Stockton and Darlington Railway
Die Stockton & Darlington Railway Company (S&DR) war eine englische Bahnlinie, die von 1825 bis 1863 bestand. Der Name dieser Bahn wird so oft zusammen mit dem daran beteiligten George Stephenson genannt, daß sie meist vorrangig als dessen Werk betrachtet wird. Die Stockton & Darlington Railway war jedoch vor allem das Werk des Geschäftsmanns und Quäkers Edward Pease. Für den erfolgreichen Einsatz von Lokomotiven sollte sich der später hinzugezogene Maschinenbauer Timothy Hackworth als weit wichtiger zeigen.
Die S&DR hat für die Geschichte der Eisenbahn besondere Bedeutung, weil mit ihrem Bau eine Festlegung der Schienen-Spurweite von 1435 mm erfolgte, die später weltweit als „Normalspur“ bei Bahnen Verbreitung fand. Daneben war die S&DR die erste Eisenbahn, auf der Personen befördert wurden.
Die gut belegte Geschichte der S&DR läßt auch in exemplarischer Weise zahlreiche Begleitumstände des damaligen Eisenbahnbaues sichtbar werden. Daneben ranken sich zahlreiche Legenden um diese erste öffentliche Eisenbahn der Geschichte. So wird unter anderem darüber gestritten, ob seinerzeit George Stephenson zu seinem ersten Besuch bei dem Initiator Edward Pease barfuß von Killingworth nach Darlington gewandert sei, um sein Schuhwerk zu schonen oder ob er aus Respekt vor dem einflußreichen Pease vor dessen Haus die Schuhe auszog und barfuß eintrat.
Geschichte
Nordost-England zu Beginn des 19. Jahrhunderts
Zu Ende des 18. Jahrhunderts befanden sich im nordöstlichen England um die Stadt Newcastle upon Tyne und später auch in den Grafschaften um den Tees River zahlreiche Kohlengruben. Seit dem Mittelalter wurde hier die Kohle zu Pferde zu den Flüssen gebracht, um von dort vor allem ins ferne London verschifft zu werden. Im 16. Jahrhundert waren dazu Hunderte, vermutlich sogar Tausende von Packpferde in der ganzen Grafschaft zu allen Zeiten unterwegs. Die Pferde trugen die Kohle zunächst in seitlichen Packtaschen, später wurde die Kohle auch auf Karren verladen. Der Transport mit schweren Karren in der feuchtigkeitsgetränkten Erde von Nordwest-England war jedoch mühsam. Daher entstanden hier bald „tramways“, auf denen ein Pferd eine Tonne Kohle über neun oder 10 Meilen an einem Tag ziehen konnte.
Der Umfang dieser Transportgeschäfte begünstigte natürlich wirtschaftlich die Regionen und Orte, die darin einbezogen waren. Zwischen den umliegenden Orten und den mit ihnen verbundenen Interessengruppen bildete sich naturgemäß eine Konkurrenz heraus. Wer nicht von Natur aus begünstigt war, etwa mit einem gut gelegenen Hafen, der versuchte eben diese Transportströme zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
So planten Bürger von Stockton-on-Tees (England) einen Kanal von ihrer Stadt nach Evenwood am Gauge, den „Stockton and Auckland Canal“. Mit diesem sollten Kohlentransporte aus den Zechen des Bezirks Durham gefördert und natürlich auch Gebühren eingenommen werden.
Rivalität zwischen Stockton und Darlington - Kanal oder „Tramroad“?
Der geplante Kanalbau mißfiel jedoch den Geschäftsleuten Edward Pease, Jonathan Backhouse und Francis Mewburn. Der Kanal würde nämlich deren Heimatstadt Darlington und die umliegenden Kohlen-Zechen um acht Meilen verfehlen. Sie setzten sich daher für den Bau einer „tramroad“ ein, die von den Zechen um Bishop Auckland über Darlington nach Stockton führen sollte. Nach dem damaligen Verständnis war eine “tramroad” eine in den Boden eingelassene, mit Holzschwellen ausgekleidete Spur, in der die Wagenräder einen leichteren Lauf als auf bloßer Erde hatten. Die Wagen wurden von Menschen, Pferden oder anderem fortbewegt.
