Zum Inhalt springen

Deutsche Minderheit in Polen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 7. August 2007 um 13:20 Uhr durch Der Stachel (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Deutschsprachige Minderheit in Polen zählt laut der Volkszählung von 2002 152.897 Angehörige, was einen Anteil von 0,381 % an der Gesamtbevölkerung Polens ausmacht. Von diesen Personen besitzen 147 094 auch die polnische Staatsangehörigkeit. Die Deutschsprachigen in Polen leben insbesondere in der Woiwodschaft Oppeln und im westlichen Teil der Woiwodschaft Schlesien.

Geschichte

Vor dem Zweiten Weltkrieg

Die Wurzeln der Deutschen im heutigen Staatsgebiet Polens reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Aufgrund der mittelalterlichen deutschen Besiedlung entstanden die Neustämme der Schlesier, Pommern und Ostpreußen in den Gebieten Ostpreußen, Danzig, Pommern, Ostbrandenburg und Schlesien, die teilweise innerhalb (die größeren Teile Pommerns, Schlesiens und Ost-Brandenburg), teilweise außerhalb (West- bzw. Ostpreußen) des Alten Reiches lagen und später auch Teil des deutschen Staates wurden. Andere deutschstämmige Siedlungsgruppen, z.B. in den Gegenden bei Posen, Lodsch und Kattowitz, befanden sich über lange Zeiträume der Geschichte hinweg, spätestens nach dem Ersten Weltkrieg mit der Gründung der Zweiten Polnischen Republik außerhalb des deutschen Staates und stellten seitdem eine deutsche Minderheit in Polen dar.

Die stärkste Partei der deutschen Minderheit vor dem Zweiten Weltkrieg war die 1931 gegründete Jungdeutsche Partei in Polen, die Mitte der 1930er Jahre ca. 50.000 Mitglieder zählte. Die meisten Deutschen lebten damals im an Polen abgetretenen Teil des früheren Westpreußen, in Posen sowie im 1922 an Polen abgetretenen Ostoberschlesien. Darüber hinaus existierten deutsche Minderheiten in der Region Łódź und in Wolhynien.

Während des Zweiten Weltkrieges

Nach dem Polenfeldzug entstand 1939 der Volksdeutsche Selbstschutz, eine paramilitärische Organisation, die ihre Mitglieder hauptsächlich aus Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen rekrutierte, und an zahlreichen Massenmorden an der polnischen und jüdischen Bevölkerung beteiligt war.[1] Von den etwa 740.000 Angehörigen der deutschen Minderheit im Vorkriegspolen gehörten etwa 80.000 - 100.000 (10,8 - 13,5%) dem Volksdeutschen Selbstschutz an.[2]

In Gebieten Polens, die direkt dem Reich angeschlossen wurden, hat sich sowohl die Definition als auch Situation der deutschen Minderheit grundlegend geändert. Sie wurde zur erwünschten Bevölkerungsgruppe erklärt, hingegen die bis dahin dort lebende polnische Bevölkerung wurde nach Osten deportiert, ihr Platz und Habe übernahmen die Deutschen Einwanderer. Aber auch in manchen Städten des Generalgouvernement, wie z.B. in Łódź (1940–1945: Litzmannstadt) wurde verstärkt deutsche Bevölkerung angesiedelt.

Flucht, Vertreibung, Aus- und Umsiedlung

Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 beschlossen die Alliierten die „polnische Westverschiebung“ und somit die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus den ostdeutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie, die unter polnische Verwaltung gestellt wurden, sowie die Aussiedlung der polnischen Bevölkerung aus dem bereits 1939 von der Sowjetunion annektierten Ostpolen.

Ende 1944 bis 1950 wurden ca. 8,5 Millionen Deutsche aus diesem Gebiet ausgesiedelt oder mußten fliehen. Ca. 500.000 sogenannte Autochtone (größtenteils Oberschlesier und Masuren) bekannten sich zum Polentum und durften nach einer positiven "Verifizierung" als polnische Staatsbürger bleiben. Ab 1951 gab es somit nach (verfälschten) Angaben der polnischen Behörden keine Deutschen mehr in Polen und die tatsächliche deutsche Restbevölkerung wurde unterdrückt, was jedoch nach außen dementiert wurde.

