Benedikt Waldeck

Franz Leo Benedikt Waldeck (* 31. Juli 1802 in Münster; † 12. Mai 1870 in Berlin) war ein deutscher Politiker und gilt als einer der führenden Linksliberalen in Preußen während der Revolution von 1848/49. Nach dem erzwungenen Rückzug aus der Politik in der Reaktionsära, wurde er in den 1860er Jahren zu einer Führungsfigur der Fortschrittspartei und zu einem der wichtigsten innenpolitischen Konkurrenten von Otto von Bismarck.
Familie, Ausbildung und Beruf

Der Großvater war Komponist und Domorganist, der Vater war Professor für Natur- und Kriminalrecht. Nach dem faktischen Ende der münsterschen Akademie hat er 1822 eine höhere Provinzial-, Bürger- und Gewerbeschule mitgegründet. Außerdem war er als Autor religiöser und philologischer Schriften tätig. Die Mutter Gertrudis geborene Lindenkampff stammte aus einer alten münsterschen Patrizierfamilie.
Waldeck machte 1817 sein Abitur auf dem Münsteraner Gymnasium Paulinum und begann sein Studium noch im selben Jahr an der "Rumpfuniversität" in seiner Heimatstadt bis er 1819 nach Göttingen wechselte. Dort studierte er unter anderem bei Jakob Grimm. Diesem half er auch bei der Sammlung von Märchen und Legenden. Im Übrigen scheint Waldeck literarisch nicht unbegabt gewesen zu sein, stießen doch seine poetischen Versuche selbst bei Heinrich Heine, den Waldeck in Göttingen kennenlernte, auf Lob. Im Hauptfach studierte er allerdings Rechtswissenschaften. Bereits mit 20 Jahren promovierte Waldeck zum Dr. jur. Wohl auch beeinflusst von Jakob Grimm aber vor allem von Karl Friedrich Eichhorn stand er der historischen Rechtsschule nahe.
Nach einem kurzen Liebäugeln mit einer germanistischen Dozentenlauf entschied sich Waldeck nach dem Ende des Studiums für den Juristenberuf. Gleichwohl blieb er weiterhin mit der literarischen und philosophischen Welt verbunden.
Nach Abschluss seines juristischen Studiums kehrte Waldeck zunächst nach Münster zurück. Dort wurde er 1822 zum Auskulator ernannt, zwei Jahre später war er Oberlandesgerichtsreferendar. Im Jahr 1828 bestand er die große juristische Staatsprüfung. Gleichzeitig wurde Waldeck zum Assessor ernannt. Anschliend arbeitete er am Oberlandesgericht in Halberstadt. Kurz darauf wechselte er nach Paderborn. Dort heiratete Waldeck Julia (geborene Langen aus Paderborn, *1809; † 1890). Aus dieser Ehe stammten neun Kinder, von denen vier bereits früh verstarben.
Bereits 1834 wurde Waldeck zum Landgerichtsdirektor in Vlotho ernannt, 1836 war er Oberlandesgerichtsrat in Hamm. Dort übernahm er auch den Vorsitz in der Stadtverordnetenversammlung und vertrat die Stadt auch im Kreistag. Waldeck setzte sich erfolgreich dafür ein, dass die Stadt einen Bahnhof der Köln-Mindener Eisenbahn erhielt. Im Jahr 1844 wechselte er nach Berlin, wo er als Obertribunalrat am höchsten preußischen Gerichtshof tätig war.
