Zum Inhalt springen

Weibliche Genitalverstümmelung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. Juli 2007 um 12:00 Uhr durch Okawanga (Diskussion | Beiträge) (Änderung 34794167 von Knocker (Diskussion) wurde rückgängig gemacht.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Beschneidung weiblicher Genitalien, auch Verstümmelung weiblicher Genitalien genannt, ist die in einigen Kulturkreisen gängige Praxis der Entfernung der äußeren (Klitoris, Labien) und inneren (die großen Schamlippen werden ausgeschabt und manchmal auch Gewebe aus der Vagina entfernt) weiblichen Geschlechtsteile.

Es handelt sich um eine ohne medizinische Gründe ausgeübte Tradition, welche vor allem in den Ländern der Sahelzone praktiziert wird. Die meisten Opfer sind Muslimas. Der Brauch wird aber auch von animistischen Stämmen, koptischen Christen, äthiopisch-orthodoxen Christen und äthiopischen Juden praktiziert.

Diese Tradition bestimmt wesentlich das Ansehen der Frauen, die je nach Volkszugehörigkeit Mädchen im Säuglingsalter oder im Alter von 2 bis 10 Jahren sind. Es sind aber auch Frauen vor der Hochzeit bzw. nach der Geburt des ersten Kindes betroffen. Die meisten Mädchen erleben den Eingriff jedoch vor Beginn der Pubertät.

Auf Grund der weitreichenden Folgen für Leib und Leben der betroffenen Mädchen und Frauen steht diese Praxis seit längerem weltweit in der Kritik. Zur Verdeutlichung der Folgen wurde von Menschenrechtsorganisationen der Begriff Verstümmelung weiblicher Genitalien (engl. female genital mutilation (FGM)) bzw. auch Verstümmelung von Mädchen durch Frauen: Weibliche Genitalverstümmelung geprägt.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind weltweit 130 bis 150 Millionen Mädchen und Frauen betroffen. Jedes Jahr kommen etwa 2 Millionen hinzu. Das sind täglich 6.000 Mädchen. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) schätzt, dass drei Millionen Frauen und Mädchen in Europa, Opfer von Genitalverstümmelungen sind.[1] Durch den Eingriff sterben 5 bis 10 %, weitere 20 % sterben an Spätfolgen. In Deutschland gibt es je nach Schätzungen 20.000 bis 29.000 betroffene Frauen.

Internationale, regierungsunabhängige und nationale Organisationen (wie die UNO, UNICEF, UNIFEM, WHO und viele weitere) wenden sich gegen diese Praxis und fordern offensivere Maßnahmen zur Respektierung elementarer Menschenrechte wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Verbreitung der FGM:
Dunkelrot: Exzision und Infibulation
Hellrot: Klitoridektomie
Grün: Keine Anwendung.

Formen und Verbreitung

Die weibliche Genitalverstümmelung ist in unterschiedlicher Form, und damit verbundenen Folgen für die Frau, in 28 afrikanischen Ländern, im Süden der arabischen Halbinsel (Jemen), im Irak und in Indonesien und Malaysia in unterschiedlichem Ausmaß verbreitet. Der geographische Ursprung dieser Praxis ist nicht bestimmbar.

Sie wird in der Regel durch so genannte Beschneiderinnen durchgeführt. Es wird unterschieden in

  • Klitoridektomie: hierbei wird die Klitoris teilweise oder vollständig entfernt.
  • Exzision: die teilweise oder komplette Amputation der Klitoris mit teilweiser oder vollständiger Entfernung der kleinen Labien. Exzision ist die am meisten verbreitetste Form der Verstümmelung, verbreitet in den meisten Ländern der Sudan-Zone (südlich der Sahara) und in Ostafrika, sowie, wenn auch in geringerem Ausmaß, in Ägypten, im südlichen Jemen, in Indonesien und Malaysia.
  • Introzision: Es werden zusätzlich Haut und Gewebe aus der Vagina ausgeschält.
  • Infibulation („pharaonische Beschneidung“): Diese gravierendste Form ist verbreitet in Somalia, in Dschibuti und im Norden des Sudan, in einigen Regionen Ägyptens, Äthiopiens und weiter westlich in Mali. Es werden die Klitoris und die inneren und äußeren Schamlippen entfernt und die beiden Seiten der Vulva so zusammengenäht, dass die verbliebene Haut zu einer Brücke über der Vaginalöffnung und dem Ausgang der Harnröhre zusammenwächst. Indem bei der Wundvernähung ein Strohhalm oder ähnliches eingelegt wird, wächst die Wunde bis auf eine kleine Öffnung zu. Durch diese knapp erbsengroße Öffnung müssen Urin, Menstruationsblut und Vaginalsekrete austreten können, durch die Behinderung dieser Vorgänge kommt es zu zusätzlichen Schmerzen und Infektionsrisiken. Nach dem Eingriff werden die Betroffenen von den Knöcheln an bis zur Hüfte bandagiert, bis die Wunde verheilt ist. Dies kann bis zu vier Wochen dauern.
    Der Infibulation folgen die
    • Defibulation: die Wiedererweiterung einer infubilierten Vaginalöffnung. Dies ist oft nötig, um den Geschlechtsverkehr zu ermöglichen. Gelingt dem (Ehe-)Mann die Öffnung der Vagina durch Penetration nicht, wird die infibulierte Vagina von ihm – seltener von einer Beschneiderin – mit einem Messer oder einem anderen scharfen Gegenstand defibuliert. Zur Entbindung ist oft eine zusätzliche weitreichendere Defibulation notwendig.
    • Reinfibulation (erneute Infibulation): nach einer Geburt wird die Vagina, die für die Geburt defibuliert wurde, in vielen Fällen nach Entfernung der Narbenränder erneut infibuliert. Nach mehreren Wiederholungen ist unter Umständen kein geeignetes Gewebe mehr für eine erneute Reinfibulation vorhanden.

