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Esoterik

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Die christliche Mystikerin Hildegard von Bingen: Liber Divinorum Operum - „Buch von den göttlichen Werken“; Darstellung einer Vision des Menschen als Teil des Kosmos

Esoterik (von griechisch εσωτερικός, esoterikós, „innerlich“), ist, in der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs, die Lehre oder Wissenschaft des Geheimen oder (zunächst) Verborgenen. Gegensatz: Exoterik (i.S.v. öffentlichem Wissen). Heute wird der Begriff „Esoterik“ zumeist zusammenfassend für ein breites Spektrum verschiedenartiger Weltanschauungen gebraucht, welche die spirituelle Entwicklung des Individuums betonen, jedoch durch keine organisierte Religion oder religiöse Konfession im engeren Sinn als Glaube vertreten werden. Ein verwandter Sammelbegriff ist „New Age“.

Den sich teilweise deutlich unterscheidenden oder sogar widersprechenden Lehren, die unter den Begriff „Esoterik“ fallen, ist gemeinsam, dass sie die Existenz von Phänomenen außerhalb des wissenschaftlich erfassbaren postulieren und sowohl naturwissenschaftliche als auch konfessionell religiöse Betrachtungsweisen als nicht ausreichend ansehen, um die Welt vollständig erklären zu können.

Wortbedeutung und Etymologie

Wörtlich bedeutet der griechische Begriff mit dem Adjektiv εσωτερική [γνώση] „das innere, innerliche, verborgene oder geheime Wissen“ und „zum inneren Kreis gehörig“ (esôteros – das Innere). Etymologisch ist daher keine klare Bedeutung abzuleiten, und entsprechend war und ist auch der Wortgebrauch sehr heterogen[1]. Vielfach wird das Wort „Esoterik“ als Bezeichnung für Geheimlehren verwendet, die nur Eingeweihten zugänglich gemacht werden (Arkanprinzip); im Gegensatz dazu bezeichnet der Begriff der Exoterik eine offene und für jeden zugängliche Lehre. Dem steht aber eine Fülle von als esoterisch bezeichneten Publikationen gegenüber, die allgemein zugänglich und in diesem Sinne gar nicht geheim sind[2].

Eine allgemein gültige Umschreibung gibt der Esoterikforscher Kocku von Stuckrad: „Dreh- und Angelpunkt aller esoterischen Traditionen sind Erkenntnisansprüche, die auf das «eigentliche» oder das absolute Wissen abheben, und die Modi, dieses Wissen verfügbar zu machen – sei es durch einen individuellen Aufstieg des Suchenden, wie in gnostischen oder neuplatonischen Entwürfen, sei es durch ein Initiationsgeschehen, wie in den Geheimgesellschaften der Neuzeit, sei es durch Kommunikation mit geistigen Wesen, wie im «Channeling» des zwanzigsten Jahrhunderts. (...) Die Modi, in denen sich ein Diskurs absoluter Erkenntnis entfaltet, haben mit der Dialektik von Verborgenem und Offenbartem zu tun, also durchaus mit «Geheimnis», jedoch nicht in dem Sinne, dass die esoterische Wahrheit nur Eingeweihten zugänglich ist. Was einen Diskurs esoterisch macht, ist die Rhetorik einer verborgenen Wahrheit, die auf einem bestimmten Weg enthüllt werden kann und gegen andere Deutungen von Kosmos und Geschichte – nicht selten die der institutionalisierten Mehrheit – in Stellung gebracht wird.[3]

Der Gebrauch des Substantivs „Esoterik“ (frz. ésotérisme) ist historisch erstmals 1828 nachgewiesen, das Adjektiv „esoterisch“ wurde schon lange davor verwendet[4].

Geschichte

Allgemein gilt Pythagoras (ca. 570 - 500 v. Chr.) und die von ihm in Kroton (heute Crotone, Kalabrien, Süditalien) gegründete pythagoräische Bruderschaft, welche dem Schweigegelübde verbunden war, als erste historisch erfassbare Erscheinung der (europäischen) Esoterik. Pythagoras lehrte, dass der Mensch eine vom Körper ablösbare Seele besitze, die nach dem körperlichen Tod weiter bestehe und sich in einem anderen Körper wieder inkarniere (Reinkarnation). Er prägte auch den Begriff des Kosmos als einer harmonisch geordneten Welt, welcher das Chaos gegenübersteht. Die Bewegung der Planeten setzte er in Beziehung zu den Intervallen der Musik („Sphärenharmonie“). Seine Reinkarnationslehre wurde von bedeutenden Philosophen wie Parmenides, Empedokles und Platon übernommen und modifiziert, wobei die beiden ersteren daraus die Forderung nach einem strengen Vegetarismus ableiteten, um das Verspeisen von als Tiere wiederverkörperten Menschen auszuschließen.

