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Schildkröten

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Schildkröten
Datei:Riesenschildkröte gr.jpg
Riesenschildkröte
Systematik
Stamm: Chordatiere (Chordata)
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Reptilien (Reptilia)
Ordnung: Schildkröten (Testudinata)
Unterordnungen

Die Ordnung der Schildkröten (Testudinata, Testudinae oder Chelonia) existiert seit über 200 Millionen Jahren. Es gibt über 250 Schildkrötenarten auf der Welt, davon sieben Meeresschildkröten, 180 im Süßwasser lebende Arten und der Rest landlebend. Schildkröten werden zu den Reptilien (Reptilia) gezählt und waren bereits auf der Erde zu finden, bevor sich die großen Dinosaurier entfalteten. Die Anpassungsfähigkeit der Schildkröten, deren nächstverwandte Tiergruppen die Krokodile und die Vögel sind, hat deren Fortbestehen bis in die heutige Zeit sichern können.

Verbreitung

Mit der Ausnahme der Antarktis findet man Schildkröten auf allen Kontinenten, in Wüsten, in den Meeren, in Flüssen und auf dem Land, insbesondere in den gemäßigten und tropischen Klimazonen. Besonders zahlreich sind die Arten in Nordamerika und in Südostasien.

Merkmale

Aufbau des Schildkrötenpanzers

Alle Schildkröten zeichnen sich durch einen im Tierreich einzigartigen Rücken- (Carapax) und Brustpanzer (Plastron) aus, die durch die so genannte "Brücke" miteinander verbunden sind. Der Panzer besteht in der untersten Schicht aus massiven Knochen, die sich entwicklungsgeschichtlich aus der Wirbelsäule, den Rippen und dem Becken gebildet haben. Über den Knochen befindet sich eine Hautschicht. Bei den Weichschildkröten ist diese Haut lederartig, wogegen die übrigen Arten auf der Haut die typischen Panzerschilde aus Keratin bilden. Diese Schilde lassen sich in Gruppen einteilen, wobei artbedingte Abweichungen durchaus auszutreffen sind. Individuelle Schildanomalien kommen bei einzelnen Exemplaren sowohl in der Natur als auch bei Nachzuchten in Gefangenschaft vor und scheinen mit den Inkubationsbedingungen in einem Zusammenhang zu stehen.

  • Auf dem Carapax von innen nach außen
    • 5 Vertebralschilde (Wirbelsäulenschilde)
    • 8 Pleuralschilde (Seitenschilde)
    • 24 Marginalschilde (Randschilde), wobei manchmal die hinteren beiden Schilde zu einem Supracaudalschild (Schwanzschild) verbunden sind
    • 1 Cervicalschild (Nackenschild)
  • Auf dem Plastron von vorne nach hinten
    • 2 Gularschilde (Kehlschilde)
    • 2 Humeralschilde (Schulterschilde)
    • 2 Pectoralschilde (Brustschilde)
    • 2 Abdominalschilde (Bauchschilde)
    • 2 Femoralschilde (Hüftschilde)
    • 2 Analschilde

Das Aussehen des gesamten Panzers kann sich je nach Spezies sehr unterscheiden. So weist der Rückenpanzer bei vielen Arten einen oder drei Längskiele auf. Insbesondere bei den Höckerschildkröten ist dieser Kiel sehr prominent. Verschiedene Gattungen (z.B. die Dosen- und Scharnierschildkröten) können ihren Bauchpanzer mit Hilfe eines Scharniers hochklappen und somit den gesamten Panzer schließen.

Phylogenetisch geht man davon aus, dass sich der Panzer ursprünglich als Anpassung an den Lebensraum Wasser entwickelte. Der starre Körper ermöglicht ein schnelleres Vorankommen unter Wasser, insbesondere im Gegensatz zu den schlängelnden Bewegungen anderer Reptilien.

Nahrungsaufnahme

Moderne Schildkröten besitzen keine Zähne, sondern zu kräftigen Schneidewerkzeugen umgewandelte Kieferleisten. Allerdings findet man bei den ältesten Fossilien von Schildkröten noch Zähne, die sich im Laufe der Evolution umgebildet haben.

Wie alle Reptilien kauen Schildkröten ihre Nahrung nicht, sondern reißen mit dem Maul Stücke ab, wobei sie die vorderen Gliedmaßen zu Hilfe nehmen.

Fortbewegung

Schildkröten bewegen sich sowohl an Land als auch im Wasser mit für Reptilien typischen schlängelnden Bewegungen fort, wobei der Panzer als Stütze dient, was den Energiebedarf bei der Bewegung im Wasser senkt. An Land wirken diese Bewegungen zuweilen unbeholfen.

