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Frankfurter Schule

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Als Frankfurter Schule wird die neomarxistische, dialektische kritische Theorie bezeichnet, die von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno im Institut für Sozialforschung begründet wurde.

Kern der kritischen Theorie der Frankfurter Schule ist die ideologiekritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und historischen Bedingungen der Theoriebildung. Mit Kritik und Erkenntnis ist zugleich der Anspruch verbunden, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern.

Die Bezeichnung Kritische Theorie geht auf den Titel des programmatischen Aufsatzes Traditionelle und kritische Theorie von Max Horkheimer aus dem Jahre 1937 zurück. Als Hauptwerk der Schule gilt die von Horkheimer und Theodor W. Adorno 1944 bis 1947 gemeinsam verfasste Essay-Sammlung Dialektik der Aufklärung.

Geschichte

Die Frankfurter Schule ging aus dem Institut für Sozialforschung (IfS) der Universität Frankfurt am Main hervor, das auf Betreiben des jüdischen Mäzens Felix Weil 1923 begründet wurde. Unter der Leitung von Max Horkheimer (Direktor seit 1929) entstand 1932 die "Zeitschrift für Sozialforschung" als theoretisches Organ des Instituts. Darin formulierte und diskutierte Horkheimer Grundzüge einer "Kritischen Theorie" der Gesellschaft, die als unorthodoxe Spielart des Marxismus angesehen werden kann.

Zu Horkheimers Mitarbeitern gehörten Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, Erich Fromm, Leo Löwenthal und Friedrich Pollock. Auch Walter Benjamin, der während seiner Emigration vom Institut finanziell unterstützt wurde, lieferte bedeutende Beiträge.

Das Institut emigrierte nach 1933 zuerst nach Paris, dann in die Vereinigten Staaten. Nach der Rückkehr Adornos und Horkheimers aus der Emigration an die Universität Frankfurt am Main gewann die Frankfurter Schule für die 1968er große Bedeutung und prägte Teile der deutschen akademischen Soziologie stark in Richtung der Kritischen Theorie.

Das Frankfurter Institut für Sozialforschung sollte unter Horkheimers Leitung zu einer interdisziplinär arbeitenden Institution werden, in der theoretische Grundlagenkritik mit empirischen Studien verknüpft werden. So arbeiteten Adorno und Horkheimer im Exil unter anderem an einer umfangreichen Studie zum Autoritären Charakter und legten damit eine wichtige Arbeit zur Erklärung totalitärer Regimes vor.

Die Erfahrung des Nationalsozialismus und des Holocaust waren für die theoretischen und empirischen Arbeiten der Kritischen Theorie prägend. Die Vertreter der Kritischen Theorie, allen voran Adorno, gingen der Frage nach, wie sich die Wiederholung ein solchen Ereignisses verhindern ließe und welche Rolle die Vernunft in diesem Zusammenhang noch spielen könne.

Nach Horkheimers und Adornos Tod wurden vor allem Oskar Negt und Jürgen Habermas für die Frankfurter Schule repräsentativ. Ihre Kritische Theorie wird in Abgrenzung zur Älteren Kritische Theorie Adornos und Horkheimers auch als Jüngere Kritische Theorie bezeichnet.

Theorie

Kritische Begründung der Sozialwissenschaft

Intellektuelle Basis

In der Frankfurter Schule versammelten sich undogmatische Marxisten, scharfe Kapitalismuskritiker, die davon ausgingen, dass in der marxistischen Orthodoxie kommunistischer Parteien oft nur noch eine beschränkte Auswahl der Ideen von Karl Marx wiederholt werde. Vor dem historischen Hintergrund des Scheiterns der Revolutionen der Arbeiterbewegung nach dem Ersten Weltkrieg und des Aufstiegs des Nationalsozialismus in einer ökonomisch, technologisch und kulturell fortgeschrittenen Nation begannen Horkheimer und Adorno die marxschen Gedanken daraufhin zu untersuchen, inwiefern sie zur Analyse sozialer Verhältnisse geeignet seien, die zu Marx’ Lebzeiten noch nicht bestanden hatten. Dabei griffen sie auf die Ergebnisse anderer zeitgenössischer wissenschaftlicher Disziplinen zurück. Von besonderer Bedeutung waren hierbei die Sozialwissenschaft Max Webers und die Psychoanalyse Sigmund Freuds (v.a. bei Herbert Marcuse).