Diese Klassifizierungen dienen lediglich als grobe Unterteilung. In der Realität existieren weitere Varianten. [2] Von einer Beschneidung sind jährlich weltweit etwa drei Millionen Mädchen betroffen. Die Gesamtzahl der Betroffenen wird von Fachleuten auf weltweit 130 Millionen geschätzt. Auch in Europa sind Schätzungen zufolge hunderttausende Frauen betroffen [3].

Ursprünge und Hintergründe

Die Beschneidung an Frauen wird vielfältig begründet. Die Durchführung der Verstümmelung weiblicher Genitalien reicht zurück bis ins Alte Ägypten. Hier glaubte man an Doppelgeschlechtlichkeit. So war die Vorhaut des Mannes ein Überbleibsel der Frau und die Klitoris ein Überrest des Mannes. Um eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden zu können, wurden Männer und Frauen an ihren Genitalien beschnitten. Mit anderer Begründung wurde die Beschneidung von Frauen auch in Europa von der Barockzeit bis möglicherweise in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts durchgeführt. Hier wurde sie vor allem zur Behandlung der Masturbation – die als Krankheit angesehen wurde –, der Hysterie und anderer vermeintlich typisch weiblicher Störungen angewandt. Diese Beschneidungen erreichten jedoch nie annähernd die gesellschaftliche Bedeutung der Beschneidungen in Afrika und der arabischen Welt. So wird die Beschneidung auch praktiziert, um die Sexualität der Frau kontrollieren zu können (siehe auch Keuschheitsgürtel) und vor Übergriffen der Männer zu schützen. Ihre Praktizierung hat daher auch mit der Erwartung an die Rolle der Frau zu tun.

Tradition und sozialer Druck spielen bei der Durchführung der Beschneidung von Frauen eine große Rolle. So ist es in Gesellschaften, die sie praktizieren, nur schwer möglich, seine Tochter davor zu bewahren. Diese Mädchen werden andernfalls sozial ausgegrenzt und stigmatisiert. Sie haben keine Stellung in der Gesellschaft und werden keinen Mann heiraten können. Das ist in einer Gesellschaft, in der Frauen ökonomisch abhängig von den Männern sind, fatal. So haben Eltern kaum eine andere Wahl, als ihre Töchter zu einer Beschneiderin zu bringen, auch wenn sie selbst wissen, wie qualvoll ein solcher Eingriff ist.

Genitalverstümmelung in der Antike

Die Verstümmelung weiblicher Genitalien wurde in verschiedenen Zeiträumen und Teilen der Erde mit unterschiedlichen, oftmals auch nicht mehr bekannten Begründungen praktiziert.

Die ältesten Funde, die einen Rückschluss auf die Beschneidung der weiblichen Genitalien zulassen, stammen aus Ägypten. Dort entdeckten Forscher Mumien, die Anzeichen einer Beschneidung aufwiesen.

Die Verstümmelung weiblicher Genitalien wurde auch im römischen Imperium praktiziert. Allerdings waren ausschließlich Sklavenmädchen betroffen. Durch die Infibulation sollte einerseits eine Schwangerschaft verhindert werden, andererseits erzielte eine zugenähte „Jungfrau“ auf dem Sklavenmarkt einen viel höheren Preis. So erscheint die Beschneidung im alten Rom als ein Zeichen für Versklavung und Unterwerfung.