Ein weiterer Einfluss war das Verschmelzen der griechischen Philosophie mit der ägyptischen Religion und Magie nach der Eroberung Ägyptens durch Alexander dem Großen im Jahr 332 v. Chr. Aus dieser Verschmelzung entstand die Hermetik. Die mit der Esoterik assoziierten Praktiken aber lassen sich viel weiter in der Geschichte zurückverfolgen: so geht beispielsweise die Astrologie auf die babylonische Religion zurück. Der Gnostizismus, dessen genaue Ursprünge nicht eindeutig geklärt sind, der jedoch zu Beginn der modernen Zeitrechnung in der ganzen antiken Welt zu finden ist und eine synkretische Synthese der griechischen, zoroastrischen, jüdischen und frühchristlichen Weltanschauung bildet, gilt ebenfalls als wichtiges Standbein der Esoterik, und bis in die Renaissance hinein waren gnostische Sekten die wichtigsten Träger der esoterischen Lehren.

Im späten Mittelalter (12. und 13. Jahrhundert) wurde das mystische und esoterische Denken durch den Einfluss der Kabbala stark geprägt, welche sich, losgelöst vom Judentum, bald mit der hermetischen Weltanschauung verknüpfte.

In der Renaissance, in der man sich auf die Antike zurückbesann, erlebte auch die Esoterik einen Aufschwung. Die Rosenkreuzer traten in Erscheinung und lieferten die Grundlage für die späteren Logen und Initiationsorden. Mit dem Rosenkreuzertum wurde die Alchemie zur beherrschenden esoterischen Lehre. Auch der Tarot entstammt dieser Zeit. Die Renaissance war auch die Zeit, in der zum ersten Mal in großem Umfang esoterische Schriften veröffentlicht wurden. Viele Denker der Renaissance gelten noch heute als wichtige Quelle esoterischen Wissens, unter anderem Jakob Böhme, Heinrich Khunrath, Guillaume Postel, vor allem aber Paracelsus.

Das Zeitalter der Aufklärung war in der Esoterik geprägt durch das Ausbilden von Geheimen Bruderschaften, Orden und Logen, vor allem in Frankreich und England. Im viktorianischen Zeitalter erlebten der Okkultismus und verschiedenste Formen von Orakeln eine Blütezeit.

In den letzten 150 Jahren hat sich die Esoterik inhaltlich zu einer Weltanschauung gewandelt, deren Anhänger sie oft als allumfassend, universalreligiös und als Vereinigung der „inneren Lehren“ aller Religionen sehen (Theosophie, Neugeist-Bewegung). Als Begründerin dieser „modernen“ Esoterik gilt Helena Petrovna Blavatsky (1831-1891), deren „Theosophie“ - im Unterschied zu älteren theosophischen Lehren - stark von östlicher Philosophie beeinflusst war.

Seit den 1930er und in einer zweiten großen Welle seit den 1980er Jahren ist die Esoterik – insbesondere im westlichen Kulturkreis – zu einer Massenbewegung mit Breitenwirkung geworden, die viele, teilweise widersprüchliche, Teilströmungen umfasst.

Esoterische Weltanschauung

Da es sich, im Gegensatz zur Spiritualität, bei der Esoterik nicht unbedingt um ein persönliches religiöses Erleben handelt, sondern um eine Vielzahl einzelner Angebote und Wege zur Realisation einer individuellen religiösen Erfahrung, lässt sie sich kulturell und soziologisch nur sehr beschränkt festlegen.

Die traditionelle Aufteilung in eine öffentliche und eine geheime Lehre, wie sie zum Beispiel von den Rosenkreuzern praktiziert wird, gilt für die heutige Esoterik meist nicht mehr. Allerdings wird von vielen Esoterikern behauptet, man könne esoterische Lehren nur nach langjährigem Studium verstehen und beurteilen.