Die Betonung der kritischen Komponente der Theorie entsprang den Bemühungen, die Grenzen des Positivismus, eines groben Materialismus und der Phänomenologie zu überwinden. Die Frankfurter Schule griff hierzu auf die kritische Philosophie Kants und seiner Nachfolger im deutschen Idealismus zurück. Insbesondere Hegels dialektische Philosophie mit ihrer Betonung von Negation und Widerspruch als inhärenter Eigenschaften der Realität war dabei von Bedeutung, zumal seit der Veröffentlichung der Marxschen ökonomisch-philosophischen Manuskripte und seiner Deutschen Ideologie in den 1930er Jahren, die Kontinuität seines Denkens mit dem Hegelianismus offenbar war.

Ideologiekritik

Das Institut leistete wesentliche Beiträge in Forschungsgebieten, die sich auf die Möglichkeit rationalen Handelns menschlicher Subjekte beziehen, um beispielsweise durch rationales Handeln die Kontrolle über Gesellschaft und Geschichte zurück zu gewinnen. Der erste Forschungsschwerpunkt bestand in der Untersuchung sozialer Phänomen, die vom klassischen Marxismus als Teil des Überbaus oder der Ideologie angesehen werden: Persönlichkeit, Familie, Autoritätsstrukturen (die erste Veröffentlichung des Instituts trug den Titel Studien über Autorität und Familie) und die Bereiche Ästhetik und Massenmedien. Die Studien sahen mit Sorge auf die Möglichkeit des Kapitalismus, die Voraussetzungen eines kritischen, revolutionären Bewusstseins zu zerstören.

Damit war die Ideologiekritik zu einem scharfsinnigen Verständnis der Mechanismen gelangt, in der sich soziale Herrschaft selbst aufrechterhält. Eine Kernerkenntnis der Kritischen Theorie war formuliert: Ideologie ist eine der Grundlagen sozialer Strukturen. Einen überwältigenden Einfluss auf die (insbesondere die amerikanische) Sozialwissenschaft erreichten das Institut und seine Mitarbeiter mit der Schrift Die autoritäre Persönlichkeit, in dem ausführliche empirische Untersuchungen mithilfe soziologischer und psychoanalytischer Kategorien durchgeführt wurden, die die Kräfte charakterisieren sollten, die Individuen dazu führen, sich faschistischen Bewegungen oder Parteien anzuschließen oder diese zu unterstützen. Die Studie kam zum Ergebnis, dass die Behauptung der Existenz von Universalien oder einer (jeweils beanspruchten) Wahrheit ein typisches Kennzeichen faschistischer Weltanschauung sei. Indem jeder Begriff eines höheren Ideals oder eines gemeinsamen Ziels der Menschheit in Frage gestellt wurden, förderte Die autoritäre Persönlichkeit in herausragender Weise die Entstehung einer Alternativkultur.

