.m. 136 Abs.1 WRV vollgültiges Verfassungsrecht sei.

Wegen der Einschränkbarkeit der Religionsfreiheit zwecks des Schutzes der Grundrechte Dritter bzw. sonstiger Verfassungsprinzipien müssen Eltern ihr Kind auch dann zur Schule schicken, wenn sie aufgrund ihres Glaubens mit den Unterrichtsinhalten ihrer Kinder, wie beispielsweise der Evolutionstheorie oder der Sexualkunde, nicht einverstanden sind. Umgekehrt ist aber auch die Religionsfreiheit geeignet, kollidierende Verfassungsnormen zurückzudrängen. So ist z. B. die Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen und von Religionsgemeinschaften nach § 166 StGB strafbar und unterliegt somit nicht der Meinungsfreiheit, welche durch die Religionsfreiheit insoweit eingeschränkt ist.

Drittwirkung

Die Religionsfreiheit ist ein Freiheitsrecht, das grundsätzlich nur die Abwehr von Beeinträchtigungen erlaubt, die durch den Staat erfolgen. Als Verfassungsprinzip erlangt es aber durch die sogenannte mittelbare Drittwirkung der Grundrechte auch Bedeutung im Zivilrecht, vor allem im Arbeitsrecht.

Weltanschauliche Neutralität des Staates

Aus Artikel 4 wird auch eine Pflicht des Staates zur religiösen Neutralität abgeleitet. Das Prinzip der religiösen Neutralität gilt allerdings nur für den Staat. So wäre die Einführung eines Kopftuchverbots für Schülerinnen in Deutschland verfassungswidrig, da diese sich gegenüber dem Staat auf ihre Religionsfreiheit berufen könnten. Im Gegensatz dazu müssen Lehrer als Vertreter des Staates die religiöse Neutralität des Staates beachten. Grundrechte sind Freiheitsrechte gegen den Staat. Personen, die sich verbeamten haben lassen, haben sich freiwillig in die staatliche Sphäre begeben und können daher, anders als andere Bürgern, nicht mehr dasselbe Maß an „Freiheit vom Staat“ geltend machen. Den Konflikt, dass Beamte einerseits Bürger und anderseits Funktionsträger des Staates sind, versucht Art.33 Abs.3 GG zu regeln. Es ist Gegenstand teils heftig geführter Debatten, ob etwa von Lehrerinnen verlangt werden kann, ohne Kopftuch zu unterrichten. Nach dem Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts ist hierfür jedenfalls eine landesgesetzliche Regelung notwendig. Lehrer können sich wiederum gegenüber dem Staat auf die Pflicht des Staates zur religiösen Neutralität berufen und dürfen beispielsweise nicht gezwungen werden, Religionsunterricht zu erteilen oder Schüler während eines Schulgottesdienstes zu beaufsichtigen.

Österreich

In der österreichischen Verfassung sind weitgehend ähnliche Bestimmungen in Art. 14 bis 16 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger enthalten.

Schweiz

Die Schweizer Bundesverfassung sichert die Glaubens- und Gewissensfreiheit in Art. 15 als Grundrecht, wobei die negative Religionsfreiheit in Absatz 4 festgelegt ist.

„(1) Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.“

„(2) Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.“

„(3) Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen“

„(4) Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.“

USA

In den Vereinigten Staaten liegt die Betonung auf absoluter Nichteinmischung des Staats in die Angelegenheiten einer Religion (1. Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, in Europa liegt die Bedeutung der Religionsfreiheit mehr auf der Nichteinmischung des Staats in die Religionsfreiheit des Individuums, was bis zur vollständigen religiösen Neutralität des Staats gehen kann (Laizismus). Andererseits schützen die Vereinigten Staaten ebenfalls die Religionsfreiheit des Individuums und die europäischen Staaten vertreten prinzipiell ebenfalls die Nichteinmischung des Staats in die Angelegenheiten einer Religion, wobei es Einschränkungen zugunsten von anderen Rechten geben kann.

Ob die völlige Neutralität des Staates tatsächlich verwirklicht ist, ist umstritten. Beispielsweise gibt es in vielen US-Staaten das öffentliche Schulgebet; auf allen US-Geldzeichen ist der Satz In God we trust gedruckt bzw. geprägt; bei öffentlichen Vereidigungen wird im Regelfall auf die Bibel geschworen - dies ist zwar nicht kodifiziert, aber als ein islamischer Abgeordneter hierzu den Koran verwendete, war dies öffentlich sehr umstritten.

Libertas ecclesiae

Eine weitere, wenig beachtete Quelle für den Gedanken der Religionsfreiheit ist das Konzept einer Libertas ecclesiae (Freiheit der Kirche). Damit ist zwar im ursprünglichen Kontext nur die Freiheit zugunsten der Kirche gemeint. Die kirchliche Ausübung der Religionspraxis sollte von staatlicher Oberhoheit frei bleiben. Im Kern wird damit aber bereits eine Einschränkung staatlicher Allmacht formuliert, die im Prinzip der Religionsfreiheit ihren modernen Ausdruck gefunden hat.

Literatur

  • M. Searle Bates: Glaubensfreiheit. Eine Untersuchung (New York 1947; deutsche Übersetzung: Richard Honig) - Bates' Buch kann als Standardwerk in diesem Zusammenhang bezeichnet werden. Es enthält eine Fülle von historisch relevantem Material zum Thema Religionsfreiheit.
  • Religionsfreiheit und Konformismus. Über Minderheiten und die Macht der Mehrheit. Mit Aufsätzen und Essays von Gerhard Besier, Hermann Lübbe, Johannes Neumann, Hubert Seiwert und anderen, LIT Verlag, Münster 2004 ISBN 3-8258-7654-3

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Weimarer Verfassung, zweiter Hauptabschnitt, dritter Abschnitt: Religion und Religionsgesellschaften
  2. die Entscheidung zur Aktion Rumpelkammer
  3. BVerfGE 12, 1 [4]
  4. BVerfGE 41, 29 [50]
  5. Stein Staatsrecht S.194
  6. BVerfGE 83, 341 [353]
  7. Pieroth/Schlink Grundreche Staatsrecht II Rdnr.515
  8. BVerfGE 32, 98 [106], 93, 1 [15]
  9. BVerfGE 33, 23 [31]
  10. BVerwGE 112, 227 [231]