Für Reptilien einmalig haben Meeresschildkröten eine andere Methode der Fortbewegung entwickelt. Sie schlagen die vorderen Gliedmaßen, die sich zu Flossen geformt haben, auf und ab. Auf diese Weise erreichen sie recht hohe Geschwindigkeiten unter Wasser bei optimiertem Energiebedarf, was ihnen das Zurücklegen auch längerer Strecken ermöglicht.

Auch die Gliedmaßen von Landschildkröten und Wasserschildkröten (Süßwasser) sind an den jeweiligen Lebensraum angepasst. So lässt sich in den meisten Fällen die Bindung an das Wasser an dem Vorhandensein und der Äusprägung von Schwimmhäuten feststellen.

Körpergröße

Neben vielen Arten, die nur 10-30 cm groß werden, finden sich auch die Meeresschildkröten und die Riesenschildkröten auf den Galapagos Inseln (Geochelone nigra) und den Seychellen (Dipsochelys dussumieri), die eine Panzerlänge von über einem Meter erreichen.

Sinnesleistungen

Schildkröten sehen sehr gut. Bei Dunkelheit scheint ihre Sehfähigkeit der menschlichen überlegen zu sein. Sie können auch Farben besser differenzieren als Menschen, da ihre Augen wie alle Reptilien vier Rezeptoren aufweisen. Grautöne hingegen scheinen sie laut OBST weniger differenziert wahrzunehmen. Wasserschildkröten haben sich ihrem Lebensraum perfekt angepasst. Ihre Augenlinse ist so gestaltet, dass sie den Brechungswinkel von Wasser ausgleicht. Dadurch können die Tiere Feinde und Nahrung auch im Wasser klar erkennen. Die Geschwindigkeit von visuell wahrgenommenen Bewegungen hat Einfluss auf die Fluchtreaktion. Wenn man sich einer Schildkröte also langsam nähert, kommt man weiter an sie heran als bei schnellen Bewegungen.

Der Geruchssinn ist bei Schildkröten besonders stark ausgeprägt. Wenn man eine Schildkröte mit dem Hals pumpen sieht, bedeutet das nicht, dass sie außer Atem ist, sondern vielmehr dass sie gerade riecht. Die Rezeptoren befinden sich im Rachenraum. Durch den Geruch erkennen sie essbare Nahrung oder geeignete Erde, in der sie ihre Eier vergraben können. Außerdem erkennen sie sich gegenseitig am Geruch auch unter Wasser (bei aquatilen Arten), was der Partnersuche dient. Deshalb sollte man es bei der Haustierpflege vermeiden, unterschiedliche Arten in einem Aquarium zusammen zu halten.

Schildkröten haben kein Außenohr. Sie hören Töne bei weitem nicht in dem gleichen Umfang wie Menschen. Allerdings nehmen sie tiefe Vibrationen in ihrer Umgebung wahr. Eine Studie aus Italien (publiziert in Behavior Ecology, Published On-Line 9/04) belegt allerdings, dass weibliche Schildkröten der Gattung Testudo (Griechische Landschildkröten, Vierzehenschildkröten) auf akustische Signale der Männchen beim Paarungsspiel reagieren, wobei sie schnell aufeinander folgende Geräusche zu bevorzugen scheinen.

Intelligenz

Schildkröten können sich in ihren geistigen Fähigkeiten mit allen anderen Reptilien messen. So merken sie sich Futterquellen und Fluchtwege. Ihr Orientierungssinn ist ebenfalls ausgeprägt und scheint sich mit zunehmendem Lebensalter noch zu verstärken. Säugetiere sind ihnen jedoch geistig überlegen.

Lebenserwartung

Schildkröten können ein sehr langes Leben haben. Die Riesenschildkröten auf den Galapagos-Inseln werden mehr als 200 Jahre alt. Einige amerikanische Dosenschildkröten sollen weit über 100 Jahre alt geworden sein und gelten somit nicht ohne Grund als die Methusalems des Tierreichs. Meeresschildkröten leben wahrscheinlich 75 Jahre oder mehr. Bei guter Pflege werden auch als Haustier gehaltene Schmuckschildkröten 40 Jahre und älter.

Einige Exemplare haben sogar ein verbrieftes Alter von 180 Jahren erreicht. Zu den ältesten Individuen gehörte auch die Landschildkröte Timothy. Das Maskottchen der britischen Marine wurde 160 Jahre alt.

Lebensweise

Ernährung

Manche Schildkröten sind Pflanzenfresser, andere sind carnivor. Allgemein sind die Kauwerkzeuge der Schildkröten kräftig.