Dialektik als Methode

Das Wesen des Marxismus selbst bestimmte den zweiten Schwerpunkt des Instituts. Diesem Zusammenhang entsprang das Konzept einer kritischen Theorie. Der Ausdruck vermittelt mehrere Vorhaben. Erstens steht er in Spannung zu einem traditionellen Verständnis von Theorie, das weitgehend positivistisch oder scientistisch war. Zweitens erlaubte es der Ausdruck, sich der politisch aufgeladenen Konnotation des Etiketts 'Marxismus' zu entziehen. Drittens verband es die Kritische Theorie mit der Kritischen Philosophie Immanuel Kants, wobei der Ausdruck 'kritisch' die philosophische Reflexion über die Grenzen der Anforderungen bedeutet, die an eine bestimmte Art von Wissen gestellt wurde und eine direkte Verbindung zwischen dieser Kritik und der Betonung moralischer Autonomie. In einem intellektuellen Kontext, der durch dogmatischen Positivismus und Scientismus auf der einen Seite und dogmatischem 'wissenschaftlichen Sozialismus' auf der anderen Seite bestimmt war, bedeutete kritische Theorie schließlich die Orientierung auf ein revolutionäres Subjekt zu einer Zeit, als dieses im Niedergang zu sein schien – oder zumindest die Orientierung auf seine Möglichkeit – durch eine philosophisch kritische Annäherung zu rehabilitieren.

Vor dem Hintergrund sowohl der marxistisch-leninistischen als auch der sozialdemokratischen Orthodoxie, die im Marxismus eine neue Art der positiven Wissenschaft sahen, griffen die Frankfurter auf die von Marx implizierte Erkenntnistheorie zurück, die sich selbst als Kritik verstand, wie im Untertitel von Marx Kapital, Kritik der politischen Ökonomie deutlich wird. Sie betonten, dass es Marx Anliegen gewesen sei, eine neue Art von kritischer Analyse zu schaffen, die sich mehr an der Einheit von Theorie und revolutionärer Praxis orientierte als am Konzept einer neuen Art positiver Wissenschaft. In den 1960er Jahren erhob Jürgen Habermas die erkenntnistheoretische Diskussion in seiner Schrift Erkenntnis und Interesse auf einen neue Ebene. Er identifizierte kritisches Wissen als auf Prinzipien beruhend, die sich sowohl von denen der Naturwissenschaften als auch der klassischen Philologie durch ihre Orientierung an Selbstreflexion und Emanzipation unterscheiden.

Kritische Theorie der westlichen Zivilisation

Dialektik der Aufklärung und Minima Moralia

Die zweite Phase der kritischen Theorie der Frankfurter Schule kristallisiert sich in zwei Werken, die zu Klassikern der Denkweise des 20. Jahrhunderts wurden: Die Dialektik der Aufklärung von Horkheimer und Adorno sowie die Minima Moralia Adornos. Beide Werke entstanden während des Exils der Autoren in den USA zur Zeit des Nationalsozialismus. Obwohl sie an der marxistischen Analyse festhalten, zeichnet sich in den Werken eine Akzentverlagerung der Kritischen Theorie ab. Aus der Kritik des Kapitalismus wird zunehmend eine Kritik der westlichen Zivilisation als Ganzer. In der Dialektik der Aufklärung wird die Odyssee zum Paradigma für die Analyse bürgerlichen Bewusstseins. Horkheimer und Adorno schnitten bereits in diesen Werken Themen an, die das Denken bis in die jüngste Zeit beherrschen. So erscheint die Beherrschung der Natur als Wesensmerkmal der westlichen Zivilisation lange bevor Ökologie zum Schlagwort geworden ist.

Die Analyse der Vernunft geht einen Schritt weiter. Der Vernunftbegriff der westlichen Zivilisation wird als Fusion der Herrschaft mit einer technischer Vernunft entlarvt, die alle inneren und äußeren natürlichen Kräfte unter die Kontrolle des menschlichen Subjekts bringen will. In diesem Prozess aber verschlucke sich das Subjekt selbst und keine soziale Macht (analog dem Proletariat) sei in der Lage dem Subjekt zu seiner Emanzipation zu verhelfen. Konsequenterweise lautet der Untertitel der Minima Moralia: Reflexionen aus dem beschädigten Leben. In Adornos Worten:

"Denn weil in der gegenwärtigen Phase der geschichtlichen Bewegung deren überwältigende Objektivität einzig erst in der Auflösung des Subjekts besteht, ohne daß ein neues schon aus ihr entsprungen wäre, stützt die individuelle Erfahrung notwendig sich auf das alte Subjekt, das historisch verurteilte, das für sich noch ist, aber nicht mehr an sich. Es meint seiner Autonomie noch sicher zu sein, aber die Nichtigkeit, die das Konzentrationslager den Subjekten demonstrierte, ereilt bereits die Form von Subjektivität selber."

