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JJ1

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Ein ausgewachsener Braunbär (Ursus arctos) im Gehege

JJ1, bekannt geworden als „Bruno“ oder „Problembär“, war ein Braunbär, der im Mai 2006 aus der italienischen Provinz Trentino bis in das Grenzgebiet von Österreich zu Bayern wanderte und dann mehrfach zwischen Bayern und Österreich wechselte.

Er war der erste frei lebende Braunbär in Deutschland nach über 170 Jahren. Der bis dahin letzte Braunbär in Deutschland war 1835 im bayerischen Ruhpolding erlegt worden.

Während seiner Streifzüge erbeutete Bruno Haus- und Nutztiere, vor allem Schafe, zum Teil auch innerhalb von Siedlungen oder in deren Nähe. Obwohl ein solches Verhalten bei Braunbären in Europa nicht ungewöhnlich ist, wurde er daraufhin von der Regierung Bayerns als „Problembär“ bezeichnet, als Bedrohung für den Menschen eingestuft und – trotz aufkommender Proteste – schließlich zum Abschuss freigegeben. Diese Freigabe wurde aufgrund massiver Kritik von Experten und der Öffentlichkeit zeitweise zurückgezogen. Drei Wochen lang wurde dann mit verschiedenen Methoden versucht, JJ1 lebendig zu fangen. Nach dem Abbruch der Fangversuche wurde er am 26. Juni 2006 in Bayern in der Nähe der Rotwand im Spitzingseegebiet erschossen.

JJ1 wurde während seiner Wanderung zu einem Politikum und internationalen Medienereignis, über das unter anderem auch die New York Times[1] berichtete. Zahlreiche Menschen und Gruppen solidarisierten sich mit dem Bären. Besonders seine Tötung führte zu massiven Protesten.

Herkunft und Name

1996 initiierte der italienische Naturpark Adamello-Brenta bei Trient ein EU-LIFE Projekt zum Schutz des Braunbären im Brenta (“Ursus – protection of Brenta brown bear population”). In den Jahren 2004 und 2005 wurde das Projekt im Rahmen eines EU-LIFE Nature Co-op Projektes weitergeführt. Ziele des Co-op Projektes waren die Wiederansiedlung des Braunbären im Alpenraum und die Vernetzung der dort noch bestehenden Bärenpopulationen. An diesem Projekt waren die Länder Italien mit den Regionen Trentino und Friaul, Österreich mit Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark sowie Slowenien beteiligt.[2]

Die Population im Naturpark Adamello Brenta bestand Ende des 20. Jahrhunderts nur noch aus 2 bis 3 Individuen, ein Überleben dieser Population ohne Bestandsstützung war extrem unwahrscheinlich. Im Rahmen dieser Projekte wurden daher im Naturpark Adamello-Brenta von 1999 bis 2002 insgesamt zehn Bären aus Slowenien freigelassen.[3] Seitdem sind in der Region insgesamt elf Junge geboren, derzeit schätzt man den aktuellen Bestand auf etwa 18 bis 20 Bären. JJ1 wurde dort 2004 geboren, er konnte während seiner Wanderung durch DNA-Analysen von Fellresten identifiziert werden.[4] Sein Vater wird als „Joze“ (geboren 1994) geführt, seine Mutter heißt „Jurka“ (geboren 1998), beide stammen aus Slowenien. Als Erstgeborener erhielt er den aus deren Anfangsbuchstaben gebildeten Namen „JJ1“. Da die Verwendung von Anfangsbuchstaben als Namensersatz oder Spitzname vor allem in den USA üblich ist, wurde JJ im deutschen Sprachraum immer „Jay-Jay“ (statt dem deutschen „Jot-Jot“) ausgesprochen. Zu Beginn seiner Wanderung erhielt JJ1 dann von österreichischen Medien den Spitznamen Bruno, einige schwäbische Zeitungen, wie die Augsburger Allgemeine und ihre Regionalausgaben, nannten ihn hingegen Beppo. Sein jüngerer Bruder, „JJ2“ (genannt Lumpa), war 2005 im Engadin in der Schweiz und in Nauders in Tirol unterwegs, gilt aber seit Herbst 2005 als verschwunden. Es wird vermutet, dass er gewildert wurde.