Die nun noch verbliebenen Deutschen (ca. 350.000) bewohnten hauptsächlich in Nieder- und Oberschlesien die Landgebiete um Oppeln, Waldenburg sowie die schlesischen Industriegebiete. Auch in Hinterpommern lebte ein Teil der verbliebenen Deutschen. Allmählich kam es schließlich zu einer Eingliederung der deutschen Bevölkerung, was sich durch den Bau deutscher Schulen sowie dem Vertrieb deutscher Bücher bemerkbar machte. Des Weiteren wurde eine deutsche Tageszeitung in Polen ins Leben gerufen. Teilweise fand auch die Assimilation der deutschen Bevölkerung statt.

Von 1955 bis 1959 kam es erstmals zu einer Familienzusammenführung von den damals geflohenen oder vertriebenen und den in Polen verbliebenen Deutschen. Bei dieser Familienzusammenführung wurden ca. 250.000 Deutsche nach West-Berlin und ca. 40.000 in die ehemalige DDR umgesiedelt. Die Zahl der deutschsprachigen Bevölkerung betrug 1960 weniger als 50.000.

Auf Grund des „Warschauer Vertrages“ kam es 1970 erneut zu einer Familienzusammenführung von Deutschen aus Polen. Nach polnischen Statistiken gab Ende der 70er Jahre ca. 500.000 bis 1 Million aussiedlungswillige Deutsche. In den Jahren zwischen 1950 und 1989 gelangten rund 1,2 Mio. Deutsche aus Polen und ihre Familienangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland als Aussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetz.

Gegenwart

Die deutsche Staatsbürgerschaft wird heute auf Antrag vom Bundesverwaltungsamt festgestellt und nicht etwa zugesprochen. Bis 2005 haben auf diese Weise etwa 288.000 Bürger in Polen, insbesondere in Oberschlesien und Masuren, die Bestätigung erhalten, von Geburt an die deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen. Obwohl es eine signifikante Diskrepanz zwischen der Zahl und den in der Volkszählung ermitelten Werten gibt (s. Tabelle unten).

Aktuelle Zahlen (Volkszählung 2002)

Region Gesamteinwohnerzahl Davon Deutschsprachige Prozentualer Anteil
Polen 38 230 080 152 897 0,381
Woiwodschaft Niederschlesien 2 907 212 2 158 0,074
Woiwodschaft Kujawien-Pommern 2 069 321 717 0,034
Woiwodschaft Lublin 2 199 054 112 0,005
Woiwodschaft Lebus 1 008 954 651 0,064
Woiwodschaft Lodz 2 612 890 325 0,012
Woiwodschaft Kleinpolen 3 232 408 261 0,008
Woiwodschaft Masowien 5 124 018 574 0,011
Woiwodschaft Oppeln 1 065 043 106 855 10,033
Woiwodschaft Karpatenvorland 2 103 837 116 0,006
Woiwodschaft Podlachien 1 208 606 85 0,007
Woiwodschaft Pommern 2 179 900 2 319 0,106
Woiwodschaft Schlesien 4 742 874 31 882 0,672
Woiwodschaft Heiligkreuz 1 297 477 70 0,005
Woiwodschaft Ermland-Masuren 1 428 357 4 535 0,317
Woiwodschaft Großpolen 3 351 915 1 013 0,03
Woiwodschaft Westpommern 1 698 214 1 224 0,072

Rechtliche Anerkennung und Infrastruktur

Gemeinden, in denen Deutsch als Hilfssprache eingeführt wurde, bzw. Gemeinden, die die Voraussetzung dafür erfüllen

Bis 1990/91 wurde die deutschsprachige Minderheit offiziell vom polnischen Staat ignoriert und erhielt erst mit dem Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrag vom 17. Juni 1991 ihre vollen Rechte als Nationale Minderheit nach KSZE-Standard sowie eine Vertretung im polnischen Parlament (Sejm). Seitdem bemüht sich auch die polnische Seite, die Anerkennung von Minderheitenrechten der zwei Millionen in Deutschland lebenden Polnischstämmigen zu erreichen – bis jetzt vergeblich (siehe auch; Polnische Minderheit in Deutschland), wobei die meisten Polen während der letzten 150 Jahre nach Deutschland eingewandert sind. Bei den Deutschsprachigen in Polen hingegen handelt es sich mehrheitlich um die sich zum Deutschtum bekennenden „alteingesessenen“ Schlesier, also eine Nationale Minderheit, vergleichbar mit den Südtirolern in Italien.