Im alten Testament wird den Juden in der Tora befohlen, die männlichen Nachkommen kurz nach der Geburt zu beschneiden, die Beschneidung der Mädchen wird aber verboten – dies lässt die Vermutung zu, dass auch schon in der Frühzeit des Judentums die weibliche Beschneidung bekannt war (vermutlich durch Kontakt mit anderen Völkern). Ob sie auch praktiziert wurde ist allerdings bislang unbekannt.

Medizinische Mythen

Die Beschneidung weiblicher Genitalien wurde auch aus Irrglauben heraus praktiziert, etwa dem, wonach erst der abgeschlossene weibliche Unterleib rein sei, weil aus ihm nur schwer Vaginalsekrete und Menstruationsblut austreten können. Weitere sind:

  • dass weibliche Genitalien weiter wüchsen, wenn sie nicht beschnitten würden
  • dass die Klitoris giftige Sekrete absondere, welche den Mann vergiften oder impotent machen könnten
  • oder gar, dass die Klitoris bei der Geburt den Säugling verletzen könne.

Außerdem gab (und gibt) es die Vorstellung, dass die Beschneidung die Gesundheit fördere, indem die Fruchtbarkeit der Frau erhöht werde sowie Geburt und Schwangerschaft erleichtert würden.

Ästhetische Vorstellungen

In manchen Kulturen ist die Vorstellung verbreitet, dass eine unbeschnittene Vulva unschön und unordentlich sei, besonders wenn die inneren Labia sichtbar würden. Ein beschnittenes weibliches Genital hingegen gilt als ästhetisch akzeptabel.

Unterdrückung der weiblichen Sexualität

Ein Zweck der Beschneidung von Frauen dürfte sein, die Frau ihrer sexuellen Lust zu berauben und sie so auf ihre Reproduktionsfunktion zu reduzieren. Durch die Beschneidung entfällt in den meisten Fällen die Fähigkeit, beim Geschlechtsverkehr einen Orgasmus zu erleben. So ist die Frau nicht in der Lage, selbst Lust zu genießen, sie kann aber auch nicht mehr durch Nichterreichen ihres Höhepunktes dem Mann anzeigen, dass seine sexuelle Zuwendung nicht ausreicht, sie zu befriedigen. Teilweise wird die Beschneidung oder ähnliche Maßnahmen direkt zur Verhinderung der als schädlich angesehenen Masturbation propagiert.

Tradition

Die stärkste Rechtfertigung der Genitalbeschneidung an Frauen ist die Tradition. Aus dem Wissen, dass die Verstümmelung seit langer Zeit praktiziert wird, wird der Schluss gezogen, dass es sich dabei um etwas absolut Notwendiges handle: Ein Mädchen wird erst dann zur Frau, wenn es an seinen Genitalien beschnitten wurde. Die Vorstellungen der Menschen sind in der Weise geprägt, dass sie sich von unverstümmelten Frauen abgestoßen fühlen, sie als unrein empfinden und Männer nicht bereit sind, sie zu heiraten. Der Akt der Beschneidung kann in den Rahmen eines Initiationsrituales eingebettet sein, ein großes Fest, an dem das Mädchen Geschenke erhält und im Mittelpunkt steht.

Vorkommen im Islam

Der Koran erwähnt weder die Beschneidung von Frauen, noch die Beschneidung von Männern. In der Regel wird die Genitalbeschneidung unter Berufung auf einige Hadithe im Islam religiös legitimiert, denn Hadithe bilden neben dem Koran die zweite Quelle islamischer Gesetze. Dabei handelt es sich um Aussprüche, die dem Propheten Mohammed zugesprochen werden.

Das am häufigsten zitierte Hadith im Zusammenhang mit der Beschneidung von Frauen gibt eine Diskussion zwischen Mohammed und Umm Habibah (oder Umm 'Atiyyah) wieder – das Hadith der Beschneiderin. Diese Frau war als Beschneiderin weiblicher Sklaven bekannt, gehörte zu den Frauen, die mit Mohammed immigriert waren. Nachdem er sie entdeckt hatte, fragte er sie, ob sie immer noch ihren Beruf ausübe. Sie bejahte und fügte hinzu: „unter der Bedingung, daß es nicht verboten ist und du mir nicht befiehlst, damit aufzuhören“. Mohammed erwiderte ihr:„Aber ja, es ist erlaubt. Komm näher, damit ich dich unterweisen kann: Wenn du schneidest, übertreibe nicht (la tanhaki), denn es macht das Gesicht strahlender (ashraq) und es ist angenehmer (ahza) für den Ehemann“. Nach anderen Berichterstattern gesagte Mohammed: „Schneide leicht und übertreibe nicht (ashimmi wa-la tanhaki), denn das ist angenehmer (ahza) für die Frau und besser (ahab, nach Quellen abha) für den Mann“. (Andere Übersetzung: „Nimm ein wenig weg, aber zerstöre es nicht. Das ist besser für die Frau und wird vom Mann bevorzugt.“ „Die Beschneidung ist eine Sunnah für die Männer und Makrumah für die Frauen.

