Reporter ohne Grenzen
Reporter ohne Grenzen - ROG (franz. Reporters sans frontières – RSF) ist eine international tätige Nichtregierungsorganisation, die über die Pressefreiheit auf der ganzen Welt informiert, gegen Zensur kämpft und öffentlichen Druck für in Haft geratene Journalisten erzeugt. Dabei beruft sie sich auf den Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Gegründet wurde die Organisation 1985.
Organisation und Finanzierung
ROG verfügt über ein internationales Sekretariat in Paris, neun europäische Ländersektionen und fünf Länderbüros in Nordamerika und Asien. Darüber hinaus arbeiten ROG mit 130 Korrespondenten auf allen Kontinenten sowie 14 regierungsunabhängigen Partnerorganisationen zusammen.
RGO verfügt über ein jährliches Budget von über 4 Millionen US-Dollar.[1] Im Jahr 2005 finanzierte sich die internationale Organisation zu 53% aus selbstgenerierten Quellen wie Auktionen, Kalenderverkäufen und den Erlösen der zweisprachigen Bildbände "Fotos für die Pressefreiheit". 27% des Haushaltes stammten von insgesamt 12 Institutionen, Unternehmen, Stiftungen und Medien. Der Anteil lag im Vergleich zum Jahr 2004 (10%) viel höher wegen der Zuschüsse für das 20-jährige Jubiläum der Organisation in Paris. Die öffentliche Förderung durch die EU machte 10% aus.
Nach Recherchen der WDR-Journalisten Elke Groß und Ekkehard Sieker wird RoG u.a. von dem US-Multimilliardär George Soros finanziert (der bereits die polnische Gewerkschaft Solidarność mit Millionen US-Dollar unterstützte) sowie von National Endowment for Democracy, die ihrerseits ihre Gelder zu über 90 Prozent aus dem US-Staatshaushalt bezieht.[2]
Zu den Finanziers von RGO zählen auch der Rüstungsindustrielle und Medienzar Frankreichs Serge Dassault, der Medienkonzern Vivendi und der Milliardär François Pinault.[1]
Die deutsche Sektion arbeitet seit 1994 und finanziert sich nach eigenen Behauptungen ausschließlich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und den Erlösen der jährlich publizierten Bildbände "Fotos für die Pressefreiheit".
Am Tag der Menschenrechte zeichnet ROG seit 1992 kritische Reporter mit einem Menschenrechtspreis aus. 2002 ging er an Grigori Pasko, 2004 an den marokkanischen Karikaturisten und Journalisten Ali Lmrabet, an Michèle Montas aus Haiti und die afrikanische Tageszeitung Daily News. 2005 ging der Preis an Massoud Hamid aus Syrien, an Zhao Yan aus China, an Tolo TV, ein unabhängiger Fernsehsender in Afghanistan, und an die Nationale Union der somalischen Journalisten. Im Jahr 2006 wurden der Journalist Win Tin aus Myanmar, die russische Zeitung Nowaja Gasaeta, die kongolesische Journalistenorganisation "Journaliste en danger" (JED) sowie der Cyberdissident Guillerm Farinas Hernández aus Kuba für ihren Einsatz für Meinungs- und Pressefreiheit ausgezeichnet. Seit einigen Jahren verleiht ROG auch einen eigenen Weblog-Award bei The BOBs.
Das Motto der Organisation lautet „Keine Freiheit ohne Pressefreiheit“. Allerdings nimmt RoG dabei eine äußerst unkritische Haltung gegenüber den westlichen Ländern, z.B. Frankreich ein. RoG-Generalsekretär Ménard im Jahre 2001 auf die Frage, warum RoG mit keinem Wort die Pressekonzentration in Frankreich kritisiert (die doch wohl die Pressefreiheit erheblich einschränken kann: Damit würden wir das Risiko eingehen, einige Journalisten zu verstimmen, uns die großen Pressebarone zum Feind machen und uns den Zorn der Wirtschaft zuziehen. Aber um in die Medien zu kommen, brauchen wir die Mi6thilfe der Journalisten, die Unterstützung der Pressebarone und das Geld der Wirtschaft". Das Ergebnis dieser Denkweise ist offenbar eine Konzentration der Kritik auf Länder wie Kuba, Belorussland, Rußland, China usw., während die Selbstzensur vieler westslicher Journalisten nicht thematisiert wird.l Im Dezember 2005 wurden ROG von dem Europäischen Parlament mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet; im Juli 1997 erhielt die Organisation den „Preis für Journalismus und Demokratie“ der OSZE.
