Johannes Chrysostomos

Johannes von Antiochien (* 349 oder 344; † 14. September 407 in Comana Pontica) war Erzbischof von Konstantinopel und gilt als einer der größten christlichen Prediger. Im 6. Jahrhundert wurde ihm der Name Chrysostomos beigelegt (griech.: „Goldmund“), unter dem er heute bekannt ist. In den östlich-orthodoxen Kirchen wird er seit dem 10. Jahrhundert als einer der drei heiligen Hierarchen verehrt, zusammen mit Basilius dem Großen und Gregor von Nazianz. Für die katholische Kirche ist er einer der vier Kirchenlehrer des Ostens (zusammen mit Athanasius von Alexandria, und den erwähnten Basilius und Gregor).
Er war für seine Begabung in der öffentlichen Rede wie auch wegen seines Auftretens gegen den Missbrauch der kirchlichen und staatlichen Autorität bekannt. Er wurde als Asket verehrt. Umstritten sind seine massiv negativen Äußerungen über Juden in seinen frühesten erhaltenen Predigten.
Kirchengeschichtliche Zeitumstände
Johannes Chrysostomos wurde mitten im arianischen Streit geboren und wurde zur Zeit des ersten Konzils von Konstantinopel zum Diakon geweiht. Er war als Theologe eine Generation jünger als die kappadokischen Väter Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa und ein Zeitgenosse Ambrosius' von Mailand und des westlichen Kirchenlehrers Augustinus von Hippo. Johannes Chrysostomos war mit Theodor von Mopsuestia und Theodor von Tyana befreundet.
Eine wesentliche Rolle in seinem Leben spielte auch die theologische Rivalität zwischen den Patriarchaten von Alexandria und Antiochia.
Leben

Johannes wurde in Antiochia als Kind hoch angesehener Eltern geboren: Sein Vater Secundus, ein hoher Offizier im Oberkommando der römischen Ostarmee, starb bald nach seiner Geburt; er wurde von seiner christlichen Mutter Anthusa erzogen, mit der ihn eine enge Beziehung verband. Mit 14 oder 15 Jahren war die Schulzeit beendet. Weil seine Mutter wohlhabend war, konnte er danach an der „Schule der Rhetoren und Philosophen“ weiter studieren. Er studierte Rechtswissenschaft unter dem heidnischen Lehrer Libanius.
Mit zwanzig Jahren ließ er sich als Katechumene eintragen, studierte unter Diodor, Bischof von Tarsus, einem Leiter der neueren antiochenischen Schule, und wurde drei Jahre später von Bischof Meletius von Antiochien getauft, dessen Assistent er in dieser Zeit wurde (die damals übliche Probe- und Lernzeit für Taufkandidaten) und der ihn 371 zum Lektor bestimmte.
Sein Wunsch, sich als Mönch in die Einsamkeit zurückzuziehen, traf bei seiner Mutter auf starke Opposition. Er versprach ihr, sie nicht zu verlassen, solange sie lebte, und führte mit drei gleichgesinnten Freunden in ihrem Haus ein Klosterleben.
Nach ihrem Tod 372 schloss er sich den Mönchen in den syrischen Bergen an und verbrachte vier Jahre mit ihnen und zwei weitere Jahre in völliger Einsamkeit. Dabei zog er sich in eine Höhle zurück, las ständig die Bibel und gönnte sich nur ein Minimum an Schlaf. Schließlich zwang ihn sein schlechter Gesundheitszustand zur Rückkehr nach Antiochia. In seiner Lebenseinstellung blieb er jedoch immer ein Mönch.
Johannes wurde 381 Diakon und 386 von Flavian von Antiochia zum Presbyter geweiht. Diese Zeit scheint der glücklichste Abschnitt seines Lebens gewesen zu sein. In zwölf Jahren gewann er in der gesamten griechisch sprechenden Kirche hohe Popularität durch seine rednerische Begabung.
