Kernreaktor
Ein Kernreaktor (ungenaue Bezeichnungen: Atomreaktor oder Atommeiler, veraltet auch Atombrenner) ist eine Anlage, in der eine Kernreaktion kontinuierlich im makroskopischen, technischen Maßstab abläuft. Weltweit verbreitet sind Kernreaktoranlagen, die durch die Spaltung (Fission) von Uran oder Plutonium zunächst Wärme und daraus meist elektrische Energie (s. Kernkraftwerk) gewinnen. Andere Anwendungen sind beispielsweise die Erzeugung von freien Neutronen, etwa für Zwecke der Materialforschung, oder von bestimmten radioaktiven Nukliden, etwa zu medizinischen Zwecken. Eine weitere Art von Kernreaktor ist der noch im Entwicklungsstadium befindliche Kernfusionsreaktor, in dem Energie (wie es auch in der Sonne geschieht) aus der Verschmelzung (Fusion) von Wasserstoffkernen zu Heliumkernen gewonnen wird.
Kernspaltungsreaktor
Funktionsweise
Die Kernspaltung
Zwischen den Protonen und den Neutronen eines Atomkerns wirken sehr starke anziehende Kräfte, die jedoch eine nur sehr begrenzte Reichweite haben. Daher wirkt diese Kernkraft im wesentlichen auf die nächsten Nachbarn, weiter entfernte Nukleonen tragen zu der anziehenden Kraft nur in geringem Maße bei. Solange die Kernkraft größer ist als die abstoßende Coulombkraft zwischen den positiv geladenen Protonen, hält der Kern zusammen. Schwere Kerne, wie beispielsweise das Uran oder Plutonium, enthalten sehr viele Protonen und benötigen daher einen Neutronenüberschuss, um den Kern stabil zu halten, denn durch die anziehende Kernkraft der zusätzlichen Neutronen wird die abstoßende Coulombkraft der Protonen kompensiert. Trotzdem sind viele schwere Kerne radioaktiv, also instabil.
Fängt einer dieser schweren Kerne, etwa des Uranisotops 235U oder des Plutoniumisotops 239Pu, ein Neutron ein, so wird ihm außer dem zusätzlichen Neutron auch Energie zugeführt. Dadurch wandelt er sich in einen hochangeregten, instabilen Zustand des Kerns 236U beziehungsweise 240Pu um. Solche hochangeregten schweren Kerne regen sich mit extrem kurzen Halbwertszeiten durch Kernspaltung ab. Anschaulich gerät der Kern durch die Neutronenabsorption wie ein angestoßener Wassertropfen in Schwingungen und zerreißt in zwei meist ungleiche Bruchstücke mit einem Massenverhältnis von etwa 2 zu 3. Darüber hinaus werden bei jeder einzelnen Spaltung durchschnittlich zwei bis drei weitere schnelle Neutronen frei (die genaue Zahl hängt vom gespaltenen Nuklid ab), die dann für weitere Kernspaltungen zur Verfügung stehen – dies ist die Grundlage der Kettenreaktion.
Energiegewinn der Kernspaltung
Die neu entstandenen Kerne mittlerer Masse, die so genannten Spaltprodukte, haben eine größere Bindungsenergie pro Nukleon als der ursprüngliche schwere Kern. Die Differenz der Bindungsenergien wird unter anderem in kinetische Energie der Spaltprodukte umgewandelt. Diese geben die Energie durch Stöße an das umgebende Material als Wärme ab. Die Wärme wird durch ein Kühlmittel abgeführt und kann beispielsweise zur Heizung, als Prozesswärme etwa zur Meerwasserentsalzung oder zur Stromerzeugung genutzt werden.