Politische Sozialisation

Durch seine familiäre Herkunft war er noch mit der weltoffenen von Aufklärung und einem undogmatischen Katholizismus geprägten Ära Franz von Fürstenbergs verbunden. Ebenso wichtig für seine politische Sozialisation war das Ende der Franzosenzeit und der Beginn der preußischen Herrschaft. Nicht vergessen war in Münster, dass 1803 die Preußen für die Säkularisation des Münsterlandes verantwortlich waren. Wie auch sein Zeitgenosse und spätere Widersacher in der preußischen Nationalversammlung Johann Friedrich Joseph Sommer blieb auch Waldeck von seiner westfälischen und katholischen Herkunft geprägt. Wie dieser hatte er anders als folgende Generationen keine Probleme damit Katholizismus und Liberalismus miteinander zu verbinden. Offenbar ein weiteres Charakteristikum dieser Generation war, dass sie unmittelbar nach dem Ende der Befreiungskriege in Preußen einen Motor des gesellschaftlichen und politischen Fortschritts sahen. Um so enttäuschter waren Waldeck und andere, dass die versprochene Verfassung nach den Karlsbader Beschlüssen (1819) ausblieb und die Publizistik von Zensur bestimmt war. Den während seiner Studienzeit oppositionellen studentischen Verbindungen blieb er fern. Allerdings empörten ihn die Hinrichtung von Karl Ludwig Sand nach dessen politisch motivierten Ermordung Kotzebues. Waldeck versuchte Sand durch ein volksliedhaftes Gedicht ein Denkmal zu setzen.
Waldeck beschäftigte sich intensiv mit Hegel, Fichte, Kant und Rousseau. Zeitweise wurde er aber auch von dem Konservativen Haller stark beeinflusst. Vor allem seit der Julirevolution von 1830 in Frankreich begann sich Waldeck mit französischen Gesellschaftstheorien auseinanderzusetzen. Dazu zählten der Frühsozialist Henri de Saint-Simon und der katholisch-liberal gesinnte Félicité de Lamennais. Dessen Verbindung von Katholizismus und liberalen Gedanken hat Waldeck unterstützt, die Forderung nach einer republikanischen Staatsform aber abgelehnt.
Rechtspolitisch trat Waldeck zusammen etwa mit Sommer für die Freiheit des Richterstandes ein. Zusammen mit diesem organisierte Waldeck 1843 ein Treffen von westfälischen Juristen in Soest, das bei den Behörden als Versuch einen Berufsverband zu gründen auf Misstrauen stieß. Waldeck erhielt zwar einen dienstlichen Verweis, ohne das dieser seiner juristischen Karriere geschadet hätte. Einen Namen machte sich Waldeck im Vormärz als Kenner des regionalen Güter- und Erbrechts. Er plädierte dabei für die Teilbarkeit des Grundeigentums. Sein Eintreten für ländliche Interessen gerade auch der Kleinbesitzer brachte ihm in der Bevölkerung den Beinamen "Bauernkönig" ein. Vor diesem Hintergrund erschien 1841 seine Schrift „Über das bäuerliche Erbfolgegesetz in Westfalen.“[1]
Waldeck während der Revolution von 1848/49
Politische Positionierung: Kopf der preußischen Demokraten
Bis zur Revolution von 1848 war Waldeck nicht weiter politisch hervorgetreten. Im Jahr 1848 wurde Waldeck dann gleich von vier Wahlkreisen (Lippstadt, Borken, Paderborn, Stadt Münster) in die preußische Nationalversammlung in Berlin gewählt. Angenommen hat er freilich das Mandat eines Berliner Bezirks, für das ihn Rudolf Virchow vorgeschlagen hatte. In seinem Wahlkreis sprach sich Waldeck für eine "demokratische Monarchie" in der Tradition der französischen Constituante von 1789 aus.[2] Er sprach sich für ein Einkammersystem ohne ein adelsdominiertes Herrenhaus aus. Allerdings forderte Waldeck auch, dass der Verfassungsrahmen mit Reformen in Justiz, Agrarorganisation, Gemeindeverfassung, Militärwesen und in anderen Bereichen ausgefüllt werden müssen. Eine nur geringe Rolle spielte für ihn die Forderung nach staatlicher Sozialpolitik. Waldeck war kein Republikaner, sondern befürwortete eine konstitutionelle Monarchie mit einem starken Parlament.
Bereits zu Beginn der Parlamentsverhandlungen wurde Waldeck zum Präsidenten vorgeschlagen, unterlag aber gegen einen liberalen Politiker. Obwohl er sich selbst kaum am demokratischen Vereinsleben in Berlin und den entsprechenden preußischen Organisationsbemühungen beteiligte, galt er doch als der führende politische Kopf der preußischen Demokraten. Die Linke umfasste etwa einen Kern von 40 Abgeordnete und stand in entschiedener Opposition zum Märzministerium um Camphausen und Hansemann. Innerhalb der Linken gehörte Waldeck freilich etwa im Gegensatz zum Demokraten Johann Jacoby eher einer rechten linksliberalen Strömung an.