Nahe der Grenze zu Deutschland, beispielsweise in Stettin (Szczecin) und in den Hauptgebieten der dt. Minderheit um Oppeln (Opole) und in Oberschlesien sowie in Breslau (Wrocław), gibt es mehrere deutsche Kindergärten, zahlreiche Schulen mit verstärktem „muttersprachlichem Unterricht“ in Deutsch sowie eine kleinere Anzahl von zweisprachigen Grund- und Hauptschulen sowie Gymnasien. In vielen Gemeinden (so Gogolin) stellt die deutsche Minderheit den Bürgermeister oder Ortvorsteher.[3], in zwei Kreisen (so in Oppeln-Land) hat sie die absolute Mehrheit. Mehrsprachige Ortsschilder und Amtsbezeichnungen dürfen nach dem polnischen Minderheitengesetz von 2005 ab einem Minderheitsanteil von mindestens 20% [4], wenn Gemeinderäte und die Gemeindebevölkerung der betroffenen Gemeinden der Einführung der Minderheitensprache zustimmen, sowie die Genehmigungen des Wojwoden sowie des polnischen Innenministeriums (MSWiA) vorliegen. Bisher wurden zweisprachige Ortsschilder nur in der Gemeinde Radłów genehmigt [5]

Organisation

Die deutsche Minderheit in Polen ist in mehreren Verbänden, Vereinen und anderen Organisationen organisiert, wobei die größte von ihnen die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien mit dem Hauptsitz in Oppeln ist[6]. Eine andere große Organisation ist die Deutsche Gemeinschaft Versöhnung und Zukunft mit dem Hauptsitz in Kattowitz, die nach eigenen Angaben 11.112 „Beitragzahlende Mitglieder“ zählt und als einzige nicht von der deutschen Bundesregierung finanziert wird [7]. Zwischen diesen beiden Organisationen herrscht eine gewisse Konkurrenz und sowohl deren Ziele als auch Grundsätze weichen teilweise stark voneinander ab. So ist die Deutsche Gemeinschaft Versöhnung und Zukunft auch für nichtdeutschstämmige Mitglieder (etwa 4,2 %) offen, die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen hingegen nimmt nur deutschstämmige Mitglieder auf.

Deutschsprachige Medien Polens

Radio

Zeitungen

Online

Anmerkungen und Verweise

  1. www.deutsche-und-polen.de
  2. Rezensionen
  3. [1][2]
  4. Dies war laut Volkszählung von 2002 in 28 Gemeinden der Fall: Biała, Bierawa, Chrząstowice, Cisek, Dobrodzień, Dobrzeń Wielki, Głogówek, Izbicko, Jemielnica, Kolonowskie, Komprachcice, Krzanowice, Lasowice Wielkie, Leśnica, Łubniany, Murów, Olesno, Pawłowiczki, Polska Cerekiew, Popielów, Prószków, Radłów, Reńska Wieś, Strzeleczki, Tarnów Opolski, Turawa, Ujazd, Walce sowie Zębowice diesen Anteil von Deutschen unter der Gesamtbevölkerung erreichen.Vgl. http://www.dat.prosilesia.net/cms/news/detail.php?nr=671&kategorie=news
  5. Vgl. http://www.nto.pl/apps/pbcs.dll/article?AID=/20070212/REGION/70211007
  6. laut eigener Homepage der Sozial-Kulturellen Gesellschaft, wobei die Mitgliedszahl nicht genannt wird, sondern lediglich eine ungefähre Anzahl der lokalen Verbandskreise mit etwa 330 angegeben.
  7. laut eigenen Angaben der Gemeinschaft

Siehe auch

Literatur

  • Scholtz-Knobloch, Till: Die deutsche Minderheit in Oberschlesien - Selbstreflexion und politisch-soziale Situation unter besonderer Berücksichtigung des so genannten „Oppelner Schlesiens (Westoberschlesien)“ – Görlitz 2002; ISBN 3-935330-02-2
  • Brzezina, Maria: Polszczyzna niemców [Die polnische Sprache der Deutschen], Warschau/Krakau 1989, ISBN 83-01-09347-1
  • Rabagliati, Alastair: A Minority Vote. Participation of the German and Belarussian Minorities within the Polish Political System 1989–1999, Krakau, 2001, ISBN 83-88508-18-0
  • Urban, Thomas: Deutsche in Polen – Geschichte und Gegenwart einer Minderheit, München 2000, ISBN 3-406-45982-x