JJ1 hatte zum Zeitpunkt seines Todes eine Widerristhöhe von 91 cm, seine Scheitel-Steiß-Länge betrug 130 cm, die Kopflänge 32 cm und er wog 110 Kilogramm.[5]

Wanderung

JJ1s Wanderroute

JJ1 wurde in der Umgebung des Naturparks Adamello-Brenta zuletzt am 25. April 2006 durch die DNA-Analyse von Fellresten nachgewiesen. Am 4. Mai war er bei Reschen unmittelbar südlich der österreichischen Grenze. Er wurde in Österreich erstmals am 5. Mai 2006 gesichtet. Seitdem ließ sich seine Wanderroute anhand der erbeuteten Haustiere recht gut dokumentieren. Er wanderte im Westen Österreichs durch die Bezirke Bludenz und Reutte zuerst nach Westen, dann nach Nordosten. Am 20. Mai wurde er erstmal in Deutschland im oberbayerischen Kreis Garmisch-Partenkirchen nachgewiesen. Bereits am 25. Mai verließ er Bayern wieder und hielt sich mindestens bis zum 29. Mai in Tirol auf. Am 3. oder 4. Juni wurde er wieder im Kreis Garmisch-Partenkirchen nachgewiesen, auch danach wechselte er bis zu seiner Tötung mehrfach zwischen Bayern und Österreich. JJ1 wanderte offenbar täglich bzw. nächtlich größere Strecken und hielt sich nur sehr selten länger als einen Tag in einem Gebiet auf. Nachweise an aufeinanderfolgenden Tagen waren in direkter Linie 2 bis 17 km voneinander entfernt, meist über 10 km. Die von JJ1 zurückgelegten Laufstrecken waren sicher noch erheblich größer.

Als problematisch erachtetes Verhalten

JJ1 hatte 2005 und 2006 schon in Italien mehrfach Bienenstöcke aufgebrochen und war in Schafställe eingedrungen. In Bayern und Österreich erbeutete er nach bisherigen Erkenntnissen im Zeitraum 10. Mai bis 26. Juni zehn Mal Schafe, dabei wurden jeweils 1-4 Schafe getötet. In Bayern und Tirol soll er nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 20. Mai bis 26. Juni 2006 angeblich 31 Schafe getötet haben. In einem weiteren Fall hat JJ1 mehrere Ziegen getötet. Außerdem war er in diesem Zeitraum in drei Bienenstöcke, zwei Hühnerställe und einen Kaninchenstall eingedrungen und hatte dort Schäden verursacht.

Bewertung

In allen europäischen Ländern mit Bärenvorkommen werden regelmäßig in einem gewissen Umfang Bienenstöcke, Kaninchen- oder Hühnerställe geplündert und Schafe in einsam gelegenen Schafställen oder -pferchen erbeutet. Raubtiere töten beim Eindringen in einen Pferch oder Stall häufig viele Schafe, da die Schafe nicht fliehen können und durch ihre Fluchtversuche immer wieder reflexartig die Tötungshandlung auslösen. Da in einer solchen Extremsituation die Menge der getöteten Tiere den momentanen Nahrungsbedarf weit übersteigt, wird dann zwangsläufig nur ein kleiner Teil der getöteten Tiere gefressen. Ein entsprechendes Verhalten zeigen in solchen Fällen auch Hunde und Wölfe.

Um die Akzeptanz der Bevölkerung für den Schutz des Braunbären zu gewährleisten, wurden daher in mehreren europäischen Ländern Managementpläne entwickelt, die einen abgestuften Katalog von Maßnahmen zur Verhinderung oder zumindest Minimierung der von Bären verursachten Schäden beinhalten. In erster Linie werden gegen solche Übergriffe Schutzmaßnahmen ergriffen (z. B. in Form von Elektrozäunen), nachweislich durch Bären entstandene Schäden werden ersetzt. Bei wiederholten Schäden werden Braunbären vergrämt, hierzu werden in erster Linie Gummigeschosse oder Knallkörper eingesetzt. Die Tötung von Bären ist in diesen Managementplänen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie ist jedoch nur vorgesehen, wenn Bären gegenüber Menschen aggressiv auftreten.

