European Train Control System
Das European Train Control System (kurz ETCS) ist neben GSM-R eine Komponente des ERTMS. Es soll die Vielzahl der in den europäischen Ländern eingesetzten Zugsicherungssysteme ablösen und so eine dichte, schnelle und grenzüberschreitende Zugführung in ganz Europa ermöglichen. Es soll mittelfristig im Hochgeschwindigkeitsverkehr Verwendung finden und langfristig im gesamten europäischen Schienenverkehr umgesetzt werden. Nach Erprobung bei der Deutschen Bahn AG (DB AG), den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) wird es seit Frühjahr 2007 bei der SBB auf der Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist sowie im Lötschberg-Basistunnel im kommerziellen Betrieb eingesetzt. Weitere Strecken sind europaweit in Planung bzw. im Aufbau.
Geschichte
Um einen sicheren und reibungslosen Zugverkehr zu gewährleisten, sind Zugsicherungssysteme notwendig. In Europa haben sich 14 Ausführungen von Zugsicherungssystemen entwickelt, die teilweise nebeneinander und länderabhängig eingesetzt werden und untereinander nicht kompatibel sind. Im grenzüberschreitenden Verkehr müssen daher Triebfahrzeuge mit einem oder evtl. mehreren Zugsicherungssystemen des Gastlandes ausgerüstet sein. Ist das nicht der Fall, muss ein Wechsel des Triebfahrzeuges vorgenommen werden, der zeit- und kostenaufwendig ist.
Aus Bestrebungen zur Verkürzung der Grenzaufenthaltszeiten sowie zur Senkung der Kosten durch Schaffung eines europaweiten Marktes für Zugsicherungssysteme entwickelte sich seit Anfang der 1990er das Konzept eines einheitlichen Zugsicherungssystems. Seit 1996 wurde auf Grundlage der EG-Richtlinie[1] zur Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems das Zugsicherungssystem ETCS und das mobilfunkbasierte Kommunikationssystem GSM-R (Global System for Mobile communication - Railways) entwickelt. Der Internationale Eisenbahnverband (UIC, Union internationale des chemins de fer) hatte durch das European Rail Research Institute (ERRI) die ersten Spezifikationen für ETCS erarbeiten lassen. Diese wurden zunächst federführend durch die ERTMS Users Group, eine Interessenvereinigung von inzwischen sechs europäischen Bahnen, anschließend durch UNISIG, einen Zusammenschluss europäischer Bahnsicherungstechnikhersteller, weiterentwickelt. Seit 1999 wird ETCS von mehreren Bahngesellschaften getestet. Seit 2001 besteht eine EU-Richtlinie, die die Bahninfrastrukturbetreiber auch zur Ausrüstung konventioneller Strecken mit ETCS verpflichtet.
Ziele
Die Einführung des ETCS soll nicht nur die Zugsteuerung und -sicherung zusammenfassen und intelligenter machen, sondern auch
- Kosten für Instandhaltung und Betrieb ortsfester Anlagen (z. B. Signalen) minimieren,
- die Vielzahl nationaler Zugsicherungssysteme im Hochgeschwindigkeitsverkehr ablösen, und dadurch
- zur Interoperabilität der europäischen Hochgeschwindigkeitsstreckennetze führen,
- die Streckenkapazität und
- die Streckengeschwindigkeit steigern.
Funktion
ETCS übernimmt mehrere Funktionen. Es überwacht
- die örtliche Höchstgeschwindigkeit,
- die Höchstgeschwindigkeit des Zuges,
- die korrekte Fahrtstrecke des Zuges,
- die Fahrtrichtung,
- die Eignung des Zuges für die Strecke und
- die Einhaltung besonderer Betriebsvorschriften
Diese Informationen werden durch die Bausteine des ETCS verarbeitet: streckenseitig die im Gleis verlegten Eurobalisen oder Euroloops bei ETCS Level 1, sowie bei ETCS Level 2 und 3 die mit dem Stellwerk verbundene ETCS-Streckenzentrale (RBC, Radio Block Centre), fahrzeugseitig die ETCS-Onboard Unit (OBU), die die empfangenen Daten auswertet, dem Triebfahrzeugführer anzeigt und den Zug im Gefahrenfall automatisch vor einem Gefahrenpunkt zum Halten bringt.