Die Charte Waldeck und die parlamentarische Arbeit

Im Plenum hat Waldeck zunächst kaum gesprochen, stattdessen konzentrierte er sich auf die Ausschussarbeit. Wenn er aber das Wort ergriff, war dies offenbar durchaus beeindruckend. „... er stürmte auf die Tribüne (...) das Auge blitzte, die ganze Gestalt sein Leben und Bewegung, mit sonorer Stimme in fließenden Vortrage bringt er seine Gründe vor und schließt niemals ohne donnernden Applaus, zu dem häufig auch die Mitglieder der Rechten hingerissen würden.“[3]
Vor allem in der Verfassungsdebatte trat er sich hervor. Ihm gelang es am 15. Juni 1848 die Mehrheit des Hauses von seinem Antrag zu überzeugen, dass die Nationalversammlung das Recht hätte, den von der Regierung vorgelegten unzureichenden Verfassungsentwurf zu diskutieren, zu ändern oder gegebenenfalls einen eigenen Antrag einzubringen. Darauf wurde eine Verfassungskommission eingerichtet, deren Vorsitz Waldeck übernahm. Er selbst beteiligte sich vor allem an der Ausarbeitung des Grundrechtsteils. Sein Einfluss auf das Zustandekommen des Verfassungsentwurfs der Nationalversammlung war so groß, dass er allgemein als „Charte Waldeck“ bezeichnet wurde. Allerdings konnte die Linke keineswegs alle ihre Vorschläge durchbringen. So entschied sich die Mehrheit für zwei Kammern und ein indirektes Wahlrecht. Im Übrigen scheiterte der Versuch der Linken die Verfassung auf dem Boden der Volkssouveränität ohne eine Vereinbarung mit dem König zu beschließen. Insofern ist der Begriff "Charte Waldeck" etwas missverständlich, da sie eben kein Verfassungsentwurf aus einem Guss, sondern das Ergebnis eines intensiven Diskussionsprozesses war. Gleichwohl bedeutete die Charte insgesamt einen Erfolg der Linken, da es etwa gelungen war einen umfassenden Grundrechtskatalog durchzusetzen und ein umfassendes Vetorecht des Königs zu verhindern.
Daneben war Waldeck unter anderem an einer freiheitlichen Gemeinde-, Kreis- und Bezirksordnung beteiligt, die allerdings nie praktische Bedeutung erhielt. Des Weiteren beteiligte er sich an der Reform des Presse- und Justizrechts. Außerdem beschloss die Nationalversammlung auf seinen Vorschlag hin - im Vorgriff auf eine künftige Verfassung - eine "Habeas-Corpus-Akte." Nicht durchsetzen konnten sich Waldeck und die Demokraten gegen die Liberalen in der Frage der Wehrverfassung. Das von den Liberalen Bürgerwehrgesetz reichte den Befürwortern einer allgemeinen Volkswehr nicht aus. Zusammen mit den Liberalen hob das Parlament die feudalistischen Residuen etwa im Jagdrecht auf.
Bemerkenswert ist Waldecks Haltung zur "Deutschen Frage", er lehnte eine großdeutsche Lösung unter Führung Österreichs dezidiert ab und sah trotz aller Enttäuschung nach 1819 in Preußen noch immer so etwas wie den Motor des Fortschritts. In Übereinstimmung mit den preußischen Konservativen lehnte es Waldeck zudem ab der provisorischen Zentralmacht in Frankfurt irgendwelche Kompetenzen abzutreten.
Waldeck und die Gegenrevolution
Wie viele "48er" machte sich auch Waldeck anfänglich Illussionen über die Beharrungskraft der alten Mächte. Als in Österreich der militärische Gegenschlag der Monarchie bereits absehbar war, stellte Waldeck den Antrag die Revolution in Wien notfalls auch mit Militär gegen die ausgewichene Regierung und den Kaiser zu unterstützen.