Media Freedom Index
ROG gibt jährlich den Media Freedom Index, eine Rangliste zur Medienfreiheit auf der Welt, heraus. Er wurde erstmals 2002 veröffentlicht. Der Index wird auf der Grundlage eines Fragebogens erstellt, der von den ROG-Partnerorganisationen, ROG-Korrespondenten sowie Journalisten, Forschern, Juristen und Menschenrechtsaktivisten auf der ganzen Erde beantwortet wird.
ROG fragt nach gewalttätigen Übergriffen, Morden oder Verhaftungen, aber auch nach indirektem Druck gegen die Pressefreiheit in 167 Ländern der Erde. ROG weist darauf hin, dass der Index nur den Grad der Pressefreiheit, nicht aber die Qualität des Journalismus in den einzelnen Ländern misst. Der Index beurteilt auch den Druck von regierungsunabhängigen Organisationen wie der ETA in Spanien.
Der Media Freedom Index hat immer wieder festgestellt, dass Journalisten in den nordeuropäischen Länder Finnland, Irland, Island, den Niederlanden und Tschechien die größten Freiheiten genießen. Nordkorea, Turkmenistan, Eritrea, Kuba, Myanmar, China, Iran, Saudi-Arabien und Äthiopien dagegen unterliegen am stärksten der Zensur und Lenkung.
Die Schweiz lag 2004 zusammen mit sieben anderen Staaten auf dem 1., Deutschland auf dem 11., Österreich auf dem 17. und die USA auf dem 22. Platz.
Im Rating Media Freedom Index 2006 liegt die Schweiz auf dem 8., Österreich auf dem 16. und Deutschland gemeinsam mit Jamaika auf dem 23. Platz.
Nach der am 23. Oktober 2006 veröffentlichten Studie zur weltweiten Situation der Pressefreiheit durch die Organisation ist Deutschland von Platz 18 unter 166 untersuchten Staaten auf Rang 23 abgefallen. Die Platzierung Deutschlands war vor allem das Ergebnis des Eingeständnisses des BND, Journalisten über Jahre hinweg illegal überwacht zu haben. Aber auch Redaktions- und Hausdurchsuchungen, das inzwischen eingestellte Verfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat gegen zwei Journalisten und Morddrohungen gegen einen Karikaturisten des Tagesspiegel sowie den zum Teil immer noch erschwerten Zugang zu Daten haben dazu beigetragen. Die Schweiz fiel aufgrund der juristischen Verfolgung zweier Medien um sieben Plätze zurück. [3]
Auf den ersten Platz rangieren Finnland, Irland, Island und die Niederlande, auf dem letzten Platz liegt Nordkorea.
Journalisten als Opfer
Weltweit
Laut ROG wurden 2005 während und/oder wegen ihrer Arbeit 63 Journalisten sowie 5 Medienmitarbeiter ermordet. 807 Journalisten wurden in diesem Jahr inhaftiert und per 1. Januar 2006 saßen laut Angaben von ROG 126 Journalisten und 70 Internetdissidenten hinter Gittern. Registriert hat die Organisation zudem 1.307 Attacken oder Bedrohungen gegen Journalisten und 1.006 Fälle von Zensur. Der am längsten im Gefängnis sitzende Journalist ist laut ROG der Libyer Abdullah Ali al-Sanussi al-Darrat, welcher seit 1973 inhaftiert ist.
