Sekte
Eine Sekte (von lat. secta „Denkschule, Partei, Gefolgschaft“, zu sequī „folgen“[1], wohl nicht zu secare „abschneiden“) ist eine religiöse Gemeinschaft, die durch ein Schisma, die Abspaltung von einer bestehenden Kirche oder durch unabhängige Gründung (dann auch: neue religiöse Bewegung, neureligiöse Gemeinschaft, Kult) neu entstanden ist. Im Alltagssprachgebrauch wird der Begriff abwertend mit dem Beiklang der Absonderung von der übrigen Gesellschaft, geschlossene und hierarchische Struktur, Verlangen nach bedingungsloser Hingabe sowie Anwendung von psychischem Druck und struktureller Gewalt gebraucht.
Geschichte
In der Antike wurden als „Sekte“ zunächst diejenigen bezeichnet, die den Anschauungen eines bestimmten Philosophen folgten[2]. Die ersten Christen wurden als „Sekte der Nazarener“, eine Richtung des Judentums bezeichnet.
Paulus verwendete das Wort αἵρεσις (phon. „hairesis“, Streben, spätantik: philosophische Schule, Sekte) in seinen Briefen für Spaltungen innerhalb der Gemeinde (z. B. 1 Ko 11,19). Diese Spaltungen wurden von ihm negativ bewertet, ohne dass er dabei einer bestimmten Richtung unter ihnen den Vorzug gab.
In der Alten Kirche wurde der Begriff hairesis immer mehr für Abweichungen von der gemeinsamen Lehre der miteinander in Kommunion stehenden christlichen Gemeinden verwendet und im vierten Jahrhundert hatte er schließlich kirchlich die Bedeutung „Irrlehre“.
Dieser Begriff wurde von der lateinischen Kirche des Mittelalters als secta, Sekte, übernommen. So wurden die Protestanten als secta lutherana bezeichnet und auch im deutschen Sprachgebrauch sprach die katholische Kirche bis ins 20. Jahrhundert in manchen Texten von „Sekten“, wenn sie die evangelischen Kirchen meinte.
Heutiger Gebrauch des Wortes Sekte
Umgangssprachlicher Gebrauch
Im landläufigen Sprachgebrauch werden als Sekten oft religiöse Gruppen bezeichnet, die in irgendeiner Weise als gefährlich oder problematisch angesehen werden, oder die in orthodoxer theologischer Hinsicht als „Irrlehre“ angesehen werden. Dies umfasst auch lang bestehende christliche Gruppen, die sich in Lehre und/oder Praxis vom Herkömmlichen unterscheiden als auch neue Gruppen bezeichnet, insbesondere solche, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden sind und als Jugendsekten bezeichnet werden, weil sie anfänglich viele junge Mitglieder hatten.
Meyers Enzyklopädisches Lexikon von 1977 beobachtet zur Begriffsentwicklung: „Mit dem Wort ‚Secte‘ wird heute weitgehend die Vorstellung von etwas Abartigem, Gefährlichem, Widersetzlichem signalisiert.“
„Sekte“ wird oftmals als Kampfbegriff gebraucht.[3]
So wird so genannten Sekte häufig vorgeworfen, sie würden sich v. a. aus wirtschaftlichen Gründen als religiöse Glaubensgemeinschaften ausgeben, um den besonderen Schutz des Staates, größere Freiheiten und Rechte, sowie die Befreiung von Steuern zu genießen. Bekanntestes Beispiel dafür ist Scientology.