Verbreitung heute

Esoterik ist der Überbegriff für eine Reihe unterschiedlicher Lehren und Traditionen. Eine gewisse Bedeutung für die Entwicklung in der Nachkriegszeit hatte hier die Vereinigung OARCA (Omnia Arkana), die Zeitschrift esotera sowie die Veröffentlichungen der Psychotherapeuten Thorwald Dethlefsen und Rüdiger Dahlke. In der Schweiz üben das Medium Oskar Rudolf Schlag, der Ex-Pfarrer Hans-Dieter Leuenberger sowie die Zeitschrift Spuren mit dem Herausgeber Martin Frischknecht Einfluss aus. Esoterik ist nicht unbedingt deckungsgleich mit einer Parawissenschaft, da die verschiedenen Disziplinen üblicherweise keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben (strenge experimentelle Richtlinien etc.) und nur über gewisse weltanschauliche Gemeinsamkeiten verfügen. „Stoßen wir uns nicht an dem Wort »esoterisch«, das aus mancherlei Gründen einen Beigeschmack für uns bekommen hat; was von [Oskar] Adler damit angesprochen wird, ist die Fähigkeit des Menschen, auf dem Wege über die Verinnerlichung Einsichten in jene Zusammenhänge zu erlangen, Einsichten, aus denen wohl das Wissensgut der Astrologie ursprünglich stammt.“ [5]Einzelne esoterische Heilmethoden werden auch als Erfahrungswissenschaften bezeichnet. Gesondert, aber dem Begriffe nach inhaltlich und formell verbunden, wird in der Wissenschaft der esoterische Buddhismus (vgl. Buddhistisches Tantra) betrachtet.

Richtungen und Praktiken

Es gibt zahlreiche unterschiedliche Strömungen der heutigen Esoterik, die sich teilweise überlappen, teilweise nicht viel miteinander zu tun haben. Nicht alle von ihnen können vollständig zur Esoterik gerechnet werden. Die meisten esoterischen Richtungen betonen eine spirituelle Entwicklung des Menschen.

Esoterische Weltanschauungen beziehen sich meist auf fünf Bereiche:

  • Praktische Entscheidungshilfen für die Lebensplanung, teilweise auch für Alltagsentscheidungen: In diesen Bereich fallen vor allem Techniken wie Astrologie, Tarot, Pendeln oder Handlesen.
  • Selbsterkenntnis: Manche Anhänger der Esoterik versuchen, ihren Charakter und ihre Bedürfnisse mit Hilfe esoterischer Welterklärungskonzepte zu bestimmen, vor allem mittels der verschiedenen Varianten der Astrologie.
  • Medizinische Hilfe: Mit Techniken der alternativen Medizin wird versucht, das körperliche und seelische Wohlbefinden zu verbessern, zum Beispiel mit Aromatherapie, Bach-Blütentherapie, Reiki, oder Homöopathie. Die Esoterik nimmt sich dabei vor allem Bereichen an, die die klassische Medizin nicht abdeckt (zum Beispiel ‚Hilfe beim Wohlfühlen‘) oder in denen deren Erfolge als unzureichend empfunden werden, wie bei der Behandlung chronischer Schmerzen, aber auch bei akuten Krankheiten.
  • Spirituelle Hilfe: Die meisten esoterischen Richtungen postulieren das Vorhandensein einer unsterblichen menschlichen Seele und befassen sich mit Wegen, deren Schicksal zu verbessern. Bei vielen dieser Richtungen kommen Konzepte indischer Religionen wie Karma und Reinkarnation vor. Häufig wird gelehrt, dass eine ‚Reinigung‘ oder eine ‚Erleuchtung‘ des Anhängers nötig sei, um in dieser Welt oder nach dem Tod einen besseren Zustand zu erreichen.
  • Verbesserung der Welt insgesamt: Unter manchen esoterischen Richtungen ist die Ansicht verbreitet, dass man durch Verhalten entsprechend esoterischer Lehren die Welt insgesamt grundlegend verändern und somit verbessern könne. Solche Ansichten sind Grundlage der ‚New Age‘-Bewegung, die ein neues Zeitalter, etwa das ‚Wassermannzeitalter‘ angebrochen sieht oder erwartet. Entsprechende Auffassungen vertritt beispielsweise Fritjof Capra.

Zu den esoterischen Richtungen und den zahlreichen Praktiken, die in der Esoterik aufgegriffen werden, gehören unter anderem:

Esoterik als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung

Die Anfänge einer wissenschaftlichen Erforschung der Esoterik bestehen in Arbeiten christlicher, jüdischer und islamischer Religionswissenschaftler über abendländische Mystik und Gnosis. Bedeutende Vertreter dieser frühen Esoterikforschung waren Martin Buber (1878-1965), Gershom Scholem (1897-1982), Henry Corbin (1903-1978) und Mircea Eliade (1907-1986).

