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SDR 3

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SDR 3, das Radio für den wilden Süden, war bis Sonntag, 23. August 1998 13 Uhr das Pop- und Jugendradio des Süddeutschen Rundfunks (SDR) aus Stuttgart. SDR 3 und SWF3 sendeten vom 23. bis zum 30. August die gemeinsame Hörerhitparade Start ins Wildall. SDR 3 wurde dann im Zuge der Fusion von SDR und SWF zum Südwestrundfunk (SWR) eingestellt und am 31. August 1998 um 0.00 Uhr bei einem Open-Air-Festival auf dem Flugplatz Söllingen durch den Nachfolger SWR3 aus Baden-Baden ersetzt.

Geschichte/Portrait

1. November 1964: Gründung als Gastarbeiterprogramm

SDR 3 wurde ursprünglich als so genanntes Gastarbeiterprogramm des Süddeutschen Rundfunks gegründet, das hauptsächlich in Köln und München produzierte Sendungen des Westdeutschen und Bayerischen Rundfunks übernahm, die in der Zeit zwischen 17.40 und 21 Uhr in verschiedenen Sprachen ausgestrahlt wurden. In der übrigen Zeit gab es zunächst fast keine Eigenproduktionen und die Bezeichnung SDR 3 existierte ebenfalls nicht. Die Frequenzen firmierten zunächst unter Süddeutscher Rundfunk, 3. Hörfunkprogramm, zwischenzeitlich auch unter Stuttgart 3, dann aber einheitlich unter Südfunk 3. Im Laufe der Jahre kamen Sendungen der Rundfunkwerbung (Was darf es sein?), der Landfunk sowie der Schul- und Kinderfunk dazu.

Den 1. Januar 1971 nutzte der Süddeutsche Rundfunk nach einer Gebührenerhöhung, um die Regionalisierung einzuführen und die Sportberichterstattung auszubauen. Dafür wurde das Sendegebiet in Nordbaden und Nordwürttemberg aufgeteilt. Mit der Sendung Neues auf 99,9 (aus dem Studio Karlsruhe, später aus Heidelberg) sollte vor allem die Berichterstattung für den badischen Landesteil erhöht werden. Aus dem Funkhaus in Stuttgart lief als Gegenstück Von 1 bis 2 auf Südfunk 3, das ab 1975 Südfunk regional – das Mittagsmagazin aus Stuttgart hieß. Die verstärkte Regionalisierung war aber eine Folge der von den Landtagen in Stuttgart, Mainz und Saarbrücken eingesetzten „Michel-Kommission“. Sie sollte bereits 1968, um die Gebührengelder besser zu bündeln, Fusionsmöglichkeiten bei den südwestdeutschen Rundfunkanstalten (SDR, SWF und SR) untersuchen. Die großen Sportsendungen Heute im Stadion (samstags ab 16.30 Uhr, später ab 15 Uhr) und Neues vom Sport (sonntags ab 16 Uhr, später: Sportmagazin ab 15 Uhr) wanderten vom 2. ins 3. Hörfunkprogramm. Genauso wie die Jugendsendung Mittwochs-Party.

Aber beim SDR waren die Finanzen weiter knapp und damit der Spielraum für zusätzliche Eigenproduktionen in Südfunk 3 eng. Deshalb mussten weiterhin Programmteile von Südfunk 1 (Mit Musik geht alles besser, Von Tag zu Tag) oder von anderen Sendern (Club 16 und Musik-Report vom BR, Pop Shop und Studio-Party vom SWF) übernommen werden.

