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Richard Coudenhove-Kalergi

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Datei:Kalergi Marke.jpg
Briefmarke der österreichischen Post zum 100. Geburtstag (1994)

Richard Nicolaus Graf Coudenhove-Kalergi (* 16. November 1894 in Tokio; † 27. Juli 1972 in Schruns, Österreich) war ein österreichischer Schriftsteller, Politiker und Gründer der Paneuropa-Bewegung.

Leben

Coudenhove-Kalergi war der Sohn des kaiserlich und königlichen Botschafters in Japan Heinrich Coudenhove-Kalergi und seiner japanischen Frau Mitsu Aoyama. Er wuchs in Österreich auf, war in Frankreich Zuhause und hatte die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Vor seinem Studium in Wien und München für Philosophie und Geschichte war er Schüler des Theresianum in Wien. 1915 heirate er die österreichische Schauspielerin Ida Roland Klausner. Während des Zweiten Weltkrieges emigirierte er in die Schweiz und die USA. 1952 heirate er Alexandra Gräfin von Tiele, geb. Bally, einer Arzttochter aus Solothurn, 1969 die Österreicherin Melanie Benatzky Hoffmann.

Richard Nicolaus Graf Coudenhove-Kalergi war ein Visionär. Er entwickelte die „Pan-Europa“-Idee und erregte mit 28 Jahren im Jahr 1922 internationales Aufsehen mit einem Artikel, der zum Thema seines Lebens wurde, „Paneuropa- ein Vorschlag“. Mit dramatischem Inhalt forderte er einen europäischen Staatenbund als eine echte Alternative gegenüber einem neuen Weltkrieg. Die Essenz seiner Gedanken war der Zusammenschluss von europäischen Staaten zu einem politischen und wirtschaftlichen Zweckverband, der den Namen Pan-Europa, d. h. „Ganz Europa“, tragen sollte.

1922 wurde er in die Wiener Freimaurerloge Humanitas aufgenommen.[1] Gemeinsam widmeten sie sich „in erster Linie karitativen Aufgaben, beteiligten sie sich an Werken der Sozialreform und unterstützten die pazifistische Bewegung für ein besseres Verständnis zwischen den Völkern.“[2]

Im Jahr 1923 gründet er die Paneuropa-Union, die älteste europäische Einigungsbewegung. Mitglieder waren unter anderem Albert Einstein, Thomas Mann, Aristide Briand und Konrad Adenauer. Graf Coudenhove-Kalergi war damit ein Vordenker der heutigen europäischen Idee und des europäischen Selbstverständnisses, bzw. einer europäischen Identität. Im Gegensatz zur heutigen Europäischen Union (EU) sah Kalergi Europa eher als Gegengewicht zu den USA, Russland und Asien in wirtschaftlicher, aber auch kultureller und politischer Hinsicht.

Weitere Aspekte eines Europa nach Kalergi waren Freiheit, Frieden, Wohlstand und Kultur. Das heutige Europa hat eben dieses Selbstverständnis übernommen, das Kalergi in einer Zeit des absoluten Nationalismus verbreitete, gerade nach dem Ersten Weltkrieg, der 1918 endete. Graf Coudenhove-Kalergi forderte Frankreich und Deutschland auf, ihre Streitigkeiten beizulegen und sich statt dessen auf die Gemeinsamkeiten zu konzentrieren. Die skandinavischen Staaten sollten nach Kalergis Ansicht bei Europas Fortschritt die Initiative ergreifen und versuchen, im restlichen Europa zu vermitteln.

Kalergis Ideen wurden verdrängt, als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach. Während des Dritten Reiches wurde die Paneuropa-Union verboten. 1938 emigrierte er zuerst in die Schweiz und anschließend in die USA. In dieser Zeit lehrte er in New York als Professor für Geschichte. Coudenhove-Kalergi gab seine Ideen bis zu seinem Tode 1972 nicht auf und blickte voller Freude und Hoffnung auf die Entwicklung Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Er begrüßte ganz besonders die Zürcher Rede Winston Churchills im Jahre 1946, der zentrale Forderungen Kalergis aufnahm, u.a. weil er auch die Rede geschrieben hatte.

Einen besonderen Weg der „Europäischen Einigung“ beschritt die Europäische Parlamentarier-Union (EPU) 1947, die von Graf Coudenhove-Kalergi gegründet wurde und an die Paneuropa-Bewegung anknüpfte. Diese Gründung sollte die gesamten Parlamentarier der einzelnen europäischen Parlamente zu einer Schaffung der von Graf Coudenhove-Kalergi beabsichtigten Europa-Versammlung zusammen führen.

