Zum Inhalt springen

Knoblauch (Ketzin/Havel)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. August 2007 um 21:52 Uhr durch Preusachse (Diskussion | Beiträge) (20. Jahrhundert und das Ende: typo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Knoblauch ist ein ehemaliger Ort im Landkreis Havelland. Die Gemarkung der Wüstung Knoblauch ist heute Bestandteil der Gemeinde Ketzin. Das Dorf wurde zu Gunsten eines Erdgasspeichers zur Jahreswende 1968/69 aufgegeben, er befand sich ungefähr bei folgenden Koordinaten Vorlage:Koordinate Text Artikel.

Ortsname

Wappen derer von Knoblauch, 1578

Für den Ortsnamen Knoblauch gibt es verschiedene Deutungen,

  • die eine bezieht sich auf das polabische Wort "Chleboloky" - der Brotfesser [1], das slawische chleb - Brot und das slawische lokati - gierig, fressen oder saufen stehen somit für "Brotfresser" oder "blutdürstiger Mensch" [2] .
  • Eine andere von Etymologen getragene Deutung bezieht sich auf die Gewürzpflanze Knoblauch.[1] Letzte Deutung wird sicherlich getragen von der Tatsache, dass die Familie von Knoblauch (seit 1316 in der Mark nachweisbar) die im 15. bis 17. Jahrhundert mit Knoblauch belehnt war[3], in ihrem Familienwappen drei Knoblauchpflanzen und keine Brotfresser trägt.[1]
  • Eine weitere Deutung bezieht sich auf die Zeit als der Ort noch Klebelock geschrieben wurde. Klebelock bedeute soviel wie klebriges Loch oder klebrige Niederung und ist vermutlich der Bodenbeschaffenheit (fetter Lehmboden) geschuldet und es sich bei Knoblauch um eine deutsche Neugründung aus der Zeit Albrechts des Bären handelt.[2]
  • Auch eine Übernahme des Namens von dem im Milower Ländchen liegendem Ort Knoblauch kann nicht ausgeschlossen werden.[2]

Geschichte

Beginn bis zum 16. Jahrhundert

Der Schwedenwall [3] als Zeichen einer frühen Siedlung oder auch Schwedenschanze [1] genannt, war vermutlich ein slawischer Burgwall der sich eine frühdeutsche Höhenburg anschloss.[3] Bronzezeitliche Funde lassen jedoch eine frühzeitliche Siedlungsgeschichte in dieser Gegend vermuten. Knoblauch fand seine erste Erwähnung 1197 als Clebeloc, die erste Erwähnung erfolgte im Zusammenhang mit der Schenkung von Ketzin und seinem damaligen Filial Clebeloc durch Otto II. an das Domkapitel zu Brandenburg geschenkt wurden. Später wurde es auch als Cnobeloc erwähnt.[3]. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde Knoblauch Pfarrdorf, denn der Bischof von Brandenburg derer von der Schulenburg vereinigte um 1366 die Pfarre zu Knoblauch als mater mit der von Etzin als filial. Jedoch ist davon aus zu gehen das Knoblauch nicht lange Pfarrdorf blieb und nach einem Umzug des Pfarrer nach Etzin zum Kirchdorf und zur Filial von Etzin wurde. Bereits 1382,1389 und 1460 findet nur noch ein Pfarrer von Etzin für ein Filial ungewöhnlich Erwähnung, ein Pfarrer zu Knoblauch findet zu dieser Zeit keine Erwähnung mehr, so wird für das Jahr 1382 ein gewisser Johann von Knobloch als Priester in Etzin benannt. Als Knobloch fand der Ort Erwähnung im Riedelschen Codex diplomaticus Brandenburgensis von 1847 (Band 7, Seite 488), ferner wird er als Filial von Etzin mit 3 Pfarrhufen vom der Pfarre selbst bewirtschaftet beschrieben. Bis zur Reformation war Knoblauch ein Tafelgut des Bischofs zu Brandenburg, danach dem damaligen Amte Ziesar zugehörig. Ca. 1539 trat Knoblauch der Reformation bei und bekannte sich so wie der größte Teil der Mark öffentlich zu Luther. Zu dieser Zeit entstand ein kurfürstliches Vorwerk nahe dem Dorfe, welches bis zum 18. Jahrhundert von kürfürstlichen Pächtern verwaltet wurde und dann von der Gemeinde als Pächter übernommen wurde.

