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Lenzburg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Basisdaten
Kanton: Aargau
Bezirk: Lenzburg
BFS-Nr: 4201
Fläche: 11.33 km²
Koordinaten: 47° 23' n. Br., 8° 11' ö. L.
Höhe: 405 m.ü.M.
Einwohner: 7555 (2003)
PLZ: 5600
Gemeindeammann: Rolf Bachmann (FDP)
Website: www.lenzburg.ch

Lenzburg ist eine Stadt im Zentrum des Schweizer Kantons Aargau und Hauptort des gleichnamigen Bezirks. Das aus dem Mittelalter stammende Städtchen liegt im Seetal, etwa drei Kilometer südlich der Mündung des Aabachs in die Aare, und wird durch das auf einem Hügel liegende Schloss Lenzburg überragt. Lenzburg ist mit seinen Nachbargemeinden Niederlenz und Staufen zu einer zusammenhängenden Agglomeration zusammengewachsen.

Geschichte

Metzgplatz mit Chlausbrunnen, im Hintergrund das Schloss
Schloss Lenzburg, von Südosten her gesehen

Die ältesten Funde stammen aus der Jungsteinzeit, darunter ein über 5000 Jahre altes Gräberfeld. Beim Bau des Autobahnzubringers wurde 1964 ein Theater ausgegraben. Es war Teil einer kleinen römischen Siedlung (vicus), die rund 200 Jahre lang existierte, etwa 500 Einwohner zählte und in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Im 5. und 6. Jahrhundert entwickelte sich eine alemannische Siedlung. "Lencis" wurde erstmals 893 urkundlich erwähnt.

Das Schloss Lenzburg wurde 1036 erstmals als Stammsitz der Grafen von Lenzburg erwähnt, die zu dieser Zeit bedeutende Lehensherren im schweizerischen Mittelland waren. Das Adelsgeschlecht starb 1173 aus und das Schloss ging in Erbfolge an Kaiser Barbarossa. Dieser vergab es als Lehen an die Kyburger, welche das Schloss später käuflich erwarben. 1230 wurde am Fusse des Schlosshügels eine Marktsiedlung gegründet. Nachdem die Kyburger ebenfalls ausgestorben waren, übernahmen die Habsburger im Jahr 1273 das Schloss und die Siedlung. Am 20. August 1306 erhielt Lenzburg von Herzog Friedrich von Österreich-Lenzburg das Stadtrecht.

1415 eroberten die Berner die Stadt und den westlichen Teil des Aargaus. Lenzburg durfte seine bisherigen Freiheiten behalten. Die Stadt Bern kaufte 1433 das Schloss; von 1444 bis 1798 regierte hier der Landvogt des Oberamts Lenzburg. Bei einem Stadtbrand blieben 1491 nur gerade 15 Häuser unversehrt; die Stadt wurde mit Hilfe der Berner wieder aufgebaut. 1528 wurde in Lenzburg die Reformation eingeführt, wie auch in allen anderen bernischen Untertanengebieten. Im 16. Jahrhundert wandelte sich Lenzburg allmählich von einer Bauern- zu einer Handwerkssiedlung. 1744 wurden die Zollrechte der Stadt an Bern abgetreten. Als Gegenleistung durften die Stadtbewohner nun auch ausserhalb der Befestigungsanlagen Häuser errichten, ohne in Bern eine Bewilligung einholen zu müssen. Dies ermöglichte das Wachstum der Baumwollindustrie. 1732 entstand die Fabrik.

1798 wurde die Helvetische Republik ausgerufen, die bernischen Herren wurden vertrieben. Nach der Gründung des Kantons Aargau im Jahre 1803 wurde Lenzburg Bezirkshauptort. Ein Jahr später erwarb der Kanton das Schloss, wusste aber nicht so recht, was er damit anfangen sollte. Wie manche andere Kantone wollte man dieses Symbol der Alten Herrschaft nicht zu Regierungszwecken nutzen und vermietete es daher unter anderem als Erziehungsanstalt.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Lenzburg zu einem überregionalen Baumwollverlags- und Speditionszentrum. Viele Heimarbeiter im ganzen Kantonsgebiet arbeiteten für die Lenzburger "Baumwollherren". 1874 erhielt Lenzburg mit der Aargauischen Südbahn Anschluss ans Eisenbahnnetz. Der Konkurs der 1875 eröffneten Nationalbahn brachte Lenzburg an den Rand des wirtschaftlichen Ruins. Doch Lenzburg erholte sich rasch wieder und blühte auf. 1883 eröffnete die englische Gesellschaft "Lake Valley Railway" eine Bahnlinie durch das Seetal bis nach Luzern (die heutige Seetalbahn). Zahlreiche Industriebetriebe siedelten sich an.

