Belebtschlammverfahren
Das Belebtschlammverfahren (Belebungsverfahren, engl. activated sludge) ist ein Verfahren zur Abwasserreinigung in Kläranlagen, das mit in Schwebe gehaltenen Bakterienschlämmen operiert. Derartige Anlagen können im Durchlaufbetrieb oder im Batch-Betrieb gefahren werden. Beim Durchlaufbetrieb sind ein Belebungsbecken zur Belüftung des Belebtschlamm-Abwasser Gemisches und ein Nachklärbecken zur Schlammabtrennung erforderlich. Der Belebtschlamm wird im Nachklärbecken eingedickt und mit einer Pumpe in das Belebungsbecken zurückgefördert.
Verfahrensgrundlagen
Zur Verfahrensführung auf Kläranlagen können auch mehrere biologische Stufen hintereinander geschalten werden (Belebungsbecken I, Zwischenklärbecken, Belebungsbecken II, Nachklärbecken). Der im Zwischenklärbecken abgesetzte Schlamm wird als Rücklaufschlamm in das erste Belebungsbecken gepumpt, jener des Nachklärbeckens in das zweite Belebungsbecken. Somit entstehen unterschiedliche Biozönosen in den beiden Stufen. Die höher belastete erste Stufe kann sich auf leicht abbaubare Substanzen bzw. Adsorption ohne Abbau spezialisieren, jene der zweiten Stufe auf schwer abbaubare Stoffe und die Nitrifikation (Ammoniumoxidation zu Nitrat).
Beim Batchbetrieb ist nur ein Becken vorhanden, in dem einzelene Phasen hintereinander ablaufen (siehe Abbildung).
Die Belüftung des Belebtschlamm-Abwassergemisches kann durch Oberflächenbelüfter, durch Einblasen von Druckluft oder durch Begasung mit Reinsauerstoff erfolgen. Die Belüftung muss ausreichend ausgelegt sein, um den zur biologischen Oxidation der Kohlenstoffverbindungen und zu einer eventuell erforderlichen Oxidation von Stickstoffverbindungen notwendigen Sauerstoffbedarf zu bedecken. Im Becken sollten dabei Sauerstoffgehalte von ca. 2 mg/l vorliegen sofern nicht Zeiten ohne gelösten Sauerstoff zur Denitrifikation (Umwandlung von NO3-N zu N2 notwendig sind.
Als Beckenformen für Belebungbecken kommen Umlaufbecken, quadratische oder längliche Formen in Frage. Je nach betrieblicher Erfordernis (z.B. Auftrennung von belüfteten und unbelüfteten Becken zur Denitrifikation) können mehrere Becken vorgesehen werden.
Die Bemessung der Anlagen erfolgt nach dem Schlammalter, das ist die mittlere Aufenthaltsdauer des Bakterienschlammes im System. Damit kann sichergestellt werden, dass ausreichend Zeit besteht, um auch langsam wachsenden Bakterien, wie die Nitrifikation, zu halten. Das Schlammalter ist grundsätzlich nicht die hydraulische Aufenthaltsdauer, da die Schlammwirtschaft durch den Rückhalt des Schlammes im Nachklärbecken in Grenzen von der Hydraulik entkoppelt ist. Das Schlammalter ist somit von der Schlammmenge im System und dem täglichen Überschussschlammanfall weges des Biomassewachstums abhängig.
Zumeist können aus Gründen der Abtrennungsleistung im Nachklärbecken Schlammkonzentrationen von 3 bis 5 g Trockensubstanz je Liter im Belebungsbecken gehalten werden. Für die heute übliche Reinigung mit Nitrifikation und Denitrifikation sind bei den in Mitteleuropa üblichen kühlen Temperaturen Schlammalter von 15 bis 25 Tagen erforderlich.
Die Oberfläche des Nachklärbeckens wird je nach den zu erwartenden Schlammabsetzeigenschaften bemessen.