Dieses Hadith wird verschieden interpretiert. Eine Ansicht besagt, dass sich das „ist besser für die Frau und wird vom Mann bevorzugt“ auf das „zerstöre nicht“ bezieht. Mohammed hätte dann mit der vorislamischen Tradition nicht brechen wollen, bevorzugte selbst aber deren Unterlassung. Eine andere Deutung geht davon aus, dass es sich um ein Makrumah handelt, eine freiwillige ehrenvolle Tat, deren Unterlassung nicht bestraft wird. Zu diesen Deutungen kommt hinzu, dass der Islam das Recht der Frau auf sexuelle Befriedigung, wenn sie verheiratet ist, ausdrücklich anerkennt. Außerdem ist einer der höchsten Werte der Scharia (Muslime werden nicht müde zu belegen, dass es "die" Scharia nicht gibt) die „Hurma“, die körperliche Unversehrtheit. Daraus lässt sich folgern, dass die weibliche Beschneidung nicht ursprünglich auf den Islam zurückzuführen ist, sondern seinen Ursprung in Sitten aus vorislamischer Zeit hat. Die männliche Beschneidung ist jedoch im Islam unumstritten und widerspricht dieser körperlichen Unversehrtheit.

Von den vier sunnitischen Rechtschulen (Madhhab) befürworten zwei die Genitalbeschneidung an Frauen (Malikiten und Hanbaliten); die Schafiiten halten sie sogar für eine religiöse Pflicht. In Ländern mit schafiitischer Rechtsschule ist sie deshalb auch allgemein verbreitet. Die Hanafiten lehnen die Beschneidung von Frauen ab.[4]

Gegner der Beschneidung argumentieren mit Koranversen, wie:

„für diejenigen, die Gottes betend im Stehen, im Sitzen und auf der Seite liegend gedenken und über die Schöpfung der Himmel und der Erde nachdenken und sagen: "Unser Herr, Du hast all das nicht umsonst geschaffen. Gepriesen seist Du! Behüte uns vor der Strafe des Feuers!“

Koran 3:191

„(Gott) Der alles gut gemacht hat, was Er erschuf. Und Er begann die Schöpfung des Menschen aus Ton.“

Koran 32:7

„Ich (Satan) werde sie (die Diener Gottes) verführen und falsche Wunschvorstellungen in ihnen erwecken, und ich werde ihnen befehlen, manchem Herdentier die Ohren einzuschlitzen und die Schöpfung Gottes zu verunstalten. " Wer den Satan anstatt Gott zum Beschützer nimmt, der hat gewiss verloren.“

Koran 4:119

Der oben zitierte Hadith gilt aber als "daif", also als schwach. Dies bedeutet, der Hadith ist inhaltlich und bezüglich des Isnad unzulänglich: er hat demzufolge eine unvollständigen Isnad (Zeugenkette), einen Sammelisnad, der die Rücküberprüfung, ob der Prophet dies tatsächlich aussagte nicht zulässt. Es war den Muslimen bereits im 2. Jh. islamischer Zeitrechnung bekannt, dass Hadithe gefälscht wurden. Daher:

In einer Konferenz am 22. und 23. November 2006 in der renommierten Azhar-Universität zu Kairo entschieden höchste internationale Islam-Gelehrte, dass die Beschneidung weiblicher Genitalien nicht mit der Lehre des Islams zu vereinbaren ist.[5]

Klitorisamputation und Masturbation

Zu Beginn des 19. Jh. war in Europa die Vorstellung verankert, die Masturbation sei eine Perversion. Diese sollte mit allen Mitteln verhindert werden. Zunächst griff man auf sanfte „Therapien“ zurück: Überwachung, kalte Bäder und Trinken von Mineralwasser. Später trugen die Frauen Keuschheitsgürtel. In England erfand der Arzt Isaac Baker Brown Mitte des 19. Jh. die operative Behandlung: den Frauen wurde die Klitoris entfernt. Damit sollten Masturbation sowie Hysterie behandelt werden.

Noch unzureichend war die Verstümmelung weiblicher Genitalien als "Behandlungsmethode" in Deutschland untersucht. Auch in modernen Nachschlagewerken beschränken sich die Darstellungen zur Beschneidung/Genitalverstümmelung auf fremde Kulturen.