- Die Eurobalisen sind punktuelle Datenübertragungseinrichtungen im Gleis, die beim Überfahren durch den Zug wie ein Transponder Daten übertragen. Es gibt Balisen, die immer dieselben festen Daten übertragen, und schaltbare Balisen für veränderliche Informationen.
- Euroloop ist ein kabelbasiertes semikontinuierliches Datenübertragungssystem, das Fahrzeugen im ETCS Level 1 Änderungen des Signalbegriffs übertragen kann. Dafür wird im Signalsichtbereich an Stelle einer schaltbaren Balise ein Kabelleiter in einer Schleife ins Gleisbett gelegt. Im Unterschied zur Eurobalise können die Daten nicht nur beim Überfahren eines Punktes übertragen werden, sondern auf der gesamten Länge der Loop. Dadurch ist es möglich, Fahrzeugen die vor einem virtuellen Signal anhalten mussten, wieder eine Fahrterlaubnis mitzuteilen. Nur bei Nutzung der Euroloop kann im ETCS Level 1 vollständig auf eine Außensignalisierung verzichtet werden. Anstelle des Euroloops kann optional ein Radio-Infill zur semikontinuierlichen Datenübertragung in ETCS Level 1 benutzt werden. Hierzu wird der folgende Signalbegriff in einem begrenzten Abschnitt per GSM-R ans Fahrzeug übermittelt.
- Die ETCS-Fahrzeugeinrichtung besteht im Wesentlichen aus ETCS-Rechner (EVC, European Vital Computer), Führerstandsanzeige (DMI, Driver Machine Interface), Wegmesseinrichtung, GSM-R-Übertragungseinrichtung (einschließlich Euroradio), Balisenleser und Bremszugriff.
- Mit der standardisierten Datenverschlüsselung nach Euroradio können der ETCS-Fahrzeugrechner und die ETCS-Streckenzentrale über GSM-R sicher, d. h. vor Datenverfälschung und Datenverlust geschützt, miteinander kommunizieren.
Um den Ansprüchen verschiedener Strecken, Nutzungsprofile und Eisenbahnverwaltungen gerecht zu werden, wurden unterschiedliche Stufen des ETCS definiert, die ETCS Level 0 bis 3. Die einzelnen Stufen sind abwärtskompatibel, d. h. Triebfahrzeuge mit Level-3-Ausrüstung können auch Strecken befahren, die nach Level 0, 1 oder 2 ausgerüstet sind.
ETCS Level 0
Wird ein Triebfahrzeug mit ETCS-Ausrüstung auf einer Strecke ohne ETCS eingesetzt, so bezeichnet man dieses als Level 0. Die fahrzeugseitige Ausrüstung überwacht den Zug lediglich auf seine Höchstgeschwindigkeit. Der Lokführer fährt nach den herkömmlichen Signalen an der Strecke.
ETCS Level STM
Wird ein Triebfahrzeug mit ETCS-Ausrüstung auf einer Strecke mit nationalen Zugsicherungssystemen ("Class B-System" wie z. B. LZB oder ATB) eingesetzt, so bezeichnet man dieses als Level STM. Dafür muss allerdings in dem Triebfahrzeug neben dem EVC auch für jedes verwendete nationale Sicherungssystem ein STM (Specific Transmission Module) vorhanden sein. Die Fahrzeugantenne liest die Informationen der streckenseitigen Einrichtung, und das STM "übersetzt" sie in Informationen, die vom EVC verarbeitet werden können.
ETCS Level 1

ETCS Level 1 baut auf der vorhandenen Streckeninfrastruktur auf und ergänzt sie. Die Eurobalisen übernehmen dabei die Rolle einer punktförmigen Zugbeeinflussung und übertragen etwa bei Signalen eine vom Signalbild abgeleitete Fahrterlaubnis (als 'schaltbare Balisen' mit variabler Informationsübertragung) oder die aktuelle Streckenhöchstgeschwindigkeit (als Festdatenbalisen auf der freien Strecke). Zudem dienen sie der Fahrzeug-Eigenortung.