Die Gruppe um Pease beschloss am 13. November 1818, den erforderlichen Parlamentsakt für den Bau der „tramroad“zu beantragen. Durch umfangreichere Finanzierungsnachweise und günstige Kostenberechnung gelang es Peases Gruppe zunächst, die Idee einer Bahn überzeugender als das konkurrierende Kanalprojekt der Stadt Stockton darzustellen. Dieses und ein weiteres Genehmigungsverfahren vor dem englischen Parlament verloren sie jedoch vor allem gegen den Widerstand des landbesitzenden Lord Darlington, der um seine zur Fuchsjagd genutzten Gebiete bangte, durch die die „tramroad“ führen sollte.
Mit einer neuen Linienführung wollte das Komitee von Darlington 1820 wieder vor das Parlamant treten. Der Tod von König George III am 29. Januar 1820 und die darauffolgende Neuwahl des Parlaments ließen eíne erneute Eingabe an das Parlament jedoch erst 1821 zu. Die von George Overton neu entworfene Streckenführung umfaßte 37 Meilen mit fünf Zweiglinien. Vor der dritten Lesung mussten im letzten Moment noch die notwendigen 80% des Finanzierungskapitals beigebracht werden. Am 12. April 1821 wurde die Eingabe erfolgreich durch das House of Commons und am 17. April durch das House of Lords gepaukt und erhielt am 19. April die königliche Genehmigung von George IV.
Im Detail legte die Genehmigung unter anderem fest, daß jedermann einen Wagen auf der Linie fahren lassen konnte, vorausgesetzt er zahlte die Gebühren und benutzte sichere Ausrüstung. Der Betrieb war gestattet zwischen 7 Uhr morgens und 6 Uhr nachmittags im Winter und zwischen 5 Uhr morgens und 10 Uhr nachmittags im Sommer. Es wurde jedoch weder der Hauptzweck des Kohlentransports erwähnt, noch eine eventuelle Beförderung von Passagieren.
George Stephenson und die „Railway“
Noch während Pease am Abend des 19. April 1821 zu Hause in Darlington auf die entscheidende Nachricht aus London wartete, sprachen bei ihm zwei aus Northumberland angereiste Männer vor. Es handelte sich um Nicholas Wood, den Manager der Zeche von Killingworth und seinen Ingenieur George Stephenson. Sie schlugen Pease vor, statt der „tramroad“ eine Schienenbahn („railway“) mit Lokomotiven zu errichten. Stephenson erklärte, daß „ein Pferd auf einer Eisenstraße 10 Tonnen im Vergleich zu eine Tonne auf einer normalen Straße ziehen“ würde. Er fügte hinzu, daß die von ihm in Killingworth gebaute Lokomotive „Bluecher“, "fünfzig Pferde wert" war.
Stephenson, als eher hausbackener Nordumberländer beschrieben, soll gesagt haben “Ich denke, Sir, ich habe einige Kenntnisse über Craniologie und von dem, was ich an Ihrem Schädel sehe, bin ich sicher daß, wenn Sie der Schienenbahn zuneigen, der richtige Mann sind, dies durchzusetzen“. Der Quäker Pease soll in der typischen Sprache seiner Vereinigung geantwortet haben: “I think so too. I may observe to thee that if thou succeed in making a good railway, thou may consider thy fortune as good as made.” (etwa: „Ich denke auch so. Ich darf bemerken, wenn Du gute Schienenbahnen bauen kannst, Du Dein Glück versuchen mögest so gut Du kannst.“).