Bei dem Kongress der „Europäischen Einigungsbewegung“ in Den Haag vom 7.- 10. Mai 1948, wo sich 719 Persönlichkeiten getroffen hatten, u.a. Intellektuelle, Gewerkschaftler, Industrielle, Politiker und Parlamentarier, wollten die Parlamentarier der EPU nicht dazu gehören. Auch bei der vorausgegangenen 25. Oktober 1948 gegründeten Europäischen Bewegung, die von Ehrenpräsident Winston Churchill geleitet wurde, wobei viele andere hochrangige Europäische Persönlichkeiten anwesend waren, beschritt die EPU mit ihren über 800 europäischen Parlamentariern noch als einzige Europäische Organisation einen anderen Weg, wobei dann aber (1952) Graf Coudenhove-Kalergi sofort der Ehrenpräsident der Europäischen Bewegung wurde. Trotzdem erhielt er schon am 18. Mai 1950 den ersten internationalen Karlspreis der Stadt Aachen für besondere Verdienste um die Europäische Einigung.

Am 5. Juni 1950 unterbreitete er dem Europarat seinen Entwurf für eine Europäische Flagge[3][4][5][6][7][8][9][10][11] Wegen des Widerstands der Türkei gegen den Entwurf mit einem roten Kreuz in der Mitte der Flagge wird der Vorschlag später aufgegeben.

Am 3. August 1955 schlug er Beethovens Vertonung von Schillers Ode an die Freude als neue Europäische Hymne vor[12] Seit 1972 ist die Melodie offizielle Hymne des Europarats und seit 1985 die offizielle Hymne der Europäischen Union.

Nach Coudenhove-Kalergis Tod wurde sein langjähriger Vizepräsident Otto von Habsburg 1972 Präsident der Internationalen Paneuropa-Union.

Die Schriftstellerin Ida Friederike Görres ist seine Schwester, die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi seine Nichte.

Siehe auch

Werke

  • Adel (Leipzig, 1922), Inhalt ähnlich dem in Praktischer Idealismus
  • Praktischer Idealismus (1925); in diesem Werk werden Überlegungen über eine neue Adelsrasse (Personen des Judentum) und Mischlingsrassen angestellt. Sozusagen hat er dort die zukünftige soziologische Entwicklung von Europa beschrieben, aber auch selbst machtpolitisch mittels Zwangsmaßnahmen vorangetrieben, wie er es in seinem Buch "Paneuropa 1922 bis 1966" u.a. auf Seite 76 eindeutig sagt: „Die nächsten fünf Jahre der Paneuropa-Bewegung waren zur Hauptsache diesem Ziel gewidmet: durch Mobilisierung der Parlamente die Regierungen zu zwingen, Paneuropa zu errichten.“ PANEUROPA 1922 bis 1966, Seite 76.
  • Kampf um Paneuropa (3 Bände, 1925-28)
  • Die Europäische Nation (1953)
  • Weltmacht Europa (1971)

Literatur

  • Anita Ziegerhofer-Prettenthaler (2004): Botschafter Europas. Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. ISBN 3-205-77217-2
  • Ulrich Wyrwa: Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi (1894–1972) und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger Jahren. In: Historische Zeitschrift 283 (2006), H.1, S. 103–122.

Einzelnachweise

  1. Robert A. Minder: Freimaurer Politiker Lexikon. studien-verlag.at, Seite 158
  2. Robert A. Minder: Freimaurer Politiker Lexikon. studien-verlag.at, Seite 156
  3. document 4, 5. Juni 1950, Coudenhove-Kalergi to Paris (Secretary General) on using the Red Cross of the United States of Europe.
  4. document 124, 27. Juli 1950, Coudenhove-Kalergi to Council of Europe on using the Red Cross of the United States of Europe.
  5. document 50, 10. November 1950, Levy to Coudenhove-Kalergi, on proceeding with caution.
  6. document 203, 27. März 1952, Levy to Coudenhove-Kalergi on Turkish opposition to a cross
  7. document 204, 15. April 1952, Coudenhove-Kalergi's reply to Levy, proposing cross with crescent added.
  8. document 205, 12. Mai 1952, Levy to Coudenhove-Kalergi on how to proceed with his crescent proposal.
  9. document 207, 17. Mai 1952, Coudenhove-Kalerg to Levy with copy of a memo to Cauwelaert (Chair of Assembly Committee) on his crescent proposal.
  10. document 214, 18. Juni 1952, Levy to Coudenhove-Kalergi on recent developments concerning the flag.
  11. document z, 15. Dezember 1954, New proposal from Coudenhove-Kalergi to S. Stephanopoulos, chair of the Committee of Ministers.
  12. Brief Coudenhove-Kalergis an Levy, in dem er die 9. Sinfonie vorschlägt

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