In einer Zeit, zu der es scheine, dass die Realität selbst zur Ideologie geworden ist, sei die Kritische Theorie geeignet einerseits die dialektischen Widersprüche der individuellen subjektiven Erfahrung zu erforschen und andererseits die Wahrheit der Theorie zu erhalten. Allerdings könne selbst die Dialektik zum Mittel der Herrschaft werden, da sie ihre Wahrheit nicht aus der Theorie selbst heraus gewinne, sondern aus ihrer Aufgabe im historischen Prozess. Sie müsse auf allgegenwärtiges Glück und Freiheit ausgerichtet bleiben. "Philosophie, wie sie im Angesicht der Verzweiflung einzig noch zu verantworten ist, wäre der Versuch, alle Dinge so zu betrachten, wie sie vom Standpunkt der Erlösung aus sich darstellten." Weit entfernt von einem klassisch marxistischen Standpunkt ist Adornos Folgerung: "Gegenüber der Forderung, die damit an ihn ergeht, ist aber die Frage nach der Wirklichkeit oder Unwirklichkeit der Erlösung selber fast gleichgültig."

Die Philosophie der neuen Musik

Adorno, selbst Musikwissenschaftler und Komponist, verfasste Die Philosophie der neuen Musik, in der er gegen die Schönheit selbst polemisiert. Alles was die Beseitigung der bürgerlichen Gesellschaft nicht vorantreibe, stärke ihren autoritären Charakter.

Radikale Musik erkenne das Leiden der Menschen: "Die seismographische Aufzeichnung traumatischer Schocks wird aber zugleich das technische Formgesetz der Musik. Es verbietet Kontinuität und Entwicklung. Die musikalische Sprache polarisiert sich nach ihren Extremen: nach Schockgesten, Körperzuckungen gleichsam, und dem gläsernen Innehalten dessen, den Angst erstarren macht … Was einmal Zuflucht suchte bei der Form, besteht namenlos in deren Dauer. Die Formen der Kunst verzeichnen die Geschichte der Menschheit gerechter als die Dokumente. Keine Verhärtung der Form, die nicht als Negation des harten Lebens sich lesen ließe."

"Keineswegs wird Schizophrenie ausgedrückt, sondern die Musik übt ein Verhalten ein, das dem von Geisteskranken ähnelt. Das Individuum tragiert die eigene Dissoziation. Von solcher Nachahmung verspricht es sich, magisch wiederum, doch nun in unmittelbarer Aktualität, die Chance, den eigenen Untergang zu überleben… Wie es vielmehr ihr Anliegen ist, schizophrenische Züge durch das ästhetische Bewußtsein zu beherrschen, so möchte sie insgesamt den Wahnsinn als Gesundheit vindizieren."

Kritische Theorie und Herrschaft

Negative Dialektik

Von diesen Gedanken war es nur ein kleiner Schritt zur den Positionen der Frankfurter Schule in der der Nachkriegsperiode, speziell in der Zeit von den frühen 1950er Jahren bis in die Mitte der 1960er Jahre. Mit dem Wachstum der fortgeschrittenen industriellen Gesellschaften unter den Bedingungen des Kalten Krieges erkannten die Theoretiker der Frankfurter Schule, dass sich die ökonomischen und historischen Bedingungen entscheidend verändert hatten, dass die Unterdrückungsmechanismen auf andere Weise wirkten und dass die industrielle Arbeiterbewegung nicht mehr länger bei ihrer entschiedenen Ablehnung des Kapitalismus blieb. Dies führte zum Versuch, die Dialektik in einer absoluten Methode der Negativität zu begründen, wie es Marcuse in Der eindimensionale Mensch und Adorno in seiner Negativen Dialektik taten. In dieser Periode kehrte das Institut für Sozialforschung nach Frankfurt zurück (obwohl viele Partner in den USA blieben) nicht bloß um die Forschung dort fortzusetzen sondern um eine maßgebliche Kraft in der soziologischen Erziehung und der Demokratisierung Westdeutschlands zu werden. Dies führte zu einer gewissen Systematisierung der gesamten Sammlung empirischer Forschungen und theoretischer Analysen des Instituts.