Noch 1923 schrieb Maria Pütz in ihrer Dissertation „In drei mir speziell von Herrn Professor Dr. Cramer gütigst überlassenen Fällen trat nach Entfernung der Clitoris und einer teilweisen oder vollständigen Exzision der kleinen Labien vollständige Heilung ein. Masturbation wurde nicht mehr geübt, und selbst nach einer Beobachtungszeit von mehreren Monaten blieb der Zustand unverändert gut. Trotz dieser erfreulichen Resultate der Clitoridektomie bei Masturbation gibt es nun sehr viele Fälle, bei denen das Uebel durch irgend welche operative Eingriffe nicht zu beeinflussen ist […] Ein zweiter Einwurf der Gegner ist der, dass durch Herabsetzung der Libido auch die Konzeptionsmöglichkeit aufgehoben werde. Auch dieser Einwand ist unberechtigt; denn es steht fest, dass frigide Frauen, die den Coitus nur als Last empfinden und sich keiner sexuellen Befriedigung erfreuen, dennoch konzipieren und gesunde Kinder gebären.“

Die Betroffenen

In Gebieten, in welchen die Verstümmelung weiblicher Genitalien Tradition hat, ist meist die große Mehrzahl aller Frauen betroffen. Das Beschneidungsalter variiert je nach Tradition, die Mädchen werden zwischen der ersten Lebenswoche, im vorpubertären Alter, in der Pubertät oder vor oder nach der Eheschließung beschnitten. Erwachsene Frauen werden manchmal kurz vor der Eheschließung einer noch drastischeren Form unterzogen. Dies liegt dann meist darin begründet, dass dem Ehemann oder der Schwiegermutter die bestehende Genitalverstümmelung als nicht ausreichend erscheint. Im Allgemeinen sind die Mädchen, die einer Genitalbeschneidung unterzogen werden, zwischen vier und zwölf Jahren alt.

In letzter Zeit ist ein Rückgang des Alters der Betroffenen zu beobachten.(Quelle?) Dies kann als eine Gegenreaktion auf bestehende Gesetze gegen die Beschneidung von Frauen interpretiert werden und in der gestiegenen Aufklärung unter Jugendlichen begründet liegen. Je jünger die Mädchen sind, desto geringer ist zum einen ihr Kenntnisstand über die Genitalbeschneidung; zum anderen können sie sich nicht gegen die Verstümmelung wehren oder sich ihr gar entziehen. Zahlen des Kinderhilfswerks zeigen, dass die Beschneidung von Frauen in der ländlichen Bevölkerung häufiger vorkommt als in der städtischen. In der ländlichen Bevölkerung findet die Praktik bei ca. 73 % der Bevölkerung Zuspruch, in der städtischen Bevölkerung bei ca. 67 %. Als Grund hierfür wird der – insbesondere für Frauen – geringe Zugang zu Schulbildung auf dem Land angesehen. Damit geht ein stärkeres Festhalten an Traditionen und eine größere soziale Kontrolle als in der Großstadt einher. Allerdings ist in letzter Zeit in eher intellektuellen Milieus der Trend zur sogenannten Medikalisierung, also der Durchführung der Beschneidung in Krankenhäusern oder durch medizinisches Personal, zu beobachten. Untersuchungen in Europa haben ergeben, dass Migranten zum Teil an der Praxis der Genitalverstümmelung festhalten. Die Mädchen werden im Herkunftsland der Eltern oder illegal in einem europäischen Land beschnitten.

Die Ausführenden

Die Ausführenden der weiblichen Genitalverstümmelung sind in der Regel Frauen. Es kann sich dabei um traditionelle Hebammen, Heilerinnen oder professionelle Beschneiderinnen handeln. In den Städten wird in den reichen Schichten die Prozedur von Ärzten, ausgebildeten Krankenschwestern oder Hebammen unter klinikähnlichen Bedingungen durchgeführt (sog. Medikalisierung). Eher selten kommt es vor, dass Medizinmänner oder Barbiere die Mädchen verstümmeln, so z. B. im Norden der Demokratischen Republik Kongo.

Traditionelle Beschneiderinnen lernen das Handwerk von ihren Müttern. Es ist eine hochangesehene Tätigkeit, die der Familie der Beschneiderin ein relativ hohes Einkommen sichert. Die Beschneiderinnen verfügen meistens nicht über fundierte anatomische Kenntnisse. Dies kann zu weiteren schweren Verletzungen führen, zumal im Alter die Sehkräfte und die motorischen Fähigkeiten nachlassen.

