Linde in Schenklengsfeld

Lage der Linde in Deutschland |
Die Linde in Schenklengsfeld (auch Schenklengsfelder Dorflinde oder Riesenlinde genannt) ist dem Deutschen Baumarchiv zufolge, der älteste Baum in Deutschland. Die Linde steht in Schenklengsfeld, etwa zehn Kilometer südöstlich von Bad Hersfeld im osthessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Unter der Sommerlinde (Tilia platyphyllos) wurde mehrere Jahrhunderte lang Gericht gehalten. Bei ihr war auch ein Pranger für den Strafvollzug aufgebaut. [1]
Standort
Die Linde steht auf etwa 318 Meter Höhe über Normalnull auf dem Marktplatz von Schenklengsfeld, das auf einer fruchtbaren Hochebene zwischen dem Seulingswald im Norden und den Ausläufern der Kuppenrhön im Süden liegt. Der Marktplatz ist leicht nach Süden geneigt und etwa 30 mal 60 Meter groß. Er ist heute komplett gepflastert. Die Linde selbst ist von einer etwa 50 Zentimeter hohen Steinmauer umgeben. Ein Balkengerüst trägt die Äste der Linde. Zum Innenraum hin hat die Mauer mehrere Durchgänge. Dahinter befindet sich der Sankt-Georg-Brunnen.
Geschichte
Die Linde soll nach den Angaben von T. Rosskopf aus dem Jahre 1964 in Das Landinger Amt im Kreise Hersfeld[2] im Jahre 760 beim Bau einer Kapelle zu Ehren des Ritters Sankt Georg gepflanzt worden sein, wovon ein Stein im Zentrum der vier Stammteile zeugt.[3] Zu diesem Zeitpunkt hieß der Ort noch Lengisfeld. Die Pflanzung der Linde ist jedoch nicht beurkundet. Die Linde diente von 1557 bis 1796 ständig und danach bis weit in das 19. Jahrhundert zeitweise als Gerichtslinde.[3]

Die Linde diente auch lange Zeit als Treffpunkt für Tanz und Jahrmarkt.[2] Das Tanztreffen hat sich bis in die heutige Zeit erhalten und wird alle zwei Jahre im Juni als Lindenblütenfest gefeiert. Dabei zeigen Trachtengruppen, Gesangvereine und historische Festzüge Szenen aus der Geschichte. Eine gespielte Szene erinnert hierbei an eine Sage, wonach an der Stelle der Linde der Ritter Georg das Burgfräulein von der Burg Landeck vor einem Drachen gerettet haben soll.[4] Als Höhepunkt findet zum Abschluss des Festes eine Illuminierung der Linde durch ein Feuerwerk statt.
Die Linde ist aufgrund ihrer Seltenheit und Besonderheit schon lange als Naturdenkmal ausgewiesen. Nach dem Feld- und Forstpolizeigesetz von 1880 wurde die Linde bereits 1926 und 1930 in einer Anordnung der Kreis- und Ortspolizeibehörde zum Schutz der Naturdenkmale und 1936 nach dem Reichsnaturschutzgesetz geschützt.[5]
Der Baumchirurg Michael Maurer, der die Linde 1976[5] für 11.000 Deutsche Mark sanierte, schrieb am 30. September 1968 in einem Gutachten über die Linde:

„Und es ist nicht allein die Schenklengsfelder Linde, deren unteren Astkranz man soweit auszog. Ursprünglich zog man diese Linde hoch in drei Stufen, ja sogar 3 Stufen des Bodens. Dies hängt mit der Einteilung im germanischen Glauben zusammen: Unter dem Baum die Riesen (Teufel), im Baume die Menschen und oben in der dritten Stufe (Himmel) die Asen. Dazu glaubte man, dass der Brauttanz unbedingt im Hause der Freija, der guten Fee, getanzt werden müsste, um Glück zu bringen. Sicherlich war dies Linde auch einmal dreistufig. Genau wie an der berühmten Effeltricher Linde [...] verkümmerte der Mittelstamm durch die zu starke Förderung der untersten Stufe, verhungerte er, starb von oben herab ab. Sicherlich tantzte man vor 200 Jahren noch oben, später unten.“
Beschreibung