Jurka, die Mutter von JJ1 verursachte in der Provinz Trentino in den letzten Jahren mehrfach Schäden in Ställen und Bienenstöcken, mit hoher Wahrscheinlichkeit erlernte JJ1 diese Art der Ernährung von ihr. Die Tötung von Jurka wurde in Italien nie erwogen, da sie (ebenso wie JJ1) nie aggressiv gegenüber Menschen auftrat. Im Trentino wurde Jurka gefangen und mit einem Sender versehen, damit sie gezielter vergrämt werden kann, sobald sie sich in Siedlungsnähe begibt. Leider hat sie ihr Verhalten nicht geändert und musste schließlich gefangen und in ein Gehege verbracht werden[6].

Erste Abschussgenehmigung

Wegen seines Verhaltens, sich menschlichen Siedlungen zu nähern und der darin gesehenen potentiellen Gefährdung, erließ die Bayerische Staatsregierung bereits Ende Mai eine Abschussgenehmigung. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz stufte das Verhalten des Bären als „abnormal“ ein, Umweltminister Werner Schnappauf verkündete darüber hinaus, der Bär sei ganz offensichtlich „außer Rand und Band“. Nach Angaben des Sprechers des bayerischen Umweltministeriums Roland Eichhorn sei bereits die Bärenmutter Jurka bei sogenannten Vergrämungs-Versuchen, bei denen sie mittels Gummigeschossen von menschlichen Ansiedlungen ferngehalten werden sollte, versehentlich „falsch gepolt“ worden und habe somit auch ihre Jungen JJ1 und JJ2 entsprechend konditioniert,[7] siehe auch Verhalten.

Auch im Land Tirol wurde Ende Mai eine Abschussgenehmigung für den Bezirk Außerfern erteilt und eine Ausweitung auf das ganze Bundesland diskutiert.

Aufgrund massiver Proteste der Natur- und Tierschutzverbände sowie von Seiten der Öffentlichkeit wurde diese Abschussgenehmigung am 2. Juni wieder zurückgezogen. Unter anderen forderte auch der NABU-Bundesverband die sofortige Rücknahmem der Abschussgenehmigung und, entsprechend den Managementplänen anderer Länder, die Vergrämung oder den Fang und die Besenderung von JJ1. Stattdessen fokussierte sich die Diskussion jedoch sehr schnell auf die beiden Alternativen Fang und anschließende Gehegehaltung oder Tötung. Die Bayerische Staatsregierung ließ sich dabei vom WWF beraten, der diese Haltung nachdrücklich unterstützte.

Fangversuche

In Zusammenarbeit mit dem WWF wurde zunächst versucht, JJ1 mittels einer speziellen Röhren-Falle einzufangen. Bei der in Montana hergestellten knapp € 3.200,- teuren und vom WWF finanzierten Falle handelte es sich um einen sogenannte Culvert-Trap, wie sie auch in Nordamerika zur Umsiedlung von Bären verwendet wird, die in der Nähe von Siedlungen auftauchen. Die Versuche blieben, insbesondere wegen der geringen Ortstreue von JJ1, erfolglos. Eine Suchaktion, die in der Nacht auf den 9. Juni 2006 im Gemeindegebiet von Zirl durchgeführt wurde, verlief ebenfalls erfolglos. Man konnte nur ein paar Bärenspuren sowie ein totes und ein verletztes Schaf finden.[8]

Norwegischer Elchhund

Um das Tier systematisch aufzuspüren, wurde daraufhin ein finnisches Team von vier Bärenjägern mit der Suche beauftragt. Unterstützt wurden sie von schwedischen und norwegischen Elchhunden. Dabei handelt es sich um spezielle Hunde, die überwiegend gegen wehrhaftes Wild eingesetzt werden und speziell ausgebildet sind, um Bären und Elche zu stellen und diese von Menschen abzulenken. Außerdem sind sie mit leuchtend orangefarbenen Westen ausgestattet, die GPS-Ortungssender enthalten, um sie jederzeit wieder finden zu können.[9] Vor ihrem Einsatz in den Alpen wurde ihnen das Fell kürzer geschoren, um sie vor der sommerlichen Hitze zu schützen. Am Sonntag den 19. Juni traf ein weiterer Bärenjäger mit dem laut bayerischen Umweltministerium besten finnischen Bärenhund ein.[10]

Das Team wurde auch von einem österreichischen Betäubungsexperten, dem Wiener Professor für Wildtiermedizin und Artenschutz Chris Walzer, begleitet. Da man mit Blasrohren oder normalen Betäubungsgewehren zu nah an den Bären heran hätte müssen, war ein Spezialgewehr erforderlich, das auf eine Entfernung von 80 Metern Betäubungspfeile verschießen konnte. Bären haben eine außerordentlich dicke Fettschicht, darum versagen konventionelle Betäubungsmethoden.

Der sofortige Einsatz der Jäger scheiterte zunächst an bürokratischen Hürden, da geprüft werden musste, ob finnische Jäger grenzüberschreitend in Deutschland und Österreich bewaffnet eingreifen dürfen. Nach einer Einigung der Länder Tirol und Bayern gab es dann für die finnischen Sucher grünes Licht, am darauf folgenden Wochenende mit der Suche zu beginnen. Den Bärenfängern wurde zwei Wochen Zeit eingeräumt, den Bären aufzuspüren.

Am Sonntag, dem 11. Juni, begann die inzwischen eingetroffene Bärenhundestaffel im Bezirk Schwaz mit der organisierten Suche. Zwar konnte der Standort von JJ1 einige Male recht genau eingegrenzt werden, es gelang jedoch nicht, sich ihm auf mehr als 600 m zu nähern. Wesentliche Probleme waren die geringe Ortstreue von JJ1, hohe Temperaturen, Wetterunbilden sowie die Schwierigkeiten des alpinen Geländes. Am 23. Juni wurde der Einsatz der fünf finnischen Spezialisten endgültig ergebnislos abgebrochen. Der Einsatz des finnischen Teams kostete 30.000 Euro, die sich Bayern und Tirol teilten.[11]

Kritik an den Fangversuchen

Aufgrund der allgemein lukrativen Beuteaussichten und der hohen Wanderaktivität von JJ1 war die Chance eher gering, ihn mit Hilfe eines Beuteköders in die Falle zu locken. Die Aussichten, innerhalb von zwei Wochen den hochmobilen JJ1 durch Jäger zu stellen, die mit dem schwierigen alpinen Gelände nicht vertraut waren, und unter Einsatz von Hunden, die unter den für sie ungünstigen klimatischen Bedingungen schwächelten, waren ebenfalls absehbar gering. Die Fangversuche hätten für eine realistische Erfolgsaussicht in engerer Zusammenarbeit mit einschlägigen Experten entwickelt und umgesetzt werden müssen.

Die erneute Abschussgenehmigung

Am 23. Juni 2006 wurde die Abschussgenehmigung wieder in Kraft gesetzt. Auch der Landeshauptmann von Tirol war für den Abschuss. Während man in Tirol die gesetzlichen Grundlagen für einen Abschuss des Bären schuf, entbrannte in Bayern ein Streit darüber, wer dafür zuständig sein könnte: Der Landesjagdverband wollte sich keinesfalls aktiv an einer Hatz auf JJ1 beteiligen. So sollte die Polizei diese Aufgabe übernehmen. Das Innenministerium verwies aber darauf, dass die Polizei lediglich unterstützend, z. B. mit Hubschraubern und Personal, tätig werden könne, für die Jagd auf Großwild fehle jedoch die Kompetenz.