Thermische Neutronen und der Moderator
Der Neutronenabsorptionsquerschnitt beispielsweise des Isotops 235U nimmt mit abnehmender Energie und damit gleichbedeutend mit abnehmender Geschwindigkeit des Neutrons zu, das heißt, je langsamer das Neutron ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es von einem U235-Kern eingefangen wird. Daher bremst man in einem Kernreaktor die schnellen Neutronen aus der Kernspaltung durch den Einsatz eines Moderators ab. Ein Moderator ist ein Material wie etwa Graphit, schweres oder normales Wasser, welches viele Atomkerne enthält, die nicht sehr viel schwerer als ein Neutron sind, und das einen sehr niedrigen Absorptionsquerschnitt für Neutronen hat. Die erste Eigenschaft führt dazu, dass die Neutronen durch Stöße mit diesen Atomkernen abgebremst werden. Die zweite Eigenschaft hat zur Folge, dass die Neutronen der Kettenreaktion weiter zur Verfügung stehen. Durch die Stöße mit den Atomkernen des Moderators können die Neutronen maximal auf die Geschwindigkeiten der Kerne des Moderators abgebremst werden. Die Geschwindigkeit der Moderatorkerne ist nach der Theorie der Brownschen Bewegung durch die Temperatur des Moderators definiert. Es findet also eine Thermalisierung statt. Man spricht daher nicht von abgebremsten, sondern von thermischen Neutronen, d. h., die Neutronen besitzen anschließend eine ähnliche Geschwindigkeitsverteilung wie die Moleküle des Moderators. Ein Reaktor, der zur Kernspaltung thermische Neutronen verwendet, wird dementsprechend als "Thermischer Reaktor" bezeichnet. Im Gegensatz dazu nutzt ein "schneller" Reaktor die nicht abgebremsten, schnellen Neutronen zur Spaltung (daher auch die Bezeichnung "Schneller Brüter").
Steuerung der Kettenreaktion
Damit die Kettenreaktion nicht unkontrolliert abläuft, muss sie gesteuert werden. Hierfür benutzt man Stoffe mit einem hohen Absorptionsquerschnitt für Neutronen. Beispiele für diese Stoffe sind Cadmium, Gadolinium und Bor. Aus chemischen Verbindungen dieser Materialien werden beispielsweise die Steuerstäbe eines Kernreaktors gefertigt. Durch Zugabe oder Entzug dieser Stoffe in oder aus dem Reaktorkern (beispielsweise durch das Herausziehen oder Hineinfahren der Steuerstäbe) kann der Reaktor geregelt werden.
Zur leichteren Beschreibung der Vorgänge beim Regeln eines Kernreaktors sei nun der Multiplikationsfaktor k eingeführt. Er beschreibt das Verhältnis der Neutronenzahlen zweier aufeinander folgender Neutronengenerationen:
k = Anzahl der Neutronen einer Generation / Anzahl der Neutronen der vorausgegangenen Generation
- Im stationären Betrieb ist der Multiplikationsfaktor k = 1, d. h. jede Neutronengeneration weist genau so viele Neutronen auf wie die ihr vorausgegangene. Das wird dadurch erreicht, dass sich gerade so viel Neutronen absorbierendes Material im Kern befindet, wie nötig ist, damit im Durchschnitt nur eines der pro Kernspaltung freiwerdenden Neutronen für eine weitere Kernspaltung zur Verfügung steht. Alle übrigen Neutronen werden beispielsweise durch Bor oder Cadmium absorbiert oder gehen der Kettenreaktion auf anderen Wegen verloren (Leckrate). In diesem Fall liegt eine stationäre Kettenreaktion vor. Die Zahl der Kernspaltungen pro Zeit bleibt konstant und es wird eine konstante Leistung in Form von Wärme abgegeben. Einen Reaktor in diesem Zustand bezeichnet man als kritisch.
- Will man die Leistung des Reaktors reduzieren, verkleinert man zeitweilig seine Reaktivität durch Zufuhr Neutronen absorbierender Stoffe (beispielsweise durch das Einfahren der Steuerstäbe). Dadurch werden mehr Neutronen absorbiert, als zur Aufrechterhaltung des stationären Betriebs nötig wären. Es stehen nun mit jeder Neutronengeneration weniger Neutronen für weitere Spaltungen zur Verfügung, als bei der vorhergehenden. Für den Multiplikationsfaktor gilt k < 1 und eine stationäre Kettenreaktion lässt sich nicht aufrechterhalten. Einen Reaktor in diesem Zustand bezeichnet man als unterkritisch. Die Wärmeleistung in einem unterkritischen Reaktor sinkt, jedoch nur so lange, bis sich erneut ein Gleichgewicht eingestellt hat, denn eine bestimmte, zusätzliche Menge an Neutronen absorbierendem Material kann auch nur eine bestimmte Menge an Neutronen zusätzlich weg fangen. Daher stellt sich durch Zufuhr von beispielsweise einer bestimmten Menge an Bor erneut ein stationärer Betrieb ein, allerdings bei einer reduzierten Leistung. Durch die Zufuhr von genügenden Mengen an Neutronen absorbierendem Material lässt sich die Leistung des Reaktors auf Null reduzieren und der Reaktor damit abschalten.