Im Unterschied zu einer punktförmigen Zugbeeinflussung wird beim ETCS Level 1 in jeder Balise ein komplettes Abbild der Gradienten und Geschwindigkeitsbegriffe hinterlegt und gemeinsam mit einer Movement Authority (MA) an das Triebfahrzeug übertragen. Damit kann das Fahrzeug kontinuierlich die Einhaltung der erlaubten Geschwindigkeit überwachen. ETCS Level 1 bietet damit die kontinuierliche Zugüberwachung bei einem Verkabelungsaufwand, der der punktförmigen Zugbeeinflussung nahe kommt.
ETCS Level 2

Bei Level 2 dienen die Balisen nicht mehr der Übertragung von MAs, sondern überwiegend der Ortung des Zuges.
Mittels Dopplerradar am Triebfahrzeugboden und Radimpulsgebern an den Triebfahrzeugachsen wird der genaue Standort ermittelt, die Balisen dienen nur noch dem Abgleich („elektronische Kilometersteine“). Der ETCS-Rechner im Zug gibt den ermittelten Standort per Euroradio an die Streckenzentrale (Radio Block Center = RBC) weiter und diese meldet ihm die notwendigen Informationen (Movement Authority = MA) über Fahrt, Halt und Geschwindigkeit zurück. Die Information über freie Gleisabschnitte wird wie in ETCS Level 1 über die ortsfeste Gleisfreimeldung vom Stellwerk ermittelt und an die Streckenzentrale übergeben: Die Strecke ist – wie bei konventioneller Sicherungstechnik – in Abschnitte („Blöcke“) geteilt, und der Zug darf in den nächsten Abschnitt nur einfahren, wenn dieser nicht von einem anderen Zug belegt, sondern als 'frei' gemeldet ist.
ETCS Level 3

Bei ETCS Level 3 wird auf eine klassische, ortsfeste Gleisfreimeldung (mit Gleisstromkreisen oder Achszählern) verzichtet. Die Streckenzentrale, in der Stellwerk und RBC integriert sind, kontrolliert hier fließend die Abstände der Züge. Dadurch sind die Züge unabhängig von definierten Blockabschnitten und können so geschwindigkeitsabhängig dichter hintereinander geführt werden (bis hin zum Fahren im absoluten Bremswegabstand). Dieses ermöglicht eine höhere Streckenleistungsfähigkeit. Zudem verspricht die weniger umfangreiche Streckenausrüstung eine kostengünstige Realisierung. Als Konsequenz aus der fehlenden Gleisfreimeldung muss allerdings ein System zur Zugvollständigkeitskontrolle entwickelt werden, da abgetrennte Zugteile sonst unerkannt auf der Strecke verbleiben könnten und eine Gefahr für folgende Züge darstellen würden.
Die UIC und die schwedische Banverket entwickeln derzeit ein Level 3-System unter dem Namen "ERTMS Regional" für schwach befahrene Strecken.
ETCS-Modi
Neben den ETCS-Levels sind auch ETCS-Modi definiert worden. Die Modi beschreiben die Zustände, in denen sich der EVC befinden kann. Allerdings ist nicht jeder Modus auch in jedem Level erlaubt. UN gibt es beispielsweise nur in Level 0. SN und SE gibt es nur in Level STM. Für die eigentlichen ETCS-Levels 1, 2 und 3 sind die wichtigsten Modi sicher SR, OS, FS, TR und PT.