Wichtiger aber noch war, dass die Frankfurter Schule nun versuchte, das Schicksal der Vernunft in der neuen historischen Periode zu begreifen. Während Marcuse dies durch die Analyse des strukturellen Wandels des Arbeitsprozesses im Kapitalismus mit den bestehenden Möglichkeiten der wissenschaftlichen Methodik unternahm, konzentrierten sich Horkheimer und Adorno auf eine erneute Reflexion der Fundamente der Kritischen Theorie. Diese Anstrengungen erschienen systematisiert in Adornos Negativer Dialektik, die versucht, Dialektik für ein Zeitalter neu zu definieren. "Philosophie, die einmal überholt schien, erhält sich am Leben, weil der Augenblick ihrer Verwirklichung versäumt ward". Negative Dialektik bringt die Idee des kritischen Denkens auf eine Weise zum Ausdruck, die der Herrschaftsapparat sie nicht vereinnahmen kann. Die zentrale Vorstellung, die seit langem im Fokus von Horkheimer und Adorno liegt, besagt, dass die Erbsünde des Denkens in seinen Versuchen liege, alles außerhalb des Denkens zu eliminieren, das sei der Versuch des Subjektes, das Objekt zu verschlingen, das Eifern nach Identität. So werde das Denken zum Komplizen der Herrschaft. Negative Dialektik rette das Übergewicht des Objektes, nicht durch einen naiven erkenntnistheoretischen oder metaphysischen Realismus, sondern durch ein Denken, das auf Differenzierung, Paradox und List aufbaue: eine ‚Logik des Zerfalls’. Adorno kritisiert Heideggers Fundamentalontologie grundlegend, da sie idealistische und identitätsgegründete Konzepte wieder einführe, während sie beanspruche die philosophische Tradition überwunden zu haben.

Die Negative Dialektik ist ein Monument des Endes der Tradition des individuellen Subjektes als Zentrum der Kritik. Mit der revolutionären Arbeiterklasse hatte die Frankfurter Schule ihr individuelles Subjekt verloren, auf das sie vertrauen konnte. Mit dem Niedergang der liberalkapitalistischen sozialen Basis des Konzepts eines autonomen Individuums wurde die Dialektik, die auf ihm beruhte, immer abstrakter. Damit war der Boden für eine weitere, die gegenwärtige Phase der Frankfurter Schule vorbereitet. Sie ist durch die Kommunikationstheorie Habermas geprägt ist.

Kommunikation und Handeln

Habermas' Arbeit nimmt das fortwährende Interesse der Frankfurter Schule an der Vernunft, dem menschlichen Subjekt, demokratischem Sozialismus und der dialektischen Methode auf und überwindet eine Reihe von Widersprüchen, die die Kritische Theorie stets geschwächt hatten: Die Widersprüche zwischen materialistischen und transzendentalen Methoden, zwischen Marxscher Sozialwissenschaft und den individualistischen Annahmen des kritischen Rationalismus, zwischen technischer und sozialer Rationalisierung sowie zwischen kulturellen und psychologischen Phänomenen auf der einen und den ökonomischen Verhältnissen auf der anderen Seite. Die Frankfurter Schule vermied es, einen Standpunkt zur genauen Beziehung zwischen materialistischen und transzendentalen Methoden einzunehmen, was zu einer Unklarheit in ihren Schriften führte und Verwirrung bei den Lesern stiftete. Habermas Erkenntnistheorie verbindet nun die beiden Traditionen indem sie zeigt, dass phänomenologische und transzendentale Analyse in einer materialistischen Theorie sozialer Entwicklung zusammengefasst werden können, während die materialistische Theorie nur als Teil einer quasi-transzendentalen Theorie emanzipatorischen Wissens der Selbstreflexion kultureller Evolution sinnvoll ist. Die gleichermaßen empirische wie transzendentale Natur emanzipatorischen Wissens wird zum Grundstein der jüngeren Kritischen Theorie.

