Ernst Haeckel

Ernst Heinrich Philipp August Haeckel (* 16. Februar 1834 in Potsdam; † 9. August 1919 in Jena) war ein deutscher Zoologe und Philosoph, der die Arbeiten von Charles Darwin in Deutschland bekannt gemacht und hinsichtlich einer Abstammungslehre des Menschen ausgebaut hat. Haeckel war Arzt und später Professor für vergleichende Anatomie. Er war auch einer der ersten, die Psychologie als Zweig der Physiologie sahen. Er prägte einige heute geläufige Begriffe der Biologie wie Stamm oder Ökologie und bezeichnete die Politik als angewandte Biologie. Diese und andere Aussagen wurden später durch die Nazi-Ideologie vereinnahmt und als Begründung für Rassismus und "Sozial-Darwinismus" missbraucht. Ein ebensolcher Missbrauch seiner Schriften findet sich bei einer Reihe anthroposophischer Autoren. Er war ein wichtiger Vordenker der Rassenhygiene.
Obwohl heute eher populärwissenschaftliche bzw. polemische Schriften oder Reiseberichte aus seinen Gemeinverständlichen Werken (eine nach seinem Tod erschienene Sammlung der populären Schriften, die auch die "Welträtsel" oder die "Briefe aus Insulinde" beinhaltet) gelesen werden, bieten auch seine wissenschaftlichen Werke heute durchaus Inspiration. Hervorzuheben sind hier die Generelle Morphologie von 1866, die das weltweit erste Lehrbuch der Biologie auf Grundlage der Evolutionstheorie Darwins ist, sowie die Anthropogenie von 1874, in der Haeckel mit Methoden der vergleichenden Anatomie den Ursprung des Menschen im Tierreich untersucht und seine Stammesgeschichte rekonstruiert.
Kunst und Natur
Haeckel sah die Biologie in vielem mit der Kunst verwandt. Seine künstlerische Begabung wurde durch Symmetrien in der Natur stark angesprochen, unter anderem an Einzellern wie Radiolarien. Besondere Berühmtheit erlangten seine Abbildungen von Planktonorganismen und Quallen, die die biologische Welt in eindrucksvoller Schönheit darstellten. Dies war schon in seinen wissenschaftlichen Monographien der Fall, besonders aber seine populären "Kunstformen der Natur", die er 1899-1904 in mehreren Heften veröffentlichte, gehörten - wie Brehms Tierleben - in den Haushalt eines jeden Bildungsbürgers. Seine Darstellungen beeinflussten die Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts. So beruhen die Glaslüster im Ozeanischen Museum Monaco von Constant Roux ebenso auf Vorlagen Haeckels wie das monumentale Tor des französischen Architekten René Binet auf der Pariser Weltausstellung 1900. Binets von Haeckel inspirierte Tafelwerk "Esquisses décoratives" wurde zu einer Grundlage der Art nouveau (Jugendstil).
Auch Haeckels Wohnhaus (Villa Medusa, heute das Ernst Haeckel Museum) und das von ihm gestiftete Phyletische Museum, beides in Jena führen Kunst und Wissenschaft zusammen, in dem z. B. Ornamente der Fassade und Innenaustattung Tafelwerke zu den Medusen zitieren.
Haeckel war unglaublich arbeitsam. So beschrieb er allein von der britischen HMS Challenger-Expedition über 3500 neue Radiolarien-Arten. Haeckels Challenger-Report umfasst drei Bände mit 2750 Druckseiten und 140 detailliert gestochenen Tafeln dieser fragilen Organismen. Insbesondere nach dem Tod seiner ersten Frau arbeitete er vielfach mehr als 18 Stunden am Tag.
Biogenetische Grundregel
Haeckels Beobachtungen der Parallelen zwischen Ontogenese und Phylogenese waren Grundlage für die Postulierung eines kausalen Zusammenhanges zwischen ontogenetischen und evolutiven Prozessen; seine Theorie lässt sich im Satz "Ontogenese rekapituliert Phylogenese" zusammenfassen. Sie gilt heute als nicht zutreffend (Siehe unten).
Haeckel's Philosophie
Da Haeckels Versuche die Evolutionstheorie zu beweisen, ungenau waren, und Haeckel selbst die naturwissenschaftliche Erkenntnis in Gegensatz zur Religion stellte, wurden sie unter anderem zu einem Angriffspunkt der Kreationisten, um die Evolutionstheorie zu widerlegen, er wurde aber auch von dem Biologen Stephen Jay Gould kritisiert. Philosophisch verfocht er einen Monismus, unter dem er eine Einheit von Gott und Welt verstand. So schrieb er in "Die Welträthsel":
- Die Verschmelzung der anscheinenden Gegensätze, und damit der Fortschritt zur Lösung des fundamentalen Welträthsels, wird uns aber durch das stetig zunehmende Wachsthum der Natur-Erkenntniß mit jedem Jahre näher gelegt. So dürfen wir uns denn der frohen Hoffnung hingeben, daß das anbrechende zwanzigste Jahrhundert immer mehr jene Gegensätze ausgleichen und durch Ausbildung des reinen Monismus die ersehnte Einheit der Weltanschauung in weiten Kreisen verbreiten wird.
