Marga von Etzdorf
Marga von Etzdorf (* 1. August 1907 in Berlin-Spandau; † 28. Mai 1933 in Mouslimieh bei Aleppo, Syrien) war eine deutsche Fliegerin.
Leben
Marga von Etzdorf stammte aus einer preußischen Offiziersfamilie. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern wuchs sie mit ihrer Schwester Ruth bei ihren Großeltern auf deren Gut bei Gehren (Niederlausitz) auf. Sie war eine sehr sportliche Frau, an Fechten, Reiten und Hockey sehr interessiert.
Im Alter von 19 Jahren entschloss sie sich zu einer Ausbildung zur Pilotin. Im Dezember 1927 bestand sie nach viermonatiger Schulung bei der Flugschule Bornemann in Berlin-Staaken die Prüfung, war somit nach Thea Rasche die zweite Frau, die nach dem Krieg den A2-Schein erhielt. Wahrscheinlich konnte sie dort auch noch die Erlaubnis für die Klasse B1 erwerben. Ihre Ausbildung schloss sie mit dem Kunstflugschein ab.
Bemerkenswerterweise gelang es ihr anschließend, als erste Frau eine Stelle als Copilotin bei der Lufthansa zu bekommen. In einer Junkers F 13 beförderte sie Passagiere auf den Strecken Berlin—Breslau und Berlin—Stuttgart—Basel. Nach 10.000 Flugkilometern, welche mit der DLH vertraglich vereinbart waren, erflog sie sich die für den Erwerb des B2-Scheins nötigen weiteren 5.000 km bei der Hamburger Luftverkehrsgesellschaft. Dazu musste sie dann als einziger Prüfling fünf Prüfern drei Stunden lang Rede und Antwort stehen. Die nötigen Kenntnisse hatte sie sich selbst beibringen müssen, weil Frauen an der Deutschen Verkehrsfliegerschule nicht zugelassen waren. Unterstützung erhielt sie dabei von Melitta Schiller, die als Ingenieurin bei der DVL in Adlershof arbeitete.
1929 machte sie auf Anregung des Prinzen von Schaumburg-Lippe eine Segelflugausbildung. Mit einem 90 Minuten-Flug auf dem Heuberg (Raue Alb) erwarb sie als eine der ersten Frauen weltweit die Segelflug-C. Noch im selben Jahr nahm sie mit dem Segelflugzeug „Hugo“ des Württembergischen Fliegervereins am 10. Rhön-Wettbewerb teil, wo sie in der Ergebnisliste des Preisgerichts mit einer Prämie von RM 50.- und einer Bonbonniere als Ehrenpreis aufgeführt ist.
Erste Langstreckenflüge
1930 kaufte sie sich mit Unterstützung ihrer Großeltern ein eigenes Flugzeug, eine Junkers A 50 ce Junior, mit der Werknummer 3519 und dem Kennzeichen D-1811, die sie knallgelb spritzen ließ und der sie den Namen Kiek in die Welt gab. Erst führte sie damit Reklame-, Passagier- und Kunstflüge durch. Zu ihren Spezialitäten gehörten Loopings und Flüge auf dem Rücken. Im Mai 1930 nahm sie an der Ersten deutschen Damen-Kunstflugmeisterschaft teil, bei der sie Vierte wurde. Bald jedoch packte sie das Langstreckenfieber. Noch im selben Jahr flog sie mit ihrem Junior nach Konstantinopel. Probleme mit dem Motor zwangen sie mehrfach zu Notlandungen. Nach einem längeren Aufenthalt in Konstantinopel konnte sie jedoch ohne weitere Probleme zurück nach Deutschland fliegen. Ihre Bewerbung mit diesem Flug für den Hindenburg-Pokal, der höchsten deutschen Sportflugauszeichnung, musste jedoch abgelehnt werden, weil ihr Flugzeug entgegen den Regeln keinen deutschen Motor hatte.
Sehr bald danach bereitete sie ihren zweiten Langstreckenflug vor. Kiek in die Welt erhielt größere Tanks, um die Reichweite zu verlängern und Notlandungen aus Benzinmangel vermeiden zu können. Am 14. November 1930 startete Marga von Etzdorf in Berlin und flog über Basel und Lyon nach Madrid. Da von Spanien aus die direkte Strecke bis Las Palmas immer noch zu lang war, musste sie in Rabat, Marokko, zum Tanken nochmals zwischenlanden. Von dort war es nur ein Katzensprung auf die Kanarischen Inseln, die sie am 6. Dezember erreichte und wo sie mit Begeisterung empfangen wurde. Schwierigkeiten traten erst auf dem Rückflug auf: Schwere Unwetter über dem Mittelmeer zwangen sie zur Notlandung auf Sizilien. Beim Abflug von einer nassen Wiese am nächsten Tag berührte ein Flügel eine Mauer, was zum unfreiwilligen Startabbruch führte. Die Maschine war schwer beschädigt und musste, da Ersatzteile nicht zu beschaffen waren, mit der Eisenbahn nach Deutschland in das Junkers-Werk Dessau zurückgebracht werden.
Berlin-Tokio
Marga von Etzdorf ließ sich von ihrem Missgeschick nicht entmutigen. Monatelang dachte sie darüber nach, welche Fehler ihr unterlaufen waren, und haderte mit dem Schicksal, das ihr das nötige Quentchen Glück vorenthalten hatte. Bald überwand sie jedoch ihre Zweifel und fing an, ihren – für die Sportfliegerei der Weimarer Republik – spektakulären Rekordflug nach Tokio vorzubereiten. Es galt nicht nur, Überfluggenehmigungen für alle Länder einzuholen, sondern auch die Finanzierung des Unternehmens sicherzustellen.
Am 18. August 1931 startete sie ohne großes Aufsehen in Berlin. Wegen des schlechten Wetters musste sie bereits nach drei Stunden in Königsberg zwischenlanden. Elf Stunden später erreichte sie ihr erstes Etappenziel, Moskau. Von dort flog sie über Nischni Nowgorod die Wolga entlang nach Kasan. Am dritten Tag ihrer Reise überquerte sie den Ural und folgte anschließend der Linie der Transsibirischen Eisenbahn bis Nowosibirsk. In Chailar nahe der mongolischen Grenze wunderte sie sich über die anwesende Presse, die jedoch nicht auf sie, sondern auf die britische Langstreckenpilotin Amy Johnson wartete, die ebenfalls nach Tokio unterwegs war, dann aber vorzeitig aufgeben musste. Am nächsten Tag überflog sie die Taiga und erreichte den Baikalsee. Nächste Station war Mukden, wo sie einen Tag pausieren musste, weil die für Japan benötigten Einreisepapiere noch nicht eingetroffen waren. In Korea landete sie ein weiteres Mal um aufzutanken, bevor sie sich über die japanische See wagte. Am Abend desselben Tages landete sie in Hiroshima. Nächstes Ziel war Osaka und von dort aus Tokio, das sie jedoch wegen der vielen militärischen Sperrgebiete nicht direkt anfliegen konnte.
Am 29. August 1931 erreichte Marga von Etzdorf nach 12 Tagen (11 Flugtagen) die japanische Hauptstadt. Tausende von Menschen begrüßten die Rekordfliegerin am Tokioter Flughafen.
Nach sechs Wochen Aufenthalt und einer Generalüberholung ihres Flugzeuges machte sich Marga von Etzdorf dann auf den Heimflug. In China saß sie zunächst wegen politischer Wirren monatelang fest. Als sie endlich weiterfliegen konnte, wollte sie in Bangkok Bekannte besuchen. Beim Start in Bangkok jedoch holte sie das Pech ein: der Motor ihres Junior setzte aus und sie stürzte aus etwa 80 m Höhe ab. Dabei verletzte sie sich schwer, vor allem an der Wirbelsäule. Das Flugzeug hatte Totalschaden. Monatelang befand sie sich in medizinischer Behandlung in der Hauptstadt von Siam. Da Kiek in die Welt nicht mehr zu retten war, flog sie schließlich in einem Verkehrsflugzeug zurück nach Berlin.
Nach dem Japanflug
Im Juli 1932 begrüßte Marga von Etzdorf ihre Kollegin, die Rekordfliegerin Elly Beinhorn, persönlich bei deren Rückkehr von ihrem Weltflug. In den folgenden Monaten hielt sie Vorträge über ihren Japanflug, um die leeren Kassen wieder zu füllen. In ihrem Kopf wuchs ein neuer Plan: Sie wollte nach Kapstadt fliegen, wofür sie bereits Vorbereitungen laufen hatte. Als sie aber erfuhr, dass Elly Beinhorn ebenfalls dieses Ziel ansteuern wollte, strebte sie nun danach, solo nach Australien zu fliegen.
Nach langen Verhandlungen stellte ihr die Firma Leichtflugzeugbau Klemm in Böblingen eine Klemm Kl 32 zur Verfügung. Am 27. Mai 1933 startete sie damit, gut vorbereitet, von Berlin-Staaken.
Aber bereits am nächsten Tag wurde ihr Flugzeug bei der Landung auf dem von der französischen Mandatsverwaltung betriebenen Flugplatz Mouslimieh bei Aleppo (Syrien) beschädigt, weil sie mit dem Wind gelandet war. Eine Reparatur wäre aber möglich gewesen. Nach Erledigung der Formalitäten soll sie jedoch die Flughafenpolizei um einen Raum gebeten haben, wo sie sich "eine halbe Stunde" hinlegen konnte. Kaum war sie allein, erschoss sich Marga von Etzdorf.
Eine weitere Rückkehr ohne Flugzeug hätte ihren Ruf als Fliegerin vollkommen zerstört – kein Hersteller hätte ihr mehr eine Maschine anvertraut, kein Sponsor nochmals ihre Unternehmungen finanziell unterstützt. Die Fliegerkarriere der erst 26-jährigen wäre zu Ende gewesen. Möglicherweise hatte sie daraus ihre Folgerungen gezogen, obwohl es Gerüchte gibt, dass bei ihrem Freitod auch noch andere Gründe eine Rolle gespielt hätten.
Für ihre fliegerischen Leistungen war sie mehrfach hoch ausgezeichnet worden. In Japan hatte sie die selten verliehene Goldene Verdienstmedaille des Kaiserlich Japanischen Aero-Clubs erhalten. Der Aero-Club von Deutschland verlieh ihr mit der Goldenen Ehrenplakette seine höchste Auszeichnung.
Nach feierlichen Aufbahrungen in Hamburg und im Berliner Dom wurde sie unter großer Anteilnahme auf dem Berliner Invalidenfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Ihr Grabstein trägt die von ihr selbst gewählte Aufschrift: Der Flug ist das Leben wert.
Literatur
- Marga von Etzdorf: Kiek in die Welt. Als deutsche Fliegerin über drei Erdteile. Hamburg, 1931.
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Etzdorf, Marga von |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Fliegerin |
GEBURTSDATUM | 1. August 1907 |
GEBURTSORT | Berlin-Spandau |
STERBEDATUM | 28. Mai 1933 |
STERBEORT | Mouslimieh bei Aleppo, Syrien |