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Basilika St. Vitus (Ellwangen)

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Historische Ansicht der Basilika St. Vitus (um 1849)‎

Die Basilika St. Vitus (ehemalige Stiftskirche St. Vitus) dient seit der Säkularisation als katholische Pfarrkirche von Ellwangen in Baden-Württemberg. Der spätromanische Gewölbebau wurde im 18. Jahrhundert im Inneren in Rokokoformen umgestaltet. Der Außenbau der dreitürmigen Basilika ist dagegen weitgehend in seiner mittelalterlichen Gestalt erhalten.

Geschichte

Die Westfassade, links das Jesuitenkolleg mit der Jesuitenkirche

Das Kloster Ellwangen entstand um 764 auf dem Grundbesitz zweier adeliger Brüder aus einem wohl alamannisch-bayrischen Geschlecht. Hariolf und Erlolf beriefen hierzu die ersten Mönche aus Burgund, vielleicht aus der Abtei St. Benigne in Dijon. Der Gründer Erlolf war damals Bischof von Langres. Das Kloster wurde dem Salvator (Erlöser) und den Aposteln Petrus und Paulus geweiht.

Um 775/80 wurde Ellwangen Reichsabtei. 838 bewohnten schon 160 Priester und Laien das erweiterte Klosterareal.

Gegen 987 erwählte man den Heiligen Vitus zum neuen Kirchenpatron.

Von 1100 bis 1124 entstand ein hochromanischer Neubau der Stiftskirche und der Konventbauten. Nach einer Brandkatastrophe musste das Kloster bereits ab 1182 nochmals neu errichtet werden. Die spätromanische Gewölbebasilika wurde erst am 3. Oktober 1233 geweiht. Bereits ab 1215 hatten die Äbte den Rang von Reichsfürsten inne.

Im Dezember 1433 brannten Stadt und Kloster erneut ab. 1460 wurde die Reichsabtei in ein adeliges Chorherrenstift umgewandelt. Vor 1468 begann ein erneuter Neubau der Stiftsgebäude und des Kreuzganges, dem 1473 noch die Liebfrauenkapelle angefügt wurde.

Der mittelalterliche Innenraum wurde 1661-1662 unter Fürstprobst Johann Christoph von Freyberg-Eisenberg durch Wessobrunner Meister barockisiert. Das 18. Jahrhundert empfand diesen frühbarocken Umbau wohl als zu nüchtern und begann ab 1737 mit der Ausgestaltung der Kirche in modernen Rokokoformen. Bis 1741 arbeiteten die aus Ludwigsburg berufenen norditalienischen Meister Donato Riccardo Retti, Carlo Carlone und Emanuelo Pighini an der Dekoration.

Blick in die Krypta

Nach der Säkularisation des Stifts in den Jahren 1802/03 kam die Fürstprobstei an Württemberg. Von 1812 bis 1817 befanden sich ein katholisches Generalvikariat, ein Priesterseminar und die katholische Landesuniversität in den Baulichkeiten.

1909/10 wurde die ehemalige Stiftskirche renoviert. Eine erneute, umfassende Restaurierung erfolgte von 1959-64. Im Zuge dieser Arbeiten konnte die romanische Krypta wiederhergestellt werden.

Anlässlich der 1200-Jahr-Feier Ellwangens wurde St. Vitus am 18. Januar 1964 durch Papst Paul VI. der Rang einer Basilica minor verliehen. 1983 feierten Stadt und Kirchengemeinde das 750-jährige Weihejubiläum der Kirche.

Von 1992 bis 1999 erfolgte eine umfassende Restaurierung der durch Witterungseinflüsse erheblich in Mitleidenschaft gezogenen Sandsteinaußenfassade. 2000 wurde die sich unterhalb des Westturms befindliche Michaelskapelle wiederhergestellt. Sehenswert sind besonders die durch Sieger Köder gestalteten Glasfenster.