Überblick ETCS Modi
Abkürzung | (voller) Name | Verwendung in Level |
Beschreibung |
---|---|---|---|
FS | Full Supervision | 1, 2, 3 | Zug wird voll vom ETCS überwacht. Voraussetzung für diesen Modus ist, dass eine MA von der Strecke gegeben wurde. Dies kann bei Beginn der Fahrt frühestens nach der Überfahrt der ersten Eurobalise erfolgen, da der Strecke hierfür u. A. die Position des Fahrzeugs bekannt sein muss. |
LS | Limited Supervision | 1 | Zug wird punktförmig vom ETCS überwacht;
geplant, dieser Modus ist noch nicht Teil der Spezifikation SRS 2.3.0 |
OS | On Sight | 1, 2, 3 | Zug wird vom ETCS überwacht, aber der Fahrer fährt auf Sicht (in ein besetztes Gleis). |
SR | Staff Responsible | 1, 2, 3 | der Fahrer ist selbst für die Sicherung des Zuges verantwortlich, allerdings ist in den meisten Ländern hier nur 30 km/h erlaubt, was immer noch vom ETCS überwacht wird. Dieser Modus wird in der Regel bei Fahrtbeginn eingenommen, bevor eine MA von der Strecke gegeben werden konnte. |
SH | Shunting | 0, 1, 2, 3 | Modus zum Rangieren; der erlaubte Bereich kann vom ETCS vorgegeben werden; in den meisten Ländern ist hier nur 30 km/h erlaubt. |
UN | Unfitted | 0 | Nur eine Höchstgeschwindigkeit wird vom ETCS überwacht. Das ETCS nimmt jedoch Informationen von ggf. installierten Balisen auf und führt somit z. B. Umschaltungen zu anderen Leveln aus. |
SL | Sleeping | 0, STM, 1, 2, 3 | das Fahrzeug mit ETCS ist an ein anderes Fahrzeug angekoppelt, das die Führung übernimmt. Das Führungsfahrzeug muss nicht zwangsläufig auch über ETCS verfügen. Das geführte Fahrzeug ist dabei nicht mit einem Triebfahrzeugführer (Tf) besetzt. |
SB | Stand By | 0, STM, 1, 2, 3 | Die ETCS-Fahrzeugausrüstung ist nach Einschalten im Modus Stand By. In diesem Modus überwacht ETCS den Stillstand des Fahrzeugs. Der Modus wird verlassen, indem entweder der Tf einen anderen Modus wählt oder das Fahrzeug sich als geführt erkennt und daher selbsttätig in den Modus SL wechselt. |
TR | Trip | 1, 2, 3 | Zwangsbremsung ist aktiv, bis der Zug hält und der Fahrer den Trip bestätigt hat. |
PT | Post Trip | 1, 2, 3 | Modus, nachdem der Fahrer den Trip bestätigt hat; die Bremsen werden gelöst, der Zug hat aber noch keine Fahrtberechtigung; ggf. darf ein Stück zurückgesetzt werden, um wieder vor ein überfahrenes Signal zu kommen. |
SF | System Failure | 0, STM, 1, 2, 3 | im ETCS ist ein interner Fehler aufgetreten; eine Notbremse (Zwangs-Schnellbremse) ist aktiv. |
IS | Isolation | 0, STM, 1, 2, 3 | das ETCS hat keine Verbindung mehr nach außen; die Notbremsausgabe ist überbrückt. |
NP | No Power | 0, STM, 1, 2, 3 | das ETCS ist ausgeschaltet. |
NL | Non Leading | 0, STM, 1, 2, 3 | das Fahrzeug mit dem ETCS ist zwar mit einem Tf besetzt, befindet sich jedoch nicht an der Spitze eines Zuges und hat daher keine Überwachungsaufgaben. Dieser Betriebszustand wird beispielsweise in der Schweiz eingesetzt, wo häufig ein Zug von einer unabhängigen (höchstens über die Hauptluftleitung gekuppelten) Lok zusätzlich geschoben wird. |
SE | STM European | STM | die Informationen eines streckenseitig installierten herkömmlichen, nationalen Sicherungssystems werden von einem STM gelesen und über eine standardisierte Schnittstelle an den EVC weitergegeben. Der EVC übernimmt die Auswertung dieser Daten und somit die Überwachungsfunktionen (ist vergleichbar mit FS). |
SN | STM National | STM | die Informationen eines streckenseitig installierten herkömmlichen, nationalen Sicherungssystems werden von einem STM gelesen und auch von diesem verarbeitet. Das STM übernimmt also selbst die Überwachung und bedient sich höchstens einiger durch das ETCS über eine standardisierte Schnittstelle zur Verfügung gestellten Funktionen, wie z. B. Bremsausgabe, Bedien-/Anzeigegerät (MMI), Geschwindigkeitsmessung oder Datenregistrierung. |
RV | Reversing | 1, 2, 3 | Zug darf eine bestimmte Strecke entgegen der ursprünglichen Fahrtrichtung fahren, um z. B. die Strecke bei Störungen oder Gefahr zu räumen; wird bislang nur auf der Ende 2007 in Betrieb gehenden Strecke durch den Lötschbergtunnel in der Schweiz verwendet. |
National Values
Nationale Ausprägungen von ETCS sind durch National Values (NV) möglich. Diese geben z. B. die Obergrenzen der Geschwindigkeiten für Fahrten in den Modi SF oder OS bzw. die tolerierte Zeiten für Funkunterbrechungen an. Beim Grenzwechsel werden die jeweils gültigen NVs in den ETCS-Rechner geladen.