Der Stamm der Linde ist geborsten und besteht nur noch aus vier einzelnen Teilen, die jeweils für sich als Baum erscheinen. Innerhalb der vier Stammteile befindet sich eine größere Freifläche von etwa sechs Quadratmetern. Diese ist durch Steine erhöht und mit einem Lattenzaun umgrenzt. Die vier einzelnen Stammteile, die einem gemeinsamen Wurzelstock entstammen, haben sich mit der Zeit vom Zentralraum entfernt. So erscheint es heute auf den ersten Blick kaum glaubhaft, dass es ursprünglich nur ein Baum war. Die vier einzelnen Stammteile werden von einem Gerüst getragen. Einer Legende nach soll die Linde vor langer Zeit durch einen Blitzeinschlag geteilt worden sein, dies erscheint allerdings unwahrscheinlich.[2] Zu einem Zeitpunkt, als der Stamm noch aus einem Stück bestand, sollen auf den Hauptästen Balken und Dielen gelegen haben, die als Tanzpodium dienten.
Die Krone der Linde wird durch waagerecht verlaufende Hauptäste gebildet. Diese werden von einem etwa 65 Meter langen Gerüst gestützt, das auf insgesamt mehr als 80 Balken ruht.[3] Ein paar Äste wachsen im Zentrum der Krone normal in die Höhe. Die ungewöhnliche Wuchsform der waagerechten Hauptäste wurde durch eine entsprechende Leitung erzielt. Die Krone wurde in die Breite geleitet und somit das Höhenwachstum gemindert. Bei einer Höhe von etwa zehn Metern weist die Krone einen Durchmesser von fast 25 Metern auf. .[3]
Ob die Leitung der Äste zur Gewinnung von Bast diente, wie das bei anderen Tanzlinden beurkundet ist, ist nicht bekannt. Bei diesem Verfahren wurden die jungen, senkrechten Triebe der geleiteten Linde zur Gewinnung von Bast für Veredelungen in der Apfelzucht abgeschnitten. Um die Zweige stets in ausreichender Menge ernten zu können, wurden sie nach unten gebogen und in dieser Position fixiert. Dadurch bildeten sich auch die charakteristischen querstrebenden Äste.
Stammumfang
Die Messung des Stammumfanges gestaltet sich schwierig, da der Stamm aus vier einzelnen, voneinander getrennten Stammteilen besteht. Die Umfangsmessungen erfolgen um den vier Stammteilen herum, die jeweils etwa drei Meter Umfang haben, wobei der fehlende Zwischenraum nicht berücksichtigt wird und demzufolge Fehlerbehaftet ist. In einem Meter Höhe beträgt der Stammumfang 17,91 Meter.[7] An der Stelle seines geringsten Durchmessers hat der Stamm einen Umfang von 17,80 Metern.[8] Die Linde weist damit den größten Umfang eines Baumes in Deutschland auf. Eine Messung von Hartwig Goerss im Jahre 1978 ergab in 0,5 Meter Höhe einen Umfang von 17,40 Metern.[9]
Alter

Über das Alter der Linde gibt es verschiedene Angaben. Auf einem Stein, der sich im Zentrum der vier Stammteile befindet, steht Gepflanzt im Jahre 760. Dieses Datum ist identisch mit dem Bau der Kapelle. Danach wäre die Linde heute annähernd 1250 Jahre alt. Von wem und wann der Stein angebracht wurde, ist nicht überliefert.
In der ARD-Sendung Deutschlands älteste Bäume am 23. April 2007 wurde die Linde von Stefan Kühn vom Deutschen Baumarchiv mit 1120 Jahren als ältester Baum in Deutschland vorgestellt.[10] Hans Joachim Fröhlich gab 1990 ein Alter von über 1000 und Anette Lenzing 2005 von 1200 bis 1300 Jahren an.[3] In der neuesten Literatur, Deutschlands alte Bäume wird das Alter der Linde mit 600 bis 1000 Jahren angegeben.[7]
Gerichtslinde
In Schenklengsfeld übten Beamte von 1557 bis 1796 ständig und anschließend bis weit in das 19. Jahrhundert hinein zeitweise, das Richteramt aus.[3] Das in der Nähe der Linde gelegene ehemalige Amsthaus in der Landecker Straße 8 war der Sitz des landgräflich-hessischen Amtmannes, des obersten Richters des Landecker Amtes. Dabei wurde die Linde als Gerichtslinde benutzt. Unter der Linde wurden die Ratsversammlungen als Thing oder Rügegericht abgehalten, die von Karl dem Großen eingeführt worden waren.[2] Die verurteilten Feldfrevler wurden unter der Linde an einem dort angebrachten Pfahl ein oder mehrere Stunden angekettet, teilweise auch ein oder mehrere Tage.[3] Dies wird belegt durch den Fund eines Lögeisens, mit dem Verurteilte am Pranger befestigt werden konnten. Hartwig Goerss schilderte 1981 darüber:

„In früheren Zeiten fanden unter der Linde die Rügegerichte [...] statt. [...] wurden von der Gemeindevertretung abgehalten und hatten den Zweck, die Feldfrevler zu verurteilen. Diese Missetäter [...] wurden von der Gemeindevertretung abgehalten und hatten den Zweck, die Feldfrevler zu verurteilen. Diese Missetäter [...] wurden an einen unter der Linde angebrachten Pfahl (Löngestock), an welchem sich ein Schließeisen befand, eine oder mehrere Stunden, oft auch einen ganzen Tag, angeschlossen.“
Einzelnachweise
- ↑ Hessisches Staatsarchiv, Marburg – Akten aus dem 17. Jahrhundert.
- ↑ a b c d Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Seite 157. Siehe auch: Literatur.
- ↑ a b c d e f g h Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Seite 74. Siehe auch: Literatur.
- ↑ Lindenblütenfest
- ↑ a b Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Seite 75. Siehe auch: Literatur.
- ↑ Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Seiten 74–75. Siehe auch: Literatur.
- ↑ a b Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands alte Bäume. Seite 14. Siehe auch: Literatur.
- ↑ Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands alte Bäume. Seite 190. Siehe auch: Literatur.
- ↑ Die 1000-jährige Tanzlinde in Schenklengsfeld bei altebaeume.de
- ↑ DasErste.de Deutschlands älteste Bäume
Literatur

- Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Verlagsbuchhandlung KG, Königstein im Taunus 2005, Seite 74–75, ISBN 3-7845-4520-3.
- Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands alte Bäume. Fünfte, erweiterte Auflage, BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2007, Seite 14, ISBN 978-3-8354-0183-9.
- Hans Joachim Fröhlich: Wege zu alten Bäumen – Band 1, Hessen. Widi-Druck, Offenbach 1990, Seite 20, 54 und 55, ISBN 3-926181-06-0.
- Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Cornelia Ahlering Verlag, Buchholz 2000, Seite 157, ISBN 3-926600-05-5.