In der Fastenzeit 387 musste Chrysostomos sich zum ersten Mal beweisen. Die Bevölkerung von Antiochia hatte, in Protest gegen neue Steuern, die Statuen von Kaiser Theodosius I. und seiner Familie zerstört. Tags darauf wurden zur Vergeltung einige Einwohner einschließlich Kinder getötet. In der folgenden Zeit der Angst vor weiteren kaiserlichen Vergeltungsaktionen hielt Chrysostomos ermahnend, beruhigend und tröstend zwanzig Predigten (Predigten über die Statuen (englisch)), und hielt so die Lage unter Kontrolle, bis Bischof Flavian in Konstantinopel den Pardon des Kaisers erreicht hatte. Diese Predigten sollen einen solchen Eindruck gemacht haben, dass sich viele Heiden zum Christentum bekehrten.
398 wurde er gegen seinen Wunsch Patriarch von Konstantinopel, der damals reichsten Stadt des römischen Reiches. Er trat sein Amt als Patriarch wenige Jahre nach dem Tod von Theodosius I. an, in einer Zeit, als Hofintrigen florierten. Kaiser Arkadius, der in Konstantinopel regierte, wurde durch seinen ehrgeizigen Günstling Eutropius beeinflusst, dem die Kaiserin Eudoxia nicht gewogen war. Die Wahl von Chrysostomos war durch den kaiserlichen Günstling Eutropius zustande gekommen, entgegen dem Wunsch des Patriarchen Theophilus von Alexandria, der für einen Kandidaten seiner theologischen Richtung lobbyiert hatte.
Die Kirche in Konstantinopel passte eher zum kaiserlichen Hof als zu christlichen Idealen. Manche Priester, die vorgaben, zölibatär zu leben – was in der Ostkirche niemals Pflicht war – teilten den Haushalt mit so genannten „geistlichen Schwestern“, was das Volk als skandalös empfand. Andere lebten in ähnlichem Luxus wie die kaiserlichen Potestaten. Die Finanzlage der Kirche war desolat und kaum jemand kümmerte sich tatsächlich um die Gemeinde. Die Gottesdienste wurden zu Zeiten gehalten, die den Reichen angenehm waren, konnten jedoch in diesen Zeiten vom arbeitenden Volk nicht besucht werden.
Chrysostomos war sich der Hofintrigen bezüglich seiner Stellung wahrscheinlich nicht voll bewusst, aber er sah den Zustand der Kirche. Er bedauerte die Tatsache, dass ihm nun ein kaiserliches Protokoll den Zugang zu Privilegien eröffnen würde, die höher als die der höchsten Staatsbeamten ausfielen. Während seiner Zeit als Bischof lehnte er die Veranstaltung verschwenderischer Gastmähler rundweg ab. Als erstes kümmerte er sich um die Reform des Klerus. Er befahl den „geistlichen Schwestern“, aus den Häusern unverheirateter Priester auszuziehen, zwang die Priester zu einem bescheideneren Leben, verkaufte die Luxusgegenstände im Bischofspalast, um die Hungrigen zu speisen und brachte die Finanzen der Kirche unter rigorose Kontrolle. Ebenso befahl er, die Kirchen dann zu öffnen, wenn das arbeitende Volk sie besuchen konnte. Diese Maßnahmen brachten ihm Ansehen beim Volk, aber die Missgunst der Wohlhabenden und des Klerus. In einer Predigt bald nach seiner Ankunft sagte er, „das Volk preist den Vorgänger, um den Nachfolger abzusetzen“.
Eutropius hatte sich von der Wahl von Chrysostomos kirchliche Toleranz gegenüber seiner Lebensweise erhofft. Stattdessen sah Chrysostomos in Eutropius einen weiteren Christen, dem man die Bibel unzweideutig auslegen musste. Als Resultat bereute Eutropius jedoch nicht seine Sünden, sondern seine Bischofswahl. Auch Patriarch Theophilus wartete nur auf eine Gelegenheit zuzuschlagen. Er hatte vier ägyptische Mönche (bekannt als „die langen Brüder“) wegen ihrer Unterstützung der Lehren des Origenes gemaßregelt. Sie flohen und wurden von der mit Johannes befreundeten Diakonin Olympias in ihrer Pilgerherberge aufgenommen und von Johannes begrüßt.
Im Januar 399 fiel Eutropius in Ungnade. Das Volk jubelte, und bald suchte ein Mob sich an dem Ausbeuter zu rächen. Eutropius floh in die Hagia Sophia und suchte am Altar Asyl. Als seine Verfolger kamen, stand Chrysostomos in ihrem Weg und verteidigte das Leben seines Feindes, erst gegen das Volk, dann gegen die Armee und schließlich gegen den Kaiser selbst (Predigt über Eutropius (englisch)).