An den Debatten um die drohende Gegenrevolution und die Unruhen in der Hauptstadt nahm Waldeck erheblichen Anteil. In dieser Phase wählte die Versammlung Waldeck zum Vizepräsidenten des Hauses. Nach der Ernennung des gegenrevolutionären Grafen Brandenburg zum Ministerpräsidenten gehörte Waldeck, neben Johann Jacoby, Jodocus Temme und anderen zu denjenigen Abgeordneten die Gegenmaßnahmen im "Rahmen der Kompetenzen der Nationalversammlung" forderten. Als die Gegenrevolution durch den Einmarsch Wrangels und die Anordnung das Parlament zu verlegen immer stärker wurde, gehörte Waldeck zu denjenigen die bis zuletzt passiven Widerstand leisteten. Einen Aufruf an die Berliner Bürgerwehr gegen das Militär vorzugehen, lehnte er dagegen ab. Die Verlegung der Versammlung bezeichnete er als illegal und beschuldigte das Ministerium Brandenburg des Hochverrats. Waldeck trug den Beschluss des Parlaments ausdrücklich mit die Bevölkerung zur Steuerverweigerung aufzurufen. Als das Militär den Saal räumen lassen wollte rief Waldeck: "Holen Sie ihre Bajonette und stechen Sie uns nieder! Ein Landesverräter, der diesen Saal verlässt." [4]

Konsequenterweise ging Waldeck nicht mit nach dem neuen Tagungsort in der Stadt Brandenburg. Die am 5. Dezember 1848 oktroyierte Verfassung stimmte in vielen Punkten mit der Charte Waldeck überein und indirekt wurde sie damit zur Grundlage des preußischen Konstitutionalismus bis 1918. Allerdings waren etwa das absolute Vetorecht des Königs und das Dreiklassenwahlrecht entscheidende Veränderungen gegenüber der Charte. Von Waldeck selbst wurde die neue Verfassung allerdings als nicht rechtmäßig zustande gekommen abgelehnt. Allerdings trat er nach der Auflösung der Nationalversammlung 1849 in die zweite Kammer des preußischen Landtages ein. Sofort wandte er sich gegen den Belagerungszustand in Berlin. Im Zusammenhang mit der Debatte über die vom Frankfurter Parlament dem preußischen König angetragene Kaiserkrone, betonte Waldeck noch einmal seine Überzeugung, dass die deutsche Einheit die "historische Mission" Preußens sei, mahnte aber an, dass dies nur im Zusammenhang mit den Ideen der Freiheit und nicht des Militarismus möglich sei. Für die Linke sprach sich Waldeck gegen das Kaisertum des preußischen Königs aus. Angesichts der tatsächlichen gegenrevolutionären Entwicklung völlig illusorisch beschwor er das Bild eines "Volkskaiser" abhängig von der Volkssouveränität.[5] Der Antrag auf Aufhebung des Belagerungszustandes wurde von der Mehrheit angenommen, daraufhin wurde das Parlament am 27. April 1849 erneut aufgelöst.
Letztlich bedeutete dies der Sieg der Gegenrevolution in Preußen und Waldeck wurde am 16. Mai 1849 verhaftet und vor Gericht gestellt. Der Vorwurf er hätte eine sozialdemokratische Republik angestrebt, stützte sich auf keine Tatsachen und der Versuch ihm vor ein Kriegsgericht zu stellen, scheiterte an mangelnden Beweisen. Letztlich wurde Waldeck freigelassen und von einer großen Menschenmenge stürmisch gefeiert.
Als preußischer Oppositionsführer in den 1860er Jahren
Während der Reaktionsära bestand für Waldeck und einen Großteil der preußischen Demokraten keine Möglichkeit mehr politisch zu wirken. Wie stark diese Ära von einer Diktatur im Stil des 20. Jahrhundert entfernt war, zeigt die Tatsache, dass Waldeck weiterhin Richter am obersten preußischen Gericht blieb. Daneben zog er sich in das Privatleben zurück, pflegte im kleinen Kreis ein geselliges Leben und veröffentlichte Schriften zu juristischen Themen.