Beschreibung

Der Chor von Nordosten

St. Vitus ist eine dreischiffige, kreuzförmige, spätromanische Basilika, deren weitgehend originale hochmittelalterliche Architektur außen nur durch einige gotische und barocke Ergänzungen gestört wird. Unter der Vierung befindet sich die gewölbte Krypta, die von den Querschiffen aus zugänglich ist. An das Nordschiff fügt sich spätgotische Kreuzgang mit seinen Netzgewölben und der – in den Kreuzgarten ausspringenden – Frauenkapelle. Vor der Westfassade liegt unten als Querriegel eine – in ihrer originalen romanischen Gestalt erhaltene – Vorhalle. Darüber hat sich die Michaelskapelle erhalten, ein ebenfalls stilrein überkommener romanischer Raum mit reich verzierten Säulenkapitellen. Die Basilika besitzt acht Glocken jeweils zwei in den beiden Haupttürmen, vier im Dachreiter.

Die beiden 42 Meter hohen Haupttürme stehen östlich der Querschiffe neben dem Chor. Das Mauerwerk durchdringt die Wände der Kirche und die Dachflächen der – zu den Absiden weitergeführten – Seitenschiffe. Sichtbar sind drei Geschosse mit Pyramidendächern und einer verhältnismäßig reichen Gliederung aus Rundbogenfriesen, Gesimsbändern und rundbogigen Fensteröffnungen. Dahinter ist dem letzten Chorjoch die halbrunde Hauptapsis angefügt. Links und rechts flankieren schlichte Nebenabsiden die Apsis, unter deren Dachgesims ein Rundbogenfries verläuft. Im Südturm hängen die beiden größten Glocken der Basilika, die Glocke „Phillip Jeningen“ zu Ehren des Jesuitenpatres, der in der Liebfrauenkapelle begraben liegt, und die „Canisius“; im Nordturm ergänzen die „Pieta“ und „Susanna“ das Geläut.

Gesamtansicht vom Marktplatz

Auch der Zweite Weltkrieg ging nicht spurlos an der Stiftskirche vorbei: In der Nacht des 22./23.April 1945 während der amerikanischen Belagerung schlugen Granaten in das nördliche Hauptdach und den Nordturm ein und beschädigten diese. Zum Gedenken daran wurde im Nordturm 1948 ein Gedenkstein eingesetzt der bis heute sichtbar ist. Auf der Außenseite trägt dieser den Schriftzug „Salve Spes“ („Sei gegrüßt Hoffnung“), die Innenseite trägt neben einer Beschreibung der Ereignisse und der Jahreszahlen die Inschrift „Gott ist in seiner Stadt, darum wird sie fest bleiben“ und spielt damit auf das Unwetter an, das gegen Ende des Zweiten Weltkrieges eine Bombardierung Ellwangens durch die Alliierten verhinderte.

Ein dritter Turm sitzt in der Art eines Dachreiters über dem Westgiebel. Hier hängen die vier kleineren Glocken der Stiftskirche. Auch dieses Türmchen ist mit einer spitzen Dachpyramide bekrönt.

Die Südseite des Langhauses ist durch einen Schmuckfries bereichert, die Nordseite erscheint hingegen schlichter. Im 18. Jahrhundert fügte man dem alten Bestand noch die Sakristei und die Wolkensteinkapelle hinzu. Diese Bauteile heben sich schon durch ihren weißen Kalkputz vom mittelalterlichen Sandsteinmauerwerk der romanischen Kirche ab.

Fünf unversehrt erhaltene Rundbogenportale ermöglichen den Zutritt. Das Hauptportal (um 1225) mit seinem reich verzierten Gewände zeigt im Tympanon den erhöhten Christus mit Maria und Johannes.