Versionen der Spezifikation
Die ersten Anwendungen von ETCS basieren auf der ETCS Spezifikation Version 2.2.2 der UNISIG (definiert in SUBSET-026).
Mit der Entscheidung 2007/153/EG[2] hat die Europäische Kommission am 6. März 2007 die Version 2.3.0 der Spezifikation bindend in die Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) des Teilsystems Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung (ZZS) aufgenommen.
Derzeit (Juni 2007) werden Anträge zur Änderung und Erweiterung der Spezifikation (Change Requests) diskutiert. Problematisch sind die divergierenden Anforderungen europäischer Bahnen auf Grund unterschiedlicher betrieblicher Notwendigkeiten. Fernziel ist die Version 3.0.0.
Nachteile
- Während der Einführungsphase müssen Alt- und Neusysteme parallel installiert sein. Je nach dem Vorgehen bei der Einführung wird auf Fahrzeugen oder auf der Strecke doppelt ausgerüstet. Dieses führt zu höheren Kosten.
- Es ist absehbar, dass die für Level 2 erforderlichen Funkkanalkapazitäten von GSM-R im Bereich von Rangierbahnhöfen und von Eisenbahn-Knotenpunkten nicht ausreichen. Im Fall von Knoten müsste das weniger leistungsfähige ETCS Level 1 installiert werden oder das Funksystem mit GPRS aufgerüstet werden. Dieses wird voraussichtlich erst in der SRS 3.0.0 Niederschlag finden.
- Für Bahn-Infrastrukturbetreiber, die bereits über leistungsfähige Zugleit- und -sicherungssysteme verfügen (DB Netz: LZB CIR-ELKE, RFF: TVM), ist der Gewinn an Leistungsfähigkeit durch ETCS trotz hoher Einführungskosten gering.
ETCS-Einführungen
1999 wurde das von der UIC spezifizierte ETCS auf der Strecke Wien–Budapest erfolgreich getestet, schon davor waren modifizierte nationale Vorläufer im Einsatz. Folgende Teststrecken wurden eingerichtet:
- 2000: FS Firenze Campo di Marte–Arezzo (ETCS Level 1, inzwischen wieder zurückgebaut)
- 2000: SNCF Marles-en-Brie–Tournan (ETCS Level 1)
- 2001: BDZ Sofia–Burgas (ETCS Level 1)
- 2001: ÖBB Wien–Nickelsdorf (ETCS Level 1)
- 2002: SBB Zofingen–Sempach (ETCS Level 2; erste kommerzielle Anwendung für L2, inzwischen wieder abgebrochen)
- 2004: SBB Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist und der Ausbaustrecke Solothurn–Wanzwil. Die für Dezember 2004 geplante Inbetriebnahme von ETCS Level 2 im Regelbetrieb ist gescheitert. Am 2. Juli 2006 wurde ein nächtlicher Vorlaufbetrieb gestartet. Züge ab 21:30 Uhr verkehren dabei mit bis zu 160 km/h mit ETCS. Am 18. März 2007 wurde die Strecke komplett auf ETCS Level 2 umgeschaltet. Seither verkehren erstmals überhaupt mit ETCS 240 Züge täglich mit minimalen Abständen von 2 Minuten im gemischten Verkehr (Güter- und Reisezüge). Per Fahrplanwechsel im Dezember 2007 wird die Geschwindigkeit von 160 km/h auf 200 km/h angehoben. Laut Angaben der SBB handelt es sich dabei um den ersten Einsatz von ETCS Level 2 im normalen Betrieb.[3]