Waldeck und die Fortschrittspartei
Erst als mit dem Beginn der Regentschaft des späteren Königs Wilhelm I. das Ende der Reaktionszeit gekommen war und die Opposition auf den Beginn einer Neuen Ära hoffte, begann auch Waldeck wieder stärker aktiv zu werden. Im Jahr 1861 wurde er für den Wahlkreis Bielefeld in einer Nachwahl in den Landtag gewählt. Einige Linke der Revolutionszeit wie Temme traten zwar an Waldeck mit dem Vorschlag heran eine "Demokratische Partei" etwa nach dem Vorbild der württemberger "Demokratischen Volkspartei" zu gründen, aber Waldeck lehnte ab, da er wohl das politische Potential einer solchen Organisation als zu begrenzt ansah. Daraufhin nahmen auch andere Demokraten von dieser Idee Abstand.
Stattdessen wurde Waldeck in den Folgejahren zu einer der führenden Politiker der "Fortschrittspartei." Wie Waldeck bereits 1848/49 trat sie für eine preußische Führungsrolle bei der Gestaltung der deutschen Einheit und für weitegehende Reformen im Innern ein. Da die neue Partei ein Sammelbecken sowohl für Liberale wie auch Demokraten sein wollte, hat sie in ihrem Programm einige strittige Punkte - wie etwas die Wahlrechtsfrage - ausgeklammert. Waldeck selbst definierte sich in dieser Zeit als einen "verkappten Demokraten." In diesem Sinne sprach er sich 1865 für das allgemeine gleiche Wahlrecht als einer Grundforderung der Demokraten aus. Einer "Staatshilfe nach sozialistischen und kommunistischen Begriffen", d.h. eine aktive Sozialpolitik des Staates lehnte er und die Fortschrittspartei ab. Diese Haltung war ein maßgebender Faktor für die Trennung der bürgerlichen von der sozialen Demokratie.[6]
Indemitätsvorlage und Deutsche Einheit : Waldeck als politischer Gegner Bismarcks
Waldecks Wiedereinstieg in die Politik gründete auf der Hoffnung unter dem neuen König aus dem Parlament heraus zentrale politische Reformen durchsetzen zu können. Diese Position geriet spätestens mit der Ernennung von Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten ins Wanken. Bekanntlich war Bismarck ausdrücklich ernannt worden, um mit allen Mitteln den Widerstand des Parlaments gegen eine vom König befürwortete Heeresreform zu brechen. Waldeck stand mit an der Spitze der Opposition die Bismarcks "Lückentheorie" als Verfassungsbruch bekämpfte. Verfassungstheoretisch waren die Argumente auf Seiten Waldecks. Ehrenhaft war es auch, dass sich die Fortschrittspartei ganz im Rahmen der Verfassung bewegte, damit aber gegen einen Kontrahenten der bereit war notfalls diese Basis zu überschreiten machtpolitisch in der Defensive agierte.
Die Einigungspolitik Bismarcks wurde zu einer Belastungsprobe für die Fortschrittspartei. Das Ziel der deutschen Einheit und die Führungsrolle Preußens wurde von der Partei zwar geteilt, aber die Art und Weise des Vorgehens war umstritten. Die Haltung Waldecks war allerdings eindeutig. Preußen könne für Deutschlands Einheit und Freiheit nichts tun, "solange es innerlich nicht zur Freiheit gelangt" sei.[7] Die Fortschrittspartei hielt darauf an ihrer Position fest, dem Minister Bismarck keinen Mann und keinen Groschen zu bewilligen. Angesichts des nationalen Enthusiasmus dieser Zeit haben einige Waldeck einen unpolitischen Doktrinarismus vorgeworfen. Diese Position war zumindest ein Grund für die Spaltung des demokratisch-liberalen Lagers.