Fortpflanzung

Datei:Schlupf 0011.jpg
Testudo marginata nach dem Schlupf

Während häufig Männchen und Weibchen über einen Großteil des Jahres getrennte Ökologische Nischen bevorzugen, suchen sie sich zur Paarungszeit auf. Diese Paarungszeit liegt bei Arten aus der gemäßigten Klimazone oft im Herbst und im Frühjahr. Tropische und subtropische Arten richten sich nach der Luftfeuchtigkeit, was eine Nachzucht in Gefangenschaft außerhalb dieser Klimazonen erschwert.

Nach einer Befruchtung bleibt das Weibchen über mehrere Jahre fruchtbar, was sicherlich auch den großen Erfolg der Schildkröten bei der Besiedlung neuer Lebensräume (z.B. den Galapagos-Inseln) erklärt.

Die Eiablage erfolgt einige Wochen nach der Befruchtung. Diese Eier unterscheiden sich in Form und Beschaffenheit zwischen den Arten sehr. Auch die Anzahl variiert von einem bis drei Eiern z.B. bei der Amboina Scharnierschildkröte (Cuora amboinensis) bis zu über 100 z.B. bei Meeresschildkröten. Das Gelege wird in eine ausgescharrte Grube gelegt und mit Erde oder Pflanzenmaterial bedeckt.

Die Inkubationstemperatur entscheidet bei fast allen Arten über das Geschlecht des Jungtiers. Nach dem Schlupf bleiben die kleinen Schildkröten oft bis zur vollständigen Resorption des Dottersacks im Gelege, bevor sie sich zur Oberfläche graben.

Das Muttertier leistet keine Aufzucht- oder Schutzhilfe.

Fressfeinde

Viele Gelege werden durch andere Tiere (oder bei den Meeresschildkröten auch den Menschen) geplündert.

Systematik

Alle Schildkröten werden in die zwei Unterordnungen eingeteilt:

  • die Halswender-Schildkröten (Pleurodira) (mit 2 Familien) und
  • die Halsberger-Schildkröten (Cryptodira) (mit 10 Familien).

Die Halswender-Schildkröten haben oft einen relativ langen Hals, und müssen den Hals beim Zurückziehen des Kopfes unter den Panzer seitlich 'falten'; oft ist der Kopf nicht ganz geschützt. Die Halsberger-Schildkröten dagegen falten den Hals senkrecht ein und sind in der Regel in der Lage, den Kopf vollständig unter dem Panzer zu bergen.

Rezente Schildkrötenarten

Halswender-Schildkröten (Pleurodira)
Halsberger-Schildkröten (Cryptodira)
Sumpfschildkröte: Grapteyms nigrinoda (Schlüpflinge)
Datei:LL 022.jpg
Griechische Landschildkröte (Schlüpfling)
Datei:Karettschildkröte2.jpg
Meeresschildkröte: Echte Karettschildkröte

Ausgestorbene Schildkrötenarten

Schutzbestrebungen

Der Lebensraum vieler Schildkrötenarten ist bedroht. Manche Schildkröten gelten als Delikatessen und werden vom Menschen intensiv bejagt. Die Eier der Meeresschildkröten werden an Stränden oft derart geplündert, dass ein Überleben ohne Schutzmaßnahmen in Frage gestellt ist.

In den letzten Jahren richtet sich ein Hauptaugenmerk auch auf die Lebensmittelmärkte in Südostasien, auf denen (meistens aquatile) Schildkröten in großer Zahl angeboten werden, die im Anhang I (vom Aussterben bedrohte Arten, die durch den Handel beeinträchtigt werden oder beeinträchtigt werden könnten) und Anhang II (Arten, deren Erhaltungssituation zumeist noch eine geordnete wirtschaftliche Nutzung unter wissenschaftlicher Kontrolle zulässt) des Washingtoner Artenschutzabkommens geführt werden. So befürchtet man, dass zum Beispiel einige Arten der Gattung Cuora kurz vor der Ausrottung in freier Natur stehen. Um diesem Notstand zu begegnen, koordiniert der Allwetterzoo Münster [1] ein viel beachtetes Nachzuchtprojekt südostasiatischer Schildkrötenarten in Gefangenschaft.

Der 23. Mai wurde von der Humane Society of the United States [2] zum Weltschildkrötentag erklärt, um auf die Gefährdung des Artenbestandes dieser oft als lebende Fossilien bezeichneten Tiere hinzuweisen.

Literatur

  • FRITZ JÜRGEN OBST, Schmuckschildkröten, Hohenwarsleben 1985
  • DAVID G. SENN, Eine Naturgeschichte der Schildkröten, Bottmingen/Schweiz 1992
  • HOLGER VETTER, Turtles of the World - Schildkröten der Welt, Frankfurt/M 2004