Als Werkzeuge werden (Spezial-)Messer, Rasierklingen, Scheren, Glasscherben, auch Fingernägel oder Zähne benutzt. Oft werden mehrere Mädchen mit demselben Werkzeug verstümmelt. Um die Wunde zu verschließen, werden Akaziendornen, Bindfaden, Schafdarm, Pferdehaar, Bast oder Eisenringe verwendet. Substanzen wie Asche, Kräuter, kaltes Wasser, Pflanzensäfte, Blätter oder Wundpressen aus Zuckerrohr sollen die bei der Amputation der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane meist auftretende starke Blutung stoppen. Die Verstümmelungen finden meistens unter unhygienischen Bedingungen außerhalb von Krankenhäusern statt. Die Betroffenen erhalten meistens keinerlei Narkose. Da der Genitalbereich mit vielen Nerven versorgt ist, führen Eingriffe ohne Narkose zu besonders starken Schmerzen, so dass die Mädchen oder Frauen von mehreren Erwachsenen gehalten werden müssen.

Gesundheitliche Konsequenzen und Todesfolgen

Die Verstümmelung der äußeren weiblichen Genitalien stellt eine irreparable Schädigung der sexuellen funktionellen Einheit von Frauen dar. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass ca. 10 % der Betroffenen an akuten und ca. 25 % an langfristigen Komplikationen sterben. Die gesundheitlichen Konsequenzen erstrecken sich auf akute (zum Beispiel Schock oder hoher Blutverlust), chronische (zum Beispiel Harnwegsinfektionen) und psychische sowie psychosomatische (Trauma, Wahnsinn) Folgen. Der Eingriff hat großen Einfluss auf die sexuelle Erlebnisfähigkeit der Frauen, wobei zu bemerken ist, dass die Frauen je nach kulturellem Hintergrund in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sind und daher der Grad der Einschränkung variieren kann. Der Geburtsvorgang wird bei infibulierten Frauen erschwert; es kann zu starken Komplikationen und im Extremfall zu Schäden für Mutter und Kind kommen.

Einer 2006 veröffentlichten Studie der WHO zufolge, an der 28.373 Schwangere in Afrika teilgenommen haben, starben von 1000 Babys verstümmelter Mütter im Durchschnitt 10- bis 20-mal mehr als unter den Kindern unversehrter Frauen, das Todesrisiko der Kinder erhöhe sich durch die genitale Verstümmelung der Mütter um ein Viertel bis ein Drittel.[6]

Aktuelle Entwicklungen

In allen Staaten der Europäischen Union steht diese Art der schweren Körperverletzung unter Strafe.

Der Familiensenat des Karlsruher BGH hat am 15. Dezember 2004 (unter dem Aktenzeichen XII ZB 166/03) entschieden, dass der Plan einer Frau, ihre Tochter nach Gambia zu bringen – einem Land, in dem etwa 80 bis 90 % der Frauen der pharaonischen Beschneidung unterzogen werden – ausreicht, ihr das Sorgerecht für das Kind zu entziehen und es in eine Pflegefamilie zu geben.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat im April 2005 einen Asylanspruch festgestellt, wenn Genitalverstümmelung droht. Vor dem Hessischen VGH hatten eine 17-jährige Heranwachsende und ihre 8 Jahre alte Schwester gegen ihre Abschiebung nach Sierra Leone geklagt. Der Gerichtshof stellte fest, dass eine Abschiebung in ein Land unzulässig ist, in dem die Genitalverstümmelung an Frauen fest verwurzelte Tradition ist (80–90 Prozent der Frauen in Sierra Leone sind beschnitten) oder von den Behörden geduldet wird.[7]

Die FAZ meldet unter Berufung auf einen bevorstehenden Beitrag in The Lancet (Band 366, Seiten 385–391), in einer Studie an etwa 280 Frauen, die 2003 und 2004 an zwei Krankenhäusern in Khartum untersucht wurden, seien 99 als unfruchtbar erkannt worden (mehr als jede Dritte), 180 waren erstmals schwanger. Alle waren als Mädchen verstümmelt worden. Die Forscher stellen fest, dass vor allem schwere Genitalverstümmelungen das Risiko einer Frau merklich steigern, unfruchtbar zu werden. Die Wissenschaftler hoffen mit diesem Argument den Glauben vieler Befürworter der Genitalverstümmelung zu widerlegen, ein Mädchen könne nur dann eine gute Ehefrau und Mutter werden, wenn man ihre Geschlechtsteile gemäß dem alten Brauch verstümmele.