Als Eutropius des Nachts die Kirche heimlich verließ, wurde er jedoch gesehen, ergriffen und getötet.
Kurz darauf kam es zu einer weiteren Krise: der kaiserliche General Gainas hatte sich mit dem Aufrührer Tribigild verbündet und Arkadius wurde erpresst, ihn zum Oberkommandierenden der Armee zu ernennen und ihm zwei hochrangige Männer als Geiseln zu überlassen. Chrysostomos verhandelte mit Gainas und erreichte die Freilassung der Geiseln. Kurz darauf forderte Gainas, ein arianischer Gote, eine der orthodoxen Kirchen von Konstantinopel für sich und seine Soldaten. Wieder verhandelte Chrysostomos und opponierte so energisch, dass Gainas nachgab. Die Bevölkerung war unterdessen jedoch in Aufruhr geraten, und in einer Nacht wurden mehrere Tausend gotische Soldaten umgebracht.
Chrysostomos bekam eine weitere Feindin in Eudoxia (s. Eudokia), der Frau des Kaisers Arkadius. Sie fühlte sich von seinen Predigten gegen die Torheit des Luxus getroffen, möglicherweise nicht ganz zu Unrecht. Um ihn zu beeinflussen, gab sie große Spenden für die Kirche. Chrysostomos bedankte sich – und predigte weiter.
Schließlich schmiedeten Eudoxia, Theophilus und andere ein Bündnis gegen ihn. Sie beriefen 403 eine Synode ein, um Johannes anzuklagen (unter anderem), die Irrlehren des Origenes zu vertreten. Er wurde abgesetzt und verbannt, jedoch von Eudoxia alsbald zurückgerufen, da das Volk über seine Abreise überaus verärgert war und ein Erdbeben als Zeichen des Zornes Gottes wertete.
Der Frieden war von kurzer Dauer. Eine silberne Statue der Eudoxia wurde nahe seiner Kathedrale errichtet. Johannes lehnte es ab, die Einweihungszeremonie durchzuführen, mit den Worten: „wieder rast Herodias; wieder verfällt sie dem Wahn; wieder verlangt sie den Kopf des Johannes auf einer Schüssel“ (anspielend auf den Tod Johannes des Täufers). Wiederum wurde er verbannt, diesmal nach Cucusus im (damaligen Groß-)Armenien, auf 1400 Metern Höhe mitten im Antitaurus gelegen (heute Göksun in der Türkei).
Johannes Cassianus (um 360 - 435), der Diakon von Johannes Chrysostomos, wurde um Unterstützung nach Rom zu Papst Innozenz I. geschickt. Innozenz jedoch protestierte diesmal vergebens gegen die Verbannung. Johannes schrieb Briefe, die in Konstantinopel großen Einfluss ausübten, woraufhin er noch weiter verbannt wurde, nach Pityus (am östlichen Rand des Schwarzen Meeres), damals der östlichste Vorposten des Römischen Imperiums. (Heute heißt der Ort Pitsunda und liegt etwa 75 Kilometer nordwestlich von Suchumi in Georgien). Dieses Ziel erreichte er jedoch nicht, da er auf dem Gewaltmarsch dorthin in der Nähe von Comana Pontica (heute Gumenek in der nordöstlichen Türkei) starb. Er wurde in der Märyrerkapelle des Märtyrer Basiliscus, im heutigen Bizeri gelegen, beigesetzt. Der Kirchenlehrer Kyrill von Alexandria widersetzte sich einer Rehabilitierung Chrysostomos' und war noch lange von seiner Schuld überzeugt.
Chrysostomos' Gebeine wurden 438 in einer feierlichen Prozession nach Konstantinopel überführt, wo sie 1204 beim vierten Kreuzzug von lateinischen Christen geraubt, nach Rom gebracht und dort 800 Jahre lang im Petersdom aufbewahrt wurden. Erst am 27. November 2004 gab sie Papst Johannes Paul II. dem orthodoxen Patriarchen Bartholomäus I. zurück.
Theologie

Chrysostomos stand gegenüber Arianern und Novatianern klar auf der Seite des kirchlichen Konsensus, aber er befasste sich wenig mit den Feinheiten der Dogmatik und theologischen Kontroversen. Er betonte die praktische Frömmigkeit anstelle einer unfruchtbaren, rein dogmatischen Rechtgläubigkeit.
