Wurzelrasse
Die Wurzelrassen sind ein wichtiges Thema in der Theosophie Helena Petrovna Blavatskys (1831-1891), einer esoterischen Weltanschauung. Blavatsky lehrte, dass sich die Menschheit in „Rassen“ von niederen zu immer höheren Stadien entwickelt habe, mit der arischen Rasse als bislang höchster Entwicklungsstufe. Mit der damals in der Anthropologie gültigen Theorie der Menschenrassen ist Blavatskys Rassenbegriff nur entfernt vergleichbar; die meisten der von ihr beschriebenen Rassen kamen in der Anthropologie nicht vor.
Im deutschen Sprachraum wurde diese Lehre vor allem durch Rudolf Steiner (1861-1925) verbreitet, der von 1902 bis 1913 die deutsche Sektion der von Blavatsky gegründeten Theosophischen Gesellschaft leitete und in seiner Aufsatz-Serie Aus der Akasha-Chronik (1904-1908) sowie in Vorträgen Blavatskys Lehren aufgriff, wobei er zunächst auch ihre Terminologie weitgehend übernahm. Steiner legte jedoch Wert darauf, die Theosophie nicht als Epigone Blavatskys, sondern auf der Grundlage eigener „Geistesforschung“ zu vertreten. In seinen späteren Publikationen tauchen die Wurzelrassen nicht mehr auf. In der Kritik an seiner Anthroposophie wird ihnen trotzdem eine erhebliche Bedeutung beigemessen, und nur aufgrund dieser Anthroposophie-Kritik hat das Thema „Wurzelrassen“ in neuerer Zeit wieder ein gewisses Interesse auf sich gezogen, nachdem es jahrzehntelang ein weitgehend vergessenes Spezialthema der Esoterik gewesen war.
Steiner führte anstelle der Wurzelrassen die - aus heutiger Sicht - weniger anstößigen Begriffe „Hauptzeitraum“ bzw. „Zeitalter“ und für Blavatskys Unterrassen die „Kulturepochen“ ein[1], wobei er die begriffliche Koppelung von Entwicklungszeiträumen an einzelne Rassen und Völker als Träger der Kulturen nur für vergangene Zeiträume gelten ließ, nicht aber für die Gegenwart und Zukunft. Die zunehmende Individualisierung des Menschen werde sich so weiterentwickeln, dass in Zukunft keine Reste von biologischen Bluts- und Rasse-Zusammenhängen mehr vorhanden seien[2], wobei Steiner dem Begriff Rasse im Sinne einer festen Zugehörigkeit des einzelnen Menschen zu einer abgegrenzten Gruppe seit Beginn der von ihm so genannten nachatlantischen Zeit (d.h. schon in prähistorischer Zeit) die Berechtigung absprach.[3]
Quellen
- ↑ Rudolf Steiner: Die Geheimwissenschaft im Umriß (GA 13), ISBN 3-7274-5710-4
- ↑ „Es wird dahin kommen, dass alle Rassen- und Stammeszusammenhänge wirklich aufhören. Der Mensch wird vom Menschen immer verschiedener werden. Die Zusammengehörigkeit wird nicht mehr durch das gemeinsame Blut vorhanden sein, sondern durch das, was Seele an Seele bindet. Das ist der Gang der Menschheitsentwickelung.“ Rudolf Steiner: Die Theosophie des Rosenkreuzers (1907), GA 99, S.129
- ↑ „Deshalb sprechen wir auch von Kulturzeitaltern im Gegensatz zu Rassen. Alles das, was etwa verknüpft ist mit dem Rassenbegriff, ist noch Überbleibsel des Zeitraumes, der dem unseren vorangegangen ist, des atlantischen. Wir leben im Zeitraum der Kulturepochen. (...) Heute hat schon der Kulturbegriff den Rassenbegriff abgelöst.“ Rudolf Steiner: Die Apokalypse des Johannes (1908), GA 104, S.69
Literatur
- Helena Petrovna Blavatsky: Die Geheimlehre, neu zusammengestellt und herausgegeben von Hank Troemel, ISBN 3-927837-67-9;
- Helena Petrovna Blavatsky: Lexikon der Geheimlehren, ISBN 3-924849-46-3;
- W. Scott-Elliot: Teil 1 Atlantis/Teil 2 Das untergegangene Lemuria, Freiburg 1977 (Hermann Bauer Verlag), ohne ISBN veröffentlicht;
- Rudolf Steiner: Aus der Akasha-Chronik (GA 11), ISBN 3-7274-5708-2;
- Rudolf Steiner: Grundelemente der Esoterik (GA 93a), insbesondere S. 229, ISBN 3-7274-0935-5;
Als Kritiker dieser Anschauung:
- Peter Bierl: Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister. Die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik, ISBN 3894581719;
- Jutta Ditfurth: Feuer in die Herzen, Konkret-Literatur-Verlag 1997,ISBN 389458159X