Reaktionen der Öffentlichkeit

Die Neuerteilung der Abschussgenehmigung stieß dabei immer noch auf vehementen Protest von Experten und Tierschützern.[12] Ein Streitpunkt war, ab wann die neue Abschussgenehmigung ihre Gültigkeit erlangte. Hier kursierten sowohl der 26. Juni für Bayern als auch der 27. Juni für Tirol in den Medien, das bayerische Ministerium selbst nannte den 25. Juni, obwohl in einer Allgemeinverfügung des zuständigen Regierungsbezirks Oberbayern vom 23. Juni 2006 „der sofortige Vollzug der vorstehenden Ausnahmegenehmigung als Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse“ angeordnet wurde. Zitat: „Die Allgemeinverfügung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft“.[13]

Kritisiert wurde auch, u.a. seitens der Jägerschaft, dass Schnappauf eine Abschussgenehmigung gutheiße, obwohl der Bär ein geschütztes Tier und entsprechend dem bayerischen Jagdgesetz kein jagbares Wild ist. Somit, hieß es, läge eine Kompetenzüberschreitung, wenn nicht gar die Anstiftung zum Wildfrevel vor.

Die Tötung von JJ1

Nach insgesamt vier Wochen erfolgloser Versuche, „Bruno“ zu fangen, wurde er am Morgen des 26. Juni 2006 um 4:50 Uhr auf der 1500 m hoch gelegenen Kümpflalm, einer Alm in der Nähe der Rotwand im Spitzingseegebiet, im Gemeindebereich Bayrischzell im Landkreis Miesbach von einem Jäger aus Bayrischzell getötet.[14]

Zunächst war unklar, wer für den Abschuss verantwortlich war. Die örtliche Jägerschaft distanzierte sich von Anschuldigungen und gab an, sich bereits frühzeitig gegen einen Abschuss des Braunbären ausgesprochen zu haben, da dieser in Deutschland geschützt sei und überhaupt nicht gejagt werden dürfe. Der Abschuss sei vielmehr durch ein staatlich beauftragtes Sicherheitsteam erfolgt. Später wurde bekannt, dass tags zuvor im Landratsamt von Miesbach eine „Eingreiftruppe“ zusammengestellt wurde, die bei einer erneuten Sichtung des Tieres so schnell wie möglich vor Ort gebracht werden sollte. Als der Bär am Abend des 25.6. im Bereich des Rotwandhauses dann tatsächlich gesichtet wurde, brach diese Eingreiftruppe auf. Sie erreichte die Kümpflalm gegen Mitternacht. Als die Gruppe am nächsten Morgen die Hütte um 4:50 verließ, war der Bär 150 m entfernt.[15]

Von Seiten des Bayerischen Umweltministeriums hieß es, der Abschuss sei – so wörtlich – „von jagdkundigen Personen“ vorgenommen worden.[14] Weitere Details über den Schützen oder den Vorgang selbst wurden jedoch nicht genannt.

JJ1 starb aufgrund innerer Verletzungen, wie die am 28. Juni 2006 veröffentlichte Obduktion ergab, in der Lunge befand sich 1 Liter Blut.[16] Am 6. Juli 2006 gab Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf das Ergebnis der DNA-Analyse bekannt, welches bestätigte, dass der abgeschossene Bär tatsächlich auch JJ1 war. Auf eine entsprechende Anfrage der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag verweigerte Schnappauf detailliertere Angaben zum Abschuss: „Aussagen zum Gewehrtyp, zu Kaliber und Munition können nicht gemacht werden, um die Anonymität der Beteiligten zu wahren.“[17]