Vereinzelt geraten so genannte Sekten im Zusammenhang mit Gewaltaktionen in die Schlagzeilen. Besonders spektakuläre Beispiele sind:
- der Massenselbstmord der über 900 Mitglieder der Volkstempel-Sekte 1978 in Guyana,
- Mordanschläge gegen angebliche Widersacher durch Swami Omkarananda und einige Anhänger des von ihm gegründeten Divine Light Zentrum,
- die Church of the Lamb of God dessen Führer Ervil LeBaron in den 1970er Jahren ca. 25 Rivalen ermorden ließ,
- der Salmonellen-Anschlag 1984 auf mehrere Salatbars in der Kleinstadt The Dalles durch die Bhagwan-Sekte, bei dem ca. 750 Einwohner erkrankten,
- der bewaffnete Widerstand der Davidianer gegen die US-Behörden 1993, bei dem vier Polizisten und später über 80 Sektenmitglieder starben,
- die Massenselbstmorde innerhalb der Sonnentempler-Sekte, bei denen zwischen 1994 und 1997 in der Schweiz, in Kanada und in Frankreich insgesamt 74 Mitglieder ums Leben kamen,
- die Colonia Dignidad, in der Kinder missbraucht und politische Gegner gefoltert wurden,
- der Heaven's Gate-Massenselbstmord mit 39 Toten,
- am 17. März 2000 der Massenmord an Mitgliedern des Movement for the Restoration of the Ten Commandments of God in Uganda mit über 1000 Toten.[4]
- Yahweh ben Yahweh, Führer der Nation of Yahweh, verantwortlich für fast zwei Dutzend grausame Morde in den 80er Jahren.[5]
- Die Sekte von Jeffrey Lundgren, die 1989 eine fünfköpfige Familie umbrachte, die der Sektenführer für nicht "überzeugt" genug hielt. Lundgren wurde 2006 hingerichtet.[6][7]
Der größte Anschlag einer Sekte gegen Außenstehende in der modernen Zeit war das Giftgasattentat Ōmu Shinrikyōs in der U-Bahn von Tokio im Jahr 1995, bei dem zwölf Menschen starben und etwa 1000 verletzt wurden.[8]
Kontroversen
Das Thema Sekten führt auch immer wieder zu Kontroversen. Dabei stehen sich zwei Lager gegenüber: auf der einen Seite vorwiegend die, die sich auf die Religionsfreiheit berufen, und die wertende Einschränkung von religiösen Gruppen scharf verurteilen, mehrheitlich Vertreter von religiösen und weltanschaulichen Minderheitsgruppen und Verfechter der Religionsfreiheit, unter den Akademikern mehrheitlich Religionswissenschaftler, einige Soziologen und Juristen. Auf der anderen Seite finden sich diejenigen, die neureligiöse Gruppen scharf verurteilen, weil sie die Freiheit von Individuen beschneiden würden oder nach unkontrollierter gesellschaftlicher Macht streben, darunter Vertreter der großen Kirchen, Mitarbeiter staatlicher Stellen sowie Initiativen von betroffenen Familienangehörigen oder ehemaligen Mitgliedern, Psychologen, Soziologen, Politologen und Juristen.
Im Einzelnen drehen sich die Kontroversen häufig um mutmaßliche oder tatsächliche…
- Einschränkungen der Religionsfreiheit religiöser Randgruppen, etwa durch Kritik ihrer Praktiken und juristische Zwangsmaßnahmen
- Einschränkungen der religiösen Freiheit durch unterschiedliche Grade der gesetzlichen Anerkennung
- Einschränkungen der Meinungsfreiheit von Gruppenmitglieder
- Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Gruppenmitgliedern
- wirtschaftliche Ausbeutung der Mitglieder durch lange Arbeitszeiten und minimales Gehalt
- sexuelle Ausbeutung von Mitgliedern durch Gruppenführer
- Menschenrechtsverletzungen durch gruppeninterne, gerichtsähnliche Verfahren
- Personenkulte um die Anführer der betreffenden Gruppe
- Familienkonflikte, insbesondere bei Familien wo ein Elternteil die Gruppe verlassen hat und die Kinder in der Gruppe bleiben
- Behinderung von Kindern beim Zugang zu Ausbildung, ärztlicher Versorgung und Familienangehörigen außerhalb der Gruppe
- Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Gruppenmitglieder
In manchen Fällen werden solche Vorwürfe einseitig gegenüber religiösen Randgruppen erhoben, während das gleiche Verhalten bei etablierten Kirchen übersehen wird oder die Schuld Einzelpersonen zugewiesen wird, während bei religiösen Randgruppen die Strukturen dafür verantwortlich gemacht werden.