1. Januar 1972: Vom Schulfunk zum Musikprogramm

Mit der Einführung einer Frühsendung (Pop am Morgen) entstand das erste durchgängige Programmschema von 5.30 Uhr bis 21 Uhr. Damit begann auch eine Kooperation zwischen den 3. Hörfunkprogrammen von Südfunk und Südwestfunk. Aus Stuttgart kam für beide Sendegebiete Pop am Morgen (verantwortlich damals Gisela Böhnke, die vom Südwestfunk abgeworben wurde) und aus Baden-Baden der Pop Shop am Nachmittag (Höhepunkt war dabei die Mittwochs-Party, die ebenfalls abwechselnd von Südfunk 3 und als Studio-Party von SWF3 kam und von Schulklassen gestaltet und moderiert wurde). Den Vormittag „kaufte“ die Rundfunkwerbung Stuttgart GmbH (es war damals durchaus üblich, dass die hauseigenen Werbetöchter der ARD ganze Sendestrecken finanzierten und dafür Werbung – ähnlich wie heute im Privatradio – ins laufende Programm streuten) und sendete ab Oktober 1972 von 9 bis 13 Uhr den Musikmarkt. Eine Sendung mit vielen Schlagern, internationalen Hits, Gewinnspielen, Hitparaden, Grußaktionen und dampfplaudernden Moderatoren (die bekanntesten: Günter Freund, Fred Metzler, Rainer Nitschke, Bernd Duszynski und später Michael Branik). Der Musikmarkt war so beliebt, dass er in der Zeit von 13 bis 15 Uhr im Programm Südfunk 1 fortgesetzt wurde. Damit reagierte der SDR recht erfolgreich auf das populäre Konkurrenz-Programm von Radio Luxemburg.

2. Januar 1975: Die Entstehung von POINT

Aufbau und Anfang

Als der Pop Shop im neuen durchgängigen Wellenkonzept von SWF3 (Sendestart am 1. Januar 1975) in den Abend verlegt wurde, entwickelten die Südfunk-Redakteure Hendrik Bussiek, Peter Kreglinger, Günter Verdin und Dietrich Förster ein neues Konzept einer Jugendsendung für den Nachmittag: POINT war geboren. POINT stand für Pop, Orientierung, Information, Notizen, Tips. Allerdings war auch das Wortspiel mit dem englischen Begriff gelungen, denn das Ziel von POINT war es, die Dinge, die Jugendliche interessierten, anzusprechen und auf den Punkt zu bringen. Im Februar 1980 gab es beispielsweise eine Sendung, die sich ausschließlich mit dem Tod von Bon Scott († 19. Februar 1980 an einer Alkoholvergiftung) und der Thematik Selbstzerstörung durch Drogen und Alkohol beschäftigte. Auch den Themen Jugendarbeitslosigkeit, Studienplatzmangel, Nachrüstung, Friedensbewegung etc. wurden immer wieder ganze Sendungen gewidmet. Die Produzenten von POINT verfolgten das Konzept eines lobbyistischen und kritischen Sprachrohrs für Jugendliche, während sich der SWF3 Pop Shop in dieser Zeit mehr zu einem Musikmagazin entwickelte.

Politische Kontroversen

Das Experiment POINT eskalierte jedoch als sich die Sendeleitung und der Rundfunkrat an einer Live-Diskussion von Rudi Dutschke mit Hörern am 14.10.1976, sowie einer Liveausstrahlung eines Auftritts der schwulen Kabarettgruppe „Brühwarm“ aus Heidelberg störten. Die absehbaren Konsequenzen für den verantwortlichen Redakteur Hendrik Bussiek führten zu einer bislang einmaligen Aktion in der bundesdeutschen Rundfunklandschaft: initiiert vom „Club Alpha“ in Schwäbisch Hall gründete sich eine Hörerinitiative zur Unterstützung der POINT-Macher, die etwa 18.000 Unterschriften sammelte. Erreicht wurde zwar eine Sondersendung mit Solidaritätskonzert (4 Bands, darunter Zupfgeigenhansel) und 600 Besuchern im neuen Studiosaal am 8.3.1977 unter dem Titel "Was wird aus POINT und Bussiek". Hier sicherten Chefredateur Klett und der stv. Programmdirektor Lüke den Erhalt der Sendung zu, Bussiek selbst wurde trotzdem von seiner Position entbunden und anschließend als Korrespondent nach Berlin versetzt.

