Konservative Revolution
Konservative Revolution bezeichnet eine politisch-ideologische Strömung in der Weimarer Republik.
Der Begriff "Konservatismus" bzw. "konservativ" bezeichnete bis dahin (und wird umgangssprachlich bis heute so verwendet)eine Haltung, die eine etablierte gesellschaftliche Ordnung bewahren will und sich positiv auf deren grundlegende Wertvorstellungen bezieht. Als politisch-ideologische Bewegung richtete sie sich vormodern gegen Aufklärung und Liberalismus, sowie gegen sozialistische Ideen und Organisationen. Nachdem durch verlorenen Krieg und der deutschen Novemberrevolution von 1918 die Weimarer Republik entstanden war, fand eine überwältigende Mehrheit des konservativen Lagers allerdings kaum mehr Bewahrenswertes an der ungeliebten neuen, demokratischen Ordnung. Wenige engagierten sich für die erste demokratische Republik Deutschlands. Eine sich rasch radikalisierende konservative Strömung hauptsächlich sozial marginalisierter Heimkehrer-Soldaten grenzte sich darüber hinaus jedoch auch scharf gegen die vergangene Ordnung des Kaiserreichs ab, dessen Führung in ihren Augen vor den (innenpolitischen)Herausforderungen des Weltkriegs versagt und sich so nachhaltig diskreditiert hatten. Die paradoxe begriffliche Verbindung von Konservatismus und Revolution geht auf eine entsprechende Wortwahl des Dichters Hugo von Hofmannsthal zurück. Später wurde sie von dem konservativen Philosophen Armin Mohler aufgegriffen und unter dem Schlagwort "Konservative Revolution" verteidigend in eine breitere historiographische und politische Debatte eingeführt. Die Verwendung des Begriffs ist unter Historikern umstritten; festzuhalten ist, dass dieser eine spezifische konservative widerspruchsvolle Selbsteinschätzung zum Ausdruck bringt.
So vage die gesellschaftlichen Ordnungsentwürfe dieser radikalkonservativen Strömung blieben, so kompromisslos zogen deren Vertreter gegen die demokratische Ordnung zu Felde. Die KR trat dabei als eine vornehmlich literarisch-publizistische Bewegung in Erscheinung, die innerhalb eines sehr viel breiteren konservativen Spektrums zunehmende intellektuelle Anziehungskraft entfaltete. Mit Sicherheit kann sie zu den intellektuellen Wegbereitern des Nationalsozialismus gerechnet werden. Allerdings blieb das unmittelbare Verhältnis zwischen NS-Bewegung und KR eher ambivalent bis angespannt, obgleich in der Publizistik der KR oft Elemente späterer nationalsozialistischer Herrschaftsentfaltung vorweggenommen und propagiert wurden. Der Radikalpopulismus der Nazis war jedoch nur schwer vereinbar mit der individualistischen, intellektuellen Bohème-Attitude vieler konservativer "Revolutionäre", die zumeist ein ausgesprochenes Elitenbewusstsein kultivierten und sich nicht selten vom proletarischen Gestus der braunen Kolonnen abgestoßen fühlten. Hannah Arendt schreibt in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, von einem zeitweiligen Bündnis zwischen Mob und Elite.
Die Autoren der KR bildeten keine feste Gruppe, eher ein verzweigtes publizistisches Geflecht. Sie formulierten keine einheitliche Doktrin, bemühten sich jedoch übergreifend, die Phänomenologie der Moderne in eine theoretische Synthese mit konservativen Grundanschauungen zu bringen. Die KR kann auch als Reaktion auf krisenhafte gesellschaftliche Modernisierungsvorgänge verstanden werden, als eine neokonservative intellektuelle Suchbewegung im "Umbruch der Klassischen Moderne". Zu ihrem Dunstkreis können u. a. Oswald Spengler, Arthur Moeller van den Bruck, die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger, Ernst von Salomon, Hans Freyer und Ernst Niekisch gezählt werden. Auch der als "Kronjurist der Nationalsozialisten" und als Verteidiger der Röhm-Morde bekannte konservative Staatsrechtler Carl Schmitt kann dieser Strömung zugerechnet werden. Er lieferte mit der "Politischen Romantik" 1919 und dem "Begriff des Politschen" 1932 zwei grundlegende Werke im Sinne der KR.
Literatur
- Nicolaus Sombart: Die deutschen Männer und ihre Feinde. Carl Schmitt - ein deutsches Schicksal zwischen Männerbund und Matriachatsmythos, Reihe Geschichte Fischer, 1997, Fischer-Taschenbuchverlag, ISBN 3-596-11341-5, Erstausgabe 1991 im Carl Hanser Verlag
- Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt 1993. (begriffskritisch);
- Armin Mohler: Die konservative Revolution in Deutschland 1918 - 1932: Ein Handbuch, Darmstadt 1994 (4.Aufl.,apologetisch);
- Rolf P. Sieferle: Die konservative Revolution. Fünf biographische Skizzen, Frankfurt a. Main 1995. (biographischer Zugang, fünf Exponenten:Lensch, Sombart, Spengler, Jünger, Freyer)
- Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, München 1962. (ideen- und begriffsgeschichtlich)