X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
Der X. Zivilsenat ist ein Spruchkörper des Bundesgerichtshofs. Es handelt sich um den zehnten von insgesamt zwölf Senaten, die sich mit Zivilsachen befassen.
Besetzung
- Vorsitzender: Klaus-Jürgen Melullis
- Stellvertretender Vorsitzender: Uwe Scharen
- Beisitzer: Alfred Keukenschrijver, Barbara Ambrosius, Elisabeth Mühlens, Peter Meier-Beck, Claus-Dietrich Asendorf, Jochem Gröning
Zuständigkeit
Nach dem Geschäftsverteilungsplan ist der X. Zivilsenat zuständig für die Bereiche Patent-, Gebrauchsmuster- und Topographieschutzrecht nebst Verträgen hierüber (Nr.1), Verträge über die Benutzung eines Geheimverfahrens (sog. Know-how) (Nr. 2), die Rechtsstreitigkeiten aus dem Gebiet der Arbeitnehmererfindungen (Nr. 3), die Rechtsstreitigkeiten aus dem Sortenschutzgesetz, soweit sie nicht dem I. Zivilsenat zugewiesen sind (letzteres betrifft die Sortenbezeichnung) (Nr. 4), die Patentnichtigkeits- und Zwangslizenzsachen (Nr. 5), die Rechtsbeschwerden gegen Beschlüsse des Bundespatentgerichts in den genannten Materien (Nr. 6), bestimmte Ansprüche eines Patentanwalts gegen einen Patentanwalt (Nr. 7), Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge, soweit diese nicht einem anderen Senat (insbesondere dem für das Bauwerkvertragsrecht zuständigen VII. Zivilsenat) zugewiesen sind (Nr. 8), die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO (seit 1998 im Wesentlichen auf die Oberlandesgerichte übergegangen; Nr. 9), Entscheidungen, die erforderlich sind, bevor sich der zuständige Senat feststellen lässt (Nr. 10), die Rechtsstreitigkeiten über Reise- und Personenbeförderungsverträge (Nr. 11, die einzige Materie, die im Allgemeinen auf breiteres öffentliches Interesse stößt), die Rechtsstreitigkeiten über Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber (Nr. 12) und schließlich die Rechtsstreitigkeiten über Schenkungen (Nr. 13).
Geschichte
Der Senat ist am Jahresbeginn 1963 als Ia-Senat aus der Teilung des früheren I. Zivilsenats hervorgegangen. Dies war im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass mit der Einrichtung des Bundespatentgerichts am 1. Juli 1961 ein neuer Rechtsmittelzug (Rechtsbeschwerdeverfahren) zum Bundesgerichtshof eröffnet wurde, der diesen in den Anfangsjahren stark belastet hat. Die Aufteilung zwischen dem Ia-Senat und dem Ib-Senat erfolgte in der Weise, dass dem Ia-Senat die technischen Schutzrechte (Patent, Gebrauchsmuster) zugewiesen wurden, dem Ib-Senat das Warenzeichenrecht (inzwischen Markenrecht), das Geschmacksmuster- und Urheberrecht sowie das Wettbewerbsrecht. Am 1. März 1968 erhielt der Ia-Senat die Bezeichnung X. Zivilsenat, während der Ib-Senat seither die Bezeichnung I. Zivilsenat trägt. Bis 1983 trug der X. Zivilsenat die Zusatzbezeichnung Patentsenat, die auch heute noch gelegentlich verwendet wird.
Die Zuständigkeiten des X. Zivilsenats blieben bis in das Jahr 1984 im Wesentlichen unverändert. Seither wurden dem Senat jedoch zahlreiche und insgesamt recht heterogene weitere Zuständigkeiten aus dem allgemeinen Zivilrecht zugewiesen (vgl. Nr. 8 bis 13 des Geschäftsverteilungsplans).
Vorsitz und Mitglieder
Den Vorsitz im Ia/X. Zivilsenat hatten bisher die Senatspräsidenten Prof. Dr. Karl Nastelski (bis 30.9.1967), Dr. Karl Spreng (bis 30.6.1972), Wilhelm Trüstedt (bis 30.6.1976) und die Vorsitzenden Richter Prof. Werner Ballhaus (bis 31.8.1985), Prof. Dr. Karl Bruchhausen (bis 31.3.1993), Rüdiger Rogge (bis 31.10.2001) und hat seither Dr. Klaus-Jürgen Melullis inne. Als Richter gehörten dem Senat die bereits ausgeschiedenen Bundesrichter/Richter am BGH Dr. Bock, Dr. Löscher, Dr. Spengler, Dr. Jungbluth, Dr. Claßen (von Anfang an), Schneider (seit 1963), Prof. Ochmann (seit 1970), Dr. Häusser (später Präsident des Deutschen Patentamts, Bendler (seit 1972), Prof. Dr. Windisch (seit 1975), Dr. Hesse, Brodeßer (seit 1976), von Albert (seit 1978), Frhr. v. Maltzahn (seit 1985), Prof. Dr. Jestaedt, Dr. Broß (seit 1986, später Richter am Bundesverfassungsgericht), Dr. Greiner (seit 1993; später VI. Zivilsenat) und Dr. Kirchhoff (seit 2004; später I. Zivilsenat) an.
Besonderheiten und Kuriosa
In den Patentnichtigkeits- und Zwangslizenzsachen ist der X. Zivilsenat - für den Bundesgerichtshof ganz ungewöhnlich - Tatsacheninstanz. Das für ein oberstes Bundesgericht untypische Rechtsmittel der Berufung in diesen Verfahren wurde bereits im Jahr 1877, damals noch zum Reichsoberhandelsgericht, dem Vorläufer des Reichsgerichts, eingeführt und hat sich seither ohne große Veränderungen erhalten. Das Verfahren richtet sich nicht nach der Zivilprozessordnung, sondern folgt eigenen Regeln. In der Mehrzahl der Berufungsverfahren holt der X. Zivilsenat das Gutachten eines Sachverständgen ein; gelegentlich findet auch eine Vernehmung von Zeugen statt. In jüngerer Zeit macht sich ein deutliches Ansteigen der Zahl der Berufungen in (den außergewöhnlich arbeitsaufwändigen) Patentnichtigkeitssachen bemerkbar, das zu einem erheblichen Stau geführt hat (am 1. Juli 2007 184 nicht erledigte Verfahren bei rund 60 Eingängen im Jahr), der die Verfahrensdauer zunehmend verzögert (im Jahr 2007 wurden im Wesentlichen Verfahren, die im Jahr 2002 beim Bundesgerichtshof eingegangen sind, abgearbeitet). Die hat bereits zu intensiveren Diskussionen sowohl im Gericht als auch in der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und in der Patentanwaltskammer geführt. Bemerkenswert an diesen Verfahren ist weiter, dass sich die Vertretungsbefugnis nicht wie sonst auf die am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte beschränkt.
Als Kuriosum verdient der Brauch des Senats erwähnt zu werden, jährlich im Dezember eine Nikolausfeier abzuhalten, bei der von den wissenschaftlichen Mitarbeitern erwartet wird, ein satirisches Nikolausgedicht über die Ereignisse des letzten Jahres vorzutragen, was bei diesen aber zunehmend auf Zurückhaltung bis Ablehnung stößt.
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dem Senat sind in der Regel zwei bis drei wissenschaftliche Mitarbeiter (üblich ist trotz des Hautgoût, den sie hat ("Hilfswilliger"), die Bezeichnung "Hiwi"; überwiegend Richter am Landgericht und Richter am Bundespatentgericht) zugewiesen.
Literatur
- Haller, Aus der Arbeit eines gerichtlichen Sachverständigen im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem Bundesgerichtshof, GRUR 1985, 653;
- Hesse, Die Aufgaben des gerichtlichen Sachverständigen im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem Bundesgerichtshof, Der Sachverständige 1983, 149;
- Rupprecht Knecht (Akronym), Absterbende Bräuche - Der Nikolaus im X. Zivilsenat, in Herz/Freymann/Vatter (Hrsg.) HIWI 2000, Die "einzig wahre Festschrift" oder: Was Sie schon immer über den BGH wissen wollten, Saarbrücken 2000, ISBN 3-935009-01-1.