- Um die Leistung eines Kernreaktors zu erhöhen, entzieht man dem Reaktorkern Neutronen absorbierendes Material (beispielsweise durch das Herausfahren der Steuerstäbe). Dadurch steht mehr als ein Neutron pro Kernspaltung für weitere Spaltungen zur Verfügung, die Anzahl der Spaltungen pro Generation nimmt zu und die Leistung des Reaktors ebenso. Für den Multiplikationsfaktor gilt k > 1. Einen Reaktor mit zunehmender Zahl an Kernspaltungen nennt man überkritisch.
Genaueres zur Leistungssteuerung und -regelung s. unter Kritikalität.
Ein prompt überkritischer Reaktor ist nicht mehr regelbar und es kann zu schweren Unfällen kommen, denn der Neutronenfluss und damit die abgegebene Wärmeleistung des Reaktors steigen exponentiell im Bereich von 10-14 Sekunden an. Bei wassermoderierten Reaktoren kommt es dabei zur Verdampfung des Moderators, welcher aber notwendig ist, um die Kettenreaktion aufrecht zu erhalten. Dadurch kehrt der Reaktor, sofern nur das Wasser verdampft, aber die räumliche Anordnung des Brennstoffs noch erhalten ist, in den unterkritischen Bereich zurück.
Dieses Verhalten gilt nicht für beispielsweise Graphit-moderierte Reaktortypen, denn speziell Graphit verliert bei zunehmender Temperatur seine moderierenden Eigenschaften nicht. Gerät ein solcher Reaktor in den prompt überkritischen Bereich, so kommt die Kettenreaktion nicht zum Erliegen und binnen Sekundenbruchteilen führt dies zur Überhitzung und Zerstörung des Reaktors. Schlagartig verdampfende Flüssigkeiten und Metalle können dabei zu weiträumiger Verteilung des radioaktiven Inventars führen, wie in der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl geschehen.
Die automatische Unterbrechung der Kettenreaktion bei wassermoderierten Reaktoren ist, anders als gelegentlich behauptet, kein Garant dafür, dass es nicht zu einer Kernschmelze kommt, da die Nachzerfallswärme bei Versagen aktiver Kühlsysteme ausreicht, um diese herbeizuführen. Aus diesem Grunde sind die Kühlsysteme redundant und diversitär ausgelegt. Eine Kernschmelze wird als Auslegungsstörfall bei der Planung von Kernkraftwerken berücksichtigt und ist prinzipiell beherrschbar. Wegen der veränderten geometrischen Anordnung ist erneute Kritikalität allerdings nicht grundsätzlich auszuschließen.
Als inhärent sicher gelten daher beim derzeitigen Stand der Technik nur bestimmte Hochtemperaturreaktoren geringerer Leistung, die eine Kernschmelze prinzipbedingt ausschließen.
Nachwärme
Wird der Reaktor abgeschaltet, so wird durch den radioaktiven Zerfall der Spaltprodukte weiterhin Wärme produziert. Die Leistung dieser so genannten Nachzerfallswärme entspricht anfänglich etwa 5 % der thermischen Leistung des Reaktors im Normalbetrieb und klingt in einem Zeitraum von einigen Tagen ab. Häufig wird dafür auch der Begriff "Restwärme" verwendet, welcher aber irreführend ist, weil es sich nicht um die verbleibende aktuelle Hitze des Reaktorkerns handelt, sondern zusätzliche Energie, die durch weiterlaufende Zerfallsreaktionen frei wird.