Nach einer am 31. Dezember 2006 herausgegebenen Bilanz der Hilfsorganisation Reporter ohne Grenzen war das Jahr 2006 insgesamt eines der gefährlichsten Jahre für Journalisten seit Beginn ihrer Erhebung: In 21 Ländern wurden 81 Medienvertreter in Ausübung ihres Berufes getötet. Außerdem wurden 56 Reporter Opfer von Entführungen, in erster Linie im Irak und im Gazastreifen. Darüber hinaus kamen 32 Mitarbeiter von Medienvertretern (Fahrer, Übersetzer und Techniker) bei ihrer unterstützenden Arbeit ums Leben. Dabei war der Irak erwartungsgemäß zum vierten Mal hintereinander das gefählichste Land für Journalisten mit 64 Opfern, gefolgt von Mexiko mit neun und den Philippinen mit sechs Toten.[4]
Irak
Atwar Bahjat wurde während der Berichterstattung zum Anschlag auf die Goldene Moschee am 22. Februar 2006 in Samarra dort ermordet. Sie war Sunnitin und sie wollte sich in dem Konflikt nicht auf eine Seite schlagen. Zuletzt arbeitete sie für al-Arabija. Acht Mitarbeiter hat al-Arabija seit Beginn der US-geführten Invasion im Jahr 2003 im Irak verloren – getötet von amerikanischen Truppen oder Aufständischen. Über 120 tote Journalisten wurden seit Kriegsbeginn insgesamt im Irak gezählt (Stand Mai 2007).
Libyen
Am 24. Juli 2003 wurde die Organisation für ein Jahr von der Teilnahme an Sitzungen der Vereinten Nationen ausgeschlossen, weil sie im März mit Flugblättern dagegen protestiert hatte, dass Libyen den Vorsitz in der UN-Menschenrechtskommission übernahm. 27 Länder stimmten dafür und 23 dagegen bei vier Enthaltungen.
China
Reporter ohne Grenzen kritisiert in einem Bericht die massiven Internet-Sperren und die selektive Zugänglichkeit von Information über das Internet in China. Betroffen seien insbesondere Informationsangebote der Firmen Yahoo, MSN, Ebay und Google, deren Management sich aus wirtschaftlichen Interessen der Regierungszensur anpasse.
Kritik
Kritiker werfen ROG eine selektive Berichterstattung der Diskriminierung von Journalisten vor. Die Auswahl der Länder würde sich an der Trefferliste des US-State Department orientieren (Iran, Syrien, Nordkorea) jedoch jegliche Berichterstattung bezüglich gegen Journalisten gerichtete Aktivitäten in mit den USA verbündeten Ländern oder den USA selbst ausschließen.[5]
Quellen
- ↑ a b José Manzaneda: Reporteros sin fronteras... morales 10/02/06
- ↑ Tageszeitung junge Welt: Mission Desinformation 01.08.2007
- ↑ reporter-ohne-grenzen.de: In Europäischer Union wachsen Unterschiede
- ↑ Die Zeit: Medien: Schwarzes Jahr für Journalisten, 31. Dezember 2006
- ↑ Volker Bräutigam: Reporter ohne Scham-Grenzen, 4. Mai 2006
Literatur
- ROG-Report. seit April 2002 (erscheint vierteljährlich; vormals 43 Ausgaben unter dem Namen Rundbrief von 1994 bis 2001)
- Fotos für die Pressefreiheit. taz-Verlag, seit 2003 (erscheint jährlich; vormals unter dem Namen 100 Fotos für die Pressefreiheit von 1994-2002)
Weblinks
- Reporter ohne Grenzen International (engl., franz., span.)
- Reporter ohne Grenzen Deutschland
- Reporter ohne Grenzen Österreich
- Media Freedom Index 2002-2004 (Deutsch), Media Freedom Index 2005 (engl.) und Media Freedom Index 2006 (Deutsch)
- Pressefreiheit international
- Ralf Streck: Reporter ohne Grenzen im Dienste des US-Außenministeriums? Telepolis 8. Mai 2005
- Carolina Cositore: Reporters Without Britches : Reporters Without Borders Caught with Their Pants Down ZNet, 12. Februar 2005, (Artikel über die politischen und finanziellen Hintergründe von Reporter ohne Grenzen)
- Diana Barahona: Reporters Without Borders Unmasked : Its Secret Deal with Otto Reich to Wreck Cuba's Economy Counterpunch, 17. Mai 2005
- Mission Desinformation Artikel in der Zeitung junge Welt, 1. August 2007