Veränderungen und Entwicklung

Als neuen Redaktionsleiter für POINT holte man Mitte 1977 Rüdiger Becker vom Zündfunk des Bayerischen Rundfunks, gleichzeitig wurde die Redaktionsarbeit hierarchischer gestaltet. Ihm zur Seite stand alsbald Redakteurin Susanne Lüdtke und nach deren Ausscheiden ab 1981 als festangestellter Redakteur Michael Weber, der ebenfalls vom Zündfunk kam. Damit nahm die zweite Generation von POINT ihre Arbeit auf. Die Befürchtungen, dass damit auch ein qualitativer Bruch kommen würde, bestätigten sich allerdings nicht. Macher der zweiten Generation waren unter anderen als freie Mitarbeiter Thomas Roth, Hermann Stange, Stefan Siller, Wolfgang Heim und Thomas Welzig. Auch in deren Sendungen war es gang und gäbe, dass ganze Schulklassen im Stuttgarter Funkhaus aufliefen, weil ein übereifriger Rektor irgendwelche Maßnahmen gegen Schüler ergriffen hatte, und die so den Rundfunk als Medium zur Artikulation ihres Protests nutzten.
Im Zuge der Einführung des Vollprogramms am 1. Oktober 1979 wurde POINT als dreistündige Sendung in das neue Programm Radio 3 Südfunk Stuttgart übernommen. Allerdings rutschte der Sendeplatz auf den frühen Abend (17.00 Uhr).
Später entwickelten die POINT-Macher, nachdem ihre Sendung auf 18 Uhr verlegt worden war, neue Konzepte. So die zweistündige Sendung Doppel-POINT, eine zweistündige monothematische Sendung zu aktuellen und gesellschaftlich-politischen Themen und ab 1985 den Sunday-POINT, eine Sendung am Sonntagabend für die jüngeren Jugendlichen, mit Themen über die Schule, die erste Liebe und Popmusik. In der ersten Sendung war Nena zu Gast, die damals in den Achtzigern ihre Karriere begann. Seinen lobbyistischen Charakter für die Jugendlichen verlor POINT erst, als Hans-Peter Archner (seit 2004 Stellvertreter des Landessenderdirektors Baden-Württembergs) Mitte der Achtziger Jahre mit der Redaktionsleitung betraut wurde. Schritt für Schritt wurde POINT nun entpolitisiert zu einer musikorientierten Abendsendung mit einem immer geringer werdenden Wortanteil.

Musikalische Schwerpunkte

Traditionell war der Sonntagabend die Zeit, in der sich POINT überwiegend mit Musik beschäftigte. Populär bis 1984 war der von Günter Verdin entwickelte und moderierte POINT-Plattentest, bei dem Verdin neue Alben vorstellte, über die die Hörer dann im Laufe der folgenden Woche per Postkarte abstimmen konnten. So kam jeden Sonntag eine kleine Hitparade von fünf bis acht LPs zustande, die Günter Verdin dann spielte, bevor er eine neue Runde von Alben vorstellte, über die dann wieder abgestimmt werden konnte. Ab 1985 nannte sich die sonntägliche Ausgabe Sunday-POINT (s. o.). Der Nachfolger des Plattentests hieß Super Acht. Für viele unvergesslich ist das Jingle des Sunday-POINT, in dem vor Einsetzen der Jinglemusik eine weibliche Stimme auf Schwäbisch fragt „Wasch en da los eigentlich?“ und vier männliche Stimmen nacheinander mit Sunday-POINT antworten.

1975: Entwicklung des Mischprogramms

Südfunk 3 war in jener Zeit weit von einem Formatradio mit durchgängiger Musikfarbe entfernt. Morgens gab es nach wie vor Pop am Morgen (später umbenannt in Südfunk Spezial, dann in Pop Corner). Vormittags den Musikmarkt. Mittags folgten die Regionalmagazine, nachmittags POINT (am Wochenende Sport), dazwischen Schulfunk, Kinderfunk etc. und am Abend beendeten die Gastarbeitersendungen das Programm. Wer um diese Zeit noch eine Sendung mit Pop und Rock hören wollte, musste den Club 19 (meist von Günter Verdin oder Peter Kreglinger moderiert) auf Südfunk 2 zwischen 19 und 20 Uhr einschalten.

Discostudio 1995

Nach dem Umzug ins neue Stuttgarter Funkhaus am 10. März 1976 (es galt damals als das modernste Europas), konnten erstmals auch Sendungen aus einer Selbstfahrregie in Studio 7, dem so genannten „Discostudio“, abgewickelt werden (z.B. Pop am Morgen und Club 19). Mit der Einführung des Vollprogramms 1979 wurde dieses Studio wieder stillgelegt, denn es befand sich auf einem anderen Stockwerk und das Programm sollte nun komplett aus der Stammregie 11 gesendet werden. Eine Disco wurde etwas später wieder in Regie 11 eingebaut.

Mit dem Umzug ins neue Funkhaus war auch eine Abwicklung des Programms in Stereo möglich. Die Einführung der Stereofonie erfolgte nach Umbauarbeiten an den Sendern im Jahr 1977 testweise bis zum offiziellen Termin am 1. Januar 1978.

1. Oktober 1979: Durchgängiges Popradio

Als Konsequenz auf den wachsenden Erfolg des durchgängigen Programmkonzepts von SWF3 wurde unter dem neuen Namen Radio 3 Südfunk Stuttgart auch in Stuttgart eine Popwelle etabliert. In den ersten Jahren galt der größte Teil des Programms als sehr ambitioniert, die Zuhörerzahlen waren mäßig. Prägend waren kühle Moderationen und eine Musikauswahl, die besonders die Randbereiche berücksichtigte. Inhaltlich richtete sich Radio 3 meist an ein links-alternatives Publikum. Höhepunkt dieser Phase war 1981 die Besetzung des Sendestudios 11 durch die Stuttgarter Hausbesetzer-Szene, die sich gewaltsam nach 22 Uhr Zutritt in die Livesendung Schlaf-Rock mit Peter Kreglinger verschafft hatten, um ihre Parolen über den Sender zu verlesen. Dem Hauptschaltmeister gelang es jedoch, die ARD-Nachtversorgung auf das Programm zu legen und das Studio sofort vom Sendebetrieb abzutrennen. In der Folge wurde Radio 3 1982 umgestaltet. Um 12 und um 16 Uhr gab es aktuelle Stunden. Die Wunschsendung Plattenpost sorgte für Interaktion und mehr populäre Musik. Sonntags liefen die Tophits der deutschen Hitparade. Das Kurzhörspiel „Der Frauenarzt von Bischofsbrück“ entwickelte sich zu einem täglichen Renner, der sich auch als Buch bestens verkaufte. In dieser Zeit waren auch Gastmoderatoren wie Jürgen Domian (Deutsche Hitparade) und Daniel Kovac (Treff nach Zwei) zu hören. Mit diesem ersten Erfolg wurde das Programm zum 1. Januar 1985 stark umgebaut. Gravierendste Änderung: Aus der inzwischen eingeführten Bezeichnung Radio 3 wurde wieder Südfunk 3. Dafür wurden sogar extra zwei unterschiedliche Jinglepakete produziert. Außerdem hatten die Sendungen des Tagesprogramms ab sofort keinen Namen mehr, in der Zeit zwischen 10 und 17 Uhr wurden komplett neue Sendestrecken eingeführt und in der weiteren Folge die Frühsendung Pop Corner aus dem Discostudio gesendet. Herzstück der Reform war eine in diesem Discostudio gefahrene, vierstündige Nachmittagsshow (Doppelmoderation mit einem aktuellen Redakteur in der ersten und vierten Stunde, dazwischen Hitparaden, Pop-Interviews usw.). Zusätzlich sorgte eine Spielshow um 12 Uhr für mehr Unterhaltung. Und die Sendung Leute (damals noch unter der namenlosen Bezeichnung "Gäste im Studio" von 10 bis 12 Uhr) wurde aus der Taufe gehoben. Im Juni 1987 dann die Rolle rückwärts: alle Sendungen erhielten ihre Namen zurück und das konservativere Programschema von 1984 wurde wieder weitgehend eingeführt (u. a. entfiel die große Nachmittagsfläche, dafür bekamen die aktuellen Sendungen wieder eigene Sendeplätze).