17. bis 19. Jahrhundert

Unter den Kriegslasten und den Gräueltaten der Landsknechte im Dreißigjährigen Krieg litt ebenso Knoblauch wie der Rest des Havelland, Hunger und Seuchen wie die Pest bestimmten das Leben und der Tod wurde all zu oft als Erlösung empfunden. So mussten die Knoblaucher zum Beispiel mit der Einquartierung von einer Kompanie kaiserlicher Truppen am 17. März 1628 trotz Hungerzeit 160 Leute und ihre Tiere zusätzlich versorgen. Zeitgleich hatten sie mit den Einwohner von Ketzin und Weseram einen Heerwagen zu stellen.
Am 28.Juni 1675 während des Schwedisch-Brandenburgischen Krieg in der Schlacht bei Fehrbellin wurden die Schweden aus dem Havelland vertrieben, zuvor hatten sie jedoch das Dorf und die Kirche von Knoblauch geplündert.

Die Prediger von Etzin und Knoblauch werden seit 1571 namentlich aufgefüht, darunter befinden sich Johann Peter Süßmilch (1707-1767), Joachim Friedrich Seegebarth (1714–1752), Gerhard Arnold Sybel (1773–1814), Johann Friedrich Ernst Duchstein (1784–1867). Der Vater der deutschen Statistik und Demografie Johann Peter Süßmilch war ab 1741 für ein Jahr der Pfarrer von Etzin und seinem Filial Knoblauch. Am Sonntag, dem 13. August 1741 hielt der ehemalige Feldprediger seine Antrittspredigt als Gemeindepfarrer.[4]
>>Für diesen Tag (11. Sonntag nach Trinitatis) hatte der König ein Dankfest zur Würdigung der Einnahme von Breslau im Ersten Schlesischen Krieg angeordnet.<< [5].
Über das genaue Thema der Antrittspredigt Süßmilchs liegen keine Unterlagen mehr vor, er wird jedoch sicherlich dem Befehl des Alten Fritzen befolgt haben und über diesen militärischen Erfolg predigte haben, schließlich hatte er als Feldprediger mit seinem Regiment kurz zuvor in der Schlacht von Mollwitz vor Breslau gestanden. Seit 1996 erinnert eine Gedenktafel für Süßmilch in der Dorfkirche von Etzin an seine Zeit als Pfarrer in Etzin und Knoblauch. Süßmilchs Nachfolger als hiesiger Pfarrer war Joachim Friedrich Seegebarth.

Ab 1752 wirke ein gewisser Gelhar als Pfarrer in Etzin und Knoblauch, unter seiner Führung erhielt die Kirche einen neuen Innenanstrich und eine Kanzel. 1770 wurde das ehemalige Haus des Dorfschneiders zur Dorfschule umgebaut, somit mussten die Schüler nicht mehr nach Etzin zum Unterricht. 1773 und 1777 kam es durch Blitzeinschläge zu Feuerkatastrophen auf mehreren Gehöften im Dorf. In den "Moralisch-religiösen Annalen von Etzin und Knoblauch, vorgelegt von Inspektor Haustein" aus dem Jahre 1803 erstellt aufgrund einer Schul- und Kirchenvisitation in Knoblauch, erhalten sowohl die Kirche wie auch die Schule kein gutes Urteil. Während der Koalitionskriege zogen französische Truppen plündernd durchs Dorf, die anschließend durch die Franzosen auferlegte Kontribution ließ die Gemeinde verarmen. Die malermäßige Ausschmückung der Kirche erfolgte anlässlich der Feierlichkeiten zum Sieg über Napoleon und dem Ende der Befreiungskriege. 1816 wechselte die Zugehörigkeit des Dorfes vom königlichen Amte Ziesar zum Domänenamt Fahrland. 1817 erfolgten Reparaturarbeiten am Kirchturm, am 15. September wurden der Kirchturmkopf und die dazugehörige Fahne abgenommen. Im Kirchturmkopf fand man eine Kupferbüchse mit Aufzeichnungen und Münzen aus der Zeit um 1726. Die Fahne und der Kirchturmkopf wurden neu vergoldet und der größte Teil des Kirchturms wurde umgedeckt. Nach Abschluss der Bauarbeiten wurde die Kupferbüchse wieder befüllt und mit einer Nachricht an die Nachkommen vom 22. September 1817 vom Pfarrer Johann Friedrich Ernst Duchstein (seit 1812 Prediger zu Etzin und Knobloch), dem Schullehrer Friedrich Bauer, dem Gerichtsschulzen Friedrich Wilhelm Henckel, dem Vierhüfner und Kirchen- und Schulinspektor Johan Wilhelm Kühne und dem Schulvorsteher Joachim Frehlandt ergänzt[2]. Diese Nachricht enthielt eine Bericht über den Zustand des Dorfes. Es wurde von 19 Bauernwirtschaften, zwei Familienhäusern, dem Schulhaus, zwei Hirtenhäusern, der Schmiede und dem Leinenweberhaus berichtet, des weitern enthielt der Bericht eine Aufschlüsselung über die Zusammensetzung der Dorfbewohner. So gab es 1817 135 Einwohner über 12 Jahre im Dorf darunter waren einen Gerichtsschulzen, einen Schulvorsteher, vier Einhüfner, drei Dreihüfner davon war einer gleichzeitig Gerichtsschöppe, vier Vierhüfner davon war einer gleichzeitig Gerichtsschöppe und ein anderer Kirchen- und Schulinspektor, einen Huf- und Waffenschmied und einen Garnmacher. Die Reparatur der Kirche und der Bau einer neuen Schule 1847 waren sicherlich dem Kriegstreiben und dem bereits erwähnten Bericht es Inspektors Haustein geschuldet. Das Leben im Dorf in dieser Zeit ging seinen Gang und war von ein wenig Wohlstand und Fortschritt gezeichnet. Der Deutsch-Französische Krieg findet in Knoblauch seine Anhänger, die ihm bejubelt und nach seinem Ende ein Kriegerverein bilden.

20. Jahrhundert und das Ende

92 Knoblaucher zogen in den Ersten Weltkrieg nur wenige von ihnen kehrten zurück. In den Kriegsjahren machten viele Knoblaucher Bauern trotz schlechter Ernten - wie zum Beispiel 1916 wo aufgrund schlechter Witterungsverhältnisse die Ernte nur die Hälfte des Vorjahresergebnisses eingebrachte - dank der "Hamsterer" aus Berlin gute Geschäfte. Das Ende des Krieges wird trotz der guten Geschäfte in dieser Zeit überall gefeiert und gutgeheisst. 1932 war ein Feuerteufel unterwegs in Knoblauch - acht Gehöfte brannten nacheinander ab, gefasst wurde der Feuerteufel jedoch nicht. Die betroffenen Bauern waren gut versichert und konnten ihre verbrannten Gebäude wieder errichten.

Im Zweiten Weltkrieg wird das Schulhaus als Quartier für eine Flak-Scheinwerferabteilung genutzt. 1945 zog das Militär ab dafür kommen ca. 350 Flüchtlinge ins Dorf. Am 21. April 1945 war der Krieg für die Knoblaucher mit dem Einrücken der Roten Armee voerst zu Ende. Die Bevölkerung plünderten die örtlichen Kaufmannsläden. Am 4. Mai 1945 kehrte der Krieg noch einmal zurück nach Knoblauch als deutsche Truppen über Knoblauch und Tremmen versuchten nach Westen durchzubrechen. Die deutschen Truppen hatten sich an der Chaussee zwischen Vorketzin und Etzin verschanzt, eine Kapitulation war für sie ganz im Sinne ihres ehemaligen Führers Adolf Hitler ausgeschlossen und wurde gegenüber einem Parlamentär der Roten Armee abgelehnt. Im daraufhin folgende Kampf wurde die Kirche und das Arbeiterhaus des Bauern Frehlandt beschädigt, Pulsens Stall und mehrere Scheunen zerstört. Das Wohnhaus von Maiers war ein Trümmerhaufen, seine älteste Tochter war tot und die Knoblaucher Windmühle abgebrannt. Diesen sinnlosen Kampfhandlungen kurz vor Kriegsende fielen insgesamt 51 Deutsche (50 Soldaten und 1 Zivilist) und fünf Rotarmisten zum Opfer.[2]
Während der Bodenreform 1945/1946 wurden 124 ha an zehn Bewerber aufgeteilt. 1949/50 begann das Dorf zu wachsen, die Neubauern begannen mit dem Bau von eigenen Häuser mit einem Stall. Am 20. März 1953 wurde eine LPG in Knoblauch gegründet, diese soll unter der Patenschaft der SED-Bezirksleitung Potsdam eine Muster-LPG werden. Bis 1955 ist aus der LPG ein Vorzeigebetrieb entstanden, welcher mit dem Besuch von Walter Ulbricht mit einer sowjetischen Partei- und Staatsdelegation geadelt wurde bzw. im sozialistischen Sinne die höchste Weihe erhalten hat. Die Arbeits- und Lebensbedingungen erreichten eine so gute Qualität wie noch nie.
Im Juli 1961 berichtigte die "Märkische Volksstimme" über zwei Bohrtürme im Dorf und zwei vor dem Dorf. Ein Ereignisse deren Auswirkungen das Leben der Dorfbewohner nachhaltig ändern wird, aber noch nicht abzusehen war. Ein Untergrundspeicher wurde bis 1963 errichtet, welcher ab 1965 sein eingelagertes Erdgas in ein Verbundnetz abgeben sollte. Am 9. September 1964 wird mit der Gasbefüllung der Ringleitung des Untergrundspeicher begonnen und die zwölf Sonden anschließend geschlossen. Da es zu keinen außergewöhnlichen Ereignissen kam wurde das Leben auf dem Gasspeicher schnell zur Gewohnheit. Dies änderte sich schlagartig als im Winter 1965 erstmals Gas austritt und immer wieder hohe Kohlenmonoxid-Werte in der Luft gemessen wurden. Für ein Viertel der Einwohner von Knoblauch wurden nächtliche Notquartiere eingerichtet, die abends bezogen wurden und am nächsten Morgen kehrte man zum Lüften in die eigene Wohnung zurück. Ein Ende dieser Situation war nicht in Sicht und durch die Explosion einer Sonde im Sommer 1966 noch mehr verschärft. Vier lange Tage benötigten die Bohrtruppmannschaft zum Abdichten der Unglücksstelle. Die verunsicherten Knoblaucher fordern Aufklärung des Unglückes und Informationen von den Verantwortlichen bzgl. wie so etwas passieren konnte und wie hoch die Wiederholungsgefahr ist. Vorerst ließen sich die Bewohner mit Worte über neue Technologien und damit verbunden und noch nicht bekannten Hürden beruhigen. Nach dem im Oktober 1966 ein Ventil von einer Sonde abreißt und der Ort erneut nur knapp einer größeren Katastrophe entging, erkannt die Verantwortlichen das etwas passieren muss. Die betreffende Sonde befand sich gleich hinter dem örtlichen Gasthaus und einer Fontäne gleich erhob sich eine Säule aus Wasser, Gas und Sand und ging auf den umliegenden Dächer hernieder. Die Bewohner verließen fluchtartig mit gepackten Sachen ihre Häuser, jedoch löschten sie vorher das Feuer in Ihren Öfen und verhinderten somit wahrscheinlich schlimmeres. Der Schaden an Ventil und Sonde war schnell behoben, jedoch stoß man überall auf erhöhte CO-Werte. Auf Grund dieses letzteren Ereignis und nicht zu garantierende Sicherheit beschloss der der Ministerrat der DDR am 22. Dezember 1966 die Aussiedlung der Knoblaucher Bewohner, welche in die kurz vorher errichteten Neubauten in Markee, Falkenrehde und Ketzin untergebracht wurden.
>>Die beiden Leutchen wurden ernst: "Als das Dorf geräumt war und die Baustoffe angefahren waren, wurde organisiert. Ist doch klar, jeder brauchte Zement und Steine für seine eigeneDatscha. Und so kam es, daß die Abdichtung des Erdreichs nicht vollständig war. Die Bewohner der restlichen Häuser klagten plötzlich über Übelkeit, und das Vieh in den verbliebenen Ställen kippte reihenweise um. Das austretende Gas wurde zur Gefahr. Aber davon wollte man nichts wissen, alles wurde tot geschwiegen..." Wir waren betreten."<< [1].
Man sagt das die Bewohner des Dorfes mit einer solchen Großzügigkeit entschädigt wurden, das von Stelle an stumm waren und dies selbst den nächsten Verwandten gegenüber. Wie hoch die Entschädigungssumme vom Staate genau war ist noch immer ein Rätsel. Gewiss ist jedoch die Tatsache, dass die Wohnhäuser, Stallungen und die Kirche vom Staat gekauft und abgerissen wurden - damit hörte das Dorf Knoblauch nach fast 800 Jahren auf zu existieren.
Viele der ehemaligen Bewohner Knoblauchs fanden Ende 1967 in den Neubaublöcke in Ketzin "Am Mühlenweg", den noch heute genannten Knoblaucher Blöcken, ein neues Zuhause. Bis zur Wende fanden viele von ihnen Arbeit in der Ketziner LPG "Otto Grotewohl" spezialisiert auf Eier- und Broilerproduktion, einer bis dahin wohlhabendsten Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft der DDR.

Knoblauch und die Judenvertreibung aus der Mark Brandenburg

Knoblauch ist eng verbunden mit der Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg und deren Verfolgung. Im Jahre 1510 wurde gegen die märkischen Juden der Vorwurf des Hostienfrevels und des Kindermordes erhoben. Anlass dafür bot der Einbruch in die Knoblaucher Kirche und der damit verbundene Diebstahl einer vergoldeten Monstranz und zweier geweihte Hostien.

Der angebliche Täter, der Bernauer Paul Fromm - mal als Kesselflicker ein anders mal als Kesselschiemd von Beruf erwähnt - soll aus der Knoblaucher Kapelle eine Monstranz und eine Hostienbüchse mit zwei geweihten Hostien gestohlen haben. Nach seiner Verhaftung gab Fromm unter Folter zu Protokoll, den größten Teil der Hostien an den Juden Salomon aus Spandau verkauft zu haben. Im nun folgenden Prozesses wurden ca. 100 verdächtigte Juden nach Berlin gebracht, ihnen wurde jedoch nicht nur Hostienschändung sondern auch Marterung und Ermordung von sieben Christenkindern vorgeworfen. Hostienschändung bzw. Hostienfrevel deshalb da sie versucht hätten Teile der geweihten Hostie in ihre Mazzen einzubacken.

>>Der nachfolgende Ausschnitt aus einer Flugschrift berichtete von einem angeblichen Hostienfrevel in der Ortschaft Knobloch, der 1510 zur Vertreibung aller Juden aus Brandenburg führte: Aber Salomon, der jud, hat das hochwirdig Sacrament genomen auf ain eck aines tisch gelegt / darauf auß hässigem, jüdischem, angepornen nedt / mermals gehawen / gestochen / edoch hat er das nicht verwunden mügen / biß so lang das er zu zorn bewegt / und under vil andern ungestümen worten geflucht / und gesprochen: Bistu der Cristen got / so erzad dich in tausendt teüfel namen. Auf der stund hat sich von dem stich / der helig fronlechnam Cristi / wunderbarlich in drej tail (...) getailt. Also / das die örtter [=Stellen] blutfarbig sind gewesen. Diese Berichte vom Hostienfrevel setzten absurderweise voraus, dass die Juden an die Transsubstantiation der Hostie glaubten. Die Juden wurden als gehässige Neider des christlichen Glaubens stilisiert, die sich vergeblich an der geweihten Hostie zu schaffen machen. Als unmittelbare Antwort auf den jüdischen Fluch soll sich die Hostie dann auf wundersame Weise zerteilt und verfärbt haben. Das Eingeständnis solcher wundersamen Geschichten wurde einzelnen Juden zumeist unter Folter abgepresst.<<[6]

Die "entdeckten" so genannten "Beweisstücke" wurden im Brandenburger Dom ausgestellt, die Resonanz beim gläubigen Fußvolk war jedoch geringer als vom Klerus erhofft. Für die Bevölkerung war jedoch die Frage ob schuldig oder nicht klar beantwortet - sie waren von ihrer Schuld überzeugt und so wurden am 19. Juli 1510 in Berlin 38 Juden auf einem großen Gerüst verbrannt, zwei weitere jedoch getaufte Juden starben unterm Schwert. Der ganze Prozess ähnelt wohl sehr den Ketzer- oder Hexenprozessen der Inquisition.

Dem Prozess folgte nun die große Judenverfolgung in der Mark Brandenburg - Historiker, die sich mit dem Ereignis behandelten, gaben dafür unterschiedliche Gründe an. Im Ergebnis des Prozesses wurden die übrigen Juden aus der Mark Brandenburg und sämtlichen Herrschaften des Joachim I. ausgewiesen, somit lebte und handelten keine Juden mehr von 1511-1535 in der Mark. Viele jüdische Grabsteine kamen als Folge der Tat ins Fundament der sich zu dieser Zeit im Bau befindlichen der Spandauer Zitadelle[4]. Durch die Ausweisung der Juden entledigten sich die Stände ihrer Schuldner, diese hatten die Vertreibung der Juden bereits 1503 vom Kurfürsten gefordert. Die Stände sollen vom Kurfürsten gefordert haben, dass die Juden am Michaelstag, dem 29. September, das Land verlassen sollten. Ob es eine dies bezügliche Anordnung der Kurfürsten gab ist nicht bekannt, wohl eher aber nicht. Denn im Jahre 1509 wurden die Schutzbriefe für 30 Juden verlängert bzw. befristet für 3 Jahre neu ausgestellt. Diese 30 Juden lebten in Stendal, Gardelegen, Salzwedel, Seehausen, Werben, Tangermünde, Havelberg, Kyritz, Pritzwalk, Perleberg, Lenzen, Brandenburg an der Havel, Nauen und Cottbus. Man geht von aus, das ca. 400-500 Juden zu dieser Zeit in der Mark Brandenburg lebten. Sie hatten das Privileg Geldleihgeschäfte zu betreiben - ihr Zins war auf 2 Pfennigen für 1 Gulden pro Woche begrenzt, sie durften desweiteren Handel treiben, Fleisch kaufen und sie durften Baden. Die Genehmigung auch einen Rabbi zu haben, welcher auch als Richter die Streitigkeiten unter den Juden regeln sollte, musste zusätzlich erkauft werden. Demgegenüber stand eine Vielzahl von verarmten und verschuldeten christlichen Bewohner der Mark.