Am 26. Oktober 2005 haben islamische Geistliche in Mogadischu eine Fatwa veröffentlicht, die sich gegen die Beschneidung bzw. Genitalverstümmelung an Mädchen richtet. Darin wird die in Afrika weit verbreitete traditionelle Praxis als „unislamisch“ verurteilt. Sheich Nur Barud Gurhan, der stellvertretende Vorsitzende der Dachorganisation somalischer Geistlicher, setzte die Beschneidung mit einem Mord gleich. Zur Durchsetzung wird die Fatwa wahrscheinlich nicht kommen, da die in Somalia geltende schafiitische Rechtsschule die weibliche Beschneidung als verpflichtend (fard) einstuft und Somalia von Clanchefs beherrscht wird.[8]

In Kenia ist Mungiki im Zusammenhang mit Zwangsbeschneidungen in die Medien gekommen.

Am 22. und 23. November 2006 fand in der Azhar-Universität in Kairo mit deren Oberhaupt Scheich Muhammad Sayyid Tantawi auf Initiative von TARGET und unter Schirmherrschaft des ägyptischen Großmufti 'Ali Gum'a eine Konferenz hoher islamischer Gelehrter statt. Die Versammlung verabschiedete ein Rechtsgutachten, eine „Fatwa“, mit der bestätigenden Unterschrift von 'Ali Gum'a, in dem die weibliche Genitalverstümmelung als strafbares Verbrechen eingestuft und die Gesetzgeber islamischer Länder zu entsprechenden Gesetzen aufgefordert werden. Der wichtige Gelehrte Yusuf al-Qaradawi stimmte zwar zu, dass die Beschneidung nicht im Koran begründet und auch religiös nicht notwendig sei, lehnte aber als einziger ein generelles Verbot ab, weil es durch die Konferenz nicht ausreichend legitimiert sei, dazu wäre eine Verdammung durch die Islamräte notwendig. Ein Aufruf der koptischen Kirche vor fünf Jahren, dass die Genitalverstümmelung unchristlich sei, hat die Praxis unter den ägyptischen Kopten nahezu ausgerottet.[9] [10]

Die schwedische Integrationsministerin Nyamko Sabuni, eine schwarze Muslimin, die muslimische Freischulen als potentielle „Rekrutierungsbasen künftiger Selbstmordattentäter“ bezeichnet, will das Kopftuch für Mädchen unter fünfzehn verbieten und in den Schulen gynäkologische Checks durchführen, um Genitalverstümmelungen zu verhindern.[11]


Vergleichbare Praktiken außerhalb von Afrika

Während in Teilen Afrikas die weiblichen Genitalien aus religiösen oder rituellen Gründen operativ verändert werden, findet in anderen Teilen der Welt ein als Schamlippenplastik bezeichneter Eingriff zunehmende Verbreitung, wobei die die äußeren Genitalien der Frau aus ästhetischen Gründen verstümmelt, d.h. gekürzt oder entfernt werden.

Bezeichnungen

Die Bezeichnung „Beschneidung“ ist eine gängige, aber von vielen als verharmlosend betrachtete Bezeichnung für Verstümmelungen an weiblichen oder männlichen Genitalien. Dieser Umstand sorgt vielfach für Kritik, kann aber im sprachlichen Austausch insbesondere mit den Betroffenen auch als Ausdruck der Diskretion verstanden werden. Für Kritik sorgt bei anderen auch die Bezeichnung „Verstümmelung“, da sie zwar den Umstand und die Folgen beschreibt, jedoch auch geeignet sein könnte, Betroffene als „Verstümmelte“ zu stigmatisieren. In der fachlichen Auseinandersetzung werden meist Begriffe wie „Verstümmelung der (weiblichen) Genitalien“, „genitale Verstümmelung“, international oft auch die Abkürzung FGM (female genital mutilation) aus dem Englischen verwendet. Eine weitere Bezeichnung wäre auch „female genital cutting“.

Die Bezeichnung Beschneidung weiblicher Genitalien wird aus folgenden Gründen von vielen als Euphemismus betrachtet:

  • Die Bezeichnung „Beschneidung“ könnte den Eindruck erwecken, bei den Eingriffen an Frauen und Mädchen handle es sich um das Pendant zur „männlichen Beschneidung“, der teilweisen oder vollständigen Entfernung der männlichen Vorhaut, vergl. Zirkumzision. Lediglich eine Form, die sogenannte „milde Sunna“, das Einritzen, Einstechen oder Entfernen der Klitorisvorhaut, ähnelt – gemessen am Ausmaß des Eingriffes – dem Entfernen der männlichen Vorhaut. Tatsächlich aber sind die übrigen, weitaus schwerwiegenderen Formen von Verstümmelungen weiblicher Genitalien vorherrschend.
  • „Beschneidung“ ist ein Begriff, der in mannigfaltigen Zusammenhängen verwendet wird, er bezeichnet (außer in der Verwendung für die männliche Beschneidung) nicht explizit „Genitalverstümmelung“.
  • Im Bezug auf Eingriffe an den Genitalien wird „Beschneidung“ nicht nur für unfreiwillige, sondern auch für freiwillige Körpermodifikationen oder medizinisch indizierte Maßnahmen verwendet.