Nachdem das Schloss vom Kanton jahrzehntelang vermietet worden war, wurde es 1860 verkauft. Das Schloss erlebte mehrere Besitzer, darunter den Vater des deutschen Dichters Frank Wedekind. 1893 wurde durch die damligen amerikanischen Besitzer eine Renovation durchgeführt. 1956 ging das Schloss endgültig in den Besitz des Kantons über, der hier unter anderem das Historische Museum einrichtete.

Sehenswürdigkeiten

Teil der alten Stadtmauer
Häusergruppe an der Burghalde

Das unumstrittene Wahrzeichen der Stadt ist das Schloss Lenzburg, das im 11. Jahrhundert entstanden und seither mehrmals erweitert worden ist. Die Lenzburg zählt zu den ältesten und bedeutendsten Höhenburgen der Schweiz. Der Molassehügel, auf dem das Schloss steht, erhebt sich etwa 100 Meter über der Ebene.

Die hufeisenförmige Altstadt am Fusse des Hügels ist sehr gut erhalten. Sie besteht aus einer Hauptgasse, zwei parallel verlaufenden Nebengasse und einer quer verlaufenden Gasse. Die Stadtmauer ist nur zum Teil erhalten geblieben; die Reste wurden aber unter Denkmalschutz gestellt.

In der Altstadt stehen einige bemerkenswerte Bauten:

  • Stadtkirche 1667: Enthält unter anderem eine Rokoko-Stuckdecke aus dem Jahre 1760
  • Rathaus: Entstand im in zwei Etappen an Stelle des mittelalterlichen Vorgängers (1677 bzw. 1692)
  • Haus an der Rathausgasse 31: Dreiachsiger Bau aus dem Jahre 1728 mit einem in der Mitte vorgebauten Erker und einer aus Muschelkalkplatten gefügten Fassade
  • Stadtbibliothek (ehemaliges Armen- und Altenspital): 1638 durch Vereinigung mehrer Häuser entstanden; 1792 in einem Übergangsstil zwischen Barock und Klassizismus neu erbaut
  • Ehemaliges Amtshaus: 1845 erbauter spätklassizistischer Bau mit zwei dorischen Säulen

Auch ausserhalb der Altstadt prägen eindrückliche Häuser das Stadtbild:

  • Alte Burghalde (1628): Dreigeschossigen spätgotisches Wohnhaus mit Fachwerkanbau
  • Neue Burghalde (1794): Streng symmetrischer frühklassizistischer Bau mit grosszügiger Freitreppe und reich geschmiedetem Flügeltor
  • Hünerwadelhaus (1759): Das grösste erhaltene Handelshaus des Aargaus aus dem frühen Industriezeitalter
  • Müller-Haus (1784): Herrschaftliches Fabrikantenanwesen im klassizistischen Stil
  • Gofischlössli: 1644 erbautes Jagdschloss auf einem Hügel neben dem Schloss Lenzburg
  • Römisches Theater aus dem 1. Jahrhundert n.Chr.; 1964 bei Bauarbeiten für einen Autobahnzubringer entdeckt

Behörden

Die heute gültige Gemeindeordnung datiert von 1983.

Legislative

Anstelle einer Gemeindeversammlung vertritt der von den Lenzburger Stimmberechtigten gewählte Einwohnerrat die Anliegen der Bevölkerung. Er besteht aus 40 Mitgliedern und übt die Legislativgewalt aus. Ihm obliegt das Genehmigen des Steuerfusses, des Voranschlages, der Jahresrechnung, des Geschäftsberichts und der Kredite sowie der Erlass von Reglementen. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre, die Wahl erfolgt im Proporzwahlverfahren.

Bei den Wahlen im November 2001 erzielten die Parteien folgende Sitzzahlen:

Auch auf Gemeindeebene finden sich verschiedene Elemente der direkten Demokratie. So stehen der Bevölkerung fakultative und obligatorische Referenden sowie das Initiativrecht zu.

Exekutive

Ausführende Behörde ist der Stadtrat. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre und die Wahl erfolgt im Majorzverfahren (Mehrheitswahlverfahren) durch das Volk. Der Stadtrat führt und repräsentiert die Gemeinde. Dazu vollzieht er die Beschlüsse des Einwohnerrates und die Aufgaben, die ihm von Kanton und Bund zugeteilt wurden.