Während dieses Treffen bei Pease offenbar den Gedanken an eine fortschrittliche Schienenbahn reifen ließ, waren die anderen Mitglieder des Komittees für die Stockton & Darlington-Bahn noch in den alten Vorstellungen gefangen. Bei dem ersten Treffen nach der königlichen Genehmigung am 25. Mai 1821 wurde der Entwurf eines Siegels für die Gesellschaft von dem Reverend D.M. Peacock vorgelegt, auf dem ein Pferd - und nicht eine Maschine - den Kohlenwagen zieht. Allerdings muß hier zugestanden werden, daß ein damaliger Künstler noch kaum eine Vorstellung von einer fahrenden Maschine haben konnte
Am 23. Juli 1821 berichtete Pease den anderen Mitgliedern seines Komittees von seinem Besuch in der Killingworth-Zeche, bei dem er die beeindruckenden Leistungen von Stephensons Maschine sah. Das Komitee beschloß darauf, statt der „Tramway“ eine „Railway“ zu bauen. Pease schlug dann vor, die Streckenführung durch Stephenson neu festlegen zu lassen. Trotz des Widerstands einiger Komitteemitglieder konnte Pease sich durchsetzen. Stephenson präsentierte das Ergebnis seiner Untersuchungen dem Komittee am 18. Januar 1822 und erhielt vier Tage später eine Festanstellung und den Auftrag zum Bau der Bahn. Er wurde mit £660 per annum bezahlt.
Bau der Bahnlinie
Für den Bau der Linie wurden 64 000 steinerne Schwellen mit hölzernem Unterbau gelegt. Die Steinschwellen hatten paarweise angeordnete Löcher für die Nägel, mit denen die Schienen durch die Steinlage hindurch am Holz befestigt wurden. Diese ersten Schwellen wurden allerdings in Anlehnung an die „tramroad“ noch so verwendet daß sie längs unter den Schienen verliefen. Die sinnvollere Anordnung quer zum Gleis mit stabilerer Spurhaltung wurde erst einige Jahre später eingeführt.
Ebenfalls in Anlehnung an die „tramroads“ wurden die Schienen in einem Abstand von vier Fuß und achteinhalb Zoll (=1435 mm) gelegt. Damit wurde das Maß vorgegeben, das in Zukunft einmal weltweit die meistverbreitete Bahn-Spurweite werden sollte. Am 23. Mai 1822 wurde die erste stählerne Schiene zeremoniell vom Komitteevorsitzenden Thomas Meynell auf die Schwellen nahe St John’s Well in Stockton gelegt. Im Sommer 1823 waren dann 22 von 26 Meilen Schienen gelegt. Mühsam zu bewältigen war dabei das sumpfige Land zwischen Heighington und Darlington, wo die Schienen trotz des tonnenweise aufgeschütteten Bodens immer wieder einsanken.
Zwischenzeitlich bemühte sich das Komíttee um eine parlamentarische Genehmigung für die von Stephenson geänderte Streckenführung und erhielt den entsprechenden „Amending Act“ am 23. Mai 1823. Dies wiederum gegen den Einspruch des Lord Darlington, der jetzt vergeblich war. Ein Abschnitt dieses Dokuments enthielt die Genehmigung, einen maximalen Betrag von 6 Schilling pro Meile von jedem zu erheben, der eine „coach, chariot, chaise, car, gig, landau, waggon, cart or other carriage conveying passengers” auf der Linie fahren lassen wollte. Dies belegt erstmals den Gedanken an einen Passagiertransport auf Schienen, auch wenn angesichts der Vielzahl der genannten Fahrzeuge offenbar noch unklar war, wie das durchgeführt werden sollte. Noch wichtiger war aber, daß der Betrieb mit einer selbstfahrenden Zugmaschine genehmigt wurde mit dem Wortlaut “And it be further Enacted, That it shall and may be lawful to and for the said Company of Proprietors or any Person or Persons authorised or permitted by them, from and after the passing of this Act, to make and erect such and so many locomotive or Moveable Engines, as the said Company of Proprietors shall from time to time think proper and expedient, and to use and employ the same in or upon the said Railways or Tramroads or any of them, by the said recited Act and this Act, directed or authorised to be made, for the purpose of facilitating the transport conveyance and carriage of Goods, Merchandise and other articles and things upon and along the same Roads, and for the conveyance of Passengers upon and along the same Roads.“
Übersetzung etwa: "Und es sei ferner festgelegt, daß es rechtmäßig sei für die besagte Gesellschaft von Eigentümern oder jede Person oder Personen, die von dieser autorisiert oder genehmigt sind von diesem Akt und nach seiner Verabschiedung eine solche oder so viele Lokomitiven oder bewegliche Maschinen zu errichten als die besagte Gesellschaft von Eigentümern von zeit zu Zeit jeweils als angemessen und nützlich hält und diese auf dem besagten Schienenweg oder Tramweg oder eijnem von diesen einzustellen oder zu benutzen gemäß dem besagten zitierten Akt und diesem Akt, befohlen oder autorisiert für den Zweck, Güter, Handelswaren und andere Artikel auf und entlang der selbigen Bahn zu befördern und für die Beförderung von Passagieren auf und entlang der selbigen Bahn."