Nach dem Sieg Preußens über Österreich ging nicht nur die Fortschrittspartei aus den Wahlen geschwächt hervor, auch Waldecks Einfluss und Popularität war vor diesem Hintergrund geringer geworden. Die Abspaltung und Gründung der nationalliberalen Partei konnte er nicht verhindern. Damit verschob sich der Schwerpunkt innerhalb des Liberalismus von den eher "linken" Fortschrittlichen erkennbar nach Rechts. Im nach dem allgemeinen, gleichen Wahlrecht gewählten Reichstag des neuen norddeutschen Bundes vertrat Waldeck einen Berliner Wahlkreis und übte heftige Kritik gegen den Entwurf einer Verfassung für das neue Staatsgebilde, blieb damit aber in einer klaren Minderheitenposition. Aber auch im norddeutschen Reichstag blieb Waldeck ein Sprecher des Linksliberalismus bis er 1870 starb.
Tod und Nachleben
Noch immer war seine Popularität nicht vollständig gebrochen, beteiligten sich doch zehntausende Menschen an seinem Trauerzug. Im Jahr 1889 wurde nach langen Auseinandersetzungen mit den Behörden ein Waldeckdenkmal im nach ihm genannten Park in Berlin eingeweiht.
Waldeck stand in der politischen Auseinandersetzung gegenüber Bismarck mehr und mehr auf verlorenen Posten, gleichwohl warnte er stets vor einer Politik, die sich innen- wie außenpolitisch vor allem auf die Macht stützt und dabei die Freiheit vernachlässigt. Mit dieser Position gehört Waldeck zu den "Unterlegenen" der deutschen Geschichte des 19. Jahrhundert.
Quellen
- ↑ Manfred Botzenhart: Franz Leo Benedikt Waldeck (1802 - 1870). In: Westfälische Lebensbilder. Münster 1985. Bd. 12. (zit. nach der Online-Ausgabe)S.3., Christina von Hodenberg: Die Partei der Unparteiischen. Der Liberalismus der preußischen Richterschaft 1815-1848/49. Göttingen, 1995. S.167f.
- ↑ Botzenhart, Waldeck, S.3.
- ↑ zeitgenössische Charakteristik aus dem Grenzboten, zit. nach Stulz-Herrnstadt, S.335
- ↑ Botzenhart, Waldeck, S.6.
- ↑ Botzenhart, Waldeck, S.6f.
- ↑ Botzenhart, Waldeck, S.8, zur Fortschrittspartei vergl. Andreas Biefang: National-preußisch oder deutsch-national? Die deutsche Fortschrittspartei in Preußen 1861-1867. In: Geschichte und Gesellschaft 3/1997. S.360-383.
- ↑ Botzenhart, Waldeck, S.8
Schriften (Auswahl)
- Ueber das bäuerliche Erbfolgegesetz für die Provinz Westphalen. Arnsberg, 1841.
- Sämmtliche Reden in der Nationalversammlung und vor den Wahlmännern. Berlin, 1849.
Quellen
Literatur
- Heinrich Bernhard Oppenheim: Benedikt Franz Leo Waldeck, der Führer der preussischen Demokratie. Berlin, 1880.
- Wilhelm Schulte: Westfälische Köpfe. Münster 1977. S.352f. ISBN 3-402-05700-X
- Christina von Hodenberg: Die Partei der Unparteiischen. Der Liberalismus der preußischen Richterschaft 1815-1848/49. Göttingen, 1995. S.167f.
- Nadja Stulz-Herrnstadt: Franz Leo Benedikt Waldeck. Parlamentarier in der Berliner konstituierenden Versammlung an der Grenze zwischen Liberalismus und Demokratie. In: Helmut Bleiber (u.a.) (Hrsg.): Männer der Revolution von 1848 Bd.2. Akademie-Verlag, Berlin (Ost) 1987 ISBN 3-05-000285-9 S.327-356
Weblink
- Benedikt Waldeck. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 40, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 668.
- Vorlage:PND
- Online Biographie zu Franz Leo Benedikt Waldeck
- Eintrag im Westfälischen Autorenlexikon (inkl. Schriftenverzeichnis)
- Rückblicke auf die Preußische National-Versammlung von 1848 und ihre Koryphäen. Berlin : Eichler, 1849 (Onlineausgabe)
Personendaten | |
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NAME | Waldeck, Franz Leo Benedikt |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker |
GEBURTSDATUM | 31. Juli 1802 |
GEBURTSORT | Münster |
STERBEDATUM | 12. Mai 1870 |
STERBEORT | Berlin |