Um die Nachzerfallswärme auch in Notfällen sicher abführen zu können, besitzen alle Kernkraftwerke ein aufwändiges Not- und Nachkühlsystem. Sollte jedoch der unwahrscheinliche Fall eintreten und auch diese Systeme versagen, kann es auch in diesem Fall durch die steigenden Temperaturen zu einer Kernschmelze kommen, bei der die Strukturen des Reaktorkerns und insbesondere der Kernbrennstoff schmelzen.
Wenn mehrere Kernbrennstäbe miteinander verschmelzen nimmt die Kettenreaktion wieder zu und es kommt zu einer enormen unkontrollierten Aufheizung. Um diesen Prozess zu verhindern oder wenigstens zu verzögern, werden in einigen Reaktoren die im Reaktorkern verarbeiteten Materialien so gewählt, dass ihr Neutronen-Absorptionsvermögen mit steigender Temperatur anwächst, die Reaktivität also bei hohen Temperaturen abnimmt. Aber auch ohne diese Rekritikalität wird der Fall der Kernschmelze als größter anzunehmender Unfall, kurz als GAU bezeichnet. Hält das Reaktorgebäude nicht stand oder tritt eine größere Menge radioaktiver Stoffe aus, wird von Super-Gau gesprochen. Bei einem Super-GAU muss damit gerechnet werden, dass grenzwertüberschreitende Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt entweichen.
Siehe auch: Kernspaltung
Reaktortypen
Die ersten Versuchsreaktoren waren simple Aufschichtungen von spaltbarem Material, siehe Chicago Pile. Moderne Reaktoren werden nach der Art der Kühlung, der Moderation und der Bauweise unterteilt.
Mit normalem, leichtem Wasser moderierte Reaktionen finden im Leichtwasserreaktor statt, der als Siedewasserreaktor oder Druckwasserreaktor ausgelegt sein kann. Eine Weiterentwicklung des Druckwasserreaktors ist der European Pressurized Water Reactor (EPR). Eine russische Variante ist der WWER-Reaktor. Leichtwasserreaktoren benötigen angereichertes Uran, Plutonium oder Mischoxide (MOX) als Brennstoff. Ein Leichtwasserreaktor war auch der Naturreaktor Oklo.
Mit schwerem Wasser moderierte Schwerwasserreaktoren erfordern eine große Menge des teuren schweren Wassers, können aber mit natürlichem, nicht angereichertem Uran betrieben werden. Der bekannteste Vertreter dieses Typs ist der in Kanada entwickelte Candu-Reaktor.
Gasgekühlte, graphitmoderierte Reaktoren wurden bereits in den 50er Jahren entwickelt und sind daher die ältesten kommerziell genutzten Kernreaktoren; das Kühlmittel ist in diesem Fall Kohlendioxid. In Großbritannien sind noch eine Reihe dieser Brennelemente wegen des aus einer Magnesiumlegierung hergestellten Hüllrohrmateriales als Magnox-Reaktoren bezeichneten Anlagen in Betrieb. Ähnliche Anlagen wurden auch in Frankreich eingesetzt, sind aber inzwischen alle abgeschaltet.
Ein Nachfolger der Magnox-Reaktoren ist der in Großbritannien entwickelte AGR (Advanced Gas-cooled Reactor). Im Unterschied zu den Magnox-Reaktoren verwendet er jedoch leicht angereichertes Urandioxid statt Uranmetall als Brennstoff. Dies ermöglicht höhere Leistungsdichten und Kühlmittelaustrittstemperaturen und damit einen besseren thermischen Wirkungsgrad.
Ein Hochtemperaturreaktor (auch Kugelhaufenreaktor) nutzt ebenfalls Graphit als Moderator, als Kühlmittel wird Helium verwendet. Der Kernbrennstoff ist hier in Kugeln aus Graphit eingeschlossen. Dieser Reaktortyp gilt als einer der sichersten, da hier selbst bei einem Versagen der Not- und Nachkühlsysteme eine Kernschmelze aufgrund des hohen Schmelzpunktes des Graphits unmöglich ist.