Eine weitere Schwierigkeit für den Bau war das gegossene Roheisen, das bis zu diesem Zeitpunkt normalerweise als Schiene verwendet wurde. Es war schwer und vor allem zu spröde für die Belastung durch rollende Eisenräder. Stephenson wich hier jedoch rechtzeitig auf schmiedbares Eisen aus und bewegte das Komitte, einen Auftrag über £14,000 an die Bedlington Iron Works, nahe Morpeth zur Pruduktion geschmiedeter Schienen zu vergeben. Um das Komitee zu überzeugen, verzichtete Stephenson dabei auf £500, die ihm als Patenthalter für das Schmiedeverfahren zugestanden hätten. Dadurch ging seine Freundschaft mit dem Co-Patenhalter William Losh in die Brüche, der dies als Betrug wertete. Das Problem war dabei, daß Stephenson damit auch den bisherigen Erbauer seiner Lokomotiven an der Killingworth-Zeche als Partner verlor. Kurzerhand und mit der tatkräftigen finanziellen Unterstützung durch Pease gründete daher George Stephenson mit seinem erst 19-järigen aber sehr gut ausgebildeten Sohn die „Robert Stephenson and Company Limited“ zum Bau von Lokomotiven. Am 7. November 1823 erteilte das Komittee für die Stockton- und Darlington-Bahn dieser Firma den ersten Auftrag über vier stationäre Zugmaschinen, die an den Steigungen bei Brusselton und Etherley eingesetzt werden sollten.
Die Stephensons konnten diese Maschinen jedoch nicht termingerecht fertigstellen und hatten auch Schwierigkeiten, die ersten fahrenden Lokomotiven rechtzeitig zu bauen. Pease erwog daher sogar, einer anderen Firma in Leeds den Bauauftrag für die Lokomotiven zu geben. Das Problem für die Stephensons war paradoxerweise, daß sie bei dem jetzt in England ausbrechenden „Eisenbahn-Fieber“ zu erfolgreich waren. George Stephenson und sein Sohn galten als führend auf íhrem Gebiet und übernahmen Aufträge für viele neue Bahnprojekte an verschiedenen Orten. So hatte George Stephenson zu diesem Zeitpunkt beratende Funktionen bei vier weiteren Eisenbahn-Projekten übernommen und Sohn Robert verschwand kurzerhand nach Südamerika, wo er einen Posten als ausführender Ingenieur bei der Columbian Mining Association übernahm und die nächsten drei Jahre zumeist in Venezuela und Bolivien arbeitete 1824 war Peases Geduld zu Ende und er berief über George Stephensons Kopf hinweg Michael Longbridge, den Eigner Bedlington Iron Works als ausführenden Ingenieur für die Robert Stephenson and Co. Michael Longbridge konnte jedoch auch nicht die Probleme zum Bau der Lokomotiven bewältigen.
Die Schwierigkeiten riefen alte Gegner wieder auf den Plan, die zuvor erfolglos versucht hatten, die parlamentarische Genehmígung zu verhindern. Sogar einer der eigenen Anteilseigenr, ein Mr Rowntree, forderte und bekam eine Entschädigung , da die vorgesehene Bahnlinie sein nahe gelegenes Haus nach seiner Darlegung unbewohnbar machen würde.
Die ersten Lokomotiven
Da Vater und Sohn Stephenson die angekündigten Lokomotiven offensichtlich nicht rechtzeitig fertigstellen konnten oder wollten, stellte Pease Timothy Hackworth ein, den Mann, der bereits William Hedley’s „Puffing Billy“ erbaut hatte. Zuvor hatte ihm bereits Stephenson sein halbes Salär angeboten, wenn er für ihn arbeitete. Hackworth wollte jedoch selbständig bleiben únd nicht Angestellter von Stephenson sein. Die Gesellschaft richtete für Hackworth neben seiner Wohnung in Shildon eine Werkstatt mit 20 Arbeitern ein. Im April dieses Jahres fiel jedoch das Genehmigungsverfahren für die Liverpool and Manchester Railway, eines von Stephensons Projekten, bereits im House of Commons durch und so war Stephenson plötzlich wiieder frei für die Arbeit in seiner Fabrik in Newcastle upon Tyne und konnte seine erste Lokomitive „Nr.1“ fertigstellen.