Exegese
Berühmt wurden seine Auslegungen biblischer Abschnitte und seine sittliche Unterweisung. Als seine wertvollsten Werke gelten die Homilien auf verschiedenen biblische Bücher. Sein unmittelbares Verständnis der Schrift (im Gegensatz zur alexandrinischen Allegorese) machte die Themen seiner Predigten ausgesprochen lebensnah und sozial, da sie sich mit einer christlichen Lebensgestaltung befassten. Er lehnte die zeitgenössische Tendenz zur Allegorie ab, sprach stattdessen schlicht und einfach und leitete aus den biblischen Passagen Anwendungen zum täglichen Leben ab.
Sozialkritik
Unter den Kirchenvätern gehörte Chrysostomos zusammen mit Basilius dem Großen und Gregor von Nazianz zu den schärfsten Kritikern von Luxus auf Kosten der Armen. Er legte Wert auf das Almosengeben und kümmerte sich um die geistlichen und weltlichen Belange besonders der Armen. Er klagte auch den Missbrauch von Reichtum und persönlichem Besitz an, wobei er beispielsweise im Fall der Kaiserin Eudoxia sehr undiplomatisch vorging.
Bezüglich der sozialen Verhältnisse seiner Zeit ging er davon aus, dass der Mensch, Mann und Frau, von Gott frei und gleich geschaffen worden sei. Durch den Sündenfall habe er jedoch die Fähigkeit zur Selbstregierung verloren und sei in eine dreifache Unterwerfung gekommen: Frauen unter den Mann, Sklaven unter den Herrn, Untertanen unter den Herrscher. Diese Unterwerfung sei ein göttliches Mittel zur Disziplinierung. So wurden diese Verhältnisse einerseits gerechtfertigt, andererseits prinzipiell verurteilt. Er fordert dazu auf, überflüssige Sklaven freizulassen und ermahnte dazu, Sklaven menschlich zu behandeln und auszubilden, so dass sie, wenn freigelassen, für sich selbst sorgen konnten. Andererseits forderte er wie seine Zeitgenossen Ambrosius von Mailand und Augustinus von Hippo die Sklaven zum Gehorsam um Christi willen auf. In der Praxis kaufte Chrysostomos selbst noch während seiner Verbannung Kriegsgefangene aus der Sklaverei frei durch Gelder, die ihm seine geistliche Tochter Olympias von Konstantinopel sandte. Ebenso beweisen seine Briefe an sie, dass er zumindest dieser Frau große Hochachtung entgegenbrachte und sie intellektuell, geistlich und charakterlich auf der gleichen Stufe wie einen Mann sah.
Antisemitismus
Chrysostomos wurde bis in die letzte Zeit als Kronzeuge des christlichen Antisemitismus angesehen. Er hielt in Antiochia mehrere Predigten gegen das Judentum und schrieb auch ein polemisches Werk gegen die Juden. Zitate von ihm werden oft als Beispiele für christlichen Antisemitismus aufgeführt. So behauptete er zum Beispiel:
„...wo sich Christusmörder versammeln, da wird das Kreuz gespottet, wird Gott gelästert, wird der Vater nicht anerkannt, der Sohn beleidigt und der Heilige Geist zurückgewiesen [..] Wenn die Riten der Juden so heilig und verehrungswürdig sind, dann muß unsere Lebensweise falsch sein. Aber wenn wir den rechten Weg gehen, wie es der Fall ist, dann gehen sie einen betrügerischen Weg.“
Die Situation, mit der er in Antiochia konfrontiert war, hat jedoch nichts mit den späteren Judenverfolgungen zu tun. Es gab in Antiochia Christen, die an den jüdischen Synagogengottesdiensten teilnahmen, sich an die jüdischen Gesetze hielten und sich deshalb für wesentlich besser hielten als die übrigen Christen. Chrysostomos wies diese Ansicht scharf zurück und verglich nun christliche und jüdische Theologie und Praxis, um zu zeigen, dass sie nicht miteinander vereinbar seien.
In anderem Zusammenhang konnten diese Predigten als Aufruf zur Judenjagd verstanden werden. Er fragte z. B.:
„Wann waren die Juden so leicht zu ergreifen wie jetzt? Wann so leicht zu fangen?“
An anderer Stelle meinte er, Gotteslästerer – womit u. a. Juden gemeint waren – solle man zur Rede stellen und notfalls verprügeln. Er forderte auch, die Juden dürften nie wieder ein Volk sein in einem Land.
Theologisch entscheidend ist aber, dass Johannes Chrysostomos schon in Antiochien bei der Auslegung des paulinischen Briefes an die Römer an der bleibenden Erwählung Israels festgehalten hat.
Heiden
Als Bischof von Konstantinopel setzte Chrysostomos in seiner Arbeit auch einen Schwerpunkt auf die Mission der Heiden. Einerseits wollte er die Anhänger der alten Kulte christianisieren, andererseits auch den Einfluss seines Bischofssitzes ausweiten.
Er weihte u. a. den gotischen Priester Unila zum Bischof und schickte ihn zur Arbeit unter den Goten auf die Krim. Er wollte auch unter der Landbevölkerung in Thrakien das Evangelium verkünden lassen und ermahnte dazu die Großgrundbesitzer seiner Predigtgemeinde, auf ihren Landsitzen jeweils eine Kirche errichten zu lassen und einen Priester anzustellen. Auch für das Schicksal der Christen in Persien interessierte er sich und erreichte durch einen Gesandten, dass dort den Christen mit mehr Toleranz begegnet und auch der Kirchenbau gestattet wurde.
Um die alten Kulte zurückzudrängen, unterstützte er Bestrebungen, die die Schließung von Tempeln zum Ziel hatten: So ermöglichte er 401 Porphyrius, dem Bischof von Gaza, eine Audienz bei der oströmischen Kaiserin Eudoxia. Auf deren Betreiben hin wurde Kaiser Arkadius dazu veranlasst, die Tempel in Gaza durch kaiserliche Truppen zerstören zu lassen.
Noch im Exil verwandte er sich für sein Anliegen der Mission: Unterwegs gewann er z. B. einen Einsiedler dafür, seine Klause zu verlassen und nach Phönizien (etwa der heutige Libanon) in die Mission zu gehen. Auch aus seinem Briefwechsel mit Olympias werden missioniarische Anliegen deutlich.
Predigtstil
Chrysostomos bereitete seine Predigten gut vor, sprach dann aber immer frei, ohne einen Zettel in der Hand zu halten. Die Predigten wurden von Stenographen mitgeschrieben. Deren Stenogramme überarbeitete er dann und publizierte sie.
Über die Aufgabe des Predigers sagte Johannes Chrysostomos:
„Wir bekleiden nur den Rang eines mahnenden Ratgebers. Der Ratgeber sagt seine Meinung, ohne auf den Zuhörer einen Zwang auszuüben; er stellt es diesem anheim, sich für oder gegen das Gesagte zu entscheiden. Nur dafür trägt er die Verantwortung, wenn er nicht nach bestem Wissen und Gewissen spricht.“
Chrysostomos war ein sehr populärer Prediger, und um so richtig in Fahrt zu kommen, brauchte er die Nähe seiner Zuhörer. Beim einfachen Volk war er überaus beliebt; bei den Wohlhabenden weniger, weil er den Besitz von Reichtum scharf kritisierte, ebenso das modische Verhalten der Damen der Oberschicht.
Er hielt grundsätzlich daran fest, dass die Worte des Predigers auch beißen wollen. Gleichzeitig war er bemüht, seine Hörer zurechtzuweisen, ohne sie zu verletzen. Seine Sprache ist sehr direkt und (meistens) gekoppelt mit einer seltenen Einfühlungsgabe.
Er greift in seinen Predigten Vorurteile auf, in denen die Leute gefangen waren, setzt sich mit Parodien auf Bibelworte auseinander, flicht Zitate griechischer Dichter und Philosophen ein, ebenso wie Sprichwörter seiner Zeit. Er verwendet viele Bilder, gerne aus dem Bereich der Medizin, der Welt des Sports und des Krieges und bringt viele Beobachtungen aus dem Alltag mit ein.
Er vergleicht die Heilige Schrift mit einer „blumenübersäten Wiese“, einem „reichen Bergwerk“ oder einer „Edelsteinsammlung“. Bei der Schriftauslegung achtet er genau auf die Unterschiede zwischen den einzelnen biblischen Büchern. In seinen Predigten und anderen Schriften finden sich rund siebentausend Zitate aus dem Alten und etwa elftausend aus dem Neuen Testament.
Einen großen Teil der Predigt widmet er der Ermahnung, wobei er sich besonders als Anwalt der Armen versteht und von allen seinen Gemeindemitgliedern eine christliche Lebensführung einfordert.
„Wenn ihr vom Beten müde seid und nicht empfangt, bedenkt, wie oft ihr einen armen Mann habt rufen hören und nicht auf ihn gehört habt.“ „Nicht darum, weil ihr eure Hände ausstreckt [Anm.: antike Gebetshaltung], werdet ihr gehört werden. Streckt eure Hände nicht aus zum Himmel, sondern zu den Armen!“ Auch auf die silbernen Nachttöpfe mancher Reichen spielt er an: „Während der eine Hunger leidet, ist der andere toll und voll; während der eine auf Silber seine Notdurft verrichtet, hat der andere nicht einmal ein Stück Brot. Welche Verrücktheit! Welch grenzenlose Verwilderung!“
Wenn man über den Predigtstil von Chrysostomus redet, kommt man nicht an den Schmähreden vorbei, die er vor allem gegen die Juden, aber auch gegen andere geführt hat. Dazu ist folgendes zu sagen:
Das Schreckliche und Grausige wie auch die Schwarzweißmalerei entsprach dem Geschmack der Zeit. Der berühmte Rhetorikprofessor Libanius brachte seinen Studenten, unter denen auch Johannes Chrysostomos war, bei, in ihren Reden dicke Farben aufzutragen. Libanius selbst scheute nicht vor Behauptungen zurück, deren Unwahrheit er kennen musste. Er hat z. B. Mönche attackiert, sie fräßen mehr als Elefanten und seien große Säufer. So entsprach Chrysostomos in gewisser Weise dem Stil seiner Zeit.
Zum zweiten fühlte er sich wohl durch kritische Worte der Propheten dem Volk Israel gegenüber berechtigt, eine ebenso scharfe Zunge zu führen.
Und zum Dritten schreckte er auch nicht davor zurück, seine eigene Gemeinde zeitweise mit ähnlich deftigen Worten zu bedenken:
„Wir predigen, Christus habe ein großes Werk vollbracht, indem er aus Menschen Engel machte. Wenn man dann die Beweise fordert und verlangt, wir sollen doch aus unserer Herde Beispiele dafür erbringen, so müssen wir still sein aus Furcht, anstatt Engel in Wirklichkeit Schweine aus dem Saustall und geile Hengste vorzuführen…Wahrlich, in der Gegenwart ist alles heruntergekommen und verderbt: die Kirche unterscheidet sich nicht von einem Ochsen-, Esel- und Kamelstall, und wenn ich herumgehe, um ein Schäflein zu suchen, so kann ich keines finden. Alle schlagen um sich wie Rosse und Wildesel und machen ringsum alles voll Schmutz, solche Reden führen sie.“
Ebenso aber gibt es den Überschwang der Gefühle im positiven Sinn. Anlässlich der Überführung von Märtyrer-Reliquien nach Konstantinopel sagte er etwa:
„Was soll ich sagen, wovon soll ich reden? Ich hüpfe und bin außer mir…ich fliege und tanze und fühle mich emporgehoben und bin trunken von geistiger Freude.“
Oder über das Gewicht der Psalmen in der Liturgie:
„Nichts vermag so sehr die Seele zu erheben und zu beflügeln, Distanz zum Irdischen zu schaffen, sie von der Erde, von den Banden des Körpers zu befreien und sie zur Meditation zu führen wie das Zusammenklingen der Stimmen und die göttliche Melodie, die sich daraus erhebt.“
Alles in allem war er ein Prediger, der seine Zuhörerschaft in Begeisterung versetzte und dementsprechend viel Beifall erntete.
Werke
Von keinem Kirchenvater sind so viele Werke erhalten wie von Chrysostomos: Abhandlungen, Predigten und Briefe. Unter den Predigten gibt es Kommentarreihen über Bücher des Alten und Neuen Testaments, Predigtreihen zu bestimmten Themen und zahlreiche Einzelpredigten. Die 238 erhaltenen Briefe wurden alle im Exil geschrieben.
Die Göttliche Liturgie
Zwei seiner Schriften verdienen spezielle Erwähnung. Johannes harmonisierte das liturgische Leben der Kirche, indem er die Gebete und die Abschnitte der Göttlichen Liturgie sowie die Feier der heiligen Eucharistie reformierte. Die orthodoxen Kirchen des byzantinischen Ritus feiern gewöhnlich die Göttliche Liturgie des Johannes Chrysostomos, zusammen mit den mit Rom verbundenen katholischen Kirchen des byzantinischen Ritus. Diese Kirchen des byzantinischen Ritus verlesen auch seine katechetische Homilie zu jedem Osterfest, dem größten Fest des Kirchenjahres.
Bedeutung
Zu der Zeit, als der städtische Klerus wegen seiner aufwändigen Lebensweise heftig kritisiert wurde, ordnete Johannes eine Reform des Klerus in Konstantinopel an. Diese stieß allerdings auf Widerstand und hatte nur begrenzten Erfolg.
Johannes war ein ausgezeichneter Prediger. Als Theologe ist er bis heute für die östliche Christenheit von immenser, für die westliche Christenheit allerdings von geringerer Bedeutung. Seine Verbannungen zeigten, dass in dieser Periode die weltliche Macht die Kirche beherrschte. Sie zeigten auch die Rivalität zwischen Konstantinopel und Alexandria, die sich in einem heftigen Rangstreit befanden. Diese gegenseitigen Feindseligkeiten trugen zum Niedergang der Kirche des östlichen Reiches bei. Unterdessen war im Westen seit dem 4. Jahrhundert Rom zum unbestrittenen Primat aufgestiegen. Ein interessanter Punkt in der weiteren Entwicklung des Papsttums ist die Tatsache, dass die Proteste Innozenz' nichts genützt hatten: sie demonstrierten den schwindenden Einfluss des römischen Bischofs im Osten.
Interessant ist ein Vergleich zwischen Johannes Chrysostomos und seinem Zeitgenossen Ambrosius von Mailand, die beide eine ähnliche Ethik vertraten. Schon damals zeigte sich eine unterschiedlich starke Abhängigkeit der Kirche vom Staat im Westen und im Osten. Ambrosius, der Bischof von Mailand (nicht Patriarch von Rom), konfrontierte Theodosius I., den mächtigsten Kaiser seiner Zeit, und behielt die Oberhand. Chrysostomos, der Patriarch von Konstatinopel, hingegen wurde von dem schwachen Kaiser Arkadius abgesetzt und verbannt.
Gedenktag
- Orthodox: 13. November
- Katholisch/evangelisch/anglikanisch: 13. September
Patronate
Johannes Chrysostomos ist der Schutzpatron der Beter, Redner und Prediger.
Ikonografie
Seine Attribute sind ein Bienenkorb oder ein Engel.
Literatur
- Rudolf Brändle: Johannes Chrysostomus. Bischof, Reformer, Märtyrer, Stuttgart 1999, ISBN 3-17-013780-8
- Peter Klasvogt: Leben zur Verherrlichung Gottes - Botschaft des Johannes Chrysostomos. Ein Beitrag zur Geschichte der Pastoral, Bonn 1992, ISBN 3-923946-22-8
- Claudia Tiersch: Johannes Chrysostomus in Konstantinopel (398 - 404). Weltsicht und Wirken eines Bischofs in der Hauptstadt des Oströmischen Reiches. Tübingen 2002. (Studien und Texte zu Antike und Christentum 6) ISBN 3-16-147369-8
- Stephan Verosta: Johannes Chrysostomus. Staatsphilosoph und Geschichtstheologe, Graz 1960
Weblinks
- Vorlage:PND
- Johannes Chrysostomos. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Johannes Chrystomos im Ökumenischen Heiligenlexikon, einschließlich Osterpredigt
- Werke über und von Johannes Chrysostomos (englisch)
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Nektarius | Erzbischof von Konstantinopel 398-404 | Arsacius von Tarsus |
Personendaten | |
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NAME | Johannes Chrysostomos |
ALTERNATIVNAMEN | Johannes von Antiochien |
KURZBESCHREIBUNG | Patriarch von Konstantinopel, Prediger und Kirchenlehrer |
GEBURTSDATUM | 349 oder 344 |
STERBEDATUM | 14. September 407 |
STERBEORT | Comana Pontica |