Eleonora Duse

Eleonora Duse (* 3. Oktober 1858 in Vigevano; † 21. April 1924 in Pittsburgh, Pennsylvania), war eine italienische Schauspielerin.
„Die Duse“ war neben Sarah Bernhardt und Mrs. Patrick Campbell eine der großen Theaterschauspielerinnen des 19. Jahrhunderts. Ihr Spiel war subtil und wenig theatralisch und gilt als wegweisend für das „Moderne Theater“. Sie verkörperte zumeist leidende, aber willensstarke Frauencharaktere.
Leben und Werk
Eleonora Guilia Amalia Duse wurde in eine Schauspielerfamilie hineingeboren. Die Eltern, Alessandro Vincenzo Duse und Angelica Cappelletto (Duse), hatten eine fahrende Komödiantentruppe, die von Ort zu Ort zog. Schon ihr Großvater Luigo Duse war Schauspieler und trat in Padua in einer selbstgebauten Theaterkulisse auf, jeder seiner Söhne gründete wiederum ein eigenes Ensemble. Bereits mit vier Jahren stand Eleonora auf Bühnenbrettern. Mit zwölf Jahren sprang sie für ihre an Schwindsucht erkrankte Mutter Angelica ein; mit fünfzehn spielte sie bereits die Hauptrolle in Romeo und Julia in der Arena von Verona. 1876 erlag ihre Mutter der jahrelangen Lungenerkrankung.
Frühe Jahre
Eleonora Duse wurde 1878 von dem Konservatoriumsdirektor des „Florentiner Theaters" in Neapel, Lauro Rossi (1810–1885) entdeckt, als sie eine Liebhaberin spielte, und er engagierte sie für Gastspielreisen. Ihren Durchbruch als Schauspielerin hatte sie als „Thérèse Raquin“ von Emile Zola. 1879 begegnete sie in Neapel dem Journalisten und Lebemann Martino Cafiero, mit dem sie eine kurze und intensive Liebesbeziehung hatte. Nur ein knappes Jahr später wurde die mittlerweile schwangere 21-Jährige von Cafiero verlassen; das Kind starb bei der Geburt und kurze Zeit später auch Cafiero. 1880 schloss sie sich der Schauspielertruppe von Cesare Rossi an, die sich gerade auf einer ihrer vielen Gastspielreisen durch Italien befand. Am 7. September 1881 heiratete Eleonora Duse ihren Schauspielerkollegen Tebaldo Marchetti (1844–1918), genannt Checchi. Genau vier Monate später, am 7. Januar 1882 kam die gemeinsame Tochter Enrichetta zur Welt. 1884 erlitt die ehrgeizige Schauspielerin einen Blutsturz, der ihre Gesundheit ernsthaft beeinträchtigte und sie vorübergehend ans Bett fesselte; ihre kleine Tochter musste derweil bei einer Pflegefamilie untergebracht werden. Dennoch schaffte es Eleonora Duse einen Auftritt der bereits weltberühmten Schauspielerin Sarah Bernhardt in Turin mitzuerleben. Bernhardt beeindruckte durch ihr exaltiertes Temperament auf der Bühne wie im Privatleben. Die ehrgeizige Duse sah in der vierzehn Jahre älteren Französin sogleich eine potenzielle Rivalin und strebte alsbald danach, die Rollen der Bernhardt für italienischsprachige Stücke zu adaptieren.