Aus staatlicher Sicht (Deutschland)
Die Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ verzichtete auf den Begriff Sekte mit folgender Begründung:
- „Wie häufig der Begriff ‚Sekte‘ auch umgangssprachlich verwendet werden mag, ist er doch sachlich unzutreffend und irreführend. … Er kommt von lateinisch sequi, folgen, und ist die Übersetzung von griechisch hairesis, Wahl, Gefolgschaft. Mit ihm wurden in der Antike zunächst diejenigen bezeichnet, die einem bestimmten Philosophen in seinen Anschauungen folgten. In der Geschichte des Christentums wurden damit die Gruppen bezeichnet, die außerhalb der allgemeinen Kirche einem bestimmten Glaubensführer und für abweichend erklärten Glaubenslehren oder Praktiken anhingen. Im Mittelalter (vgl. z. B. die Konstitution Ad Deus des Kaisers Friedrich II. von 1220) wurde das ‚widerspenstige Anhängen‘ an eine ‚Sekte‘ in Acht getan und mit dem Tode bestraft (vergleiche z. B. die Bamberger Halsgerichtsordnung von 1507, Artikel 30). Dadurch wurde aus einem religiösen Abweichen ein kriminelles Delikt, wie der protestantische Theologe Paul Tillich schrieb: Wer gegen das kanonisierte Dogma verstößt, (ist) nicht nur ein Häretiker, der den Grundlehren der Kirche widerspricht, sondern auch ein Verbrecher gegen den Staat. … Mit der Erklärung der Religionsfreiheit in den europäischen Staaten wurden solche Auffassungen und Einrichtungen abgeschafft. Das Grundgesetz kennt nur
- Religionen
- Religionsgesellschaften
- Religionsgemeinschaften;
- staatsrechtlich gibt es in dieser Beziehung keinen Unterschied zwischen Kirche und anderen religiösen Organisationsformen. Da außerdem der Begriff der 'Sekte' kaum von allem ihm durch die kirchliche Verlästerung angehängtem Beigeschmack, wie Max Weber forderte, gelöst werden kann, ist er äußerst fragwürdig geworden.“
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im Juni 2002 festgestellt, dass die Benutzung des Begriffs „Sekte“ in dem konkreten Fall der Klage der Osho-Bewegung gegen die Bundesregierung unbedenklich war: [9]
- „Zuzustimmen ist den angegriffenen Entscheidungen allerdings darin, dass diese Äußerungen, soweit mit ihnen die Osho-Bewegung und die zu ihr gehörenden Gemeinschaften als ‚Sekte‘, ‚Jugendreligion‘, ‚Jugendsekte‘ und ‚Psychosekte‘ bezeichnet wurden, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Diese Äußerungen berühren schon nicht den Schutzbereich des Grundrechts der Religions- oder Weltanschauungsfreiheit. Sie enthalten keine diffamierenden oder verfälschenden Darstellungen, sondern bewegen sich im Rahmen einer sachlich geführten Informationstätigkeit über die betroffenen Gemeinschaften und wahren damit die Zurückhaltung, zu welcher der Staat und seine Organe nach dem Gebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität verpflichtet sind.“
Wissenschaftlicher Gebrauch
Im rechtlichen, soziologischen und religionswissenschaftlichen Kontext wird das Wort heute nur noch selten verwendet.
Rechtswissenschaftlicher Gebrauch
Das Münchner Rechtslexikon schreibt zum Beispiel, der Begriff „Sekte“ habe in staatsrechtlicher Hinsicht seine Bedeutung verloren, da er eine negative theologische Beurteilung enthalte. Die früher als „Sekten“ bezeichneten Gruppen werden heute meist unter wertneutraleren Labeln wie „Neue religiöse Bewegungen“ oder „Alternativreligionen“ zusammengefasst. Kleinere, schlecht organisierte spirituelle Gruppierungen und Einzelpersonen werden bisweilen auch als „Anbieter am Lebenshilfemarkt“ bezeichnet.