Die sowjetischen Reaktoren vom Typ RBMK nutzen ebenfalls Graphit als Moderator. Hier liegt der Graphit in Blöcken vor, durch die hunderte bis tausende (abhängig von der Leistung des Reaktors) Kanäle gebohrt sind, in denen sich die so genannten Druckröhren mit den Brennelementen und der Wasserkühlung befinden. Dieser Reaktortyp ist einerseits träge (was viel Zeit zum Regeln lässt), andererseits aber unsicherer als andere Typen, da ein Kühlmittelverlust hier nicht Moderatorverlust bedeutet, also nicht die Reaktivität verringert. Die Reaktorblöcke in Tschernobyl waren von diesem Typ.
Daneben gibt es Brutreaktoren (Schnelle Brüter), in denen zusätzlich zur Energiegewinnung 238U so in 239Pu umgewandelt wird, dass mehr neues Spaltmaterial entsteht als zugleich verbraucht wird. Diese Technologie ist (auch sicherheitstechnisch) anspruchsvoller als die der anderen Typen. Ihr Vorteil ist, dass mit ihr die Uranvorräte der Erde um ein Vielfaches besser ausgenutzt werden können, als wenn nur das 235U "verbrannt" wird. Brutreaktoren arbeiten mit schnellen Neutronen und verwenden flüssiges Metall, wie beispielsweise Natrium als Kühlmittel. Kleinere, nicht brütende Reaktoren mit Metallkühlung (Blei-Bismut-Legierung) wurden in sowjetischen U-Booten eingesetzt.
Es gibt weiterhin einige Sondertypen für spezielle Anwendungen. So wurden kleine Reaktoren mit hochangereichertem Brennstoff für die Stromversorgung von Raumflugkörpern konstruiert, die ohne flüssiges Kühlmittel auskommen. Diese Reaktoren sind nicht mit den Isotopenbatterien zu verwechseln. Auch luftgekühlte Reaktoren, die stets hochangereicherten Brennstoff erfordern, wurden gebaut, zum Beispiel für physikalische Versuche im BREN-Tower in Nevada. Es wurden auch Reaktoren für den Antrieb von Raumfahrzeugen konstruiert, bei denen flüssiger Wasserstoff zur Kühlung des Brennstoffes dient. Allerdings kamen diese Arbeiten über Bodentests nicht hinaus (Projekt NERVA, Projekt Timberwind). Ebenfalls nicht über das Versuchsstadium hinaus kamen Reaktoren bei denen der Brennstoff in flüssiger oder gasförmiger Form vorliegt (Gaskernreaktor).
Derzeit wird weltweit aktiv an neuen Reaktorkonzepten gearbeitet, den Generation IV-Konzepten, insbesondere mit Blick auf den erwarteten wachsenden Energiebedarf. Diese sollen nach der Vorstellung des U.S. Department of Energy ab 2030 zum Einsatz kommen.