Reaktionen auf die Tötung

Verbände

  • Der Bund Naturschutz in Bayern e. V. (BN) bedauerte, dass 170 Jahre nach der Ausrottung des Bären in Bayern durch den Menschen das erste wiederkehrende Tier bereits nach wenigen Wochen getötet wurde.
  • Der Deutsche Tierschutzbund prüfte rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen.[18]
  • Der WWF bedauerte den Abschuss, wies jedoch darauf hin, dass es sich um ein verhaltensauffälliges Tier handelte.
  • Die Tierschutzstiftung Vier Pfoten, die sich in Rumänien um Tanzbären kümmert und derzeit in Mecklenburg-Vorpommern eine Auffangstation für Braunbären aus schlechten Haltungsbedingungen errichtet, kündigte an, die Rechtmäßigkeit des Abschusses von Bruno zu prüfen und gegebenenfalls weitere juristische Schritte zu unternehmen.
  • Die STIFTUNG FÜR BÄREN ernannte den 26. Juni, den Abschusstag des seit 171 Jahren ersten heimischen Bären, zum Bärengedenktag.

Politik

  • Die SPD-Landtagsfraktion Bayern forderte den Rücktritt von Umweltminister Werner Schnappauf.[19]
  • Der Umweltstaatssekretär Bayerns, Otmar Bernhard, bezeichnete den Abschuss von JJ1 als äußerst bedauerlich, aber objektiv unvermeidbar.[20] Des Weiteren erklärte Bernhard, dass die Identität des Schützen nicht preisgegeben werden solle. Fragen nach Beteiligung eines Polizisten an der Abschussaktion ließ er unbeantwortet. „Es sind Jagdkundige, und dabei bleibt es“, sagte Ministeriumssprecher Roland Eichhorn zu den Fragen nach den Bärenjägern.[21] Bereits wenige Stunden nach der Tötung trafen Morddrohungen gegen den Todesschützen bei dem örtlichen Jagdverein ein.
  • Italien legte am 28. Juni 2006 Protest gegen die Tötung von JJ1 bei der EU-Kommission ein.[22] Die italienische Regierung will damit erreichen, dass der Artenschutz auf EU-Ebene geregelt wird. JJ1 war Teil des von der EU finanzierten Projektes „Life Ursus“ gewesen, dessen Ziel ist es, im Grenzgebiet Italien-Österreich-Deutschland wieder Bären anzusiedeln. Ein Abschuss komme nur dann in Frage, wenn ein Tier eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle - das sei bei JJ1 nicht der Fall gewesen, äußerte sich der WWF-Veterinär Alessandro de Guelmi, der maßgeblich für die Tierwelt der italienischen Alpen verantwortlich ist.
  • Der Umweltminister Deutschlands, Sigmar Gabriel, hat im Zusammenhang mit den Vorfällen um Braunbär JJ1 einen europaweit einheitlich geregelten Schutz von Raub- und Wildtieren verlangt. „Auch diese Tiere haben ein Recht zu leben, nicht nur im Zoo, sondern in ihrer natürlichen Umgebung.“ Gabriel geht zwar davon aus, dass die bayerische Landesregierung ihre Vorgehensweise sicherlich gut begründen kann, fragt sich jedoch „ob es nicht auch möglich gewesen wäre, Bruno zu betäuben oder mit Hartgummigeschossen zu vergrämen statt ihn zu erschießen“.
  • Am 4. Juli 2006 haben sich in Trient Bärenexperten aus Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz getroffen, wobei es vor allem um wildbiologische Fragen ging. Weitere Beratungen über das so genannte Bärenmanagement sollen im August 2006 in Chur stattfinden.
  • Der italienische Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio hat in einem Schreiben das bayerische Umweltministerium offiziell aufgefordert, den Kadaver an Italien zurückzugeben. „Der Braunbär war Teil eines auf italienischem Staatsgebiet durchgeführten Projekts zur Wiedereingliederung der Braunbären in der Adamello-Brenta-Gruppe und ist somit Eigentum des italienischen Staates“. Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf lehnte das Ansinnen seines italienischen Kollegen jedoch ab. Ein Wildtier gehöre seiner Meinung nach niemandem, und mit dem rechtmäßigen Abschuss sei das Eigentumsrecht an dem Kadaver an den Freistaat Bayern übergegangen. Dort werde er wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung gestellt. Überdies warf er den Italienern vor, mit ihrer misslungenen Vergrämungsstrategie nicht fachgerecht vorgegangen zu sein.