Die Sendungen von Südfunk 3 wurden mittlerweile aus zwei unterschiedlichen Regien und drei Studios gesendet. Zum einen aus der bis dahin bekannten und üblichen Drei-Mann-Regie (die bisher genutzte Stammregie 11 für Moderator/Sprecher, Sendetechniker, Tontechniker), hauptsächlich für Wortsendungen (u. a. Leute und Heute im Stadion), zum anderen aus einem 1984 neu gebauten Discostudio (Selbstfahrregie) und zusätzlich wurden Sendungen ab dem 1.7.1985 aus dem SEKAMOS-Studio abgewickelt (beides in Regie 9 untergebracht). SEKAMOS steht für Sendeabwicklung mit Kassetten-Modulationsspeicher. Der Süddeutsche Rundfunk plante bereits Ende der 70er Jahre eine so genannte „Zentrale Abspiel-Regie (ZAR)“, aus der die Hörfunkprogramme (um technisches Personal zu sparen) künftig gemeinsam abgespielt werden sollten. Dazu wurde parallel für viele Millionen Mark der KAMOS (Kassetten-Modulationsspeicher) entwickelt (auf mechanischer und analoger Basis). Über diese Anlage waren etwa 36.000 Musiktitel über vier Spielertürme mit je vier Kassettenmaschinen automatisch verfügbar. Der Moderator konnte die Sendung (inklusive Beiträge) komplett über ein fast unübersichtliches großes Tastenmischpult selbst „fahren“. In zahlreichen Testsendungen wurden immer wieder Probleme mit der Mechanik bei den Kassettenmaschinen festgestellt, die man versuchte unter Kontrolle zu bringen. Deshalb sollten zunächst nur große Teile von Südfunk 3 mit der Programmreform zum 1. Januar 1985 über das SEKAMOS-Studio abgewickelt werden. Doch die Probleme traten immer wieder auf. In zahlreichen Sendungen kam es dadurch zu hörbaren Ausfällen. So musste schließlich der Wunsch, mehrere Programme über SEKAMOS-Studios bzw. eine Zentrale Abspiel-Regie abzuwickeln, aufgegeben werden. Das SEKAMOS-Studio wurde zwar noch für einzelne unproblematischere Sendungen genutzt, genauso wie das KAMOS-System für einzelne Musiktitel (inzwischen auch für andere SDR-Programme verfügbar). Doch mit der fortschreitenden Digitalisierung Ende der 80er Jahre war das Ende von SEKAMOS und KAMOS besiegelt. Der Süddeutsche Rundfunk stieg, wie die anderen ARD-Anstalten, zu Beginn der 90er Jahre in die digitale Musikabwicklung ein.

Tonstudio 1995

1. April 1988: Der Wilde Süden entsteht

Aus dem Südfunk wurde der SDR, Hans-Peter Archner neuer Wortchef und Matthias Holtmann neuer Musikchef. Beide begannen, das Programm unter dem abermals neuen Namen SDR3 inhaltlich neu auszurichten. Am Programmgerüst änderte sich jedoch nichts. Unterstützt wurden die Maßnahmen ab Januar 1989 erstmals mit einer großen Plakat- und Zeitungswerbekampagne und mit dem Slogan SDR 3 – Radio für den Wilden Süden. Ein Schlüsselereignis war dabei die im selben Jahr während der Sommerferien durchgeführte Megahitparade Top 1000x. Die Bezeichnung „Wilder Süden“ für das Sendegebiet von SDR 3 erwies sich als ein genialer Schachzug, auch gegenüber der Konkurrenz von SWF3. Beides zusammen führte zu einer bis dahin nie dagewesenen Identität zwischen Hörer und Sender und zu jährlich steigenden Hörerzahlen, was im damals beginnenden Privatradio-Zeitalter keiner anderen ARD-Popwelle gelang. Wenig später gründete sich schließlich der „SDR 3 Club Wilder Süden“, Clubchef wurde Michael Schlicksupp, der zuvor seine Heimat in der SDR-Sportredaktion und als Fernsehmoderator von Sport im Dritten verloren hatte. Die Kommerzialisierung der dritten Welle des SDR begann. Der große Hörerzuwachs in dieser Zeit war sicher mit ein ausschlaggebender Punkt, dass eine vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth ins Spiel gebrachte Fusion zwischen SDR und SWF verhindert werden konnte. Die durchaus konkreten Pläne der Landesregierung hätten schon damals ein Ende von SDR 3 bedeutet und einen insgesamt noch größeren Verlust an Abteilungen am Standort Stuttgart als heute. Statt dessen kam die „arbeitsteilige Kooperation“ der beiden Anstalten, die lediglich eine Übernahme der SWF3-Nachtsendungen für SDR 3 bedeutete (die aber 1993 wieder abgeschafft wurde). Im Zuge dieser Kooperation gab es Anfang der 90er Jahre nochmals eine kleinere Programmreform, die – durch die Einführung des gemeinsamen 4. Hörfunkprogramms S4 Baden-Württemberg – eine Neusortierung aller SDR- und SWF-Programme zur Folge hatte. Dabei wanderten u. a. die Sportsendungen von SDR 3 zu SDR 1 und SDR 2 und SWF 2 kooperierten als gemeinsames Programm unter dem Namen S2 Kultur.