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Reaktor des Wiener Atominstitutes (Forschungsreaktor)
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Kernreaktor von innen (aktiv, beleuchtet)
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Kernreaktor von innen (ohne Beleuchtung)
Natürlicher Kernreaktor
Kernspaltung kann nicht nur durch hochkomplexe technische Systeme erreicht werden, sondern kommt unter bestimmten, wenn auch seltenen, Umständen in der Natur vor. 1972 entdeckten französische Forscher in der Region Oklo des westafrikanischen Landes Gabun die Überreste des natürlichen Atomreaktors Oklo, der vor ca. zwei Milliarden Jahren, im Proterozoikum, von selbst entstanden war. Die Forscher stellten fest, dass die Isotopenzusammensetzung des Urans aus der Oklo-Mine Unstimmigkeiten aufwies: es enthielt geringfügig weniger spaltbares Uran-235 als man aufgrund seines Gehaltes an Uran-238 erwarten konnte. Die Wissenschaftler haben auch verschiedene Edelgasisotope, die in einer Materialprobe der Oklo-Mine eingeschlossenen waren, mit einem Massenspektrometer untersucht. Aus der Verteilung der verschiedenen, bei der Uranspaltung entstehenden Xenonisotope in der Oklo-Probe ergab sich, dass der Reaktor in Pulsen gearbeitet hat. Die natürliche Anreicherung von Uran-235 setzte eine Kettenreaktion in Gang, die durch Wasser in den Spalten des Urangesteins moderiert wurde. Das Wasser in den Gesteinsspalten bremste die Neutronen auf die für die Kernspaltung notwendige Geschwindigkeit ab, so dass die Kettenreaktion einsetzen konnte (aktive Phase). Die dadurch freigesetzte Wärme im Urangestein erhitzte das Wasser in den Spalten bis es schließlich verdampfte und nach Art eines Geysirs entwich. Infolgedessen konnte das Wasser nicht mehr als Moderator wirken, so dass die Kernreaktion zum erliegen kam (Ruhephase). Daraufhin sank die Temperatur wieder ab, so dass frisches Wasser nachfließen und die Spalten wieder auffüllen konnte. Somit war die Voraussetzung für eine weitere Kettenreaktion geschaffen und der Zyklus konnte von vorne beginnen. Berechnungen zeigen, dass auf die etwa 30 Minuten dauernde aktive Phase (Kettenreaktion) eine Ruhephase folgte, die mehr als zwei Stunden anhielt. Auf diese Weise wurde der natürliche Atommeiler für etwa 150.000 Jahre in Gang gehalten, wobei er über 5 Tonnen Uran-235 verbrauchte. Die Leistung des Reaktors lag bei im Vergleich zu den heutigen Megawatt-Reaktoren geringen 100 Kilowatt.
Trotz intensiver weltweiter Nachforschungen in über 200 Uranlagerstätten konnten bislang keine weiteren natürlichen Reaktoren mehr aufgespürt werden. Dies muss aber nicht bedeuten, dass in der Vergangenheit keine weiteren Reaktoren entstanden sind. Sie könnten z. B. im Laufe der Zeit durch geologische Prozesse tief in die Erdkruste abgesunken oder durch andere Vorgänge verschwunden sein. Ein Grund für das Entstehen dieses natürlichen Atomreaktors war, dass zu der Zeit das natürliche Vorkommen von spaltbarem U-235 im Uran ca. 3 % betrug. Aufgrund der kürzeren Halbwertszeit von U-235 gegenüber U-238 ist das natürliche Vorkommen von U-235 im Uran derzeit ca. 0,7 %. Daher ist ein natürlicher Atomreaktor auf der Erde nicht mehr möglich.
Anwendungen
Die meisten Kernreaktoren dienen der Erzeugung von elektrischer (und manchmal auch von thermischer) Energie in Kernkraftwerken. Daneben werden Kernreaktoren auch zur Erzeugung radioaktiver Substanzen verwendet, entweder, indem diese aus den abgebrannten Brennstäben extrahiert werden, oder indem Substanzen der im Kernreaktor herrschenden Neutronenstrahlung ausgesetzt werden (Transmutation, Kernreaktion, Neutronenanlagerung). Theoretisch könnte man in einem Reaktor auch Gold machen (Goldsynthese), was allerdings sehr unwirtschaftlich wäre. Die wichtigste im Reaktor durchgeführte Reaktion zur Stoffumwandlung ist neben der Erzeugung von Spaltprodukten die Erzeugung (Erbrütung genannt) von Plutonium 239 aus Uran 238, dem häufigsten Uranisotop. Weiterhin dienen Kernreaktoren auch als intensive regulierbare Neutronenquelle für physikalische Untersuchungen aller Art. Eine weitere Anwendung von Kernreaktoren ist der Antrieb von Fahrzeugen (Kernenergieantrieb) und die Energieversorgung von manchen Raumflugkörpern. In letzterem Fall sind diese nicht mit den Isotopenbatterien gleichzusetzen.