Entfernung von Stickstoff
Da nicht aller im üblichen Rohabwasser enthaltene Stickstoff in den Überschussschlamm eingebunden wird, sind dazu zwei spezielle Prozessschritte notwendig:
a) Nitrifikation: Oxidation des Ammonium-Stickstoffs und des org. Stickstoffs zu Nitrat. Dies setzt entsprechende (langsamwachsende) Biomasse (die Nitrifkanten) und ausreichend gelösten Sauerstoff voraus. Die Nitrifikation ist sehr sensibel im Hinblick Hemmstoffe und kann bei schlecht gepufferten Wässern zu einer pH-Wert Verschiebung führen.
b) Denitrifikation: Reduktion des Nitrat zu molekularen Stickstoff, der aus dem Abwasser in die Athmosphäre entweicht. Dieser Schritt kann durch die in Kläranlagen üblich lebendenden Kohlenstoffveratmenden Mikroorganismen erfolgen. Diese nüzten jedoch das Nitrat nur dann als Sauerstoffquelle, wenn kein gelöster Sauerstoff vorhanden ist (anoxische Verhältnisse). Zudem wird Kohlenstoff benötigt.
Diese beiden Schritte stehen im Hinblick auf den Sauerstoffgehalt in erheblichen Widerspruch. Dies kann durch folgende Verfahren gelöst werden:
- a) intermittierender Betrieb durch Ein- und Ausschalten der Belüftung. Eventuell ist ein Umwälzaggregat zur Durchmischung erforderlich.
- b) Betrieb eines Umlaufbeckens. Der Sauerstoffgehalt bei den Belüftern wird derart eingestellt, dass in Teilen des Beckens kein Sauerstoff vorhanden ist.
- c) Zweiteilung des Beckens. Bei der vorgeschaltenen Denitrifikation wird das erste Becken anoxisch betrieben und aus dem sauerstoffreichen zweiten Becken das Schlamm/Abwassergemisch zurückgepumpt. Somit ist ausreichend Kohlenstoff aus dem Zulauf zum ersten Becken und Nitrat aus dem Rücklauf vorhanden. Die Rücklaufraten betragen ein mehrfaches des Zulaufes.
- d) Nachgeschaltene Denitrifikation. Im ersten Becken wird nitrifiziert, im zweiten wird denitrifiziert. Dort fehlt jedoch der Kohlenstoff, der bereits im ersten Becken bei der Nitrifikation veratmet wurde. Es ist daher die Zugabe einer externen Kohlenstoffquelle (Methanol) erforderlich. Dieses Verfahren ist daher ungebräuchlich.
Ein besonders Problem stellt die Stickstoffentfernung in mehrstufigen Anlagen dar. Da in der ersten Stufe erheblich Kohlenstoff entfernt wird, aber erst in der zweiten nitrifiziert fehlt in der zweiten Stufe der Kohlenstoff zur Denitrifikation. Dies läßt sich nur durch durchdachte Teilstromlösungen und Rückläufe aus der zweiten in die erste Stufe lösen.
Entfernung von Phosphor
Obwohl mit der Fällung durch Metallsalze der Nährstoff Phosphor ausreichend eliminiert wird, strebt die moderne Betriebsführung von Kläranlagen alternative Wege zur Phosphorentfernung zur Einsparung von Fällmitteln an. Durch gezielte Betriebsführung können Bakterienbiomassen gezüchtet werden, die vermehrt Phosphor in die Biomasse aufnehmen und somit aus dem Abwasser entfernen. Es muss jedoch im Zuge der Schlammbehandlung darauf geachtet werden, dass eine Rücklösung dieses Phosphors in der Schlammlinie (Eindicker, Faulraum) vermieden wird.
In der biologischen Stufe wird zur Unterstützung der Phosphoraufnahme in die Biomasse ein kleines, hochbelastetes Becken vor dem eigentlichen Belebungsbecken eingegliedert (Selektor).
Betriebliche Probleme
Blähschlamm
Die Abtrennung der Biomasse im Nachklärbecken stellt einen fundamentalen Bestandteil des Belebungsverfahrens dar. Zumeist bilden sich ausreichend absetzbare, mit "guter" Flockenstruktur versehenen Belebtschlämme. Unter Umständen gewinnen jedoch fadenförmige Mikroorganismen einen Wachstumsvorteil und führen zu extrem schlechen Absetzeigenschaften.
Häufige Ursachen sind Nährstoffmangel (N, P) und leicht abbaubares oder angefaultes Abwasser (Lebensmittelindustrie). Durch die Zugabe beschwerender Fällmittel, der Verkürzung der Aufenthaltsdauer im Vorklärbecken, Zugabe von Nährstoffen und Änderungen der Verfahrensführung (z.B. der Einsatz von Selektoren, siehe Phosphorentfernung) können Ursachen und Auswirkungen bekämpft werden.
Schwimmschlamm
Insbesondere durch Denitrifikation kann es im Nachklärbecken zu einer Schwimmschlammdecke kommen, die jedoch zumeist nur ein optisches Problem darstellt.