Am 16,. September 1825 wurde die erste von Robert Stephenson and Company fertiggestellte Lokomotive in Teile zerlegt mit Pferdewagen auf der Straße nach Aycliffe Village transportiert. Mit der dort an einer Straßenkreuzung zusammengebauten und auf die Schienen gesetzten Lokomotive wurden am 26. September 1825 Probefahrten und am darauffolgenden 27. September die „Jungfernfahrt“ unternommen.
Der Zug bestand aus 36 Wagen, von denen zwölf Wagen waren mit Kohle und Mehl beladen, sechs Wagen mit Gästen und vierzehn mit Arbeitern besetzt waren. Der Zug hatte auch einen eigens gebauten Passagierwagen, der „Experiment“ genannt wurde. Pease, die Stephensons und ander Gäste saßen in diesem Wagen. Er hatte 18 Sitzplätze und da er keine Federung hatte, muß die Fahrt mit ihm sehr unbequem gewesen sein, aber es war das erste Mal in der Geschichte, daß Passagiere mit einer Dampflokomotive befördert wurden.
Am Fuß der Brusselton-Höhe zwischen West Auckland und Shildon begann die Fahrt des Zuges unter der Anteilnahme tausender Zuschauer. Angehängt an ein 1,2 Meilen langes Seil wurde er von den stationären Maschinen 1960 Yards hügelauf gezogen und 880 Yards wieder herabgelassen. Dann wurde der Zug an die später als „Locomotion“ bekannte Lokomotive „Nr. 1“ angehängt, auf der George Stephensons Bruder James an den Hebeln stand. Zunächst gab es mehrere unvorhergesehene Halte, weil ein Wagen wiederholt aus den Schienen sprang und abgehängt werden musste. Ein nächster Halt musste wegen Dampfmangels aufgrund einer verstopften Leitung eingelegt werden. George Stephenson arbeitete 35 Minuten, bis er ein Stück eines alten Seils aus dem Rohr geholt hatte. Diese Erstfahrt von Brusselton nach Darlington über 9 Meilen dauerte zwei Stunden. Die Fahrt bis Stockton (20 Meilen von Brusselton) mit zwischenzeitlicher Wasser-Ergänzung dauerte insgesamt fünf und dreiviertel Stunden. Auf dem Abhang zum Bahnhof Stockton erreichte der Zug eine Geschwindigkeit von 15 mph (24 km/h). Den Berichten zufolge wurde die Ankunft des Zuges im Hafen von Stockton mit 21 Salutschüssen begrüßt.
Die “Locomotion Nr. 1” explodierte am 1. Juli 1828, bei Aycliffe Level (heute Heighington). Der Maschinist John Cree wurde getötet und der Wasserpumper, Edward Turnbull verkrüppelt, die Wrackteile bedeckten mehrere Felder. Weitere von Stephenson gebaute Maschinen waren die Nr. 2, “Hope”, (November 1825), die Nr. 3, “Black Diamond” (April 1826) und Nr. 4, “Diligence” (Mai 1826). Von ihnen zerbarsten etliche ebenfalls und wurden zunächst abgestellt. Der Gesellschaft mangelte es daher an betriebsbereiten Lokomotiven. Auch das Wagenmaterial wurde als in sehr schlechtem Zustand befindlich beschrieben.
Da sich Stephensons Lokomotiven als so schwach und unzuverlässig zeigten, ging sogar ihr Erbauer selbst daran, sogenannte „dandy carts“ zu entwerfen. Diese konnten mit schwerer Ladung leicht von Pferden hangaufwärts gezogen werden. Auf dem Scheitelpunkt der Steigung konnten die Pferde abgeschirrt und in einen der Wagen verladen werden, in dem sie mitsamt den anderen Wagen hangabwärts rollten. Während der Fahrt gemütlich Heu fressend konnten sie an der nächsten Steigung erfrischt wieder vor den Wagen gespannt werden.