Soziologische Definitionen
In der deutschsprachigen Soziologie ist Max Webers Sektenkonzept am bekanntesten. Weber unterscheidet Sekten von Kirchen anhand ihrer Rekrutierungsmechanismen: Sekten sind voluntaristische Gemeinschaften, in die man aufgrund einer persönlichen Entscheidung und nur nach eingehender Prüfung durch die Sekte aufgenommen wird. Im Gegensatz dazu sind Kirchen für Weber Anstalten, in die man hineingeboren wird.[10]
Ein anderer Ansatz von Peter L. Berger sieht in einer Sekte ein Organisationsmodell für den Selbstschutz kollektiver Minderheiten. Ihre weltanschauliche Basis ist eine Orthodoxie, die von einem ontologischen Wahrheitsbegriff (Niklas Luhmann) ausgeht: eine voraufgeklärte Orientierung, in der das Sein als unwandelbar und unvergänglich und nicht als kontingent (auf Wahrnehmung begründet) erkannt wird. Eine kommunikative Verständigung über die Grundlagen des Lebens gilt ihr als blasphemisch und gefährlich. Zur Vermittlung der „wahren Lehre“ benötigt sie organisatorisches Handeln und prägt über die indoktrinierende Institution nicht nur das Weltbild der einzelnen Menschen, sondern auch deren Sprache in einer Weise, die die Verständigung mit Aussenstehenden erschwert.[11]
Ein dritter einflussreicher[12] verwendeter Ansatz unterscheidet Sekten und Kulte von Kirchen auf der Basis ihrer Ideologien. Kirchliche Ideologien stehen dabei nicht im Konflikt mit ihrer gesellschaftlichen Umgebung, sondern affirmieren diese.[13] Sekten und Kulte weichen dagegen ideologisch deutlich von ihrer gesellschaftlichen Umgebung ab.[14] Zwischen Sekten und Kulten wird dabei auf der Basis des Entstehens der ihnen zugehörigen Ideologien unterschieden: Während Sekten, die aus bestehenden Religionsorganisationen hervorgehen, lange bestehende Glaubensbekenntnisse modifizieren, schaffen Kulte völlig neue Glaubenssysteme.[15]
Dabei definieren Bainbridge und Stark Religion als menschliche Organisation mit dem Ziel, auf übernatürlichen Annahmen basierende Kompensatoren für Deprivationen des Menschen bereitzustellen. Diese Bereitstellung erfolgt in drei Dimensionen:
- weltliche Dimension: Vergabe irdischer Privilegien, vorherrschend in Kirchen
- jenseitige Dimension: Spenden von Trost für Benachteiligte, vorherrschend in Sekten
- universelle Dimension: Erfüllung tiefster Wünsche jedes Menschen unabhängig von seiner sozialen Situation.
H. Richard Niebuhr machte die Beobachtung, dass Sekten, entstanden als schismatische Bewegung von grossen Kirchen, die Tendenz haben, ihrerseits Kirchen zu werden, womit sie aber viele Bedürfnisse ihrer Mitglieder nicht mehr erfüllen können, was zu erneuten Abspaltungen führt. Auf dieser Feststellung aufbauend, konstatieren sie ein Spannungsverhältnis zwischen Sekten und Gesellschaft, bei dem sich aber beide Pole ständig in Bewegung befinden, was zu einer gesellschaftlichen Etablierung vorher bewusst minoritärer Gruppen führen kann. Die Übergänge zwischen „Sekte“ und „Kirche“ sind in diesem Modell fliessend. „Kulte“ haben im Unterschied zu „Sekten“ eigene religiöse Wurzeln. Bainbridge und Stark unterscheiden drei Arten von Kulten:
- Publikumkulte ohne formale Organisation
- Klientenkulte mit formaler Organisation, die partielle Bedürfnisse abdecken
- Kultbewegungen mit formaler Organisation, die universale Bedürfnisse abdecken.
Die Gruppen werden nach Art der angebotenen Kompensatoren unterschieden: „Magische“ oder spezielle Kompensatoren versprechen die Manipulation der Umwelt für eigene Ziele, „religiöse“ oder allgemeine Kompensatoren bieten ein universales Welterklärungsmodell an. Diese Unterscheidung geht auf Emile Durkheim zurück. Magie floriert, wenn wissenschaftliche Mittel zu ihrer Überprüfung fehlen oder nicht akzeptiert werden. Sie kann aber keine Organisation aufrechterhalten. Auf Magie basierende Kulte können sich zu Kultbewegungen mit universalem Welterklärungsanspruch entwickeln, so ging Scientology z.B. aus einem psychotherapeutischen Selbsthilfesystem (Dianetik) hervor. Kultbewegungen provozieren, anders als unorganisierte Kulte, Widerspruch im gesellschaftlichen Umfeld.[16]
Eine psychologische Definition
Der amerikanische Psychiater Robert J.Lifton sieht in einer zu Beginn der 1980er Jahre verfassten Analyse Kulte als Ausdruck eines weltweiten Anwachsens von „Totalismus“ (der nicht mit politischem Totalitarismus gleichzusetzen ist) oder Fundamentalismus. Kennzeichen „totaler“ Kulte sind:
- ein charismatischer Führer, der in dem Mass zum Objekt der Verehrung wird, in dem die ursprünglich die Gruppe konstituierenden Prinzipien an Bedeutung verlieren
- “Gedankenreform“ (persuasion), diese ist nicht mit Gehirnwäsche identisch
- ökonomische, sexuelle oder andere Ausbeutung der Gruppenmitglieder durch den oder die Anführer
Zur Durchsetzung ihrer Ziele wenden Kulte dabei folgende Mittel an:
- Milieukontrolle :Kontrolle aller Kommunikation in einer bestimmten Umgebung
- Mystische Manipulation oder Geplante Spontaneität: Fasten, Chanten, Schlafentzug usw.