- 2005: DB Halle (Saale)/Leipzig–Jüterbog–Berlin (ETCS Level 2); IC 2519/2518 als erste Regelzüge im Netz der Deutschen Bahn unter ETCS am 5. Dezember 2005
- 2006: RENFE Madrid–Lleida (ETCS Level 1; erste kommerzielle Anwendung für 250 km/h)
- 2007:
- BLS Lötschberg-Basislinie (ETCS Level 2; Regelbetrieb)
- SNCB Lüttich–Walhorn (ETCS Level 2; wegen fehlender Fahrzeugaustattung Betrieb erst ab 2008)
Auch in Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, Großbritannien, Luxemburg und Ungarn wird der Betrieb auf Teststrecken vorbereitet. Insgesamt sind in Europa bei 23 Projekten rund 3000 Streckenkilometer und etwa 800 Fahrzeuge mit ETCS ausgerüstet (Stand: August 2006).
Italien verwendet ETCS Level 2 auf allen neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken (in Betrieb sind 2007 die Abschnitte Rom–Neapel und Novara–Turin). Außerdem werden bis Ende 2007 alle Haupt- und Ergänzungsstrecken mit der punktförmigen Zugbeeinflussung SCMT (die auf ETCS Level 1 aufbaut) ausgestattet sein.
Die Schweizerischen Bundesbahnen planen, ab 2008 ihr Streckennetz flächendeckend mit ETCS auszurüsten. Gemäß einer Absichtserklärung der beteiligten Bahngesellschaften von 2006, soll ETCS bis 2012 auf dem Korridor Rotterdam–Genua zum Einsatz kommen.[3]
Nach Schätzungen der DB AG wird eine europaweite Einführung von ETCS zwischen 15 und 20 Jahre dauern. Man rechnet mit Kosten von rund 500 Millionen Euro allein in Deutschland, europaweit mit etwa acht Milliarden Euro.
ETCS bei der Deutschen Bahn
Die Bundesrepublik subventioniert nur noch Zugsicherungstechnik auf Neubaustrecken, wenn ETCS zum Einsatz kommt. Die erste hiervon betroffene Strecke war Halle (Saale)/Leipzig–Jüterbog–Berlin. An dieser Strecke wurde ETCS Level 2 so lange erprobt, bis es die Zulassungsvoraussetzungen des Eisenbahn-Bundesamtes erfüllte. Um einen Parallelbetrieb mit dem bisherigen deutschen Zugsicherungsystem LZB zu ermöglichen, wurde eine neue Schnittstelle namens SZS/Sahara zwischen Stellwerk (CIR-ELKE-Funktionalität) und den Zugsicherungsystemen LZB und ETCS Level 2 eingeführt. Bis 26. Mai 2006 verkehrte das IC-Zugpaar 2418/2419 probeweise fahrplanmäßig zwischen Leipzig und Berlin mit ETCS, bei bis zu 200 km/h[4].
Die im Mai 2006 fertiggestellte Neubaustrecke Nürnberg−München wurde zunächst nur mit LZB ausgerüstet und soll bis zum Fahrplanwechsel 2009 entsprechend nachgerüstet werden.[5] Ebenfalls ausgeschrieben ist die ETCS-Ausrüstung der Strecke Saarbrücken−Frankfurt (POS). Bei dieser Strecke kommt erstmalig nur ETCS zum Einsatz − ohne LZB.[6] Die erste deutsche Strecke mit ETCS Level 1 wird die Strecke von Aachen Hbf zur belgischen Grenze sein. ETCS Level 1 hat jedoch bisher noch keine Zulassung des Eisenbahn-Bundesamtes.