„Die Duse“ – Entwicklung des eigenen Stils
Als Eleonora Duse schließlich darauf bestand, die Glanzrolle der Bernhardt als „Kameliendame“ von Alexandre Dumas dem Jüngeren zu übernehmen, lehnte Schauspielleiter Cesare Rossi zunächst ab, weil er die Vergleichsmöglichkeiten mit der großen französischen Tragödin fürchtete. Dennoch setzte sich die Duse bewußt über alle Vorbehalte hinweg und schaffte es ihrer Interpretation der „Kameliendame“ eine bemerkenswert moderne Gestalt zu verleihen, indem sie die Figur reduzierter anlegte als ihre Konkurrentin und auf die überzogen frivol wirkende Gestik der Bernhardt verzichtete. So feierte sie am 10. Januar 1883 in Turin mit ihrem ersten Auftritt in der umstrittenen Rolle einen Achtungserfolg. In der Überzeugung, dass Schauspielkunst nicht erlernbar sei sondern angeboren, entwickelte Eleonora Duse zunehmend ihre ganz eigene Methodik zu agieren: Die eher zierlich wirkende dunkelhaarige Frau verließ sich ausschließlich auf ihr ausdrucksstarkes Gesicht ihre Darstellungskraft und Mimik und verzichtete weitgehend auf Masken und Schminke. Die Duse traf damit zunächst auf Unverständnis beim Publikum. Diese neue „moderne“ Art der Darstellung irritierte nicht nur ihre Kritiker und so beklagte sie sich in einem Brief: „Nach den Regeln muss man in bestimmten Situationen die Stimme erheben, sich übertrieben benehmen. Doch, wenn ich heftige Leidenschaft ausdrücken muss, wenn ich von Freude oder Leid ganz ergriffen bin, werde ich oft stumm, und auf der Bühne spreche ich leise, flüstere kaum [...] Wer sich anmaßt, Kunst zu lehren, versteht überhaupt nichts davon.“[1]
Gegen Ende 1883 bot der sizilianische Schriftsteller Giovanni Verga Cesare Rossi das Volksstück „Cavalleria rusticana“ zur Aufführung an. Im Gegensatz zum konservativen Rossi begeisterte sich die progressive Eleonora Duse sofort dafür und übernahm spontan die Rolle des Bauernmädchens „Santuzza“. Die Uraufführung am 14. Januar 1884 in Turin wurde ein großer Erfolg für das Schauspielerensemble und die Duse. Am 11. Mai 1884 gastierte die Gruppe in Mailand. Bei einem Essen mit dem Bürgermeister der Stadt begegnete Eleonora Duse erstmals dem berühmten Dramatiker, Komponisten und Theaterkritiker Arrigo Boito (1842–1918). Boito, den die Duse „den Heiligen“ nannte, wurde später ihr Geliebter.
Internationaler Erfolg

1885 trat die Schauspielerin ihre erste Auslandstournee nach Südamerika an. Dort verliebte sie sich in ihren Bühnenpartner Flavio Andò und trennte sich kurzerhand von ihrem Ehemann Tebaldo Checchi. Gleichzeitig erklärte sie Cesare Rossi ihren Ausstieg aus dessen Ensemble, um 1886 zusammen mit ihrem neuen Lebenspartner eine eigene Theatergruppe, die sie Compagnia della Città di Roma nannte, zu gründen. Am 11. Februar 1887 trat die Duse mit ihrem neuen Ensemble in einer Komödie von Carlo Goldoni im Mailänder Theater Manzoni auf. Im Publikum saßen Giuseppe Verdi und sein Librettist Arrigo Boito. Die 28-Jährige und der sechzehn Jahre ältere Dichter verliebten sich ineinander. Damit sollte eine komplizierte langjährige Affäre beginnen, denn sowohl die Duse wie Boito waren verheiratet und eine Scheidung stand in dem strengreligiösen Italien außer Betracht: Die Duse hätte das Sorgerecht für ihre Tochter an ihren Noch-Ehemann Tebaldo Checchi, der die Scheidung verweigerte, verloren und der Ruf des honorigen Schriftstellers Boito wäre ruiniert gewesen. Also fanden die Treffen der beiden stets heimlich statt. Für Eleonora Duse, das ehemalige Künstlerkind, das ohne regelmäßige Schulbildung aufgewachsen war, stellte der belesene und eloquente Arrigo Boito einen väterlichen Liebhaber dar, der ihr literarisches Wissen vermittelte. In den Jahren 1889/90 führten sie weitere Gastspiele nach Ägypten, Spanien, die USA, England, Österreich und nach Deutschland. Es sollte der Beginn ihrer internationalen Karriere werden.