Institutionen

  • Nach Prüfung des Sachverhalts gab die Münchner Staatsanwaltschaft am 7. Juli 2006 bekannt, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, da „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen.“ „Die Begründung für die Abschussgenehmigung sei nachvollziehbar und ein vorsätzlicher oder sorgfaltswidriger Verstoß gegen Strafnormen scheidet daher aus.
  • Henning Wiesner, Direktor des Tierparks Hellabrunn, empörte sich darüber, dass der Bär nicht betäubt und mit einem GPS-Halsband versehen wurde. Das hätte die Ortung des Bären mit einer Genauigkeit von ca. 5 m möglich gemacht, so dass man jederzeit Gegenmaßnahmen bei Annäherungen an menschliche Wohngebiete hätte einleiten können. Am Wochenende noch habe sich gezeigt, wie leicht sich Menschen dem Bären hätten nähern können (auf ca. 10–15 m), so dass der Einsatz von Betäubungsgewehr (ca. 30 m Reichweite) oder Blasrohr (ca. 10 m Reichweite) möglich gewesen wäre.
  • Die staatliche italienische Waldpolizei Cfs kündigte an, einen Helikopter auf den Namen Orso Bruno (Bär Bruno) zu taufen.[23] Sie kritisierte die Erschießung des Tieres, welches die Frucht eines schwierigen und gut funktionierenden Programmes zur Wiedereinführung der Bären in den Alpen gewesen sei.

Der Begriff „Problembär“

Im Zusammenhang mit dem Auftreten des Braunbären hatte sich schnell ein Begriff etabliert, der bisher in Deutschland unbekannt war: „Problembär“. Schnell wurde der Begriff zum Synonym für JJ1 und es bildeten sich erste Abwandlungen. Bei der Wahl zum Wort des Jahres 2006 erreichte das Wort den siebten Platz.

Herkunft des Begriffs

Aufgrund ähnlicher Zwischenfälle mit Bären in Niederösterreich und der Steiermark wurde dieser Begriff in der österreichischen Medienberichterstattung schon in den 90er Jahren geprägt. Der ehemalige Moderator der ORF-Fernsehsendung „Inlandsreport“, Helmut Brandstätter, erklärte im Jahre 1994 das Wort „Problembär“ scherzhaft sogar zum „Wort des Jahres“.

In Deutschland populär und zu einem das Tagesgeschehen mitbestimmenden Wort wurde dieser Ausdruck jedoch erst durch eine Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber Ende Mai 2006, der im Rahmen einer Pressekonferenz die Abschussgenehmigung rechtfertigte. Stoiber erkannte zwar die Bedeutung des Bären als Zeichen gelungenen Naturschutzes an, verwies aber auf die bestehende Problematik der mangelnden Scheu dieses Bären vor dem Menschen. Hierbei unterschied Stoiber in wissenschaftlich fragwürdiger Weise zwischen „Normalbären“ mit erwartungsgemäßem Verhalten, weiter sogenannten „Schadbären“ (einem Begriff, der in der Staatskanzlei breite Verwendung fand) sowie schließlich den „Problembären“, zu denen er auch JJ1 zählte. In den deutschen Medien und der deutschen Öffentlichkeit etablierte sich dann überwiegend der Begriff Problembär.

Aufgrund der ständig fehlgeschlagenen Fangversuche und der sich anhäufenden Schäden wurde JJ1 später auch als sogenannter „Risikobär“ bezeichnet.

In manchen Staaten der USA, wie beispielsweise in New York, kommen wildlebende Bären häufig vor. Einzelne Tiere, die sich daran gewöhnt haben, sich beispielsweise Siedlungen oder Campern zu nähern, um Futter zu finden, werden als Nuisance Bears („lästige Bären“, „Störbären“) bezeichnet. Zu einem Einfangen und Verbringen von solchen Bären wird nur in extremen Fällen gegriffen.