Innenraum

Der Innenraum nach Osten

Im Inneren ist der hochmittelalterliche Ursprung trotz der reichen Rokokoformen noch zu erkennen. Besonders die wulstigen Gewölberippen des Mittelschiffs sind noch gut zu sehen. Die Gewölbe und Wandflächen werden von der reichen, teilweise vollplastischen Stuckdekoration der norditalienischen und tessiner Meister überzogen. Die Kanzel (1737/34) stammt von Donato Riccardo Retti. Vor dem Hochaltar in der Hauptapsis, der von dem Biberacher Hans Dürner 1613 geschaffen wurde, wurde 1952 der Hauptaltar aus Juramarmor aufgebaut. Darüber schwebt ein modernes Hängekreuz (Rudolf Müller-Erb, Fritz Möhler).

Der spätgotische Kreuzgang

An den Stirnseiten der Querschiffe fallen zwei große, manieristische Altaraufbauten ins Auge. Der Barbara- und Benediktsaltar entstand wie der Johannes- und Michaelsaltar im nördlichen Querschiff um 1612. Im südlichen Querschiff sind heute die Pröbstetafeln (Porträts) angebracht, die früher neben den Eingängen zur Krypta hingen. Im nördlichen Querschiff fällt besonders eine spätgotische Bronzetafel mit der Pietà ins Auge, die an die Fürstpröbste Johann von Hirnheim und Albrecht I. von Rechberg erinnert. Die qualitätvolle Arbeit wird meist Peter Fischer d.A. zugeschrieben.

Die dreischiffige Krypta unter der Vierung wurde um 1200 begonnen. Der dreischiffige Raum öffnet sich in je drei Arkaden zu den Querhäusern. Die Kreuzgratgewölbe werden von Rundsäulen gestützt, deren Kapitelle mit Pflanzen- und Tiermotiven geschmückt sind. Der neuromanische Altaraufsatz (um 1880) erinnert an den geplanten neuromanischen Rückbau des Innenraums, zu dem der damalige Pfarrer Dr. Franz Josep. Schwarz bereits die Entwürfe angefertigt hatte. Erst im Zuge von ausgedehnten Grabungen in Chor und Krypta in den Jahren 1959-1961 wurde die Krypta in ihrer heutigen Form rekonstruiert.

Das Grabmal des Ellwanger Ministerialen Ulrich von Ahelfingen (gest. 1339)

Die romanische Vorhalle entstand an Stelle eines ursprünglich geplanten Westchores ab etwa 1230. Die „Altes Stift“ genannte dreijochige und zweischiffige Halle zeigt schon zaghafte frühgotische Spitzbogenformen und wurde in spätgotischer Zeit um drei Joche verbreitert. Damals schloss man den - ursprünglich nach außen offenen - Raum und schuf als Zugang das schlichte Westportal. Die wuchtigen Architekturformen verweisen auf Vorbilder in Burgund oder dem Elsass. Die abschließenden seitlichen Joche entstanden erst im frühen 17. Jahrhundert in gotisierenden Formen. Neben einigen anderen Grabmälern und Epitaphien ist vor allem der Gedenkstein für den Ritter Ulrich von Ahelfingen (gest. 1339) zu erwähnen.

Der spätgotische Kreuzgang ist im Norden an das romanische Langhaus angefügt. Vier netzgewölbte Flügel umschließen den Kreuzgarten. Der Westflügel öffnet sich zur Frauenkapelle (1473) mit dem viel besuchten Grab des Jesuitenpaters Philipp Jeningen (1642-1704).

Im Nordwesten stößt die Stiftskirche an die barocke Jesuitenkirche (1724), die heute als evangelische Stadtkirche dient und durch eine Verbindungstür mit der westlichen Vorhalle der Stiftskirche verbunden ist. Das anschließende Jesuitenkolleg entstand von 1720-1723.

Literatur

  • Otto Beck: Die Stiftsbasilika St. Vitus in Ellwangen – Führer durch ein sehenswertes Gotteshaus. Lindenberg, 2003. ISBN 3-89870-005-4
  • Bruno Bushart: Stiftskirche Ellwangen. München, 1953
  • Bruno Bushart: Die Basilika zum heiligen Vitus in Ellwangen. Ellwangen, 1988

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