Mit dieser Programmstruktur und nur wenigen personellen Umbesetzungen sendete SDR 3 dann bis zur Fusion 1998.

1998: Das Ende von SDR 3

Das sich Ende 1996 abzeichnende Aus des Programms führte zu Protesten bei den Hörern im Sendegebiet, die aber das Ende von SDR 3 nicht verhinderten, sondern nur erreichen konnten, dass einige wenige Elemente (u. a. Leute) im neu gegründeten Programm SWR1 Baden-Württemberg beibehalten wurden.

Der Nachfolger SWR3 schaffte es zunächst nicht, die Programmqualität des Vorgängers zu erreichen. Die SDR-3-Hörer konnten sich an das übergestülpte SWF3-Sendekorsett nicht so recht gewöhnen. Dies änderte sich auch nicht dadurch, dass es für die Region Stuttgart in den ersten Jahren nach der Fusion ein eigenes tägliches Lokalfenster Metro Stuttgart gab. Dieses diente in erster Linie als Beschäftigungsmaßnahme für ehemalige SDR-3-Moderatoren, die nicht in einem der anderen Programme untergebracht werden konnten. Fast alle Stuttgarter Moderatoren wurden im SWR3-Programm auf unattraktiveren Sendeplätzen versteckt und wanderten schließlich, auch noch Jahre nach der Fusion, zu SWR1 Baden-Württemberg ab.

Resümee

SDR 3, beziehungsweise die Erinnerung an SDR 3, besitzt unter seinen damaligen Hörern im ehemaligen Sendegebiet nach wie vor Kultstatus. Und dies nicht nur aufgrund seiner Sendungen, Musikauswahl und Moderatoren, sondern auch wegen zahlreicher Aktionen wie den Hörerhitparaden Top 1000 X (1989), TOP 2000 D (1990 zusammen mit DT64, dem Jugendsender der DDR), TOP 1000 XL (1994), dem Faschingsradio (mit der ungewöhnlichsten Musikzusammenstellung), dem 6-Tage-Radio, dem 3-Länder-Radio (zusammen mit Ö3 und Rai Sender Bozen). Weitere in der Erinnerung lebende Höhepunkte von SDR 3 waren die Sendungen Dr. Music, eine Quizshow, nicht nur zu Musikfragen („Nenne mir doch mal 20 ehemalige US-Präsidenten“), Club-Radio, eine Sendung, in der sich Vereine, Klassen etc. vorstellen und das Musikprogramm gestalten konnten, die Plattenpost und die Hörerhitparade Die wilden 20.

Einige SDR-3-Sendungen wurden nach der Fusion von SWR1 Baden-Württemberg übernommen, haben dort aber aufgrund der Durchformatierungen der SWR-Programme viel von ihrer Qualität eingebüßt: Flashback (alias Samstags Der Nachmittag), Playtime (alias Sonntags Der Nachmittag), Faschingsradio und in unregelmäßigen Abständen eine große Hitparade. Einzig und fast unverändert übrig geblieben ist Leute mit den Moderatoren Wolfgang Heim und Stefan Siller.