Verselbständigung des Begriffes

Die als unreflektiert empfundene Einteilung des Bären durch den bayerischen Ministerpräsidenten sorgte in der Öffentlichkeit für Aufsehen und gab Anlass für heitere wie kritische Kommentare in den Medien. Sie wurde in Radiospots sowie im Internet in Form von Parodien mehrfach kabarettistisch aufbereitet. So wurde Stoiber z. B. als „Stoibär“ oder „Schlaubär“ bezeichnet, ferner war spöttisch von der „Stoiber'schen Bärenkunde“ die Rede. Der Fernsehmoderator Stefan Raab titulierte Stoiber als „Problembär der Staatsregierung“.

Daraufhin fanden die mit der Rechtfertigung der Verfolgung des Bären in Zusammenhang gebrachten Komposita „Problem-“, „Schad-“ und „Risikobär“ vielfältige Verwendung. Oft tauchten sie in den Medien im Hinblick auf Personen oder Personengruppen auf, die gerade für ein negatives Presse-Echo sorgen. So sprachen Medien am 27. Juni in einem Artikel im Bezug auf den bayrischen Umweltminister, der die Abschussgenehmigung erteilt hatte, von einem „Problemminister“.[24] In anderen Medien war in ähnlichen Zusammenhängen die Rede von einem „Risikominister“ und von „Schadpolitikern“. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen das Satiremagazin Titanic wegen dessen Titelbildes „Problembär außer Rand und Band: Knallt die Bestie ab!“.[25]

Quellen

  1. The New York Times: Bruno Is Having a Picnic, but He's No Teddy Bear, 16. Juni 2006
  2. WWF: Bären in den Alpen (URL ungültig)
  3. Naturpark Brenta Adamello - Homepage: Life Ursus (englisch)
  4. WWF-Österreich: WWF bestätigt: Tiroler Bär ist JJ1, 30. Mai 2006 (URL ungültig)
  5. [1] (dort nicht mehr vorhanden)
  6. http://www.kora.unibe.ch/news/archiv/20070702_.htm
  7. Mitteldeutsche Zeitung: Streunender Braunbär ist kein Unbekannter mehr, 19. Juni 2006
  8. Süddeutsche Zeitung: Bruno, der ABM-Bär, 8. Juni 2006
  9. Fünf finnische Elchhunde sollen Braunbär aufspüren in de.news.yahoo.com am 12.06.2006
  10. sueddeutsche.de: Spur in Österreich: Neue Rätsel um Bär Bruno., 19. Juni 2006
  11. Abendblatt: Mountainbiker verfolgten „Bruno“ – von heute an zum Abschuß frei, 26. Juni 2006
  12. Netzeitung: Ab Montag droht Bruno der Abschuss, 23. Juni 2006
  13. Regierung Oberbayern: Allgemeinverfügung, 23. Juni 2006
  14. a b Bayerischer Rundfunk: Abschuss: Jäger töten Braunbär „JJ1“, 26. Juni 2006
  15. sueddeutsche.de: Wie Bruno sein Ende fand, 27. Juni 2006
  16. ORF.at-News: „Bruno“-Obduktion: Bär starb an inneren Verletzungen
  17. Badische Zeitung online:DNA-Analyse bestätigt: Der tote Bär war JJ1, 7. Juli 2006
  18. Deutscher Tierschutzbund: Pressemitteilung, 26. Juni 2006
  19. SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag: Bärentöter Schnappauf muss seinen Hut nehmen, 26. Juni 2006
  20. Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: Pressemitteilung, 26. Juni 2006
  21. n-tv: Bayerns Bär erlegt, 26. Juni 2006
  22. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Italien protestiert bei EU-Kommission gegen „Brunos“ Tod, 27. Juni 2006
  23. Tages-Anzeiger: Italiens Waldpolizei tauft Helikopter Orso Bruno, 27. Juni 2006
  24. Stern: Schnappauf wird zum Problem-Minister, 27. Juni 2006
  25. Lars Langenau: SPD verklagt „Titanic“, Spiegel Online, 3. Juli 2006