- Forderung nach Reinheit: radikale Trennung zwischen Gut und Böse in der Umwelt und in sich selbst
- Geheiligtes Wissen (sacred science): Behauptung wissenschaftlicher Anerkennung
- Veränderung der Sprache (loading the language): Heiligung bestimmter Worte
- Doktrin vor Person (doctrine over person): die Dogmen der Gruppe haben Vorrang vor der persönlichen Erfahrung.
- Leugnung der Existenzberechtigung Anderer (dispensing of existence): Wer die Wahrheit nicht erkannt hat, gilt als verworfen und hat in letzter Konsequenz keine Existenzberechtigung.
Den historische Kontext für das Entstehen fundamentalistischer Kultgruppen sieht Lifton zunächst im Verlust traditioneller Strukturen und Glaubenssysteme; insbesondere von symbolischen Strukturen, die den Übergang von einer Lebensphase zur nächsten markieren, z.B. Jugend – Erwachsenheit. Durch die Drohung mit der nuklearen Vernichtung entsteht ein zusätzliches Bedürfnis nach Transzendenz. Die neuen Kulte sind gleichzeitig radikal und reaktionär: Radikal, weil sie die Werte der westlichen Mittelklasse infrage stellen, reaktionär, weil sie vormoderne Autoritätsstrukturen reaktivieren. Sie sind gleichzeitig ein Ergebnis des „proteischen Selbst“, das sich durch ein ständiges Experimentieren mit Lebensentwürfen definiert, und ein Flucht daraus. Die Perspektive auf Kulte sollte zwei Dinge berücksichtigen: die Gefahr weltanschaulichen Fundamentalismus und die Notwendigkeit, bürgerliche Freiheiten zu sichern.[17]
Quellen
- ↑ Joseph Maria Stowasser, Lateinisch-deutsches Wörterbuch ("Der Stowasser"), 1894.
- ↑ Zwischenbericht der Enquète-Kommission des Deutschen Bundestages "Sogenannte Sekten und Psychogruppen", 1997
- ↑ Martin Kriele: „Sekte als ‚Kampfbegriff‘“ Frankfurter Allgemeine Zeitung 6. April 1994.
Hansjörg Hemminger: „Was ist eine Sekte?“, Evangelische Landeskirche in Württemberg - ↑ Massaker in Uganda, Tagesspiegel, 27. März 2000
- ↑ Former cult leader, self-proclaimed 'Black Messiah' seeks parole release, International Herald Tribune, October 6, 2006
- ↑ Cult leader who killed 5 sentenced to death, AP, 24. August 2006
- ↑ Sektenchef in den USA hingerichtet, Netzeitung, 25. Oktober 2006
- ↑ So long, Shoko, US News & World Report, September 19, 2006
- ↑ Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. Juni 2002, Az: 1 BvR 670/91
- ↑ z.B. Weber, Max: (1916) „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen, Hinduismus und Buddhismus“, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 41 (3): 613-744, S. 619.
- ↑ Peter L. Berger, Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft. Elemente einer soziologischen Theorie, Frankfurt 1988, cit. bei: Philipp Flammer, Die Auseinandersetzung um das Phänomen der „Sekten“, Lizenziatsarbeit am Soziologischen Institut der Universität Zürich 1994, Kap.5
- ↑ Stark, Rodney und William Sims Bainbridge 1979. "Of Churches, Sects, and Cults: Preliminary Concepts for a Theory of Religious Movements", Journal for the Scientific Study of Religion 18(2): 117-131, S. 123.
- ↑ Johnson, Benton. 1963. "On Church and Sect". American Sociological Review 28(4): 539-549, S. 542.