Am 9. Februar 1891 führte die Duse in der Titelolle von „Nora“ erstmals ein Bühnenstück von Henrik Ibsen in Italien auf und erntete damit großen Erfolg. Wenige Wochen danach brillierte die Künstlerin in St. Petersburg und gastierte dort von November 1891 bis 1892 mehrmals. Der Dramatiker Anton Tschechov zeigte sich in seinen Briefen begeistert von der Diva.[2] Der Schriftsteller Hermann Bahr (1863–1934) schrieb als Rezension eine Lobeshymne an die „Frankfurter Zeitung" und empfahl einem österreichischen Theateragenten, die Italienerin zu engagieren. Daraufhin erhielt sie eine Einladung nach Wien und gab dort am 20. Februar 1892 ihr erstes Gastspiel im Carl-Theater als „Kameliendame“ von Dumas. In Wien lernte sie den fünf Jahre jüngeren Dichter und Schriftsteller Gabriele d'Annunzio (1863–1938) kennen. 1895 wurden sie in Venedig ein Liebespaar. Daraufhin verwandte die Duse ihre gesamte Energie und versuchte, seine Stücke bekannt zu machen und gab dabei ein Vermögen für deren Inszenierungen aus. Sie spielte fast ausschließlich seine Stücke, obwohl ihr die Rollen nicht lagen und auch beim Publikum wenig Anklang fanden. D'Annunzio wurde ihr schließlich untreu und betrog die Schauspielerin; er plauderte private Details aus und kompromittierte sie in seinem Werk Il Fuoco („Das Feuer" dt. „Die Romane des Granatbaum-Feuers“), das von einer alternden Diva handelt, die sich mit jüngeren Geliebten schmückt. Überdies übertrug er seine Tragödie La città morta ihrer langjährigen Rivalin Sarah Bernhardt. Dennoch folgte die Duse 1897 einer Einladung Bernhardts an deren Pariser „Renaissance-Theater“. Eleonora Duse stürzte derweil in schwere Depressionen. Nach einem Jubeltelegramm d'Annunzios zur Uraufführung seines Stücks La figlia di Jorio (dt. „Die Tochter Jorios“) am 2. März 1904 ließ die Duse ausrichten, sie wolle nichts mehr von ihm hören und werde nie wieder in einem seiner Stücke auftreten.[1]
Spätere Jahre und Tod

Nach ihrer Trennung von Gabriele d'Annunzio konzentrierte sich die Duse verstärkt auf die Bühnenstücke Henrik Ibsens. Während einer Skandinavien-Tournee im Frühjahr 1906 beabsichtigte sie den schwer kranken norwegischen Schriftsteller zu treffen, doch dazu kam es nicht mehr: Ibsen verstarb am 23. Mai.
1907 machte die amerikanische Tänzerin Isadora Duncan, mit der Eleonora Duse befreundet war, den Theaterstar mit dem englischen Bühnenbildner Edward Gordon Craig (1872–1966) bekannt. Der Gestalter war für seine modernen architektonischen Bühnendekore bekannt und stattete die Ibsen-Inszenierungen nach Duses Vorstellungen aus; die Zusammenarbeit währte allerdings nur kurz: es kam zu künstlerischen Differenzen und zum Bruch zwischen den exzentrischen Künstlern über ein von Duse geändertes Bühnenbild.
In den Jahren 1908–09 begab sich die Duse auf Welttournee und gastierte noch einmal an den Stationen ihrer langen Karriere. Anschließend verfügte sie über ein beachtliches Vermögen und verkündete am 25. Januar 1909 in Berlin im Alter von fünfzig Jahren ihren Abschied von der Theaterbühne. In den folgenden Jahren wurde es ruhig um die einst quirlige Diva. Sie zog sich auf ihr Anwesen nach Asolo zurück. Ihr Vorhaben, in dem gerade aufkommenden Stummfilm Karriere zu machen, gelang ihr nicht; der veristische Film Cenere (dt. „Asche“) nach einem Roman von Grazia Deledda (1871–1936) an dem sie das Drehbuch mitgeschrieben hatte, wurde trotz ihrer Bekanntheit kein Publikumserfolg.
Nach dem Ersten Weltkrieg besuchte Eleonora Duse im Mai 1919 erstmals ihre Tochter Enrichetta in England. Enrichetta, die bei Pflegeeltern in englischen, französischen und deutschen Internaten aufgewachsen war, hatte 1908 einen Mathematikprofessor in Cambridge geheiratet und war inzwischen Mutter zweier Kinder. Die Duse wollte eigentlich mehrere Monate in England bleiben, brach den Aufenthalt allerdings aufgrund gesundheitlicher Probleme schon nach wenigen Wochen ab und kehrte nach Italien zurück.
Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten kehrte die Duse am 5. Mai 1921 mit dem Ibsen-Stück „Die Frau vom Meere“ auf die Bühne des „Teatro Balbo“ in Turin zurück. Das Publikum feierte sie mit Blumen und bereitete ihr einen von stehenden Ovationen begleiteten Applaus. Nach kurzen Gastspielen in Wien und London trat sie am 29. Oktober 1923 in New York noch einmal eine für fünf Wochen angesetzte Tournee durch die USA mit Stationen in Baltimore, Philadelphia, Washington, Boston, Chicago, New Orleans, Los Angeles, San Francisco und Detroit an. Am 1. April 1924 traf sie gesundheitlich schwer angeschlagen in Pittsburgh, Pennsylvania ein, wo sie an einer Lungenentzündung erkrankte.