Hörerbindung

Einen besonderen Anteil am Erfolg von SDR 3 hatte auch die Hörerbindung, welche SDR 3 durch viele Vor-Ort-Aktionen, Hörspiele, die die Hörer selbst beeinflussen konnten, forcierte. Es gab nur sehr wenig, ausgesuchte Comedy (Termin bei Zahnarzt Dr. Sonntag, Frau Kächele und Frau Peters, Indiana Horst), Radioserien (Schwabensaga, Larissa 42) und Hörspiele (Philip Maloney).

Moderatoren

SDR 3 hatte viele bekannte und bei den Hörern beliebte Moderatoren. Wegweisende Sendeformate und Sendungen entwickelten folgende Moderatoren:

  • Rüdiger Becker (entwickelte POINT 1978 weiter und machte die Sendung zu Beginn der 80er Jahre zur Kultsendung bei Jugendlichen; heute Moderator bei WDR 3)
  • Gisela Böhnke (erste Moderatorin; entwickelte Ende 1981 die Sendung Snackbar mit; moderierte 1980 im achten Schwangerschaftsmonat ihre erste Livesendung vom Stuttgarter Fernsehturm, die auch in Südwest 3 ausgestrahlt wurde; heute Musikchefin von SWR4)
  • Michael Branik (1980/81 Erfinder und Moderator der Plattenpost, Vorläufer einer Call-in-Sendung; heute bei SWR4 Moderator der Sendung Schlagerkarussel)
  • Norbert Haupt (war 1985 der einzige Rundfunkmoderator in Deutschland, der sich weigerte, die Lieder von Modern Talking in seinen Sendungen zu spielen)
  • Stefan Siller (entwickelte und moderierte die Top Tausend X; studierter Journalist; entwickelte zusammen mit Wolfgang Heim die Sendung Leute, die noch heute in SWR1 läuft)
  • Matthias Holtmann (SDR-3-Musikchef von 1988 bis 1998, heute SWR1-Moderator)
  • Klaus Jost (der „Dr. Music“; heute Musikredakteur bei SWR1)
  • Peter Kreglinger (Film- und Kino-Rezensent bei SDR 3; war bekannt für seine gnadenlose Kritik aller in Stuttgart laufenden Filme, inzwischen im Ruhestand)
  • Friedemann Leinert (Erfinder der Sendung Treff nach Zwei, die sich als Musikmagazin verstand, in dem dennoch der Wortanteil bei 50 Prozent lag; hier lief die Musik, die auch auf AFN Stuttgart gespielt wurde; Leinert betreibt heute seine eigene Plattenfirma „Blue Flame“ in Stuttgart, er spielt Querflöte und veröffentlicht seine Musik unter dem Pseudonym Lenny McDowell)
  • Thomas Roth (Volontär und freier Mitarbeiter bei POINT, bevor er zum SDR-Fernsehen (Abendschau) wechselte. Später war er ARD-Fernsehkorrespondent in Moskau, Hörfunkdirektor beim WDR und ist nun Leiter des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin.)
  • Thomas Schmidt (Co-Moderator der Top Tausend X; Erfinder vieler Spielsendungen; heute bei SWR1 Moderator von Guten Morgen Baden-Württemberg)
  • Günter Verdin (erster Moderator von Radio 3 Südfunk Stuttgart 1979; heute SWR4-Moderator und Produzent von Mathias Richling)
  • Michael Weber (mit POINT u. a. UNDA-Radiopreis der deutschsprachigen Länder, heute Fernsehredakteur und Autor von Reisereportagen/Fernsehfeatures)

Programmschemata

Südfunk 3 (1977)