Die Stadträte sind:

  • Rolf Bachmann (FDP), Stadtammann
  • Kathrin Nadler-Debrunner (SP), Vize-Stadtammann
  • Heidi Berner (EVP)
  • Hans Huber (FDP)
  • Jakob Salm (SVP)

Judikative

Für Rechtsstreitigkeiten ist das Bezirksgericht Lenzburg zuständig. Auf kommunaler Ebene gibt es einen Friedensrichter, der auch für die Gemeinden Hendschiken und Niederlenz verantwortlich ist.

Wirtschaft

Lenzburg ist ein bedeutender Wirtschaftsstandort. Es gibt über 800 Unternehmen, wovon 80 % im Dienstleistungssektor tätig sind. Hauptsächlich handelt es sich hier um KMU-Betriebe. Doch auch international tätige Grossunternehmen haben sich in Lenzburg niedergelassen. Dazu gehören der Technologiekonzern ABB, der Fleischverarbeiter Traitafina und der Konfitüren-Hersteller Hero. Ein weiterer wichtiger Arbeitgeber ist die Strafanstalt Lenzburg, das grösste Gefängnis des Kantons Aargau. Insgesamt gibt es in Lenzburg etwa 6000 Arbeitsplätze.

Verkehr

Bahnhof Lenzburg mit Seetalbahn

Lenzburg ist ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt, rund 25 km westlich der Stadt Zürich. Da die Schnellzüge der Jurasüdfuss-Linie und der Linie Zürich-Aarau-Basel in Lenzburg halten, sind Ballungszentren sowie der Flughafen Zürich mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut erreichbar. Weitere Bahnlinien führen nach Brugg, Luzern, Zofingen und Zug. Die sogenannte Nationalbahn nach Wettingen wird am 12. Dezember 2004 eingestellt; als Gegenleistung erhält Lenzburg einen Anschluss an die Zürcher S-Bahn.

Buslinien der Gesellschaft "Regionalbus Lenzburg" führen nach Brunegg, Dintikon, Möriken-Wildegg, Schafisheim und Seengen. Innerhalb Lenzburgs verkehrt eine Stadtbuslinie.

Lenzburg liegt direkt an der Autobahn A1, der wichtigsten Ost-West-Strassenverbindung der Schweiz. Zur Zeit in Bau befindet sich die "Kerntangente", eine teilweise unterirdische Strasse, welche den Durchgangsverkehr von der Altstadt fern halten soll.

Bildung

Lenzburg bietet ein reiches Bildungsangebot, inkl. Kindergarten, Primarschule, Realschule, Sekundarschule und Bezirksschule. Hier befinden sich ausserdem ein Berufsschulzentrum und zwei Privatschulen. KV Lenzburg bietet ein umfangreiches Programm in der Erwachsenenbildung an. Die nächste Kantonsschule (Gymnasium) befindet sich in Aarau.

Kultur

  • Historisches Museum des Kantons Aargau im Schloss Lenzburg
  • Stapferhaus im Schloss Lenzburg (interdisziplinäre Kulturveranstaltungen, Ausstellungen und Begegnungsprojekte)
  • Museum Burghalde mit Ausgrabungsgegenständen aus der Jungsteinzeit, der Römerzeit und dem frühen Mittelalter, Zeugnissen der Stadtgeschichte und einer Sammlung von 65 russischen Ikonen
  • Art Atelier Aquatinta (Galerie)
  • frei-raum (Konzerte und Ausstellungen)
  • Bildhaueratelier

Bedeutende Anlässe

In Lenzburg finden jedes Jahr bedeutende traditionelle Anlässe mit überregionaler Ausstrahlung statt:

  • Seit über 400 Jahren ist das Jugendfest das grösste Ereignis in Lenzburg. Es findet jedes Jahr am zweiten Freitag im Juli statt und beinhaltet einen Umzug sowie alle zwei Jahre ein nachgestelltes Freischaren-Manöver.
  • Beim "Joggeliumzug" Ende Oktober ziehen in weissen Umhängen gehüllte Schützen mit Laternen durch die Altstadt; dieser Brauch entstand um 1450.
  • Im November und Dezember findet das "Klausklöpfen" statt. Dabei werden mit "Geisseln", peitschenähnlichen Geräten, die bösen Geister vertrieben.
  • Im August findet das Gauklerfestival statt. In den Gassen der Altstadt vollführen Kleinkünstler aus der ganzen Welt alle möglichen Kunststücke. Schon mancher Star der Kleinkunstszene wurde hier entdeckt.