Eleonora Duse starb am 21. April 1924 im Alter von 65 Jahren in ihrem Hotelzimmer in Pittsburgh. Ihr Sarg wurde per Schiff in ihr Heimatland Italien überführt. Begleitet von Tausenden ihrer Landsleute wurde sie auf dem Friedhof von Asolo, wo sie ihr Anwesen hatte, beerdigt.
Rezeption

- Wegen ihres großen Könnens wurde Eleonora Duse auch „die Göttliche“ genannt. Sie wurde von zahlreichen Malern (u.a Franz von Lenbach oder John Singer Sargent) verewigt.
- Die Duse war am 30. Juli 1923 die erste Frau, die auf einem Titel des Time Magazines erschien.
- Das Leben und Werk der Duse und ihre Liebesbeziehungen lieferten Material für zahlreiche Biografien und Dokumentationen.
- Der kanadische Schauspieler Nick Mancuso inszenierte das Theaterstück „Duse“ das im Juni 2004 im kanadischen Toronto aufgeführt wurde.
- Anton Tschechov war so begeistert von Eleonora Duses Schauspielkunst, dass er umgehend seiner Schwester schrieb: „Welch’ eine wunderbare Schauspielerin! Ich habe noch nie zuvor etwas Gleichartiges gesehen.[3]“
- Die bei Auftritten von Eleonora Duse anwesenden Schauspieler Friedrich Mitterwurzer (1844–1897) und Josef Kainz (1858–1910) sowie den Schriftsteller Hermann Bahr (1863–1934) waren fasziniert von der Schauspielerin. Hermann Bahr schickte eine Lobeshymne an die „Frankfurter Zeitung" und empfahl einem österreichischen Theateragenten, die Duse in Wien zu engagieren. Kainz verschaffte ihr ein Engagement am Lessing-Theater in Berlin.
- Die Duse setzte sich auch sonst zunehmend über damalige schauspielerische Konventionen hinweg und entwickelte ihre eigene Methodik des Schauspiels.
- Der damalige Direktor des Union Square Theater, Albert M. Palmer, sagte: „Frau Duse ist die größte Schauspielerin, die ich jemals gesehen habe, wobei ich die Bernhardt nicht ausnehme. [...] Ich habe nicht geglaubt, dass man auf der Bühne zu solch einer Natürlichkeit gelangen könne. Die Duse vermittelt die vollkommene Illusion, und sie verkörpert die Gestalten in atemberaubendem Realismus.“ [1]
- In verschiedenen italienischen Städten gibt es Theater, die nach der Schauspielerin benannt wurden („Teatro Duse“)
Literatur
- Jeanne Bordeux:Eleonora Duse: The Story of Her Life, Kessinger Publishing (31. März 2005); ISBN 978-1432615949 (englisch)
- Helen Sheehy: Eleonora Duse: A Biography, Alfred A. Knopf (August 2003); ISBN 978-0375400179 (englisch)
- Claudia Balk: Theatergöttinnen. Inszenierte Weiblichkeit. Clara Ziegler - Sarah Bernhardt - Eleonora Duse, Stroemfeld (September 1999), ISBN 978-3878774853
- Doris Maurer: Eleonora Duse, Rowohlt (1988); ISBN 978-3499503887
Einzelnachweise und Quellen
- ↑ a b c zitiert aus: Dieter Wunderlich: Eigensinnige Frauen, Piper, 2003 Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „wunderlich“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ Anton Pawlowitsch Tschechow: Briefe 1879-1904
- ↑ Anton Pawlowitsch Tschechow: Briefe 1879-1904
Weblinks
- Vorlage:IMDb Name
- HELLOarticle.com - Biografie von Ernst Probst (deutsch)
- Eleonora Duse (Biografie)
- onlinekunst.de: Eleonora Duse, Bilder, Zitate, Bücher
Personendaten | |
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NAME | Duse, Eleonora |
ALTERNATIVNAMEN | Duse, Eleonora Guilia Amalia |
KURZBESCHREIBUNG | italienische Schauspielerin |
GEBURTSDATUM | 3. Oktober 1858 |
GEBURTSORT | Vigevano |
STERBEDATUM | 21. April 1924 |
STERBEORT | Pittsburgh, Pennsylvania |