Timothy Hackworth baute die „Nr. 1“ nach ihrer Explosion wieder auf und trug wesentlich zu ihrer erfolgreichen Nutzung bei - sie fuhr insgesamt 25 000 Meilen. Nach mehrfachen Entgleisungen in den Jahren 1837 und 1839 wurde die im Grunde unausgereifte Maschine 1841 außer Dienst gestellt. Die Maschine ist heute im North Road Railway Museum ausgestellt. Auch Stephensons andere havarierten Maschinen wurden von Hackworth in seiner Werkstatt in Shildon nach und nach wieder in Betrieb gesetzt.
Während die Bahn-Eigner schon am Konzept der Lokomotiven zweifelten, glaubte nur Timothy Hackworth weiterhin daran. Nachdem er glaubhaft versprochen hatte, alle Probleme zu lösen, gaben ihm die Gesellschafter die Erlaubnis, in der Werkstatt in Shildon eine neue Maschine zu bauen. Hackworth war bereits dabei, drei Maschinen in seiner freien Zeit zu bauen, denen er mehr zutraute als den Stephenson’schen Maschinen. 1827 stellte Hackworth die sechsrädrige „Royal George“ fertig. Sie hatte zweimal soviel Heizfläche wie die Stephensonschen Maschinen und eine Einrichtung, die den Dampf aus den Zylindern in den Schornstein entließ und damit die Feuerung wirkungsvoll anfachte. Stephensons Bruder John bewunderte sie beeindruckt als die „beste Maschine der Welt“. Sie schien jetzt die Erwartungen zu bestätigen, die die Gesellschaft in die Lokomotiven steckte. Doch im März 1828 flog auch die „Royal George“ in die Luft und wurde zum Wiederaufbau nach Shildon gebracht.
Kontraktbasis und pferdebetriebene Personenbeförderung
Die Stockton and Darlington Railways Company war mittlerweille auch hoch überschuldet, der wirtschaftlich notwendige Betrieb auf den Zweiglinien zu den Zechen bei Coundon und nach Croft konnte nicht aufgenommen werden. Es mussten sogar Ausgleichszahlungen an die Eigner der Coundon-Minen geleistet werden, weil diese weiterhin Pferdewagen benutzen mussten um ihre Kohle zu der unvollständigen Bahnlinie zu bringen.
In großem Umfang betrieb die Gesellschaft ihre Geschäfte daher auf Einzel-Kontrakt-Basis. Die Maschinisten der Lokomotiven durften für die beförderte Tonne Kohle pro Meile einen Farthing kassieren, mussten aber von diesem Geld selbst für die Feuerung, für Öl und für die Einstellung eines Heizers aufkommen.
Passagiertransporte gehörten nicht zum ursprünglichen Betriebskonzept. Angesichts der finanziellen Probleme wurde aber der Passagierwagen „Experiment“ für 200 Pfund pro Jahr an Richard Pickersgill vermietet, der den Wagen mit einem vorgespannten Pferd auf den Schienen fahren ließ und einen Passagierdienst betrieb. Pickersgill ließ dazu zwölf weitere Sitzplätze auf dem Dach des Wagens aufbauen. Andere Unternehmer folgten und so betrieben ab Juli 1826 Martha Howson und Richard Scott zwei Kutschen namens “Defence” und “Defiance“ auf der Linie. Im October 1826 begann „The Union“, eine besonders elegante „Schienen-Kutsche” die Fahrt.
Der Eigner von „The Union“ ließ seine Kutsche stats an den Pubs entlang der Linie halten, und bald folgten auch andere Kutschenbetreiber diesem gewinnversprechenden Konzept. Diese Nähe zum Alkohol erwies sich bald als Problem. Während die Kutschen den lokomotivbetriebenen Zügen Vorfahrt geben mussten, waren sie bei Begegnungen auf der Schiene einander gleichgestellt. Da es keine Regeln gab, wurde um das Vorfahrtsrecht jedesmal neu gestritten - den Berichten zufolge manchmal stundenlang. Der Alkoholkonsum konnte dabei sowohl Passagiere als auch die Kutscher zur gewalttätigen Entfernung der gegnerischen Passagiere und des Wagens von den Schienen veranlassen. Es wird jedoch auch berichtet, daß die überlegene Mannschaft nach siegreicher Vorbeifahrt abstieg und der Kutsche der unterlegenen Gruppe wieder auf die Schienen half....