Dabei war Haeckel kein strenger Atheist. Zwar lehnte er jeden Schöpfungsakt strikt ab (daher die Schärfe seiner Auseinandersetzung mit den Kreationisten), er kam jedoch aus einem christlichen Elternhaus und sah die Natur - bis hin zu anorganischen Kristallen - als beseelt an. Sein Materialismus war der einer durchgeistigten Materie, er sah Gott als identisch mit dem allgemeinen Naturgesetz. In diesem Zusammenhang sprach er u. a. von "Zellgedächtnis" (Mneme) und "Kristallseelen".
Haeckel als populärer Forscher
Haeckels Ideen sind für die Geschichte der Evolutionstheorie wichtig. Er brachte vor allem seine Kompetenz als Anatom ein, beschrieb hunderte von neuen Arten. Einige seiner Überlegungen wurden vom Fortschritt der Wissenschaft überholt.
Kritik
Sein Biogenetisches Grundgesetz von 1866 wird heute als veraltet angesehen. Seine Neigung zur philosophischen Bewertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass seine Abbildungen biologischer Objekte teilweise mehr und anderes zeigten, als tatsächlich bei kritischer Betrachtung vorhanden ist.
Obwohl er die induktive Methode Darwins lobend herausstellte, war er doch mehr von der deduktiven Gedankenkonstruktion Lamarcks fasziniert. So nimmt es nicht Wunder, dass er naturwissenschaftliche Erkenntnisse aus vielen Bereichen sehr gezielt als Beleg seines Monismus darstellte und eine kritische, nach allen Seiten orientierte Betrachtung unterließ.
Schriften von Ernst Haeckel
1855
- Über die Eier Scomberesoces. J. Müllers Archiv für Anatomie und Physiologie S.23-32 Tafel IV, V
1856
- Über die Beziehungen des Typhus zur Tuberkulose. Wiener medizinische Wochenschrift. Bd. VI S. 1-5, 17-20
- Fibrois des Uterus. Wiener medizinische Wochenschrift. Bd. VI S. 97-101
1857
- De telis quibusdam Astaci fluviatilis. Dissertio inauguralis histologica, die VII M.Martini A. Berolini, T.G. Schade (48 Seiten, 2 Tafeln)
- Über die Gewebe des Flußkrebses. Müllers Archiv für Anatomie und Physiologie, S. 469-568 Tafel XVIII, XIX
1858
- Beiträge zur normalen und pathologischen Anatonmie der Plexus chlorioides. Vierchows Archiv für pathologische Anatomie, Bd. XVI, S. 253-289, Tafel VIII
1859
- Über Augen und Nerven der Sterntiere. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologei. Band 1859, S.183-190 Tafel XI
1860
- Reiseskitzen aus Sizilien. Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. Berlin Bd. VIII S.433-486
- Über neue lebende Radiolarien des Mittelmeers. Monatsbericht der Königlichen Akademie der Wissenschaften Berlin. 13.12. 1860 S.794-817
- Abbildung und Diagnosen neuer Gattungen und Arten von lebenden Radiolarien des Mittelmeers. Monatsbericht der Königlichen Akademie der Wissenschaften Berlin. 20.12. 1860 S.835-845
1861
- De Rizopodum finibus et ordinibus. Dissertio pro venia legendi impetranda in litterarum universitate Jenensi. Die IV. M. Martini 1861, Berolini, Georg Reimer
1862
- Die Radiolarien (Rhizopoda radiata). Eine Monographie. Berlin, Georg Reimer Bd. 1 (Text) XVI und. 572 Seiten. Bd. 2 (Atlas) 35 Tafeln
1863
- Über die Entwicklungstheorie Darwins. Öffentlicher Vortrag in der Allgfemeinen Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Steettin, am 19. 9.1862 (Amtlicher Bericht über die 37. Versammlung S. 17)
1864
- Beiträge zur Kenntnis der Corycaeiden (Copepoden). Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissenschaft. Bd1. S.61-112, Tafel I-III
- Beschreibung neuer craspedoter Medusen aus dem Golf von Nizza. Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissenschaft. Bd1. S. 325-342
- Die Familie der Rüsselquallen (Medusae Geryonidae). Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissenschaft. Bd1. S. 435-469 Tafel XI, XII
1865
Über eine neue Form des Generationswechsels bei Medusen und über die Verwandtschaft der Geryoiniden und Äginiden. Monatsbericht der Berliner Akademie S.85-94
Weblinks
Schriften von und über Ernst Haeckel im Internet:
- Haeckel: Die Welträthsel
- Dr. Angelika Weiß-Merklein: Ernst Haeckel
- Hofmann: Der Naturforscher, Philosoph und Aufklärer Ernst Haeckel
- Biografie und Lebensdaten
- Haeckels Schöpfungsgeschichte (Menschenaffen, Menschwerdung)
- Anthropogenie
Ernst Haeckel und Museen in Jena (lohnen auch architektonisch!)