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Misburg-Anderten

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Karte
Hannover, Stadtbezirk Misburg-Anderten hervorgehoben
Basisdaten
Stadtbezirk Misburg-Anderten (5)
Einwohner 31.930
Postleitzahlen
  • 30559 Misburg (Süd) und Anderten
  • 30627 Misburg (Nord)
  • 30629 Misburg (Nord und Süd)
  • 30655 Misburg (Nord)
Stadtteile
  • Misburg Nord
  • Misburg Süd
  • Anderten
Webpräsenz hannover.de
Politik
Bezirksbürgermeister Knut Fuljahn (SPD)
Stadtbezirksrat
(19 Sitze)
SPD: 9, CDU: 8, Grüne: 1, FDP: 1,

Misburg-Anderten [ˈmɪsburg] ist der 5. Stadtbezirk von Hannover.

Dieser untergliedert sich in die Stadtteile Misburg-Nord, Misburg-Süd und Anderten.

Entstanden ist dieser Stadtbezirk durch eine Gebiets- und Verwaltungsreform im Jahr 1974, durch welche die damalige Stadt Misburg und das damalige Dorf Anderten zusammen mit anderen Gemeinden in Hannover eingemeindet wurden.

Im Stadtbezirk leben 31.930 Einwohner, davon 21.704 in Misburg-Nord, 2.678 in Misburg-Süd und 7.548 in Anderten (Stand: 1. Januar 2004).

Der Bezirksbürgermeister ist Knut Fuljahn (SPD) (Stand 1. November 2006).

Misburg Geschichte

Entstehung

Einer Legende zufolge ist Misburg nach der Burg des Ritters Miß benannt. Diese Burg soll einst an der Stelle gestanden haben, an der heute die Straße „Hinter der Alten Burg“ liegt.

Anderen Quellen zufolge entstammt das Wort „Mis“ einem inzwischen verschwundenen, d.h. durch das Hochdeutsche verdrängten, lokalen Dialekt und bedeutet schlicht „Moor“. Dadurch wird Misburg zur Burg im Moor. Diese Burg soll übrigens nicht mehr als ein Erdwall gewesen sein, wodurch sich die Tatsache erklären lässt, dass keinerlei Reste erhalten sind.

Am 29. Juli 1963 wurde Misburg zur Stadt erklärt. Am 1. März 1974 wurde Misburg trotz des Status „Stadt“ mit der Verwaltungsreform des Landes Niedersachsens nach Hannover eingemeindet.

Im 20. Jahrhundert: Industrie und Politik

Misburger Herz Jesu Kirche
Misburger Wappen

Misburgs Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde entscheidend durch Gustav Bratke geprägt. Nach Misburg, welches seit Ende des 19. Jahrhunderts durch die Zementindustrie beherrscht ist, kam der gelernte Lithograph 1910 und arbeitete hier zunächst als Lagerhalter im Konsumverein („Konsum“), bald - gemeinsam mit seiner Ehefrau - als dessen Geschäftsführer. Seit 1912 gehörte er für die SPD dem Misburger Gemeinderat an, ein Ereignis, das er später mit den Worten kommentierte: „Als ich vor 40 Jahren zum ersten Male in die Gemeindevertretung Misburgs gewählt wurde, da wußte ich nicht, daß diese Wahl mein ganzes späteres Leben beeinflussen würde.“ 1919 wurde er Gemeindevorsteher (Bürgermeister) von Misburg und 1920 SPD-Abgeordneter im Provinziallandtag der preußischen Provinz Hannover; 1926 außerdem Vorsitzender der Provinzialverwaltung. Gustav Bratkes vorausschauende Kommunal- und Sozialpolitik war durch eine Verbindung von gezielter Industrieansiedlung und kommunalen Investititionen gekennzeichnet. Er ließ die Gemeinde Bauland ankaufen, so dass es ihm gelang, 1931 die Ansiedlung der „Gewerkschaft Erdöl-Raffinierie Deurag-Nerag“ in Misburg zu bewirken. Er ließ 154 gemeindeiegene Wohnhäuser sowie 250 Wohnungen in Misburg bauen und förderte den Eigenheimbau - sogar für Erwerbslose. 1925/26 folgte der Bau des eigenen Wasserwerks durch den Architekten Friedrich Fischer, der ersten Kanalisation und von zwei Kläranlagen, 1926 des Jugendheims ebenfalls durch Friedrich Fischer. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise, während der von den damals ca. 7.000 Einwohnern Misburgs rund 2.000 Einwohner arbeitslos waren, sorgte er u.a. für die Einrichtung einer Volksküche in der damaligen Turnhalle.

Folgenreicher Zweiter Weltkrieg

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Misburg bei ca. 45 alliierten Bombenangriffen von ca. 40.000 Spreng- und Brandbomben getroffen, 60% der Wohnhäuser wurden vernichtet oder beschädigt. Die Angriffe galten kriegswichtigen Betrieben, wie sie Raffinerie Deurag-Nerag und die Zementfabriken Misburgs darstellten. Nur 2 % der Bomben trafen jedoch die Raffinerie als Ziel der alliierten Luftoffensive gegen die deutsche Mineralölindustrie..

KZ-Außenlager

Mahnmal für das frühere KZ-Außenlager

Nahe dem Werkgelände befand sich von Juni 1944 bis April 1945 ein Außenlager des ehemaligen KZ Neuengamme. Bei den ersten Häftlingen handelte es sich um belgische und französische Widerstandskämpfer. Sie wurden bei Aufräumarbeiten auf dem durch Bombenangriffe beschädigten Raffineriegelände der Deurag-Nerag eingesetzt. Durchschnittlich 1.000 Häftlinge waren in dem Lager untergebracht; etwa 55 sollen während seines Bestehens zu Tode gekommen sein. Gegen Ende des Krieges wurde mit den Häftlingen ein Evakuierungsmarsch nach Norden in Richtung Neuengamme durchgeführt, der am 8. April 1945 im KZ Bergen-Belsen endete. Auf dem früheren Lagergelände an der Hannoverschen Straße in Höhe des Mittellandkanals wurde 1989 als Mahnmal eine Skulptur von Eugène Dodeigne aufgestellt.

Wiedergutmachung

Nach der traurigen Historie im Zweiten Weltkrieg hat sich Misburg als eine der vorbildlichsten Gemeinden Europas dem "Europäischen Gedanken" gewidmet, wie er auch von Churchill in seiner Rede zu den "Vereinigten Staaten von Europa" beschrieben wurde. Misburg hat viele Städtepartnerschaften für die Bemühungen aufgenommen. Zum Beispiel mit Bollnäs (Schweden), Flekkefjord (Norwegen), Shepton Mallet bei Sommerset (England), Oissel-sur-Seine (Frankreich, siehe unten bei Anderten) und weiteren europäischen Städten.

1975 bekam Misburg vom Europarat als Dank für seine Bemühungen um die Völkerverständigung die Ehrenflagge verliehen, welche seitdem am Ortseingang hängt.

Streben nach Unabhängigkeit am Ende des 20. Jahrhunderts

Nachdem Misburg seine Unabhängigkeit durch die Gebietsreform 1974 verloren hat, keimen immer wieder Bestrebungen auf, ihm die Stadtrechte wieder zu verschaffen. Auch wenn dieses Thema derzeit nicht Gegenstand der politischen Diskussion ist, wird die Forderung nach Selbstständigkeit immer noch von vielen Bewohnern Misburgs geteilt.

Schulen

Anderten Geschichte

Gedenkstein zur 1000 Jahr Feier
Wappen Anderten

Das Dorf Anderten wurde erstmals im Jahr 985 urkundlich erwähnt. Der Kaiser Otto III. setzte damals zwischen Ostfalen und Engern - und damit zwischen den Diözesen Hildesheim und Minden - eine Grenze. Ein gewisser „Bernhard Bidonis filius de Ondertunun“ war Zeuge dieser Gebietsregulierung. Der Name Ondertunun bezeichnete damals eine von einem Zaun geschützte Siedlung.

Anderten liegt im historischen Siedlungsraum des Großen Freien

Um das Jahr 1600 bestand Anderten aus rund 60 Höfen. 1641 und 1661 wurde Anderten von großen Bränden heimgesucht, die annähernd das halbe Dorf zerstörten.

Im Jahr 1843 begann das Eisenbahnzeitalter im Königreich Hannover mit einer Zugfahrt von Hannover über Misburg nach Lehrte auf der späteren Bahnstrecke Hannover–Braunschweig, der Bahnhof Anderten-Misburg entstand aber erst 1906, als die neue Strecke Kirchrode–Lehrte zur Entlastung des Misburger Bahnhofs eröffnet wurde.

1919 begann in Anderten der Bau der größten Binnenschleuse Europas, der Hindenburgschleuse am Mittellandkanal. Am 20. Juni 1928 wurde die Schleuse Hannover-Anderten durch den damaligen Reichspräsidenten von Hindenburg ihrer Bestimmung übergeben. Die Schleuse ist seither nach ihm benannt. Zur gleichen Zeit wurde der Verkehr auf dem Mittellandkanal bis Peine und Hildesheim freigegeben, nachdem bereits 1916 der Schiffahrtsbetrieb vom Dortmund-Ems-Kanal bis Hannover-Misburg aufgenommen worden war. Seit der Fertigstellung der Schleuse werden jährlich bis zu 22.000 Schiffe durch die 225 Meter langen Schleusenkammern des mächtigen Bauwerks geführt, um die 15 Meter hohe Wasserscheide zwischen Weser und Ems zu überbrücken. In Anlehnung dieser Schleuse nennen sich die Andertener Bürger auch „Schleusenkinder“.

1969 begründeten Anderten und die Stadt Oissel-sur-Seine (bei Rouen) eine Partnerschaft. Die alte Anderter Gartenstraße wurde in Oisseler Straße umbenannt, im Gegenzug existiert in Oissel eine „Avenue d'Anderten“.