- ↑ Martin, Marty E. 1960. "Sects and Cults" Annals of the American Academy of Political and Social Science 332 125-134, S.126.
- ↑ Stark, Rodney (1986): “The Class Bases of Early Christianity: Inferences from a Sociological Model,” Sociological Analysis 47: 216-229, S. 217f.
- ↑ Stark, Rodney, Bainbridge, William Sims; The Future of Religion. Secularization, Revival and Cult Formation, Berkeley 1985; cit. bei Philipp Flammer, Kap.7
- ↑ Robert J. Lifton, Cult Formation, The Harvard Mental Health Letter, Volume 7, Number 8, February 1981
Siehe auch
Literatur
Nicht religiös
- Robert Jay Lifton, Terror für die Unsterblichkeit : Erlösungssekten proben den Weltuntergang. Hanser, München, Wien 2000
- Margaret Thaler Singer und Janja Lalich: Sekten. Wie Menschen ihre Freiheit verlieren und wiedergewinnen können. Heidelberg 1997
- Hugo Stamm: Sekten. Im Bann von Sucht und Macht. Zürich 1995, ISBN 3-268-00170-X
- Ken Wilber, Bruce Ecker und Dick Anthony: Meister, Gurus, Menschenfänger. Über die Integrität spiritueller Wege. Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-596-13825-6
- Ulrich Müller und Anne Maria Leimkühler: Zwischen Allmacht und Ohnmacht. Untersuchungen zum Welt-, Gesellschafts- und Menschenbild von neureligiösen Bewegungen. Regensburg 1993
Kirchlich
- Hans Baer, Hans Gasper, Joachim Müller: Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen Orientierungen im religiösen Pluralismus. Freiburg 2005, ISBN 3451282569
- Kurt-Helmut Eimuth: Die Sekten-Kinder. Freiburg 1997, ISBN 3451045397
- Rüdiger Hauth: Neben den Kirchen. Bd. 12 der Reihe Bibel, Kirche, Gemeinde. Christliche Verlagsanstalt, 2002, ISBN 3767380129
- Reinhart Hummel Religiöser Pluralismus oder christliches Abendland? Herausforderungen an Kirche und Gesellschaft. Darmstadt 1994, ISBN 3534117174
Sozialwissenschaftlich
- Benjamin Zablocki und Thomas Robbins: Misunderstanding Cults. Toronto 2001, ISBN 0-8020-8188-6 – fachübergreifende kontradiktorische Behandlung des Themenkomplexes (englisch)
- Hartmut Zinser: Der Markt der Religionen. München 1997
Weblinks
- Staatliche Stellen:
- „Alles Sekte – oder was?“ – Risiken und Nebenwirkungen PDF, ausführliche Broschüre der Berliner Senatsverwaltung.
- Kult & co Tirol
- Bayrisches Jugendamt: Checkliste zur Beurteilung des "Gefährdungspotenzials".
- Kirchliche Stellen:
- Confessio: Orientierung auf dem Markt der Religionen, umfangreiche Information über religiöse Gruppen Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen
- Das elektronische Informationssystem über Sekten, neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen in Deutschland
- Schweizer Evangelische Informationsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen
- Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) zentrale wissenschaftliche Studien-, Dokumentations-, Auskunfts- und Beratungsstelle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für die religiösen und weltanschaulichen Strömungen der Gegenwart
- Diözese Linz: Weltanschauungen und religiöse Gruppierungen – sehr umfangreiche, informative Seite mit Texten über sehr viele Gruppen
- Privatinitiativen:
- FECRIS Europäische Föderation der Zentren für Forschung und Information bezüglich des Sektenwesen, als NGO beim Europarat registriert
- Kirchen und Sekten in Österreich Pro-Religionsfreiheit, contra Kritik an religiösen Minderheiten, betrieben von einem Mitglied der Vereinigungskirche
- Gesellschaft gegen Sekten- und Kultgefahren Übersetzungen kritischer englischer und französischer Texte über Sekten.
- Inforel
- InfoSekta Informations- und Beratungsstelle für Sekten- und Kultfragen
- Zum Begriff "Sekte". Materialsammlung auf der Website der "AGPF – Aktion für Geistige und Psychische Freiheit" (Dachverband sektengegnerischer Vereine)
- Wissenschaft
- Die organisatorische Binnenstruktur von religiösen Sekten Soziologisches Institut d. Uni Zürich.