Berichtet wird auch, daß die Kutsche namens “Defence” einmal mit 46 Personen besetzt war, von denen nur neun im Inneren saßen. Von den übrigen „saßen etliche rund um die Dachkanten, andere standen in einer zusammengedrängten Gruppe auf dem Dach und der Rest klammerte sich an alles, was irgendeinen Halt bot“, soll ein Zeuge berichtet haben.
„Port Darlington“ - die erste "Eisenbahnstadt"
Um 1830 Hatte die S&DR ein Streckennetz mit vier Zweiglinien und über 45 Meilen Länge. Die wichtigste Linie war zwar die zum Hafen von Stockton, doch erwies sich dieser häufig als zu flach und seefern für die zunehmende Zahl von Kohletransporten. Die Darlingtoner Pioniere planten daher ab 1827 eine Erweiterung zu den Salzmarschen von Middlesbrough. 1828 beantragten sie vor dem Parlament die Genehmigung dazu und hatten dabei hart gegen die Hafeneigner vom Tyne und dem Wear zu kämpfen. Auch innerhalb der Gesellschaft gab es Ärger, Leonard Raisbeck von Stockton, Anwalt der ersten Stunde und der Vorsitzende Thomas Meynell von Yarm zogen sich zurück, weil sie Nachteile für ihre Städte fürchteten. So wurde die S&DR eine rein von der Darlingtoner Gruppe und der Familie Pease dominierte Gesellschaft. Nach zahlreichen Auseinandersetzugnen konnte die Linie in Richtung Middlesbrough im November 1829 in Angriff genommen werden.
Joseph Pease machte hier das Geschäft seines Lebens. Zusammen mit vier anderen Quäkern aus London und Norwich erwarb er von William Chilton die Middlesbrough Estate, 520 Acres Salzmarschen. Diese Quäker, Joseph Pease, Thomas Richardson, Henry Birbeck, Simon Martin and Francis Gibson, wurden die “Middlesbrough Eigner” genannt. Sie fingen an, hier einen Hafen zu bauen, den sie - sehr zum Ärger der Stocktoner “Port Darlington” nannten.
Über den Tees wurde bei Stockton eine Hängebrücke gebaut, die sich aber als so schwach erwies, daß ímmer nur Gruppen von vier Wagen im Abstand von neun Fuß über die Brücke fahren konnten. 1844 wurde die Brücke durch eine andere Konstruktion von Robert Stephenson ersetzt. Die Kohle, die nach der Fahrt über die Brücke ankam, wurde dort von Dampf-Kränen, die von Timothy Hackworth konstruiert waren, in die Lastkähne verladen. Um 10 Uhr am 27. Dezember 1830 fuhr der erste Kohlenzug mit Ehrengästen über die Brücke zum Port Darlington. Dieser Tag wird als die Geburtsstunde der späteren „Eisenbahnstadt“ Middlesbrough betrachtet.
Stabilisierung und Betriebsbereinigung
1832, acht Jahre nach der Betriebsaufnahme, verfügte die S&DR über 19 Lokomotiven, die dank der Fähigkeiten und des Einsatzes von Timothy Hackworth sämtlich betriebsbereit waren. Zwischen Brusselton (westlich von Darlington) und Stockton verlief die Bahn sogar zweigleisig, um das Verkehrsaufkommen zu bewältigen.