ETCS bei den SBB
Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) setzen auf den Neubaustrecken ETCS Level 2 ein. Auf der Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist wird ETCS Level 2 bereits im Regelbetrieb eingesetzt. Es sollen folgen der Lötschberg-Basistunnel, später der Gotthard- und der Ceneri-Basistunnel sowie Teile der Simplonlinie.[3] Bis 2015 sollen über 150 km, etwa fünf Prozent des SBB Streckennetzes mit ETCS Level 2 ausgerüstet sein.[7][8] Insgesamt wurden über 500 Fahrzeuge mit ETCS ausgerüstet.
Für das restliche Netz (etwa 95 Prozent) gibt es eine mehrstufige Migrationsstrategie zu Level 1 LS.
- Zunächst werden sämtliche Fahrzeuge ohne ETCS mit einem Rucksack genannten System ausgestattet. Dieses besteht nur aus einem Empfänger für Eurobalisen, über den jedoch keine ETCS-Daten übertragen werden, sondern die Signalbegriffe der bisherigen Schweizer Zugsicherungsysteme Signum und ZUB. Für diese Daten werden die für nationale Anwendungen reservierten Bits der Eurobalisen verwendet (Paket 44).
- Sobald alle Fahrzeuge entweder mit ETCS oder dem 'Rucksack' ausgestattet sind, werden die bisherigen Gleismagnete der Systeme Signum und ZUB durch Eurobalisen ersetzt, über die die gleichen Signalbegriffe übertragen werden. Dieses System nennt sich dann EuroSignum bzw. EuroZUB.
- Wenn, voraussichtlich mit der ETCS Version SRS 3.0.0, der ETCS-Level-1-Modus Limited Supervision eingeführt wird, werden in den Balisen zusätzlich zu den nationalen EuroSignum und EuroZUB-Signalbefehlen die entsprechenden ETCS-Bits übertragen. Sobald dieser Schritt vollzogen ist, können reine ETCS-Fahrzeuge das gesamte Netz der SBB befahren.
Zwischen 2002 und 2007 wurden 610 Millionen Franken in die Beschaffung und Erprobung des Systems investiert. Für die Ausrüstung des Normalnetzes mit ETCS Level 1 sind weitere 300 Millionen Franken vorgesehen.[3]
Literatur
- Uwe Miethe: Erprobung bei Tempo 200. Neues europäisches Leit- und Sicherungssystem ETCS. In: LOK MAGAZIN. GeraNova, München 42.2003,264, S.14. ISSN 0458-1822
- Karl-Heinz Suwe: Internationale IRSE-Convention 2005 in Straßburg, Signal + Draht, Heft 11/2005 bei eurailpress.com/sd
Weblinks
- European Rail Traffic Management - ERTMS
- GSM-R - UIC Europe’s railways - EIRENE
- European Train Control System - ETCS
- Positionspapier des Deutschen Verkehrsforums zu ETCS
- Technische ETCS-Spezifikationen bei ERA
Einzelnachweise
- ↑ Konsolidierte Richtlinie 96/48/EG zur Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems
- ↑ Entscheidung der Kommission vom 6. März 2007 zur Änderung von Anhang A der Entscheidung 2006/679/EG über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems und zur Änderung von Anhang A der Entscheidung 2006/860/EG über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems Zugsteuerung/Zugsicherung und Signalgebung des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems
- ↑ a b c d Gesamtkosten von 910 Millionen Franken in Tages-Anzeiger Online vom 26. April 2007
- ↑ Wolfgang Feldwisch, Holger Schülke: Die Inbetriebnahme der Großprojekte der Bahn zur Fußballweltmeisterschaft 2006. In: Eisenbahntechnische Rundschau (55) 2006, Heft 5, S. 296
- ↑ ETCS für Nürnberg–München Meldung auf eurailpress.de vom 27. Dezember 2006
- ↑ Meldung ETCS für ICE-Strecken in Signal + Draht, Ausgabe 1+2/2007, Seite 45
- ↑ Vorerst nur auf Neubaustrecken in Neue Zürcher Zeitung vom 26. April 2007
- ↑ http://mct.sbb.ch/mct/070426_etcs-6_praesentation.pdf