Mit der Verwaltungsreform des Landes Niedersachsen am 1. März 1974 wurde das bis dahin eigenständige Dorf nach Hannover und damit in den neu geschaffenen Stadtbezirk Misburg-Anderten eingemeindet. In der Bevölkerung Andertens kursierten damals viele Aufkleber mit der Beschriftung „Anderten darf nicht sterben!“, durch die der Widerwille vieler Bürger gegen die Eingemeindung des damals schuldenfreien Dorfes in die Landeshauptstadt zum Ausdruck kam.

Persönlichkeiten

Julie Gräfin von Egloffstein Selbstbildnis
  • Julie Gräfin von Egloffstein (1792–1869), Malerin, Tochter von Henriette Gräfin von Egloffstein
  • Friedrich Wilhelm Barkhausen (1831–1903), gebürtiger Misburger, Jurist, Kirchenpolitiker, Mitglied des Preußischen Herrenhauses, Kurator des Klosters Loccum
  • Hermann Manske (1839–1919), Fabrikant, 1886 Gründer der Zementfabrik „Germania“ in Misburg
  • Ernst Härke (1846–1914), gebürtiger Anderter, seit 1890 Inhaber der Privatbrauerei Härke in Peine
  • Max Kuhlemann (1857–1929), Fabrikant, Kommerzienrat, Inhaber der von seinem Vater Friedrich Kuhlemann gegründeten Portland-Zementfabrik in Misburg
  • Karl Kopp (1868–1940), erster Pfarrer der Misburger Herz-Jesu-Kirche
  • Gustav Bratke (1878–1952), 1919–1933 Gemeindedirektor von Misburg, 1946 erster, von der britischen Militärregierung eingesetzter Oberbürgermeister von Hannover, organisierte 1947 die erste Hannover-Messe, 1952 Ehrenbürger von Misburg
  • Christian Kuhlemann (1891–1964), Ingenieur, seit 1925 Direktor der von seinem Großvater Friedrich Kuhlemann gegründeten Portland-Zementfabrik in Misburg, Bundestagsabgeordneter (NLP/DP 1949–1953), Präsident der Industrie- und Handelskammer Hannover (1953–1964)
  • Anton Scholand († 1973), Lehrer, Heimatforscher
  • August Kleinert (1895–1966), 1945-58 Gemeindedirektor von Misburg
  • Robert Gerbrand (1903–1961), seit 1942 Pfarrer an der Misburger Herz-Jesu-Kirche
  • Friedrich Wildhagen (1908–1989) gebürtiger Anderter, Drehermeister
  • Harry Pott (1911–1985), 1936–71 bei der Deurag-Nerag (1947–65 Betriebsrat), 1948–52 Bürgermeister von Misburg, 1956–69 Ratsmitglied
  • Herta Dürrbeck (1914–1995), kommunistische Widerstandskämpferin
  • Werner Möller (1936–2003), 1973–1998 Pastor an der ev.-luth. St. Martinsgemeinde in Anderten
  • Mousse T. (Mustafa Gündogdu) (* 1966), Musikproduzent, Künstler

Literatur zum Stadtbezirk

  • Misburgs Boden und Bevölkerung im Wandel der Zeiten. [Hrsg.] von Anton Scholand. 2. Aufl. Hildesheim: Lax 1960.
  • Scholand, Anton, Anderten und die Freien vor dem Nordwalde, Buchdruckerei August Lax, Hildesheim 1970
  • Helmut Zimmermann: Von Anderten nach Stöcken. Streifzüge durch Hannovers Geschichte. Hannover: Harenberg-Labs 1987. ISBN 3-89042-023-0
  • Versteinerte Muscheln auf einer Reise nach Jerusalem. Misburg. In: Hannover zu Fuß. 18 Stadtteilrundgänge durch Geschichte und Gegenwart. Ingo Bultmann (u.a.) (Hrsg.) Hamburg: VSA-Verlag 1989, S. 237-245. ISBN 3-87975-471-3
  • 75 Jahre Hindenburgschleuse 1928 - 2003. Informationen über Entwicklung und Bedeutung der Binnenschifffahrt, des Mittellandkanals und der Hindenburgschleuse in Hannover-Anderten. Zusammengestellt von Lorenz Kurz. Hannover: Wasser- und Schiffahrtsdirektion 2003.
  • Lorenz Kurz: Anderter Brauerei-Brauerei H. Scheele 1727 - 1955. Heimatkundliche Informationsschrift über 228 Jahre gewerbliche Bierherstellung in Anderten. Selbstverlag Lorenz Kurz.
  • Lorenz Kurz: Heimatkundliche Informationsschrift über Anderter Radrennbahn und Spitznamen Anderter Bürger. Selbstverlag Lorenz Kurz.
  • Lorenz Kurz: Heimatkundliche Informationsschrift über 78 Jahre Hindenburgschleuse in Anderten Die Hindenburgschleuse - Schleuse Anderten - 1928 - 2006. Selbstverlag Lorenz Kurz
  • Lorenz Kurz: Anderten in Wort und Bild, Berichte und Abbildungen aus Vergangenheit und Gegenwart, 1985 - 184 Seiten. Selbstverlag Lorenz Kurz
Commons: Hl. Herz Jesu (Hannover-Misburg) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Freiwillige Feuerwehr Misburg [1]



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