Samstag

06:00 Nachrichten und Service
06:05 Pop am Morgen mit:
— 07:00 Nachrichten und Service
— 07:25 Morgengymnastik
— 07:30 Nachrichten
— 07:40 Melodie und Rhythmus
— 08:30 Kurznachrichten
— 08:57 Schaltpause
09:00 Kurznachrichten
09:03 Reisewetterbericht
09:07 Music Hall mit Alf Tamin
10:00 Kurznachrichten
10:03 Popjazz
11:00 Kurznachrichten
11:03 Erinnern Sie sich mit Ursula Herking
11:45 Sprechstunde – Beratung für Schüler und Eltern
12:00 Kurznachrichten
12:03 Swing Souvenirs mit Günter Freund
13:00 ausführliche Nachrichten
13:07 Regionalprogramm Ost: Das Mittagsmagazin aus Stuttgart
13:07 Regionalprogramm West: Neues auf 99,9
14:00 Regionalreport
14:30 POINT
16:00 Heute im Stadion – Reporter berichten
18:00 Jazz für jedermann
19:00 Gastarbeiterprogramm mit:
— 19:00 italienisch
— 19:40 spanisch
— 20:20 griechisch
— 21:00 türkisch
— 21:40 serbokroatisch
22.20 Sendeschluss

Radio 3 Südfunk Stuttgart (1982–1984, tagsüber)

Montag bis Freitag

06–09 Popcorner
09–12 Kramladen
12–13 Aktuell
13–14 Snackbar
14–15 Treff nach Zwei [erst ab 1985 wurde die Sendung auf zwei Stunden ausgeweitet]
15–17 Radio Drive
17–18 Plattenpost
18–20 POINT

SDR 3 1993

Montag-Freitag

04–05 Popfit
05–08 Popcorner (5:30 Schlagzeilen; 5:53 Auf ein Wort)
08–10 Tip (8:15 Pollenflug)
10–12 Leute
12–13 Aktuell
13–14 Club-Radio [zuvor Espresso]
14–16 Treff
16–17 Aktuell
17–18 Plattenpost [hieß zeitweise Hörermusikwünsche, wurde dann wieder umbenannt]
18–20 POINT (18:30 Sport)
20–22 Mo: Dr. Music / Di-Fr: Saloon
22–00 Schlafrock (23:55 Wort zur Nacht)
00–04 SWF3 Lollipop [ab 1994 wieder ARD-Popnacht]

Samstag

00–05 ARD-Popnacht (von SDR 3)
06–08 Popcorner
08–10 Tip
10–12 Leute
12–13 Aktuell
13–15 Die Hitparade
15–18 Heute im Stadion
18–20 POINT (18:30 Sport)
20–23 Fete (22:20 Sport)
23–02 Schlafrock

Sonntag

02–05 ARD-Popnacht
05–08 Popcorner (5:53 Auf ein Wort)
08–09 Songs um acht
09–12 Schaufenster
12–13 Aktuell
13–18 Playtime
18–22 Sunday-POINT – Die wilden 20 (18:30 Sport) [zuvor nur bis 20 Uhr]
22–00 Schlafrock (22:20 Sport; 23:55 Wort zur Nacht)

Das letzte SDR-3-Programmschema im Frühjahr 1998

Montag-Freitag

05–08 Popcorner (5:53 Auf ein Wort)
08–10 Tip
10–12 Leute
12–13 Aktuell
13–14 Club-Radio
14–16 Treff
16–17 Aktuell
17–18 Plattenpost
über Heidelberg 99,9 MHz, Weinheim 99,5 MHz, Eberbach 94,2 MHz und Buchen 94,1 MHz:
Plattenpost regional aus dem Clubhouse im Heidelberger Hauptbahnhof
18–22 POINT (18:30 Sport)
ab 22 Uhr Übernahme SWF3

Samstag

06–08 Popcorner
08–10 Tip
10–12 Leute
12–13 Aktuell
13–15 Flashback
15–18 Topline
18–22 POINT (18:30 Sport)
ab 22 Uhr Übernahme SWF3

Sonntag

05–08 Popcorner (5:53 Auf ein Wort)
08–09 Songs um acht
09–12 Schaufenster
12–13 Aktuell
13–18 Playtime
18–22 Sunday-POINT – Die wilden 20 (18:30 Sport)
ab 22 Uhr Übernahme SWF3