Siehe auch

Menschenwürde, Menschenrechte, Intactivism, Zirkumzision

Literatur

  • Charlotte Beck-Karrer: Löwinnen sind sie. Gespräche mit somalischen Frauen und Männern über Frauenbschneidung. Verein Feministische Wissenschaft, Bern 1996, ISBN 3-905561-03-4
  • Waris Dirie: Schmerzenskinder. Marion Von Schroeder Verlag, München 2005, ISBN 3-54771-067-7
  • Waris Dirie: Wüstenblume (Autobiographie). Schneekluth Verlag, München 1998, ISBN 3-79511-626-0
  • Marion Hulverscheidt: Weibliche Genitalverstümmelung: Diskussion und Praxis in der Medizin während des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. 189 S., Mabuse-Verl., Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-93596-400-5 (Mabuse-Verlag Wissenschaft 63; Zugl.: Göttingen, Univ., Dissertation 2000)
  • Fadumo Korn: Geboren im Großen Regen (Autobiographie). Rowohlt TB Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-49923-798-9
  • Hanny Lightfoot-Klein: Das grausame Ritual. Sexualle Verstümmelung afrikanischer Frauen. Fischer, Frankfurt 1992, ISBN 3-596-10993-0
  • Rüdiger Nehberg und Annette Weber: Karawane der Hoffnung – Mit dem Islam gegen den Schmerz und das Schweigen. Piper Verlag, München 2006, ISBN 3-89029-322-0
  • Eiman Okroi: Weibliche Genitalverstümmelung im Sudan – „Female genital mutilation“. 150 S., 1. Aufl. Akademos-Wiss.-Verl., Hamburg 2001, ISBN 3-93441-029-4 (Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Dissertation 2001)
  • Thomas von der Osten-Sacken und Thomas Uwer: „Is Female Genital Mutilation an Islamic Problem?“ (Essay 2006)
  • Annette Peller: Chiffrierte Körper – Disziplinierte Körper. Female Genital Cutting. Rituelle Verwundung als Statussymbol. Weissensee-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-934479-60-X (Zugl.: Berlin, Freie Univ. Dissertation 2000)
  • Maria Pütz: Über die Aussichten einer operativen Therapie in gewissen Fällen von Masturbation jugendlicher weiblicher Individuen. Euskirch, Hochschulschrift: Universität Bonn, Dissertation, 1923
  • Terre des Femmes (Hg.): Schnitt in die Seele – Weibliche Genitalverstümmelung – eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. Mabuse-Verl., Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-93596-428-5
  • Alice Walker: Possessing the Secret of Joy (Roman). (1992, dt: Sie hüten das Geheimnis des Glücks, Rowohlt, Reinbek 1995, ISBN 3-49913-660-0)
  • Alice Walker und Pratibah Parmar: Warrior Marks. Female Genitial Mutilation and the Sexual Blinding of Women 1993), (dt: Narben oder Die Beschneidung der weiblichen Sexualität, Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-498-07336-2)
  • Dirk Wüstenberg: Genitalverstümmelung und Strafrecht. In: Der Gynäkologe 2006, S. 824–828.
  • Dirk Wüstenberg: Genitalverstümmelung und elterliches Aufenthaltsbestimmungsrecht. In: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2007 (FamRZ), S. 692–696.
  • Dirk Wüstenberg: Genitalverstümmelung und Art. 6 GG. In: Recht und Politik (RuP) 2007, S. x ff. (Heft 4).

Organisationen gegen Weibliche Genitalverstümmelung:

Medienberichte:

Quellen

  1. Kath.net: Genitalverstümmelungen auch in Europa 18. Februar 2007
  2. Formen und Häufigkeit der Verstümmelung weibl. Genitalien in Afrika, amnesty-frauen.de
  3. UNICEF-Bericht
  4. Bosworth/van Donzel, The encyclopedia of Islam, S. 20
  5. Islamkonferenz zur Beschneidung
  6. WHO-Studie zum erhöhten Risiko für Babies
  7. „Keine Abschiebung bei drohender Genitalverstümmelung“, hr, 19. April 2005
  8. dpa – Meldung, 26. Oktober 2005
  9. „Wird die Genitalverstümmelung je aufhören? In Kairo beschließen islamische Gelehrte ein Verbot“, NZZ, 24. November 2006
  10. „Islam-Gelehrte ächten Mädchenbeschneidung“, Netzeitung, 27. November 2006
  11. NZZ: In der Gewalt der Tradition 11. Dezember 2006