Sicherheit und Politik
Das von Kernreaktoren ausgehende Gefahrenpotential sowie die bislang ungelöste Frage der Lagerung der anfallenden radioaktiven Abfälle haben nach Jahren der Euphorie seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern zu Protesten von Atomkraftgegnern und zu einer Neubewertung der Kernkraft geführt. Während in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts allgemein der Ausstieg aus der Kernkraft propagiert wurde, findet in vielen Ländern momentan ein Umdenken statt. Gründe sind neben den hohen Kosten für regenerative Energiequellen und fossile Energieträger die Versorgungsunsicherheit bei Öl und Gas. Daneben stellt die inzwischen durch internationale Verträge gesicherte Reduktion des CO2-Austoßes ein weiteres Hindernis für fossile Energieträger dar. Diesem Problem klassischer Energieträger steht ein wachsender Energiebedarf durch aufstrebende Volkswirtschaften wie etwa China gegenüber.
Aus diesen Gründen entschlossen sich einige europäische Staaten, wieder in die Kernkraft zu investieren. So bauen derzeit der deutsche Konzern Siemens und die französische Gruppe Areva einen Druckwasserreaktor vom Typ EPR im finnischen Olkiluoto; er soll 2009 ans Netz gehen. Russland will seine alten und teilweise maroden Kernkraftwerke erneuern und für mindestens 10 Jahre pro Jahr einen neuen Reaktorbau beginnen. In Frankreich wird ebenfalls über den Neubau eines Reaktors verhandelt, als Termin für die Fertigstellung wird das Jahr 2010 genannt. Schweden stoppte seine Pläne zum Atomausstieg. Daneben gibt es kleinere und größere Neubauprojekte in Iran, der Volksrepublik China, Nordkorea, Türkei und anderen Staaten.
Die Lebensdauer von Kernreaktoren ist nicht unbegrenzt. Besonders der Reaktordruckbehälter ist ständiger Neutronenstrahlung ausgesetzt, die zur Versprödung des Materials führt. Wie sehr das Material versprödet, hängt unter anderem davon ab, wie die Brennelemente im Reaktor angeordnet sind und welchen Abstand sie zum Reaktordruckbehälter haben. Die Kernkraftwerke Stade und Obrigheim wurden auch deshalb als erste vom Netz genommen, weil hier dieser Abstand geringer war als bei anderen, neueren Kernreaktoren. Zur Zeit versuchen die Betreiber von Kernkraftwerken, durch eine geschickte Beladung mit Brennelementen und zusätzlichen Moderatorstäben die Neutronenbelastung des Reaktordruckbehälters zu reduzieren.
Orte mit Kernreaktoren
- Liste der Kernkraftanlagen
- Liste der Kernreaktoren in Deutschland
- Liste der Kernreaktoren in Österreich
- Datenbank der World Nuclear Association mit allen Kernkraftwerken weltweit
- Kernreaktoren und nukleare Endlager - eine Erfindung des Menschen ? Über natürliche Reaktoren in Oklo (Gabun)
Bekannte Nuklearunfälle
- 29. September 1957 Mayak im Russischen Ural
- 8. Oktober 1957 in Sellafield (früher Windscale) Vereinigtes Königreich - siehe Windscale-Brand
- 21. Januar 1969 in Lucens VD, Schweiz
- 28. März 1979 Three Mile Island bei Harrisburg, Pennsylvania, USA
- 26. April 1986 Tschernobyl, Ukraine
Siehe auch: Reaktorphysik, Kernkraftwerk, Liste von Unfällen in kerntechnischen Anlagen, Kernenergieantrieb, Störfälle in deutschen Atomanlagen
Video
[1] aus der Fernseh-Sendereihe alpha-Centauri (ca. 15 Minuten). Erstmals ausgestrahlt am .
Weblinks
- Kritische Hintergrundinformationen zu den Bereichen AKW, Atomenergie, Atommüll, Europäischer Druckwasserreaktor vom BUND
- Generation IV Konzept
- Basiswissen zur Kernenergie
- Englischsprachige Web-Seite von Robert Loss mit ausführlichen Informationen zum Oklo-Reaktor
- 360° x 180° Panoramafoto im Atominstitut der Universitäten in Wien (Quicktime erforderlich)
Literatur
- A. P. Meshik et al.: Record of Cycling Operation of the Natural Nuclear Reactor in the Oklo/Okelobondo Area in Gabon. Phys. Rev. Lett. 93, 182302 (2004)