Doch es gab weiterhin ein großes Problem - die Pferde und ihre Eigner. Die S&DR war eine öffentliche Einrichtung, die zwar Eigentümerin der Schienenanlagen war, doch jeder war berechtigt, diese zu benutzen, sofern er die Gebühren zahlte und die Regeln einhielt. Die S&DR betrieb selbst nur die Kohlenzüge und überließ den Passagierdienst anderen Unternehmern. Diese waren oft gleichzeitig die Wirte der Pubs, die als Haltestationen dienten. Da sie sich nicht den Aufwand für eine Lokomotive leisten konnten, ließen sie ihre Kutschen von Pferden ziehen. Dies führte zu „Anarchie“ auf den Schienen. So wird berichtet, wie am 1. März 1832 zwei Pferdeführer von Shildon betrunken aufbrachen und nach rücksichtsloser Fahrt unter mehrfacher Regelverletzung auf die Lokomotive “William IV“ trafen. "Sie weigerten sich, in das das Ausweichgleis zu fahren und legten nicht nur eine Schienen und einen Sitz auf das Gleis, um die Lokomotive entgleisen zu lassen, sondern sprangen auch auf die Plattform und packten das Maschinenpersonal am Kragen“ heißt es. Nicht unüblich war es auch, daß Pferdeführer ihre Pferde und Wagen auf den Schienen stehen ließen und in einem nahe gelegenen Pub zum Trinken verschwanden. Bei einer solchen Gelegenheit rammte beispielsweise die Lokomotive „Globe“ bei Aycliffe Lane einen unbeleuchtet auf den Schienen stehenden Wagen.
Im August 1833 lieferten etliche Pferdewagen-Eigner der S&DR endlich den Grund, den sie brauchte, um sie loszuwerden. Sie wurden für schuldig befunden, die Fahrten nicht korrekt gemeldet zu haben, um Gebühren zu sparen. Das S&DR -Komittee entschied, daß sie zu gehen hatten. Im Oktober kaufte die S&DR die Kontraktoren für £316, 17 Schillinge und 8 Pence hinaus. Das Konzept des "Public Way" war damit beendet. Die Bahngesellschaft konnte nun allein über ihre Schienen verfügen, wozu sie bereits vorausschauend Schritte eingeleitet hatte. So war Hackworth bereits 1829 angewiesen worden, eine schnellaufende Lokomotive für den Passagierdienst zu bauen. Die Maschinen für den Kohlentransport waren demgegenüber schwer und langsam, auch mit Blick auf die Pferde auf den Schienen, die keine schnellen Fahrten zuließen.
Hackworth schuf daraufhin die oben erwähnte „Globe“, nach der einen Auslegung so benannt nach ihrem auffälligen Dampfdom auf dem Kessel, nach anderer Auslegung nach einem gekannten Pub bei Shildon, wo dei Maschinisten gern einkehrten. Die Globe wurde in Robert Stephenson's Werkstatt in Newcastle gebaut. Sie soll leichte hölzerne Räder besessen und eine Geschwindigkeit von knapp 50 mph erreicht haben. Der Maschinist stand dabei mangels anderem Platz in dem hölzernen Tender. Als revolutionärste Einzelheit wurde jedoch die gekröpfte Achse für den zwischen den Rädern angeordneten Zylinder betrachtet. Sie führte zu ruhigem Lauf bei hoher Geschwindigkeit. Die Baukosten der Globe betrugen £515. Ihre erste Fahrt, geführt von Johnny Morgan, war die Eröffnung der Middlesbrough-Verlängerung nach Port Darlington am 27. Dezember 1830. Nach dem Hinauskauf der Pferdeführer wurde die Globe voll im Passagierdienst eingesetzt bis sie im Januar 1838 mangels Wasserzufuhr bei Middlesbrough explodierte.
1863 wurde die S&DR von der North Eastern Railway, der späteren London and North Eastern Railway (LNER) übernommen. Einige Teile der S&DR-Linien sind bis heute in Betrieb, darunter der weltweit älteste in Betrieb befindliche Bahnhof. Die anderen Anlagen wurden teilweise in ein Eisenbahnmuseum umgewandelt.
Siehe auch: Geschichte der Eisenbahn
Weblinks
Literatur
- Jeans, J.S., Jubilee Memorial of the Railway System: History of the Stockton and Darlington Railway, Englisch, 348 Seiten - F Graham, März 1974, ISBN: 0859830500
- McDougall, C.A. , Stockton and Darlington Railway,1821-63, Englisch, Taschenbuch - 60 Seiten - Durham Co.Lib., Juli 1975, ISBN: 0904738000
- Kirby, Maurice W., The Origins of Railway Enterprise: The Stockton and Darlington Railway 1821-1863, Englisch, Taschenbuch - 239 Seiten - Cambridge University Press, Juli 2002, ISBN 0521892805