Ein erster spezieller Lehrstuhl für die „Geschichte der christlichen Esoterik“ wurde 1965 an der Sorbonne in Paris eingerichtet (1979 umbenannt in „Geschichte der esoterischen und mystischen Strömungen im neuzeitlichen und zeitgenössischen Europa“). Seit 1999 gibt es in Amsterdam einen Lehrstuhl für die „Geschichte der hermetischen Philosophie und verwandter Strömungen“. Drittens wurde an der Universität von Exeter (England) ein Zentrum für Esoterikforschung eingerichtet. Der katholische Priester Michael Fuss leitet an der Päpstlichen Universität Angelicum in Rom den »Lehrstuhl für nichtkonventionelle Religionen und Spiritualitätsformen«.[6]

Kritik

Von den etablierten Religionen, namentlich vom Christentum[7], dem Islam und dem Judentum, werden esoterische Ansichten im allgemeinen als Irrglauben abgelehnt. Auch aus naturwissenschaftlicher und atheistischer Sicht wird die Esoterik als rückschrittlich und Irrtum kritisiert, den die Aufklärung und die Wissenschaft eigentlich schon überwunden hätten.

Viele Kritiker, aber auch manche Esoteriker selber beklagen auch einen „Supermarkt der Spiritualität“:[8] Verschiedene, teils widersprüchliche spirituelle Traditionen, die über Jahrhunderte in unterschiedlichen Kulturen der Welt entstanden, würden in der Konsumgesellschaft zur Ware, wobei sich verschiedene Trends und Moden schnell abwechselten („gestern Yoga, heute Reiki, morgen Kabbala“), und als Produkt auf dem Markt ihres eigentlichen Inhalts beraubt würden (Lifestyle). Dieser Umgang sei oberflächlich, reduziere Spiritualität auf Klischees und beraube sie ihres eigentlichen Sinns.

Trotz Berufung auf ein „gemeinsames Urwissen“ werden einzelne Begriffe von einzelnen esoterischen Strömungen oft sehr unterschiedlich gebraucht“[9]. Einige Esoterikgegner kritisieren, dass Hilfs- und Beratungsangebote, die auf esoterischen Grundlagen beruhen, unrealistische Erwartungen wecken oder Versprechungen machen.

Quellen

  1. „Der lexikalische Gehalt des Wortes Esoterik ist wenig ausgeprägt (...). Wie ein jedes Wort, das an sich selbst ziemlich bedeutungsleer ist, hat sich auch dieses als dehnbar, durchlässig und semantisch überdeterminierbar erwiesen. Von der Etymologie ist denn auch keine Auskunft zu erwarten, es gilt vielmehr, den Begriff auf seine Funktion hin zu befragen, und die besitzt die Eigenart, ein ganzes Bündel von Haltungen und eine Vielzahl von Diskursen aufrufen zu können.“ Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. 2001. S. 11
  2. Faivre, S. 13
  3. Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik? Kleine Geschichte des geheimen Wissens. 2004. S. 21
  4. Faivre, S. 11 und 108
  5. Fritz Riemann: Lebenshilfe Astrologie - Gedanken und Erfahrungen, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag 2005 (20. Aufl.), Seite 19, ISBN 3-423-34262-5
  6. 2006: DIE ZEITLernen mit Osho
  7. http://www.vatican.va/archive/DEU0035/__P7L.HTM
  8. Lau, Kimberley J. 2001. New Age Capitalism. Philadelphia: Univ of Pennsylvania Press.
  9. Thiede, Werner: Theologie und Esoterik, Leipzig 2007

Literatur

  • Antoine Faivre: Esoterik im Überblick - Geheime Geschichte des abendländischen Denkens. Freiburg im Breisgau, Herder, 2001. ISBN 3-451-04961-9
  • Marcus Hammerschmitt: Instant Nirwana Alibri, 2005, ISBN 386569005X
  • Wouter J[acobus] Hanegraaff in collaboration with Antoine Faivre, Roelof van den Broek and Jean-Pierre Brach (Ed.): Dictionary of Gnosis & Western Esotericism. Vol. 1/ 2. Brill, Leiden, Boston 2005, ISBN 9004141871
  • Martin Lambeck: Irrt die Physik? Über alternative Medizin und Esoterik, Beck, 2003, ISBN 3406494692
  • Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik? - Kleine Geschichte des geheimen Wissens. München, C.H.Beck, 2004. ISBN 3406521738

Siehe auch

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Wiktionary: Esoterik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen