Zum Inhalt springen

Otaku

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Oktober 2004 um 12:50 Uhr durch X7Hell (Diskussion | Beiträge) (Verschiedenes). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Mit Otaku bezeichnet man in Japan Leute, die ihrem Hobby mit für manche schon besorgniserregendem Enthusiasmus nachgehen, und sich in ihrem gewählten Gebiet daher extrem gut auskennen, bzw. eine beeindruckend große Sammlung haben. Otaku wird oft austauschbar mit dem Wort Mania (kurz für engl. Maniac) verwendet, also eine Art Extrem-Fan oder Freak. Die Interessen von Otaku sind meist sehr abgehoben vom Alltag (z.B. Manga, Anime, Science-Fiction, Pop-Idole), und es mangelt ihnen deswegen nicht selten an sozialer Kompetenz (vergleiche Nerd).

Im Westen bezeichnet man mit Otaku Fans japanischer Popkultur, besonders Manga und Anime.

Etymologie

Das Wort Otaku (jap. お宅) bedeutet Ihr Haus oder Ihre Familie und wird im Japanischen als höfliche Anrede verwendet, vergleichbar mit Sie im Deutschen. Der moderne Gebrauch im Sinn von Fan/Nerd geht auf eine Modeerscheinung unter Anime- und SF-Fans Anfang der 80-er Jahre zurück. Die Anime-Serie Superdimensional Space Fortress Macross von 1982 erfreute sich großer Beliebtheit, und einige ihrer Fans ahmten einen Sprachtick von Figuren aus dieser Serie nach, sich gegenseitig übertrieben höflich mit Otaku (Sie) anzureden. Dieser scherzhafte Gebrauch verbreitete sich dann unter Manga/Anime-Fans allgemein und entwickelte sich zu einer regelrechten Modeerscheinung.

Als Bezeichnung für die Fans selbst wurde Otaku (jap. おたく, オタク, ヲタク) wahrscheinlich zuerst von Nakamori Akio in seiner Kolumne Otaku no Kenkyū (Otaku-Forschung) des Magazins Manga Burikko benutzt (dieser Gebrauch ist ein Wortspiel: sagt man dem Tick folgend dein Buch heißt das otaku no hon, was man aufgrund der Mehrdeutigkeit der japanischen Grammatik auch als Buch von Otaku deuten kann. Er interpretierte das Wort also nicht als Pronomen, sondern als Namen, mit denen die Fans sich ansprachen.) In der Kolumne beschrieb er einen Typus von männlichen Fan, der zu seinen Lieblingsserien eigene Geschichten oder Comics verfasst (siehe auch Fan Fiction, Dōjinshi, Fanzine), sich als seine Lieblingsfigur verkleidet (siehe auch Cosplay), und sich auf Veranstaltungen wie dem Comic Market (abgekürzt Comiket) mit Gleichgesinnten trifft. Seine Eindrücke von diesen Fans, wie sie ihm auf dem Comiket begegneten, waren sehr negativ; er beschreibt sie als unsportliche Stubenhocker, entweder unter- oder übergewichtig, Brillenträger, wahrscheinlich wenig beliebt in der Schule, und trifft damit die typischen Nerd-Klischees.

Das Otaku-Phänomen als gesellschaftliches Problem

Der breiten Masse wurde dieser neue Term Otaku vor allem durch den Fall des Serienmörders Miyazaki Tsutomu bekannt, der Ende der 80er Jahre 4 sehr junge Mädchen im Alter zwischen 4 und 7 Jahren mißbraucht und ermordet hat. Miyazaki hatte eine riesige Videosammlung (über 5800 Kassetten, darunter viele Gewaltvideos), und konnte offensichtlich nicht mehr zwischen seinen Phantasien und der Wirklichkeit unterscheiden. Außerdem war er ein regelmäßiger Besucher der Comiket, hat selbst Fanzines/Dōjinshi hergestellt und verkauft, und wurde von den Medien daher als Otaku identifiziert. War das Wort Otaku bisher schon negativ als düsterer Stubenhocker konnotiert, wurde es jetzt auch noch synomym mit „potentieller Serienkiller”.

Die folgende öffentliche Diskussion über Otaku war lange Zeit überwiegend negativ: Otaku seien „unfähig normale zwischenmenschliche Beziehungen zu führen” und bezeichneten sich daher statt mit Namen mit der distanzierenden Anrede Otaku. Die Fixierung vieler Otaku auf junge Mädchen (der so genannte Lolita-Komplex), die bei Miyazaki schreckliche Ausmaße angenommen hatte, war ebenso suspekt wie das Interesse vieler weiblicher Comiket-Besucherinnen an sogenannten Homo Manga). Aufgrund des Ausmaßes des Otaku Trends bezeichnete man bald die komplette japanische Jugend als Otaku Generation. Neben der unterstellten kriminellen Energie der Otaku steht außerdem die Betonung ihrer individuellen Wünsche im Kreuzfeuer der Kritik. Individualismus ist in Japan eher negativ bewertet, und Otaku gelten dementsprechend als ich-bezogen und kindisch.

Erst in den 90er Jahren begannen Autoren wie Okada Toshio oder Nimiya Kazuko das Otaku-Phänomen als eine moderne und positive Jugendkultur zu interpretierten, und sich statt auf Ausnahmefälle zu beschränken mehr an die Realität anzunähern. Okada ist Otaku der ersten Stunde, gehörte zu der Clique die später das Animationshaus GAINAX gründete, und unterrichtete 1994-96 an der Universität Tokio sogenannte Otakologie und seine Theorie über Otaku-Kultur. Er befaßt sich dabei ausführlich mit den Auswirkungen der neuen Medien auf die Jugendkultur. Nimiya beschäftigt sich in erster Linie mit weiblichen Otaku, die zwar gut die Hälfte aller Besucher der Comiket ausmachen, von der Öffentlichkeit aber häufig ignoriert werden, und widerspricht damit der simplen Vorstellung vom Otaku als männlicher tickender Zeitbombe.

Bedeutungserweiterung

Anime und Manga gehören zwar zu den wichtigsten Themen auf dem Comic Market|Comic Market, jedoch sind nicht alle Dōjinshi Comics. Grundsätzlich sind es Fanzines, welche auch Erzählungen, Aufsätze, Interviews, Reviews usw. enthalten können. Dementsprechend sind auf der Comiket eine Vielzahl von ausgefallenen Hobbies vertreten, deren Anhänger man in verschiedene Sorten von Otaku unterscheiden kann. Es gibt z.B. Militär-Otakus (die sich für Uniformen begeistern, entsprechendes Cosplay machen oder am Wochenende im Wald Krieg spielen), PC-Otaku (nannte man früher Hacker), Fußball-Otaku (meist weibliche Fans von bestimmten Spielern), oder die klassischen Manga-Otaku (Manga/Anime Fans), Idol Otaku (Fans von Popsängerinnen), SF Otaku usw. Auch Leute, die nicht auf die Comiket gehen, benutzen das Wort Otaku, um sich so zu bezeichnen, z.B. als Fitness-Otaku, Geschichts-Otaku o.Ä. So gebraucht hat es keinerlei negative Konnotationen, man bringt lediglich zum Ausdruck, dass man sich hobbymäßig (d.h. nicht beruflich) mit einem Thema beschäftigt und sich darin sehr gut auskennt.

Gebrauch im Westen

Die selbsternannten Otaku GAINAX veröffentlichten mit Otaku no Video eine selbstironische Firmengeschichte in Anime-Form, die auch im Westen veröffentlicht wurde. Hiesige Manga/Anime-Fans übernahmen zunächst die Selbstbezeichnung Otaku in der Bedeutung Anime-Fan, ohne sich über die negativen Konnotationen bewusst zu sein. Mit zeitlicher Verzögerung erreichte die schlechte Presse der Otaku aber auch den Westen, und einige Fans sind davon abgekommen, sich selbst als Otaku zu bezeichnen. Ironischerweise sind Otaku in Japan heute nicht mehr so negativ bewertet, nicht zuletzt dank Meldungen über westliche Fans, die sich stolz selbst Otaku nennen, und dem allgemeinen großen Erfolg von japanischen Comics und Zeichentrickfilmen im Ausland.

Tatsächlich sind die Vorurteile gegenüber Otaku und Nerds nicht so verschieden, jedoch gebrauchen im Westen nur die Fans selbst den Term Otaku, und daher fast immer positiv. In Japan wird Otaku sowohl von den Fans wie auch den Kritikern benutzt, also mittlerweile sowohl positiv wie auch negativ.

Im Westen wird Otaku so gut wie immer im Sinne von Manga-Otaku verwendet.

Glossar

Aniparo

Jap. アニパロ. Kurz für Anime Parody. Bezeichnet ein Genre von Fanfiction, bei der Fans aus Zeichentrickfilmen bekannte Figuren in selbstgezeichnteten Comics oder Erzählungen auftreten lassen. Diese sind oft bloß dem Namen nach Parodien, um die Bezeichnung Plagiat zu vermeiden.
Aniparo sind häufig sexueller Natur, siehe auch Lolicon und Yaoi. Aniparo ist eng mit der Idee von Otaku_Kultur verbunden. Neben Zeichentrickfilmen dienen auch Comics oder Videospiele als Vorlagen.

Jap. コミックマーケット. Größter Markt für fanvertriebene Comics oder Dōjinshi. Traditionell ein Sprungbrett für Nachwuchskünstler, ist der Comiket seit dem Aufkommen von Aniparo Ende der 70-er Jahre in Verruf gekommen. Die Verlage betrachten Aniparo als Plagiate, und die Otaku als unoriginell.

Jap. コスプレイ. Das Verkleiden als Figur aus einem Manga, Anime oder Videospiel. Auch Verkleiden im weiteren Sinne.

Jap. 同人誌. Abkürzung für Dōjin zasshi (jap. 同人雑誌). Nichtkommerzielle, privat vertriebene Zeitschriften (siehe auch Fanzines). Dazu gehören auch von Fans verfaßte Comics oder Erzählungen.

Fujoshi

Jap. 腐女子. Wörtlich: verdorbene(s) Mädchen. Ein Wortspiel, das auf einem homonymen Wort für Frau (jap. 婦女子) basiert. Ironische Selbstbezeichnung der Leserinnen von Yaoi Dōjinshi. Das weibliche Gegenstück zum männlichen Otaku.

Moe

Jap. 萌え. Abgeleitet von moeru (jap. 萌える), d.h. erblühen. Bezeichnet die jeweiligen individuellen Interessen eines Otaku, also die Aspekte eines Werks, bei der sein Interesse erblüht. Das kann ein bestimmter Figurentyp, ein Zeichenstil oder auch ein bestimmtes Erzählmuster sein. Während man in der Populär-/Massenkultur versucht Werke zu produzieren, die ein möglichst großes Publikum, d.h. den Massengeschmack, ansprechen, eignen sich die in geringen Stückzahlen produzierten Dōjinshi dafür, die sehr spezialisierten Interessen der Otaku zu befriedigen.
Gegenteil: nae(ru) (萎える), verwelken.

Lolicon

Jap. ロリコン. Kurz für Lolita Complex. Anfang der 80-er in Mode gekommene Aniparo-Variante. Anders als bei Yaoi dienen hier keine schönen Jungs, sondern die jungen Heldinnen aus Zeichentrickfilmen als Vorlage. Lolicon Dōjinshi waren anfangs nicht sexueller Natur, entwickelten sich aber schnell zur Grundlage für erotische Manga.
Der Lolita Complex bzw. die Fixierung auf zweidimensionale Phantasie-Frauen ist eng mit dem Konzept des männlichen Otaku verbunden.

Otaku Kultur

Jap. オタク文化. Bezeichnet Aniparo, Dōjinshi, Cosplay usw.

Otaku Generation

Jap. オタク世代. Bezeichnet die Idee, daß die gesamte japanische Jugend aus Otaku bestehe. Anders als die vorhergehende Generation sei die Otaku Generation mit den neuen Technologien wie Video, Computern usw. aufgewachsen, und stelle als solche einen neuen Menschentypus (jap. 新人類) dar. Ähnlich wie Miyazaki Tsutomu hätten viele japanische Jugendliche immer weniger sozialen Umgang, der durch die Beschäftigung mit Computern ersetzt würde.

Otaku Stamm

Jap. オタク族. Siehe Otaku Generation.

Jap. やおい. Seit 1979 in Mode gekommene, früheste Form von Aniparo. Homoerotische Liebesgeschichten über männliche Figuren aus Zeichentrickfilmen. Sowohl die Autoren wie die Leser von Yaoi sind traditionell ausschließlich weiblich.
Landläufig werden Yaoi Dōjinshi auch als Homo Manga bezeichnet.

Literatur