Erst nach dem Tode des Kurfürsten Joachim I. 1535 wurde Juden aus Polen der Besuch von offene Jahrmärkte in der Neumark durch dessen neuen Herrscher Hans von Küstrin gestattet, 1539 folgte dann die Öffnung der gesamten Mark zu Handelszwecken durch den Kurfürsten Joachim II.. Welcher ab 1543 noch einmal Juden in die Mark auf darunter sein jüdischer Hofdiener Michael, der ihm sowohl ein Diener als auch ein Getreuer war, aufnahm. Michael und seine Frau Merle waren beide wohnhaft in Frankfurt (Oder) und besaßen zu dem noch zwei Häuser in Berlin. Der Grund für die Aufnahme der Juden dürfte in der großen Schuldenlast nach dem missglückten Türkenfeldzug zu finden sein. Martin Luther war ein Gegner der Aufnahme der Juden, er warnt den Kurfürsten vor der "jüdischen Tücke" und lehnt deren Zulassungen ab. Im Jahre 1555 äußerte der Kurfürst Joachim II., dass die Christen nunmehr im verbotenen Münzgeschäften, Wucher und anderen unziemlichen Handel "der Juden Meister" sei. Die Städte jedoch widersprachen dem und meinten, dass der Wucher der Christen nicht so schädlich sei, da diese schließlich keine Pfänder nahmen sondern nur Verschreibungen oder Bürgen verlangten.

Der Jude Lippold wurde am 20. Januar 1556, für die Dauer von 10 Jahre zum obersten Aufseher aller märkischen Juden erklärt. Lippold aus Prag stammend, kam um 1550 in die Mark. Die Aufgabe Lippolds war es alle Schutz- und Geleitsbriefe zu überprüfen und die Münzstätten zu kontrollieren, etwaige Verstöße hatte er sofort anzuzeigen. Kurfürst Joachim II stirbt in der Nacht vom 2. zum 3. Januar 1571, sein Sohn und Nachfolger Kurfürst Johann Georg lässt daraufhin bereits am 03. Januar 1571 die Juden von Frankfurt( Oder) und Berlin festsetzen. Der obersten Aufseher aller märkischen Juden Lippold wird verhaftet und am 28. Januar 1573 hingerichtet. Die Synagoge in der Klosterstraße zu Berlin wurde im Verlauf von Unruhen, zu denen es aufgrund der neuerlichen Judenverfolgung kam, zerstört. 1573 mussten die Juden wie bereits 62 Jahre zuvor die Mark Brandenburg verlassen, die meisten von ihnen zog es nach Polen und Böhmen. Weitere 100 Jahre sollten nunmehr vergehen ehe ein Jude nach Ende des Dreißigjährigen Krieges in der Mark wieder ansässig wurde.

Siehe auch

Jüdisches Leben in Berlin

Quellen

  1. a b c d e Wille: Von Ort zu Ort durchs Havelland, Stattbuch Verlag, Berlin 1996, Seite 111 - 113, ISBN 3-922778-57-7
  2. a b c d e Ketziner Heimatverein über Knoblauch
  3. a b c d Dr. Gerd Heinrich: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Band 10, Berlin und Brandenburg, Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 1995, Seite 240/241, ISBN 3-520-31103-0
  4. a b Eckart Elsner: Süßmilchs Zeit in Etzin
  5. F. Holtze (ed.): Chronistische Aufzeichnungen eines Berliners von 1704 bis 1758, In »Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins«, Berlin 1899, S. 69
  6. Das reformierte Quartalsmagazin - herausgegeben im Auftrag des reformierten Bundes - 3. Jahrgang 2002, Nr. 3 - September 2002 [1]
  • Heise, Werner: Die Juden in der Mark Brandenburg bis zum Jahre 1571,Verlag Dr. Emil Ebering, Berlin 1932