Indem Habermas die Bedingungen der Rationalität in der sozialen Struktur der Sprache erkannte, verlagerte er den Ort an dem sich Vernunft realisiert vom autonomen Subjekt zur Interaktion. Rationalität ist nicht mehr eine Eigenschaft der Individuen an sich, sondern eine Eigenschaft von Strukturen ungestörter Kommunikation. Mit dieser Auffassung überwand Habermas das Dilemma des Subjektes in der Kritischen Theorie. Wenn die kapitalistisch-technologische Gesellschaft die Autonomie und Rationalität des Subjektes schwächt, geschieht dies nicht durch die Beherrschung des Individuums durch den Apparat sondern durch eine technologische Rationalität die eine beschreibbare Rationalität der Kommunikation verdrängt. In seinem Umriss einer kommunikativen Ethik als höchster Stufe in der internen Logik der Evolution ethischer Systeme, weist Habermas auf die Quelle einer neuen politischen Praxis hin, die die Imperative einer evolutionären Rationalität verkörpere.

Kritische Theorie und Neue Linke

Die Kritische Theorie der Frankfurter Schule beeinflusste einige Teile des politischen Linken und der linken Intellektuellen (Insbesondere die Neue Linke). Herbert Marcuse wurde gelegentlich als Theoretiker und intellektueller Vater der Neuen Linken bezeichnet.

Wichtige Vertreter der Frankfurter Schule (alphabetisch)

Kritik an der Frankfurter Schule

Die Kritische Theorie wird vor allem hinsichtlich zweier Aspekte kritisiert.

  • Die intellektuelle Perspektive der Frankfurter Schule sei in Wirklichkeit eine romantische, elitäre Kritik der Massenkultur im neomarxistischen Gewand: was die Theoretiker wirklich ärgere sei nicht die soziale Unterdrückung, sondern die Tatsache, dass die Massen Ian Fleming und den Beatles gegenüber Samuel Beckett und Anton Webern den Vorzug geben.
  • Von seiten der Linken wird kritisiert, dass die Kritische Theorie selbst eine Form des bürgerlichen Idealismus bleibe, die keine inhärente Beziehung zur politischen Praxis habe und von jeder revolutionären Bewegung isoliert sei.

Georg Lukás poinierte die Kritik mit seiner Metapher, die Mitglieder der Frankfurter Schule lebten in einem "Grand Hotel 'Abgrund'", von dem aus sie bei reichlich bedeckter Tafel das Elend der Welt betrachteten.

Bekannte Kritiker

Literatur

  • Jay, Martin (1976): Dialektische Phantasie. Die Geschichte der Frankfurter Schule und des Instituts für Sozialforschung 1923 - 1950. Frankfurt am Main: Fischer. (ISBN 3-10-037101-1)
  • Wiggershaus, Rolf (1986): Die Frankfurter Schule. Geschichte - Theoretische Entwicklung - Politische Bedeutung. (ISBN 3-423-04484-4)
  • Willem van Reijen (1984): Philosophie als Kritik. Einführung in die Kritische Theorie. (ISBN 3-7610-1514-3)
  • Dubiel, Helmut (2001): Kritische Theorie der Gesellschaft. Eine einführende Rekonstruktion von den Anfängen im Horkheimer-Kreis bis Habermas. Weinheim und München. (ISBN 3-7799-0386-5)


Siehe auch: Hamburger Institut für Sozialforschung, Neue Linke

Namensähnlichkeit

Die sozialwissenschaftliche Frankfurter Schule ist nicht mit der bedeutenden Dichter- und Zeichnergruppe der Neuen Frankfurter Schule zu verwechseln.